T 1462/15 () of 15.5.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T146215.20180515
Datum der Entscheidung: 15 Mai 2018
Aktenzeichen: T 1462/15
Anmeldenummer: 09765919.7
IPC-Klasse: C08G 69/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KONTINUIERLICHES VERFAHREN ZUR MEHRSTUFIGEN TROCKNUNG UND NACHKONDENSATION VON POLYAMIDGRANULAT
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Polymetrix AG
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 22. Mai 2015 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2 297 228 widerrufen wurde.

II. Gegen die Erteilung des europäischen Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt, wobei der von der Firma Bühler AG eingelegte Einspruch mit Schreiben vom 19. November 2012 zurückgenommen wurde.

III. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde inter alia auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E1: DE 43 26 105 A1

E2: DE 25 30 304 A1

E3: WO 01/39947 A1

E5: Vouyiouka et al., J. Appl. Polym. Sc., Vol. 97 (2005), Seiten: 671 bis 681

IV. Der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen ein Hauptantrag sowie sechs Hilfsanträge zugrunde, die dem mit Schreiben vom 25. März 2013 eingereichten Hilfsantrag 1 und den mit Schreiben vom 18. März 2015 eingereichten Hilfsanträgen 2 bis 7 entsprachen.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautete wie folgt:

"1. Kontinuierliches Verfahren zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase, dadurch gekennzeichnet, dass

1) die Vortrocknung in einem kontinuierlichen Trocknungsapparat durchgeführt wird, der im Gegenstrom oder im Kreuzstrom mit Inertgas, Wasserdampf oder einem Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf bei einer Granulattemperatur im Bereich von 70 bis 200°C betrieben wird und

2) die nachfolgende kontinuierliche Nachkondensation in einem separaten Schacht mit Wanderbett bei einer Granulattemperatur, die im Bereich von 160 bis 180°C liegt, durchgeführt wird, wobei der Schacht im Gegenstrom mit Inertgas, Wasserdampf oder einem Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf betrieben wird, das Inertgas an mindestens zwei Stellen entlang des Schachtes zugeführt wird, wobei 15 bis 90% des Inertgases am Boden des Schachtes und 10 bis 85% des Inertgases in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche zugeführt werden."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der obere Wert des Granulattemperaturbereichs auf "175°C" geändert wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass die prozentuale Gasverteilung auf "30 bis 90%" am Boden des Schachtes und "10 bis 70%" in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche eingeschränkt wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dadurch, dass der untere Wert des Granulattemperaturbereichs auf "165°C" geändert wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass die prozentuale Gasverteilung auf "50 bis 85%" am Boden des Schachtes und "15 bis 50% im Bereich von 1/8 bis 3/8 der Schachtlänge" unterhalb der Granulatoberfläche eingeschränkt wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 dadurch, dass das Polyamidgranulat als "ein Polyamid-6-Granulat bzw. ein Polyamid 6/66-Copolymer-Granulat" definiert wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 dadurch, dass der Schacht der Nachkondensation als "Schachttrockner" definiert wurde.

Die Entscheidung kann wie folgt zusammengefasst werden:

Die Vorheizzone (4) im Dokument E1 sei in einer Wanderbettfahrweise gemäß Streitpatent betrieben worden. Die in Anspruch 9 der E1 offenbarte Granulattemperatur von 180 bis 250°C sei im Kontext der Beschreibung der Figur 1 zu lesen. Allerdings sei Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber E1 neu, weil die beanspruchten Verhältnisse an Inertgas am Boden und in der oberen Hälfte des Schachtes im Dokument E1 nicht offenbart seien.

Das Dokument E1 sei für Anspruch 1 des Hauptantrags der nächstliegende Stand der Technik. Das unterscheidende Merkmal sei das beanspruchte Gasverhältnis in der Schacht während der Nachkondensation.

Da das Streitpatent keine geeigneten Versuche und Vergleichsversuche beinhalte, die einen technischen Effekt gegenüber E1 zeigen könnten, sei die zu lösende Aufgabe die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat.

Es sei in der Abbildung 1 zu erkennen, dass entlang des Schachtes an zwei unterschiedlichen Stellen Inertgas zugeführt werden müsste. Die anspruchsgemäßen Gasverhältnisse würden sich ohne erfinderisches Zutun ergeben, sodass das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch sei.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 sei auch gegenüber E1 nicht erfinderisch.

V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie einen Hauptantrag und sechs Hilfsanträge ein, die den der Entscheidung zugrunde liegenden Anträgen entsprachen.

VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) Anlage 1 (Berechnung der Gasverhältnisse) ein.

VII. Am 2. Dezember 2016 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag als Hilfsantrag 1 ein und nummerierte die früheren Hilfsanträge 1-6 als Hilfsanträge 2-7 um.

VIII. Am 29. März 2018 erging eine Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern. Die Kammer teilte darin ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit. Insbesondere wurde in Punkt 8.4.1 ausgeführt, dass in Anspruch 1 des Hauptantrags die Formulierung "und das Inertgas an mindestens zwei Stellen entlang des Schachtes zugeführt wird, wobei 15 bis 90% des Inertgases am Boden des Schachtes und 10 bis 85% des Inertgases in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche zugeführt werden" lediglich den Betrieb des Schachtes mit einem Inertgas aber nicht den Betrieb mit Wasserdampf beziehungsweise mit einem Inertgas/Wasserdampfgemisch einschränkte.

IX. Am 5. April 2018 reichte die Beschwerdegegnerin weitere Argumenten über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der geltenden Anträge ein.

X. Am 23. April 2018 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag sowie neue Hilfsanträge 1-7 ein. Alle Anträge entsprachen den früheren Anträgen mit der zusätzlichen Spezifizierung, dass die Zufuhr an zwei Stellen nicht nur die Option "Inertgas", sondern auch die Optionen "Wasserdampf beziehungsweise das Inertgas/Wasserdampfgemisch" betraf.

XI. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Mai 2018 statt. Hilfsantrag 1 vom 23. April 2018 wurde während der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

XII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung der Anträge vom 23. April 2018

a) Das Verfahren gemäß Anspruch 1 aller Anträge sei lediglich auf einen Betrieb mit Inertgas, Wasserdampf bzw. Inertgas/Wasserdampfgemisch eingeschränkt worden. Entsprechende Änderungen wurden auch in Anspruch 5 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 4 gemacht.

b) Die Anträge seien in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 29. März 2018, insbesondere Ziffern 8.4.1 und 9.6, eingereicht worden.

c) Die in diesen Anträge durchgeführte Änderung sei durch die Beschreibung gestützt und auch durch den Einspruchsgrund unter Artikel 100 a) EPÜ, bzw. Artikel 56 EPÜ veranlasst worden.

Hauptantrag

Neuheit gegenüber E1

d) Die Vorheizzone (4) auf Figur 1 der E1 sei in einer Wirbelbettfahrweise betrieben worden. Dies sei insbesondere aus der in der Vorheizzone (4) herrschenden kontinuierlichen Bewegung des Polymermaterials ersichtlich, denn eine solche Bewegung sei im Dokument E1 nur in Zusammenhang mit einem Wirbelbett beschrieben. Die fehlende Erwähnung einer "Fluidisierung" in der Spalte 5 von E1 sei kein Hinweis auf einer Wanderbettfahrweise der Vorheizzone (4). Somit sei dem gesamten Schacht (3) keine Wanderbettfahrweise zuzusprechen. Das Verfahren des Dokuments E1 sei demnach nicht gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.

e) Die Beschreibung der Figur 1 offenbare explizit für die Vorheizzone einen Temperaturanstieg auf eine Temperatur von 200 bis 230 °C. Der Temperaturbereich gemäß Anspruch 9 sei für die Beschreibung der Figur 1 nicht relevant. Der Fachmann würde Temperaturen unter 200 °C für die Beschreibung der Figur 1 nicht ernsthaft in Betracht ziehen.

f) Die Berechnung der prozentualen Gasverteilung im Schacht basiere auf mehreren Annahmen, die E1 nicht zu entnehmen seien. Aus diesem Grund sei die Berechnung der Anlage 1 für die Neuheit des Hauptantrags unbeachtlich.

g) Der beanspruchte Gegenstand sei somit neu gegenüber E1.

Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1

h) E1 sei der nächstliegende Stand der Technik. Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei die Bereitstellung eines Verfahrens zur kontinuierlichen mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat, dass durch eine verbesserte Verfahrensführung zu Polyamidgranulat mit gewünschter Viskosität und gewünschten niedrigen Gehalten an Wasser und nicht extrahiertem Monomer und Oligomeren führe. Die Nachkondensation erfolge somit möglichst schonend und eine Kondensation vom extrahierten Monomer in Anlagenteilen, die zu einer Verstopfung der Anlage führen könne, sei vermieden worden. Darüber hinaus sei eine starke Reduzierung des Monomeraufbaues im Polyamidgranulat im Vergleich zum konventionellen Verfahren erreicht worden.

i) Es sei sowohl in den Beispielen gemäß Streitpatent als auch in den Produktversuchen der Beschwerdebegründung gezeigt worden, dass das beanspruchte Verfahren die Herstellung von Polyamiden mit höheren Viskositäten und niedrigen Restmonomergehalten gegenüber konventionellen Verfahren, also Verfahren, bei denen Inertgas nur im oberen Bereich oder am Boden der Schacht eingeführt wurden sei, ermögliche.

j) Die Lösung dieser Aufgabe sei in der apparativen Trennung der Vortrocknung und der Nachkondensation zu sehen und, bei der Vortrocknung wie auch der Nachkondensation, in der Arbeit mit einem Inertgasstrom oder Wasserdampf oder einem Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf, wobei bei der Nachkondensation der Inertgasstrom oder Wasserdampf oder das Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf an mindestens zwei Stellen in den Schacht eingeführt sei.

k) E1 sei auf einen anderen Aspekt der Polymerproduktion gerichtet, nämlich die optische Messung der Eigenschaften der Polymeren im Schacht. In E1 seien keine Hinweise auf die Verwendung eines engen Temperaturbereichs von 160°C bis 180°C sowie auf die im Streitpatent beanspruchte Aufteilung der Gaseinlässe und Gasverhältnissen zu finden. Anspruch 1 des Streitpatents sei somit erfinderisch gegenüber E1.

Hilfsanträge 2-7

l) Die Argumente, die für den Hauptantrag geltend gemacht worden seien, seien auch für die Hilfsanträge anzuwenden. Darüber hinaus sei die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands durch die Einschränkungen der Hilfsanträge noch klarer.

m) Es sei insbesondere für den Hilfsantrag 2 ausgehend von E1 nicht absehbar, dass der eingegrenzte Temperaturbereich während der Nachkondensation zu einer so signifikanten Verminderung des Restmonomergehalts führen könnte.

n) Die Einschränkung des Temperaturbereichs während der Nachkondensation und der prozentualen Gasverteilung im Schacht gemäß Hilfsanträge 3 bis 5 sei noch durch die vorgelegten Produktionsversuche besser gestützt.

o) Hilfsantrag 6 sei auf die Verwendung von Polyamid 6 eingeschränkt. Es sei in den Beispielen des Streitpatents gezeigt worden, dass eine starke Remonomisierung des Polyamids 6 verhindert worden sei. Dies sei weder in E1 noch in E5 gelehrt worden.

p) Hilfsantrag 7 sei auf die Verwendung eines Schachttrockners eingeschränkt worden. Diese Einschränkung ermögliche eine gleichmäßigere Trocknung der hergestellten Polyamid-6-Granulaten. Dies sei weder durch E1 noch durch E3 nahegelegt.

XIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung der Anträge

a) Die erst sehr spät eingereichten Anträge seien auf Merkmale basiert, die aus der Beschreibung entnommen worden seien.

b) Die neuen Anträge seien auch nicht als eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Beschwerdekammer zu sehen.

c) Die durchgeführten Änderungen seien nicht zulässig und adressierten keinen Einwand, der für das Einspruchsverfahren relevant sei. Daraus ergäben sich zusätzliche Einwände betreffend Artikel 123(2) und (3) EPÜ. Die am 23. April 2018 eingereichten Anträge seien aus diesen Gründen nicht zuzulassen.

Hauptantrag

Neuheit gegenüber E1

d) Die in der Vorheizzone (4) des Dokuments E1 erwähnte kontinuierliche Bewegung resultiere zwangsläufig aus dem Einfluss der Schwerkraft auf das Polymermaterial, das sich durch den vertikalen Schachtreaktor nach unten bewege. Ein Wirbelbett sei im Dokument E1 nur in Zusammenhang mit einem Fluidisierungsgas und einer Fluidisierung offenbart. Der Begriff der Fluidisierung bzw. Fluidisierungsgas sei im Kontext der Vorheizzone (4) und des Reaktors (3) gemäß E1 nicht erwähnt. Die Vorheizzone (4) in E1 sei deshalb nicht als Wirbelbett sondern als Wanderbett betrieben worden.

e) Die in der Beschreibung der Figur 1 des Dokuments E1 angegebene Temperatur von 200-230°C sei nur beispielhaft. Gemäß Anspruch 9 sei aber grundsätzlich eine Temperatur von 180-250°C für die weitere Wärmebehandlung möglich. Der Fachmann würde diesen breiteren Temperaturbereich im Kontext der Figur 1 lesen, und somit eine Temperatur von 180°C für den Betrieb des Schachtes in Betracht ziehen.

f) Das beanspruchte Gasverhältnis sei außerordentlich breit und decke jedes realistisch einstellbare Gasverhältnis ab. Die Berechnung in der Anlage 1 zeige, dass bei der Berücksichtigung von bekannten Wärmetauschprozessen in einem Schachtreaktor aufgrund der Gesetze der Thermodynamik sich zwingend eine prozentuale Gasverteilung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ergäbe. Die zu der Berechnung notwendigen Annahmen stellten Werte dar, die im Stand der Technik üblich seien.

g) Somit sei der beanspruchte Gegenstand nicht neu gegenüber E1.

Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1

h) E1 sei als nächstliegender Stand der Technik zu sehen. Sowohl die Beispiele des Streitpatents als auch die Produktionsversuche der Beschwerdebegründung seien nicht repräsentativ des Verfahrens gemäß Dokument E1. Somit seien diese Beispiele ungeeignet, um einen Effekt gegenüber E1 zu zeigen.

i) Die zu lösende Aufgabe sei lediglich die Bereitstellung einer Alternative zur Herstellung von Polyamid durch Nachkondensation.

j) Die Lösung dieses Problems sei die Kombination der Nachkondensation in einem Temperaturbereich von 160 bis 180°C mit der Einleitung von Inertgas durch zwei Gaseinlässe in einem breiten Gasverhältnis. Diese Lösung sei gegenüber E1 nicht erfinderisch.

k) Die Nachkondensation bei 180°C sei unmittelbar dem Anspruch 9 des Dokuments E1 zu entnehmen. Die Einstellung des breit gewählten Gasverhältnisses sei durch eine routinemäßige Optimierung der Nachkondensation zu erreichen. Darüber hinaus sei der beanspruchte Temperaturbereich schon in Anspruch 9 der E1 gelehrt.

Hilfsanträge 2-7

l) Die Argumente, die für den Hauptantrag geltend gemacht worden seien, träfen auch auf die Hilfsanträge zu. Die Hilfsanträge 2-7 seien deshalb auch nicht erfinderisch gegenüber E1.

m) Die Einschränkung von Anspruch 1 im Hilfsantrag 2 resultiere aus einer routinemäßigen Modifikation der Temperatur bei der Nachkondensation. Diese Temperatur sei auch im Dokument E5 gelehrt.

n) Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Produktversuche seien nicht repräsentativ für den nächstliegenden Stand der Technik. Diese Versuche seien für die Hilfsanträge 3-5 unbeachtlich. Es sei auch nicht gezeigt worden, dass die Positionierung der Gaseinlässe im Schacht gemäß Hilfsantrag 5 mit einem Effekt verbunden sei.

o) Die Nachkondensation von Polyamid 6 gemäß Hilfsantrag 6 sei allgemein bekannt, wie aus den Dokumenten E2 und E3 ersichtlich.

p) Der Einsatz eines Schachttrockners gemäß Hilfsantrag 7 sei schon aus dem Stand der Technik bekannt, sowie in E3 gezeigt.

XIV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 2 bis 7, sämtlich eingereicht mit Schreiben vom 23. April 2018.

XV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Anträge

1.1 In allen am 23. April 2018 eingereichten Anträgen (Hauptantrag und Hilfsanträge 2-7) wurde Anspruch 1 (und gegebenenfalls Anspruch 5) darin geändert, dass die Zufuhr des Gases an mindestens zwei Stellen entlang des Schachtes sich nicht ausschließlich auf Inertgas bezieht, sondern nun auch explizit auf Wasserdampf und auf das Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf.

1.2 Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin vom 23. April 2018 geht eindeutig hervor (Seite 2, Punkt 2), dass die Einreichung der neuen Anträge auf die Mitteilung der Kammer zurückzuführen ist, insbesondere auf die im Punkt 8.4.1 geäußerte vorläufige Meinung der Kammer in Bezug auf die Formulierung des Anspruchs 1, wonach zum ersten Mal eingewandt wurde, dass die Zufuhr des Gases an mindestens zwei Stellen entlang des Schachtes den Betrieb des Schachtes mit Wasserdampf oder mit einem Gemisch aus Inertgas und Wasserdampf nicht einschränke. Dies wurde auch in der vorläufigen Meinung der Kammer als ein Anliegen beschrieben, das einen Einfluss auf die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit haben könnte.

1.3 Unter diesen konkreten Umständen hält die Kammer die Einreichung der neuen Anträge durch die Beschwerdeführerin am 23. April 2018 für eine gerechtfertige Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 29. März 2018. Die im Anspruch 1 (und gegebenenfalls Anspruch 5) durchgeführten Änderungen stellen auch reine Einschränkungen der Ansprüche dar, die keine Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdegegnerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandet. Die am 23. April 2018 eingereichten Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1-7) sind demnach ins Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) und (3) VOBK).

Hauptantrag

2. Neuheit gegenüber E1

2.1 Die Neuheit des Anspruchs 1 des geltenden Hauptantrags gegenüber E1 wurde von der Einspruchsabteilung anerkannt (Seiten 3 bis 5, Punkt 2.1 der angefochtenen Entscheidung). Die für diese Beschwerde relevante Begründung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf die Neuheit betrifft drei Aspekte des Verfahrensablaufs zur Kristallisation und Polymerisation von Polyester- oder Polyamidmaterial der Figur 1 der E1, nämlich die Fahrweise der Vorheizzone (4), die Granulattemperatur im Schachtreaktor (3) und die prozentuale Gasverteilung für die zwei Gaseinlässe dieses Schachtes (siehe oben, Punkt IV).

2.2 Der erste Aspekt betrifft die Frage der Fahrweise der Vorheizzone (4) in der Beschreibung der Figur 1, und insbesondere, ob die Vorheizzone (4) entweder als Wanderbett oder als Wirbelbett betrieben wurde. In dieser Hinsicht war zwischen den Parteien unbestritten, dass E1 eine Fahrweise der Vorheizzone (4) als Wirbelbett nicht explizit offenbart. Die Beschwerdeführerin machte allerdings geltend, dass die Beschreibung der Figur 1 in E1 (Spalte 5, Zeile 36 bis Spalte 6, Zeile 6) auf eine Wirbelbettfahrweise hindeute. Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdeführerin jedoch nicht folgen.

2.2.1 Die Polymerisation erfolgt gemäß E1 indem das vorkristallisierte Material erst in der Vorheizzone (4) durch Strömung eines Inertgases auf eine Temperatur von 200°C bis 230°C vorgeheizt wird, währenddessen das Material einer kontinuierlichen Bewegung für eine Verweilzeit von 2 und 4 Stunden unterworfen wird, bevor das Material in dem angeschlossenen Reaktor (3) ankommt und weiter polymerisiert wird (Spalte 5, Zeile 58 bis Spalte 6, Zeile 13). Die Behandlung des Materials in der Vorheizzone (4) ist als Erhitzung gekennzeichnet. Die Verwendung eine Wirbelbettvorrichtung oder der Einsatz eines Fluidisierungsgases wird in diesem Kontext nicht offenbart. Es ist richtig, dass Wirbelbetten in E1 offenbart sind (Spalte 5, Zeilen 37 bis 57), allerdings nur für die Durchführung der Kristallisation vor der Polymerisation und betreffen somit einen Schritt des Verfahrens, der die Vorheizzone (4) nicht umfasst. Da im Gegensatz dazu für die Vorheizzone (4) kein Wirbelbett erwähnt ist, kann die Kammer nur schließen, dass es sich nicht um ein Wirbelbett handelt.

2.2.2 Die Beschwerdeführerin stütze ihre Argumentation zusätzlich darauf, dass im Kontext des Verfahrens gemäß E1 eine Bewegung des Materials immer mit der Verwendung eines Wirbelbetts offenbart sei, sodass der Bezug auf die kontinuierliche Bewegung des Materials in der Vorheizzone (4) einen Betrieb dieser Vorheizzone als Wirbelbett impliziere. Die Kammer kann allerdings aus der in E1 erwähnten Bewegung des Materials während der Kristallisation allein nicht schließen, dass die Vorheizzone (4) während der Polymerisation als Wirbelbett betrieben wurde, auch wenn nicht explizit gesagt. Eine Bewegung des Materials in den erwähnten Wirbelbetten ist jedenfalls in E1 nicht als Bedingung für eine Wirbelbettfahrweise offenbart. Weitere Belege dazu hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich der Wirbelbettfahrweise der Vorheizzone (4) ist deshalb rein spekulativ und daher unbeachtlich. In diesem Punkt wird die Entscheidung der Einspruchsabteilung bestätigt.

2.3 In Bezug auf die Granulattemperatur offenbart die Beschreibung der Figur 1 in E1 einen Temperaturbereich von 200 bis 230°C (Spalte 6, Zeilen 1 bis 2), außerhalb des beanspruchten Bereichs von 160 bis 180°C gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.

2.3.1 Die Einspruchsabteilung fand jedoch, dass der in Anspruch 9 von E1 offenbarte Temperaturbereich von 180 bis 250°C im Kontext der Beschreibung der Figur 1 zu lesen sei.

2.3.2 Ein beanspruchter Gegenstand ist allerdings nur dann nicht neu, wenn in einer Offenbarung aus dem Stand der Technik eine "klare und unmissverständliche Lehre" einer Kombination der beanspruchten Merkmale zu finden ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, Achte Auflage, Juli 2016, I.C.4.2). E1 enthält jedoch keine klare und und unmissverständliche Lehre, dass der Temperaturbereich gemäß Anspruch 9 in E1 das Verfahren der Figur 1 betrifft. Im Gegenteil wird in der Textstelle der Beschreibung der Figur 1 in E1 ein Temperaturbereich von 200 bis 230°C spezifisch offenbart (Spalte 6, Zeilen 1 bis 2), der gerade eine Temperatur von 180°C nicht enthält. Somit kann aus E1 nicht geschlossen werden, dass der Temperaturbereich gemäß Anspruch 9 im Kontext der Beschreibung der Figur 1 gelesen werden kann.

2.4 In Bezug auf die prozentuale Gasverteilung im Nachkondensationsschacht war zwischen den Parteien nicht strittig, dass der Schacht gemäß E1, der aus dem Reaktor (3) und der Vorheizzone (4) besteht, zwei Gaseinlässe enthält, wofür aber ein konkreter Wert der Gasverteilung in E1 nicht offenbart ist.

2.4.1 Es wurde von der Beschwerdegegnerin diesbezüglich geltend gemacht, dass die prozentuale Gasverteilung im Schacht gemäß E1 berechnet werden könne (Anlage 1). Anhand von in E1 offenbarten Prozessparametern, wie der Granulateingangstemperatur und der Mischtemperatur, würde die Anwendung von thermodynamischen Gesetze (Richmannsche Mischungsregel) zu einer prozentualen Gasverteilung im Schacht von 82% am Boden des Schachtes und 18% im oberen Hälfte des Schachtes führen. Da diese berechnete Gasverteilung in den beanspruchten Bereichen von 15 bis 90% am Boden und 10 bis 85% in der oberen Hälfte des Schachtes liegt, sah es die Beschwerdegegnerin für erwiesen an, dass E1 eine Gasverteilung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags implizit offenbart.

2.4.2 Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdegegnerin jedoch nicht folgen, weil die Berechnung der Anlage 1 auf einer Mehrzahl von entscheidenden Annahmen beruht, die keine Basis in E1 finden. Es ist zum Beispiel aus der Anlage 1 ersichtlich, dass die Gasgeschwindigkeit der Granulatpartikel unterhalb ihrer Lockerungsgeschwindigkeit beliebig ausgewählt wurde. Das Dokument E1 enthält jedoch keinen Hinweis auf die Lockerungsgeschwindigkeit der Granulatpartikel im Verfahren der Figur 1. In der Anlage 1 wurden auch ein beliebiger Reaktordurchmesser und eine beliebige Granulatmenge gewählt.

2.4.3 Diese Annahmen über die Prozessparameter der E1, wie dies selbst aus der Anlage 1 ersichtlich ist, haben einen unmittelbaren Einfluss auf den berechneten Wert der prozentualen Gasverteilung entlang des Schachtes. Selbst wenn die berechneten Werte gemäß der Anlage 1 plausibel erscheinen mögen, kann die Kammer nicht schließen, dass die berechnete prozentuale Gasverteilung im Schacht als "implizit" anzusehen ist, weil es für den Fachmann aufgrund der oben erwähnten beliebigen Annahmen nicht sofort erkennbar sein kann, dass nichts anderes als die in der Anlage 1 berechneten Werte Teil des offenbarten Gegenstands in E1 wäre.

2.5 Unter diesen Umständen findet die Kammer, dass ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags in E1 nicht offenbart ist. Anspruch 1 des Hauptantrags ist somit im Sinne von Artikel 54 EPÜ neu gegenüber dem Dokument E1.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Das Dokument E1 und insbesondere die Beschreibung der Figur 1 in den Spalten 5 und 6 wurde sowohl in der strittigen Entscheidung als auch von beiden Parteien im Beschwerdeverfahren als nächstliegender Stand der Technik gesehen. Die Kammer sieht keinen Grund, von E1 als nächstliegendem Stand der Technik abzuweichen.

3.2 Das Dokument E1 betrifft ein Verfahren zum kontinuierlichen Kristallisieren und Polymerisieren von Polyester- oder Polyamidmaterial, bei dem eventuelle auftretende Abweichungen in den erwünschten Eigenschaften, seien sie material-, vorrichtungs- oder zufallsbedingt, entsprechend nachgeregelt werden können (Spalte 2, Zeilen 40-48).

3.3 Ein spezifisches Beispiel dieses Verfahrens wird in der Figur 1 in schematischer Weise dargestellt und in der Textstelle auf Spalte 5, Zeile 36 bis Spalte 6, Zeile 16 beschrieben. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich vom Verfahren gemäß Figur 1 der E1 durch die Temperatur im Nachkondensationsschacht, die im Bereich von 160 bis 180°C liegt, und durch eine prozentuale Gasverteilung von 15 bis 90% am Boden des Schachtes und 10 bis 85% in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche (siehe Analyse der Neuheit unter Punkt 2, oben).

3.4 Bei der Aufgabenformulierung stellt sich die Frage, ob durch diese Unterschiede ein Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik erreicht wird.

3.5 Das Streitpatent enthält vier Beispiele (1 bis 4), die ein Verfahren zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase veranschaulichen. In diesem Verfahren wurden Trocknung und Nachkondensation eines Polyamids im Labormaßstab durchgeführt (Absätze 39 und 40). Die Nachkondensation erfolgte in diesem Verfahren im Gegenstrom mit erhitztem Stickstoff bzw. einem Stickstoff/Wasserdampf-Gemisch bei einer Temperatur von 165°C (Beispiele 1, 2 und 4) oder 173°C (Beispiel 3), wobei 33-85% des Inertgas unten in ein Doppelmantelrohr und zusätzlich 15-67% im oberen Drittel der Rohrlänge unterhalb des Kopfes eingeführt wurde. Viskositätszahl und Restmonomer- bzw. Extraktgehalt des Polyamid-6-Granulats wurden infolgedessen bestimmt.

3.6 Das Streitpatent enthält auch zwei Vergleichsbeispiele (5 und 6C). Die Nachkondensation erfolgte in diesen Vergleichbeispielen bei einer anspruchsgemäßen Granulattemperatur (Beispiel 5: 173°C; Beispiel 6C: 165°C). Das Inertgas (Stickstoff) wurde in diesen Vergleichbeispielen jedoch an einer einzigen Stelle in den Turm auf etwa 1/4 der Turmlänge unterhalb des Turmkopfes eingeführt. Die Vergleichsbeispiele des Streitpatents sind somit nicht repräsentativ für das Verfahren gemäß Figur 1 des Dokuments E1, weil die Granulattemperatur nicht im Bereich von 200 bis 230°C lag und weil das Inertgas nicht an zwei Stellen entlang des Schachtes eingelassen wurde. Das Streitpatent enthält somit keinen Beleg für einen Effekt gegenüber dem Stand der Technik E1.

3.7 Die Beschwerdeführerin verwies überdies auf Produktionsversuche, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden (Seiten 7 bis 9). In diesen Produktionsversuchen wurde ein Polyamid-6-Granulat bei einer Granulattemperatur von etwa 165°C nachkondensiert und Stickstoff in zwei Fraktionen aufgeteilt, wobei eine Fraktion im Bereich von etwa 1/4 der Schachtlänge unterhalb der Granulatoberfläche zugeführt wurde und die verbleibende Stickstoffmenge in einem Verhältnis von 0 bis 80% am Boden des Schachtes zugeführt wurde. Diese Produktionsversuche entsprechen dann dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. In den zwei weiteren Vergleichsversuchen V1 und V2 wurde allerdings kein Stickstoff am Boden des Schachtes zugeführt. Somit wurde auch im Falle dieser Vergleichversuche der untere Reaktorbereich nicht mit Inertgas durchströmt. Diese Vergleichsversuche sind dann aus den gleichen Gründen wie die Vergleichsbeispiele des Streitpatents nicht repräsentativ für das Verfahren gemäß Figur 1 des Dokuments E1 und sind somit nicht geeignet, einen Effekt gegenüber E1 zu zeigen.

3.8 Darüber hinaus wurde auch nicht gezeigt, dass die Auswahl der Granulattemperatur in dem beanspruchten Bereich von 160 bis 180°C, in Kombination mit der beanspruchten prozentualen Gasverteilung im Schacht zu irgendeinem Effekt gegenüber E1 führt.

3.9 In Abwesenheit eines direkten Vergleichs des streitpatentgemäßen Verfahrens mit dem Verfahren gemäß E1 kann ein Effekt gegenüber E1 nicht anerkannt werden. Da kein Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik anerkannt werden kann, ist ausgehend von E1 die zu lösende Aufgabe dahin gehend zu definieren, ein weiteres Verfahren zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase bereitzustellen.

3.10 Auf der Suche nach einem weiteren Verfahren würde der Fachmann jede im Stand der Technik offenbarte Maßnahme, die als mögliche Alternative der in der Beschreibung der Figur 1 in E1 beschriebenen Maßnahmen für eine gleichwirkende Anwendung bekannt ist, als naheliegenden Schritt in Betracht ziehen.

3.10.1 Die Beschreibung der Figur 1 in E1 offenbart, dass die Temperatur in der Vorheizzone (4) durch Strömung von Inertgas aus der Heizeinrichtung (5) auf eine Temperatur von 200 bis 230°C ansteigt (Spalte 6, Zeilen 1-2). Diese Temperatur, die der Granulattemperatur in der Vorheizzone (4) schließlich entsprechen muss, ist zusätzlich in Anspruch 9 vom Dokument E1 adressiert, in dem ein breiterer Bereich von 180°C bis 250°C für die Heizeinrichtung angegeben ist. Somit erhält der Fachmann eine Lehre, dass eine Granulattemperatur in diesem breiteren Temperaturbereich gewählt werden kann, vorausgesetzt, dass die anderen Prozess- und Produktparameter, die für das Verfahren wesentlich sind, angepasst werden. Darüber hinaus lehrt das Dokument E5, dass die Nachkondensation von Polyamid in fester Phase mit Stickstoff als Inertgas in einem Temperaturbereich von 160°C bis 200°C durchgeführt werden kann (Tabelle III, Seite 674 und Abbildung 4). Somit kann die Durchführung des Verfahrens gemäß der Beschreibung der Figur 1 von E1 bei einer Temperatur im Bereich von 160°C bis 180°C nicht als erfinderisch gesehen werden.

3.10.2 Im Hinblick auf die prozentuale Gasverteilung im Schacht ist anzumerken, dass die im Anspruch 1 angegebenen Bereiche von 15 bis 90% am Boden des Schachtes und 10 bis 85% in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche schlechthin 75% des erdenkbaren Gesamtbereichs abdecken. In dieser Hinsicht wurde, wie oben ausführlich diskutiert, von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass die Auswahl der prozentualen Gasverteilung innerhalb des beanspruchten Bereichs von 15 bis 90% am Boden des Schachtes und 10 bis 85% in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche einen Effekt hat. Somit ist der beanspruchte Bereich nicht gezielt, sondern rein willkürlich aus der Fülle aller möglichen prozentualen Gasverteilungen ausgewählt worden, die dem Fachmann generell für den Betrieb eines Schachtes mit zwei Gaseinlässen zur Verfügung stehen.

3.11 Das Dokument E1 enthält auch keine Lehre, die den Fachmann von der Auswahl der Granulattemperatur im Bereich von 160 bis 180°C in Kombination mit der prozentualen Gasverteilung im Schacht gemäß Anspruch 1 abgebracht hätte.

3.12 Ausgehend von E1 würde ein Fachmann auf der Suche nach einem weiteren Verfahren zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase aufgrund der Lehre von E1 oder E5 eine Granulattemperatur von 160°C bis 180°C und eine prozentuale Gasverteilung von 15 bis 90% am Boden des Schachtes und 10 bis 85% in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche in Betracht ziehen. Aus diesem Grund ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch. Der Hauptantrag genügt deshalb nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

Hilfsanträge 2-7

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags nur dadurch, dass der Bereich der Granulattemperatur von "160 bis 180°C" im Hauptantrag auf "160 bis 175°C" eingeschränkt wurde. E1 wurde von den Parteien noch als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Es wurde von der Beschwerdeführerin allerdings nicht gezeigt, dass die Einschränkung in Anspruch 1 mit einem technischen Effekt verbunden ist. Demnach bleibt die zu lösende Aufgabe die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase. In diesem Zusammenhang wurde von der Beschwerdeführerin lediglich argumentiert, dass E1 keinen Hinweis auf die beanspruchten Granulattemperaturen enthalte. Ein solcher Hinweis war im Kontext einer Nachkondensation eines Polyamids (PA6,6) in fester Phase allerdings schon im Dokument E5 enthalten (Tabelle III, Seite 674 und Abbildung 4), sowie dies in Punkt 3.10.1 oben für den Hauptantrag ausgeführt wurde. In diesem Zusammenhang findet ein Fachmann in E1 keine Lehre, die ihn davon abgebracht hätte, eine Granulattemperatur unterhalb des in der Beschreibung der Figur 1 in E1 angegebenen Bereichs auszuwählen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist daher nicht erfinderisch.

4.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 mit der weiteren Einschränkung der prozentualen Gasverteilung im Schacht. Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der nun beanspruchte Bereich der prozentualen Gasverteilung durch die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Produktionsversuche besser gestützt sei. Es wurde allerdings von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, inwiefern der beanspruchte Bereich, allein oder in Kombination mit der Granulattemperatur, einen Effekt auf die hergestellten Polyamidgranulate hatte. Demnach bleibt auch für den Hilfsantrag 3 die zu lösende Aufgabe die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur mehrstufigen Trocknung und Nachkondensation von Polyamidgranulat in fester Phase. Die beanspruchte prozentuale Gasverteilung, die nun 30 bis 90% am Boden des Schachtes und 10 bis 70% in der oberen Hälfte unterhalb der Granulatoberfläche ausmacht, ist somit keine gezielte, sondern eine rein willkürliche Auswahl aus der Fülle aller möglichen prozentualen Gasverteilungen, die dem Fachmann generell für den Betrieb eines Schachtes mit zwei Gaseinlässen zur Verfügung stehen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist daher nicht erfinderisch.

4.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 mit der weiteren Einschränkung der Granulattemperatur im Schacht von "160 bis 175°C" auf "165 bis 175°C", für die die Beschwerdeführerin keine weiteren Argumente als für den Hilfsantrag 3 geltend gemacht hat. Die Kammer sieht keinen Grund, die zu lösende Aufgabe umzuformulieren. Das Dokument E5 deutet schon auf eine Auswahl der Granulattemperatur in einem Bereich von 160 bis 180°C (Tabellen III und VI) hin. Somit kann das beanspruchte Verfahren mit einer Granulattemperatur von "165 bis 175°C" nicht als erfinderisch gesehen werden. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist daher nicht erfinderisch.

4.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 mit der weiteren Einschränkung der prozentualen Gasverteilung auf einen Bereich von "50 bis 85%" am Boden des Schachtes und "15 bis 50% im Bereich von 1/8 bis 3/8 der Schachtlänge" unterhalb der Granulatoberfläche. Für diesen beanspruchten Gegenstand hat die Beschwerdeführerin auf eine Verbesserung der hergestellten Polyamidgranulaten in Bezug auf deren Restmonomergehalt hingewiesen, ohne jedoch dafür einen konkreten Nachweis zu erbringen. Somit sieht die Kammer auch hier keinen Grund, die für den Hauptantrag formulierte Aufgabe abzuändern. Die Auswahl einer beliebigen prozentualen Gasverteilung mit der Positionierung der Gaseinlässe entlang des Schachtes ist als eine willkürliche Maßnahme, die innerhalb der Lehre des Dokuments E1 getroffen wurde, zu betrachten. Diese Maßnahme ist ohne Nachweis auf einen Effekt als naheliegend anzusehen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 ist somit nicht erfinderisch.

4.5 Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 mit dem Unterschied, dass das Polyamidgranulat auf einen "Polyamid-6-Granulat bzw. ein Polyamid 6/66-Copolymer-Granulat" eingeschränkt wurde. Das Argument der Beschwerdeführerin bezüglich der erzielten niedrigeren Remonomerisierung von Polyamid-6-Granulaten wurde allerdings nicht belegt und ist somit zur Formulierung der zu lösenden Aufgabe unbeachtlich. Ausgehend vom Dokument E1 bleibt daher die Aufgabe auch für Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens. Das Dokument E3 weist auch auf die Nachkondensation von Polyamid-6-Granulaten in fester Phase hin (Anspruch 12). Die Behandlung von Polyamid-6-Granulaten als Konkretisierung der in E1 schon allgemein gelehrten Polyamidgranulate ist somit für einen Fachmann naheliegend. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 ist nicht erfinderisch.

4.6 Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 mit dem Unterschied, dass der Schacht auf einen "Schachttrockner" eingeschränkt wurde. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass ein Schachttrockner zu einer gleichmäßigeren Trocknung der hergestellten Polyamidgranulate führen würde, wurde nicht durch einen konkreten Nachweis belegt. Es ist auch weder aus den Beispielen des Streitpatents, noch aus den Produktionsversuchen der Beschwerdebegründung, ersichtlich, inwiefern die Verwendung eines Schachttrockners zur Nachkondensation des Polyamid-6-Granulats, alleine oder in Kombination mit den Merkmalen des Anspruchs 1, zu einem Effekt führt. In diesem Sinne sieht die Kammer die zu lösende Aufgabe als die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens. Vorrichtungen zur Trocknung und Nachkondensation von Polykondensatgranulaten in fester Phase mit einem Inertgasstrom sind aus dem Dokument E3 schon bekannt (Seite 1, Zeilen 10-15). Die Verwendung eines Schachttrockners ist auch im Kontext der Nachkondensation eines Polyamidgranulats, insbesondere eines Polyamid-6-Granulats, offenbart (Anspruch 12, abhängig von Anspruch 11). Somit erhält der Fachmann eine eindeutige Lehre zur Verwendung eines Schachttrockners im Kontext des beanspruchten Gegenstands, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ist somit nicht erfinderisch.

4.7 Keiner der Hilfsanträge 2-7 genügt aus diesen Gründen den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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