T 1638/15 () of 28.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T163815.20190528
Datum der Entscheidung: 28 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1638/15
Anmeldenummer: 10701198.3
IPC-Klasse: B29C 51/16
B29C 55/02
B32B 27/06
B32B 27/18
B32B 27/32
G09F 3/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung einer Etikettenfolie für Tiefziehverfahren
Name des Anmelders: Treofan Germany GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Taghleef Industries LLC
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 23. Juni 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 387 493 zurückzuweisen.

II. Der Einspruch ist gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und mit dem Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ substantiiert worden.

III. Am 28. Mai 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Auf folgende Dokumente wird Bezug genommen:

G2: WO 2004/014650;

G3: EP 0 611 647 A1;

G4: EP 0 546 741 A1;

G5: WO 01/28755 A1;

G7: WO 02/45956.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"Verwendung einer mehrschichtigen biaxial orientierten Polyolefinfolie mit mindestens fünf Schichten als Etikett beim Tiefziehen, welche aus einer Polypropylen-Basisschicht und einer inneren und einer äußeren Deckschicht und einer inneren und äußeren Zwischenschicht aufgebaut ist, dadurch gekennzeichnet, daß

I die Basisschicht frei von Vakuolen ist und

IIa die äußere Zwischenschicht frei von Vakuolen ist und mindestens 95 Gew.-% Propylenpolymer enthält, welches einen Propylengehalt von 98 bis 100 Gew.-%, bezogen auf das Propylenpolymere, aufweist und

IIIa die äußere Deckschicht bedruckbar ist und

IIb die innere Zwischenschicht im wesentlichen aus Propylenpolymer aufgebaut ist und Vakuolen enthält und

IIIb die innere Deckschicht auf der Oberfläche der inneren Zwischenschicht aufgebracht und eine siegelfähige Deckschicht ist und eine Siegelanspring­temperatur von < 130°C aufweist."

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Das Dokument G2 stelle für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit den nächstkommendem Stand der Technik das. Dieses Dokument zeige eine fünfschichtige biaxial orientierte Polyolefinfolie mit einer vakuolen­haltigen Polypropylen-Basisschicht (vgl. G2, Seite 9, Zeilen 5 bis 26), einer äußeren Zwischenschicht, die frei von Vakuolen sei, mindestens 95% Polypropylen enthalte und, bezogen auf das Polypropylenpolymere, einen Propylengehalt von 98 bis 100% aufweise (vgl. G2, Seite 13, dritter Absatz und Zeilen 20 bis 25), einer bedruckbaren äußeren Deckschicht (vgl. G2, Seite 8, vorletzter Absatz), einer inneren vakuolenhaltigen Polypropylen-Zwischenschicht (vgl. G2, Seite 16, vorletzter Absatz, erster Satz) und einer siegelfähigen inneren Deckschicht mit einer Siegelanspringtemperatur von unter 130°C (vgl. G2, Seite 16, zweiter Absatz). Der fünfschichtige Aufbau mit einer vakuolenhaltigen Basisschicht und einer vakuolenhaltigen inneren Zwischenschicht gehe insbesondere auch aus der Kombination der Ansprüche 1, 12 und 13 des Dokuments G2 eindeutig hervor. Dafür, dass das im Dokument G2 für die innere Decksicht vorgesehene Material tatsächlich eine Siegelanspringtemperatur von unter 130°C aufweise, werde auf das Dokument G3 (vgl. G3, Beispiel 1 und Tabelle) verwiesen. Aus den Dokumenten G5 (vgl. G5, Seite 8, vorletzter Absatz) und G7 (vgl. G7, Seite 12, Zeile 12 ff.) gehe zudem hervor, dass durch eine raue innere Etikettoberfläche die Bildung von Blasen vermieden werde.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von dem aus dem Dokument G2 bekannten Etikett folglich nur im Merkmal, dass die Basisschicht ohne Vakuolen sei.

Nach den Vergleichsbeispielen 4 und 5 des Streitpatents bewirke dieser Unterschied, dass die Ausbildung einer Orangenhaut bzw. eines lederartigen Aussehens beim Etikettieren verhindert werde. Die objektive technische Aufgabe bestehe folglich darin, ein In-Mold Etikett zur Verfügung zu stellen, welches auch nach Applikation auf den Behälter mittels Tiefziehen ein optisch glänzendes Erscheinungsbild aufweise (vgl. Streitpatent, Absatz [0023]). Die weiteren, von der Beschwerdegegnerin genannten Wirkungen (Verbesserung der Entstapelbarkeit, Einsetzbarkeit der Etiketten im Tiefziehverfahren, Kostensenkung sowie die Vermeidung von Blasenbildung) stünden nicht in Zusammenhang mit dem Unter­scheidungs­merkmal und seien daher bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe nicht zu berück­sichtigen.

Hinsichtlich der beanspruchten Lösung werde auf das Dokument G4 verwiesen, das ebenso eine biaxial orientierte Mehrschichtfolie als Etikettenfolie zeige. Um das Auftreten einer lederartigen Oberfläche des Etiketts zu vermeiden, schlage das Dokument G4 vor, eine Polypropylen-Basisschicht vorzusehen, die keine Vakuolen aufweise. Solche seien nur in der an die Basisschicht angrenzenden und zum etikettierten Behälter hin gerichteten Schicht aus Polypropylen vorhanden, wogegen die auf der anderen Oberfläche der nicht vakuolen­haltigen Basisschicht aufgetragene Schicht die bedruckbare und damit äußere Schicht des Folienetiketts sei (vgl. G4, Spalte 1, Zeilen 26 und 27 und 35 bis 53, Spalte 2, Zeilen 20 bis 24 und 34 bis 38). Darüber hinaus sei der Spalte 3, Zeilen 20 bis 28 des Dokuments G4 zu entnehmen, dass sich diese Mehr­schicht­folien insbesondere für solche In-Mold Etikett­ierungen eigneten, bei denen das zu etikettierende Behältnis durch Thermoformen (Tiefziehen) hergestellt werde. Dies werde auch in einem Beispiel verifiziert, gemäß dem eine Polypropylen-Platte durch Tiefziehen in einem In-Mold Verfahren mit der im Dokument G4 beschriebenen Mehrschichtfolie etikettiert werde, wobei das applizierte Etikett kein lederartiges Aussehen, d.h. keine Orangenhaut, aufweise. Dadurch, dass die Basisschicht einen geringeren Anteil an Hohlräumen habe, komme es während des Tiefziehens beim Etikettieren unter der Einwirkung von Temperatur und Druck auch in einem geringeren Ausmaß zu einer Deformation durch ein unregelmäßiges Schrumpfen der Folie, die zu einer Einengung der in den Vakuolen eingeschlossenen Luft führen könne. Es verstehe sich von selbst, dass bei einer vakuolenhaltigen Basisschicht, die üblicherweise die dickste Schicht einer Etikettenfolie und außerdem noch näher an der äußeren Oberfläche des aufgebrachten Etiketts angeordnet sei, das Ausmaß einer solchen Deformierung wegen der größeren Anzahl von Hohlräumen sehr viel größer sei und zu einer sehr viel größeren Anzahl von dabei gebildeten Mikrobläschen führe, die sich erkennbar in Form einer Orangenhaut auf der Oberfläche des aufgebrachten Etiketts auswirke. Daher sei es naheliegend gewesen, bei Kenntnis des Dokuments G4 zur Vermeidung von optischen Beeinträchtigungen eines aufgebrachten Etiketts durch eine lederartig gestaltete äußere Oberfläche des Etiketts die vakuolenhaltige Basisschicht bei der aus dem Dokument G2 bekannten Etikettenfolie gegen eine nicht vakuolenhaltige Basisschicht auszutauschen, auch wenn sich dadurch die Dichte der Folie erhöhe. Der Fachmann wisse nämlich, dass durch Vakuolen zwar die Dichte der Folie etwas gesenkt werden könne (wie im Dokument G2), damit aber auch eine unerwünschte lederartige Oberfläche einhergehe, was aus dem Dokument G4 bekannt sei. Insofern seien die Vor- und Nachteile von Vakuolen in der Basisschicht einer In-Mould Etikettierfolie dem Fachmann schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt gewesen und der Gegenstand der Streitpatents gehe nicht über deren Abwägung hinaus. Dass ohne Vakuolen in der Basisschicht ein optisch einwandfreies Etikett möglich werde, sei durch die Kombination der Lehren der Dokumente G2 und G4 zu erwarten gewesen, so dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 bei Kenntnis dieser Entgegenhaltungen in naheliegender Weise aus dem Stande der Technik ergebe.

IX. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin war im Wesentlichen wie folgt:

Es sei unstreitig, dass die Basisschicht im Dokument G2 im Gegensatz zum Anspruch 1 des Streitpatents Vakuolen aufweise. Hinsichtlich der inneren Zwischenschicht sei die Lehre des Dokuments G2, dass ihr Material unkritisch sei, da sie vakuolenfrei, vakuolenhaltig oder wie die innere Deckschicht ausgebildet sein könne (vgl. G2, Seite 16, Zeilen 14 bis 23). Die anspruchs­gemäße, spezifische Kombination im Hinblick auf die innere Zwischenschicht sei dem Dokument G2 also nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang werde auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, II.E.1.4.1) verwiesen, der zufolge aus einem Reservoir von unabhängig voneinander genannten Merkmalen in einem Dokument keine Offenbarung einer spezifischen Merkmalskombination herausgelesen werden könne. Im Dokument G2 seien insbesondere die Aspekte der vakuolenfreien Basisschicht und der vakuolenhaltigen inneren Zwischenschicht nicht in Kombination mit den übrigen Merkmalen des verwendeten Etiketts offenbart.

An das Etikett nach dem Streitpatent würden eine ganze Reihe von Anforderungen gestellt: Verbesserung der Entstapelbarkeit, Einsetzbarkeit der Etiketten im Tiefziehverfahren, Kostensenkung, guter äußerer Glanz, Transparenz sowie die Vermeidung von Orangenhaut und Blasenbildung. Auch wenn die Vermeidung von Orangenhaut ein klarer technischer Effekt der vakuolenfreien Basisschicht sei und folglich die haupt­sächliche technische Aufgabe darstelle, sollten die übrigen genannten Vorteile beibehalten werden.

Bei einer Kombination der Entgegenhaltungen G2 und G4 sei zu berücksichtigen, dass die Folie nach dem Dokument G4 nur dreischichtig sei, wobei die vakolen­haltige Schicht mit dem Kunststoffformteil in Kontakt sein soll (vgl. G4, Spalte 3, Zeilen 20 bis 24). Im Gegensatz dazu sei die anspruchsgemäße Folie fünf­schichtig und die vakuolen­haltige Zwischenschicht durch die innere Deckschicht vom Formteil getrennt. Zudem werde das Etikett im Dokument G4 bei einer höheren Temperatur gesiegelt (vgl. G4, Spalte 4, Zeile 12: 150°C) als im Streitpatent (130°C). Auch wenn im Dokument G4 die Verwendung des Etiketts in einem Tiefziehverfahren beschrieben werde, sei es nicht darauf eingeschränkt. Bei der Frage einer möglichen Kombination der Dokumente G2 und G4 sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich die Offenbarung im Dokument G2 darauf beziehe, eine Etikettenfolie für ein In-Mold Verfahren bereitzustellen, das eine reduzierte Spleißneigung und eine erhöhte Einreiß­festigkeit aufweise. Die Folie solle ferner eine erniedrigte Dichte von unter 0,7 g/cm**(3) aufweisen (vgl. G2, Seite 6, Zeilen 1 bis 12). Das Dokument G2 lehre zwar, dass für eine blasenfreie Applikation und Haftung beim Spritzguss und Blasformen eine Oberflächenrauheit günstig sei (vgl. G2, Seite 16, Zeile 5 ff.), stelle in diesem Zusammenhang aber keine Verbindung zur vakuolen­haltigen Zwischenschicht her. Es sei für einen Fachmann offensichtlich, dass bei einem fünfschichtigen Aufbau die innere Deckschicht keine Vakuolen enthalten sollte, da dies die Siegelfähigkeit des Etiketts beinträchtigen würde. Aus diesem Grund seien die Vakuolen anspruchs­gemäß in der inneren Zwischenschicht vorgesehen, was eine blasenfreie Anbindung zum Container mittels des Tiefziehverfahrens ermögliche. Insgesamt könne der Vortrag der Beschwerde­führerin die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Beide Parteien gehen von dem im Dokument G2 offenbarten Ausführungsbeispiel eines fünfschichtigen Etiketts als nächst­kommendem Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 aus. Einigkeit besteht auch darin, dass im Zusammenhang mit dem dortigen Etikett das Merkmal, dass die Basisschicht frei von Vakuolen ist, nicht offenbart ist.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von dem Dokument G2 in der anspruchsgemäßen Kombination einer vakuolenfreien Basisschicht mit einer benachbarten vakuolenhaltigen inneren Zwischenschicht unterscheide, da die innere Zwischenschicht im Dokument G2 nicht zwingend vakuolenhaltig sei, sondern auch vakuolenfrei oder wie die innere Deckschicht ausgebildet sein könne (vgl. G2, Seite 16, Zeilen 14 bis 23). Die Kammer teilt diese Sichtweise der Beschwerde­gegnerin, dass die vakuolenhaltige innere Zwischenschicht ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zum nächstkommenden Stand der Technik G2 darstellt, jedoch nicht. Die zitierte Passage im Dokument G2 lautet wie folgt (vgl. G2, Seite 16, Zeilen 14 bis 19):

"Die zweite Zwischenschicht kann hinsichtlich der Polymere und der Additive grundsätzlich wie die beschriebene Basisschicht eine vakuolenhaltige Polypropylenschicht mit Füllstoffen sein. Die zweite Zwischenschicht kann auch wie die beschriebene erste vakuolenfreie Zwischenschicht oder wie die beschriebene zweite Deckschicht aufgebaut sein, wobei auch Ausführungsformen mit HDPE oder MDPE haltigen Mischungen zur Unterstützung der Rauheit denkbar sind."

Das Dokument G2 offenbart damit explizit und spezifisch einen fünfschichtigen Aufbau mit einer vakuolenhaltigen inneren Zwischenschicht als eine der möglichen Alternativen. Dies spiegelt sich ausdrücklich auch in den Ansprüchen des Dokuments G2 wider, wo die Merkmale einer fünfschichtigen Folie (vgl. Anspruch 12) mit einer vakuolenhaltigen Zwischenschicht (vgl. Anspruch 13) und einer vakuolenhaltigen Basisschicht (vgl. Anspruch 1) aufgrund der Rückbezüge in den genannten Ansprüchen in Kombination miteinander offenbart sind. Folglich kann vorliegend nicht von einer im Sinne der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, II.E.1.4.1 und 1.4.2, unerlaubten nachträglichen Verknüpfung einzelner, in verschiedenen Ausführungs­beispielen gezeigter Merkmale die Rede sein, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen.

Von der aus dem Dokument G2 bekannten Ausführungsform unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 nur darin, dass die Basisschicht nicht vakuolenhaltig sondern vakulolenfrei ist.

2.2 Wie insbesondere aus den Vergleichsbeispielen 4 und 5 im Streitpatent hervorgeht, liegt die technische Wirkung dieses Unterscheidungsmerkmals im Vermeiden einer orangenhautartigen Oberfläche des Etiketts am etikett­ierten Behälter (vgl. Streitpatent, Absätze [0115] und [0116] i.V.m. [0119] und [0120]).

Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass das im Anspruch 1 definierte Etikett mit einer Verbesserung der Entstapelbarkeit, der Einsetzbarkeit der Etiketten im Tiefziehverfahren, einer Kostensenkung sowie der Vermeidung von Blasen­bildung weitere vorteilhafte Wirkungen mit sich bringe, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit Berücksichtigung finden müssten. Hierzu stellt die Kammer fest, dass es für die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe beim Aufgabe-Lösungsansatz vor allem darauf ankommt, welche technische Wirkung jenen Merkmalen zugeordnet werden kann, die den Unterschied zum nächstkommenden Stand der Technik bilden. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die technische Wirkung der Vakuolen­freiheit der Basisschicht vor allem darin besteht, die Ausbildung einer den Glanz des Etiketts beeinträchtigenden orangenhautartigen Oberfläche zu vermindern, während die weiteren genannten Vorteile in erster Linie auf andere, bereits aus dem Dokument G2 bekannte Aspekte des anspruchs­gemäßen Etiketts, wie der Wahl des Polymers, den Vakuolen in der Zwischenschicht, den Schichtdicken etc., zurückzuführen sind.

Die objektive technische Aufgabe im Sinne des Aufgabe-Lösungsansatzes besteht folglich darin, ein In-Mold-Etikett zur Verfügung zu stellen, welches auch nach Applikation auf den Behälter mittels Tiefziehen ein optisch glänzendes Erscheinungsbild aufweist (vgl. Streitpatent, Absatz [0023]).

2.3 Zur Frage des Naheliegens der beanspruchten Lösung verweist die Beschwerdeführerin auf das Dokument G4, das zur Vermeidung des Auftretens einer lederartigen Oberfläche eines dreischichtigen Etiketts beim Tiefziehen vorschlägt, eine Polypropylen-Basisschicht vorzusehen, die vakuolenfrei ist, während auf der einen Seite der Basisschicht eine innere Schicht mit Vakuolen vorgesehen ist und auf der anderen Seite der Basisschicht eine bedruckbare äußere Schicht angebracht ist (vgl. G4, Spalte 1, Zeilen 19 bis 27 und 35 bis 40; Spalte 3, Zeilen 20 bis 28, Ausführungsbeispiel und Anspruch 1). Da die Anzahl und der Aufbau der Schichten in Abhängigkeit von den jeweiligen, an das Etikett gestellten Anforderungen gewählt werden (vgl. G2, Seite 14, Zeilen 25 bis 30, wo die Möglichkeit genannt ist, das Etikett drei-, vier- oder fünfschichtig auszu­bilden), ist die unter­schiedliche Schichtanzahl in den Etiketten nach den Dokumenten G2 und G4 für sich genommen kein Grund, eine Kombination ihrer jeweiligen technischen Lehre von vornherein auszuschließen, zumal die Etiketten nach beiden Dokumenten zum Tiefziehen geeignet sind. Gleiches gilt für mögliche Unterschiede hinsichtlich der Siegel­temperaturen, da diese in erster Linie von der siegelfähigen inneren Deckschicht und nicht von der Basisschicht und den darin befindlichen Vakuolen abhängt. Wenn der Fachmann die aus dem Dokument G4 für ein dreischichtiges Etikett bekannte Lösung für das Vermeiden einer orangenhautartigen Etikettober­fläche auf das fünfschichtige Etikett des Dokuments G2 anwendet, wird er die Basisschicht des Dokuments G2 gemäß der Lehre des Dokuments G4 vakuolenfrei wählen und so ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. Auch wenn im Dokument G4 erwähnt wird, dass die vakuolenhaltige Schicht beim dortigen drei­schichtigen Aufbau in Kontakt mit dem Formteil steht, würde der Fachmann nur die innere Zwischenschicht der aus dem Dokument G2 bekannten fünfschichtigen Ausführungsform mit Vakuolen versehen, nicht aber deren innere Deck­schicht, um die Siegelfähigkeit des Etiketts nicht zu beeinträchtigen. Zum Hinweis der Beschwerdegegnerin, dass das Erfordernis einer niedrigen Dichte im Dokument G4 den Fachmann von der anspruchsgemäßen Lösung abhalten würde, ist festzustellen, dass die Lehre des Dokuments G2 tatsächlich von der Voraussetzung auszugehen scheint, dass das verwendete Etikett von niedriger Dichte sein soll (vgl. G2, Seite 4, Zeilen 24 bis 26: "Andererseits werden gerade im Etikettenbereich Folien mit niedriger Dichte von den Anwendern gefordert, da die reduzierte Dichte eine höhere Flächenausbeute und damit niedrigere Kosten bietet."), die im Allgemeinen unter 0,7 g/cm**(3) liegen soll (vgl. G2, Seite 6, Zeilen 1 bis 3), was durch Vakuolen in der Basisschicht erreicht wird (vgl. G2, Seite 8, Zeilen 30 und 31). Demgegenüber weist die Folie nach dem Dokument G4, wie bereits oben festgestellt, in der Basisschicht keine Vakuolen auf, was das Ausbilden einer Orangenhaut an der Etikett­oberfläche verhindert, aber zwangsläufig die Dichte des Etiketts etwas erhöht und die Lichtstreuung reduziert. Dies zeigt, dass die Vor- und Nachteile von Vakuolen in der Basisschicht einer In-Mould-Etikettierfolie dem Fachmann schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents geläufig waren. Die im Streitpatent definierte Lösung geht nicht über eine fachmännische Abwägung dieser bekannten Vor- und Nachteile hinaus.

2.4 Aufgrund dieser Erwägungen ist dem Gegenstand von Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ zuzusprechen und das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird widerrufen.

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