T 1401/15 () of 15.5.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T140115.20180515
Datum der Entscheidung: 15 Mai 2018
Aktenzeichen: T 1401/15
Anmeldenummer: 08014338.1
IPC-Klasse: F16B 13/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spreizdübel
Name des Anmelders: Adolf Würth GmbH & Co. KG
Würth International AG
Name des Einsprechenden: fischerwerke GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Neuheit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der am 18. Mai 2015 zur Post gegebenen Zwischen­entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das europäische Patent Nr. 2025952 in der Fassung gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag I, unter Berücksichtigung der von den Patentinhaberinnen im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen sowie die Erfindung, die das Patent zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Gegen diese Zwischenentscheidung haben sowohl die Patentinhaberinnen als auch die Einsprechende form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 15. Mai 2018 statt. Am Ende der Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerinnen/Patentinhaberinnen (im Folgenden die Patentinhaberinnen) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrecht­erhaltung des Patents auf der Basis der Anträge in folgender Reihenfolge:

- Hilfsantrag I eingereicht mit Schreiben vom 13. April 2018(Hauptantrag)

- Neuer Hilfsantrag IV eingereicht während der mündlichen Verhandlung

- Hilfsantrag IV vom 13. April 2018

- Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa vom 13. April 2018.

Die Beschwerdeführerin/Einsprechende (im Folgenden die Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Widerruf des Patents.

IV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:

"1. Spreizdübel aus Kunststoff, mit

1.1 einem an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (3), der

1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,

1.2 einem vorderen Spreizbereich (4), der

1.1.2 in montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie mit

1.3 einem zwischen dem Hülsenabschnitt (3) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordneten Zwischen­abschnitt (9), der

1.3.1 derart ausgebildet ist, dass er sowohl als Spreiz­bereich wirken als auch außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann, wobei

1.4 der Spreizdübel ein metallisches Aufspreizelement aufweist, das bei montiertem Dübel mindestens in dem Bereich des Zwischenabschnitts (9) mit einer korrosions­beständigen Beschichtung, insbesondere einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist, und/oder

1.5 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) einen geschlossenen Umfang aufweist und dadurch in dem Zwischenabschnitt wasserdicht ausgebildet ist,

1.6. der Spreizdübel zwei Setztiefenmarkierungen (27, 28) aufweist.

1.7. von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts (9) und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischen­abschnitt (9) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordnet ist."

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags I durch folgende Hinzufügung

"1.8 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) die gleiche Ausbildung aufweist wie in seinem [deleted: vorderen] Spreizbereich (4)"

Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags I dadurch, dass

"1.8 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) die gleiche Ausbildung aufweist wie in seinem vorderen Spreizbereich (4)"

Anspruch 1 des Hilfsantrags II lautet wie folgt (Hervorhebungen durch die Kammer):

"1. Verwendung eines Spreizdübels aus Kunststoff zum Befestigen eines Gegenstandes an einem Mauerwerk, wobei der Spreizdübel mit

1.1 einem an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (3), der

1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,

1.2 einem vorderen Spreizbereich (4), der

1.2.1 in montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie mit

1.3 einem zwischen dem Hülsenabschnitt (3) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordneten Zwischen­abschnitt (9), der

1.3.1 derart ausgebildet ist, dass er sowohl als Spreizbereich wirken als auch außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann, versehen ist, wobei

1.4 der Spreizdübel ein metallisches Aufspreizelement aufweist, das bei montiertem Dübel mindestens in dem Bereich des Zwischenabschnitts (9) mit einer korrosions­beständigen Beschichtung, insbesondere einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist, und/oder

1.5 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) einen geschlossenen Umfang aufweist und dadurch in dem Zwischenabschnitt (9) wasserdicht ausgebildet ist,

1.6 wobei der Spreizdübel zwei Setztiefenmarkierungen (27, 28) aufweist,

1.7 von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts (9) und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischen­abschnitt (9) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordnet ist,

1.8 wobei entweder nur der vordere Spreizbereich (4) in dem Mauerwerk sitzt, während der Hülsenabschnitt (3) und der Zwischenabschnitt (9) in dem zu befestigenden Gegenstand angeordnet sind,

1.9 oder auch der Zwischenabschnitt (9) im Mauerwerk sitzt und dort als Spreizbereich dient."

Anspruch 1 des Hilfsantrags IIa lautet wie folgt (Unterschiede zum Hilfsantrag II hervorgehoben):

"1. Verwendung eines Spreizdübels aus Kunststoff zum Befestigen eines Gegenstandes an einem Mauerwerk, wobei der Spreizdübel mit

1.1 einem an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (3), der

1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,

1.2 einem vorderen Spreizbereich (4), der

1.2.1 in montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie mit

1.3 einem zwischen dem Hülsenabschnitt (3) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordneten Zwischen­abschnitt (9), der

1.3.1 derart ausgebildet ist, dass er sowohl als Spreiz­bereich wirken als auch außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann, versehen ist, wobei

1.4 der Spreizdübel ein metallisches Aufspreizelement aufweist, das bei montiertem Dübel mindestens in dem Bereich des Zwischenabschnitts (9) mit einer korrosions­beständigen Beschichtung, insbesondere einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist, und/oder

1.5 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) einen geschlossenen Umfang aufweist und dadurch in dem Zwischenabschnitt (9) wasserdicht ausgebildet ist,

1.6 wobei der Spreizdübel zwei Setztiefenmarkierungen (27, 28) aufweist,

1.7 von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts (9) und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischen­abschnitt (9) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordnet ist,

[deleted: 1.8 wobei entweder nur der vordere Spreizbereich (4) in dem Mauerwerk sitzt, während der Hülsenabschnitt (3) und der Zwischenabschnitt (9) in dem zu befestigenden Gegenstand angeordnet sind],

[deleted: 1.9] 1.8 [deleted: oder] auch der Zwischenabschnitt (9) im Mauerwerk sitzt und dort als Spreizbereich dient."

Anspruch 1 des Hilfsantrags IIb unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags IIa dadurch, dass die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1 wie folgt lauten (Hervor­hebungen durch die Kammer):

"1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels [deleted: im Wesentlichen] vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,"

"1.2.1 in montierten Zustand des Dübels [deleted: im Wesentlichen] vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie mit"

Anspruch 1 des Hilfsantrags III lautet wie folgt (Hervorhebungen durch die Kammer):

"1. Anordnung mit einem Spreizdübel aus Kunststoff, einem Mauerwerk und einem am Mauerwerk mittels des Spreizdübels befestigten Gegenstand, wobei der Spreizdübel aufweist:

1.1 einen an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (3), der

1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,

1.2 einen vorderen Spreizbereich (4), der

1.2.1 im montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie

1.3 einen zwischen dem Hülsenabschnitt (3) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordneten Zwischen­abschnitt (9), der

1.3.1 derart ausgebildet ist, dass er sowohl als Spreiz­bereich wirken als auch außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.4 der Spreizdübel ein metallisches Aufspreizelement aufweist, das bei montiertem Dübel mindestens in dem Bereich des Zwischenabschnitts (9) mit einer korrosionsbeständigen Beschichtung, insbesondere einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist, und/oder

1.5 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) einen geschlossenen Umfang aufweist und dadurch in dem Zwischenabschnitt wasserdicht ausgebildet ist,

1.6 wobei der Spreizdübel zwei Setztiefenmarkierungen (27, 28) aufweist,

1.7 von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts (9) und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischen­abschnitt (9) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordnet ist,

1.8. wobei der Spreizdübel in einem ersten Anwendungs­fall so angeordnet ist, dass nur der vordere Spreiz­bereich (4) in dem Mauerwerk sitzt, während der Hülsen­abschnitt (3) und der Zwischenabschnitt (9) in dem am Mauerwerk befestigten Gegenstand angeordnet sind und

1.9. der Spreizdübel in einem zweiten Anwendungsfall so angeordnet ist, dass auch der Zwischenabschnitt (9) im Mauerwerk sitzt und dort als Spreizbereich dient."

Anspruch 1 des Hilfsantrags IIIa lautet wie folgt (Unterschiede zum Hilfsantrag III hervorgehoben):

"1. Anordnung mit einem Spreizdübel aus Kunststoff, einem Mauerwerk und einem am Mauerwerk mittels des Spreizdübels befestigten Gegenstand, wobei der Spreizdübel aufweist:

1.1 einen an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (3), der

1.1.1 in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist,

1.2 einen vorderen Spreizbereich (4), der

1.2.1 im montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie

1.3 einen zwischen dem Hülsenabschnitt (3) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordneten Zwischenabschnitt (9), der

1.3.1 derart ausgebildet ist, dass er sowohl als Spreizbereich wirken als auch außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.4 der Spreizdübel ein metallisches Aufspreizelement aufweist, das bei montiertem Dübel mindestens in dem Bereich des Zwischenabschnitts (9) mit einer korrosions­beständigen Beschichtung, insbesondere einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist, und/oder

1.5 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt (9) einen geschlossenen Umfang aufweist und dadurch in dem Zwischenabschnitt wasserdicht ausgebildet ist,

1.6 wobei der Spreizdübel zwei Setztiefenmarkierungen (27, 28) aufweist,

1.7 von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts (9) und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischen­abschnitt (9) und dem vorderen Spreizbereich (4) angeordnet ist,

[deleted: 1.8. wobei der Spreizdübel in einem ersten Anwendungsfall so angeordnet ist, dass nur der vordere Spreizbereich (4) in dem Mauerwerk sitzt, während der Hülsenabschnitt (3) und der Zwischenabschnitt (9) in dem am Mauerwerk befestigten Gegenstand angeordnet sind und]

1.[deleted: 9]8. der Spreizdübel [deleted: in einem zweiten Anwendungsfall] so angeordnet ist, dass auch der Zwischenabschnitt (9) im Mauerwerk sitzt und dort als Spreizbereich dient."

V. Folgende Dokumente haben für die Entscheidung eine Rolle gespielt:

D22: Europ. technische Zulassung ETA-04/0023;

HG5: E-mail an Herrn W. Hengesbach vom 4. Juli 2007;

HG6: E-mail an Herrn W. Hengesbach vom 2. August 2007;

EV1: Eidesstattliche Versicherung von Herrn W. Hengesbach.

VI. Die Argumente der Einsprechenden, soweit für die Entscheidung relevant, können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung der D22 in das Verfahren

D22 sei eine relevante - sogar neuheitsschädliche - Entgegenhaltung, welche zusammen mit der Beschwerde­begründung als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung eingereicht worden sei. Sie sei daher in das Verfahren zuzulassen.

Veröffentlichungsdatum der D22

D22 sei vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents öffentlich zugänglich gewesen und gehöre daher zum Stand der Technik. Bei diesem Dokument handele es sich um eine europäische technische Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) mit Geltungsdauer vom 15. Mai 2007 bis 23. April 2009. Derartige Zulassungen seien zur Veröffentlichung bestimmt. Wie sich aus den eingereichten E-mails und der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Hengesbach ergebe, sei D22 der Einsprechenden am 4. Juli 2007 durch das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB ohne Geheim­haltungsverpflichtung zur Verfügung gestellt worden. Die Einsprechende habe, ähnlich wie bei der Überwachung von Schutzrechtsanmeldungen der Wettbewerber, eine Überwachung für Zulassungen eingerichtet und das Fraunhofer IRB sei ein Dienstleister, der derartige Überwachungen öffentlich anbiete, woraus sich ergebe, dass keine Geheimhaltungsverpflichtung vorliege.

Hilfsantrag I

D22 offenbare einen Spreizdübel mit allen Merkmalen des Anspruchs 1. Insbesondere könne der Zwischenabschnitt zwischen den Markierungen als Spreizbereich wirken, da er einen Teil umfasse, der - wie ein Spreizbereich - sich aufspreizen und Kräfte nach außen übertragen könne. Deshalb sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

Neuer Hilfsantrag IV

Der neue Hilfsantrag IV befasse sich nicht mit den erhobenen Einwänden und sei daher nicht in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag IV

Obwohl gemäß Anspruch 1 der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt die gleiche Ausbildung wie in seinem vorderen Spreizbereich aufweise, seien im Streitpatent diese zwei Bereiche nicht identisch. Z.B zeige Figur 3 des Streitpatents, dass sich der vordere Spreizbereich und der Zwischenabschnitt u.a. durch die Länge und durch die Geometrie der Rippen zur Stabilisierung gegen die Rotation unterscheiden.

Es sei richtig, dass im Spreizdübel der D22 der Zwischenabschnitt und der vordere Spreizbereich nicht identisch seien. Der Spreizdübel weise jedoch in seinem Zwischenabschnitt einen spreizbaren Bereich mit einer identischen Geometrie wie im vorderen Spreizbereich auf. Deshalb weise der Dübel in seinem Zwischen­abschnitt die gleiche Ausbildung wie in seinem vorderen Spreizbereich auf.

Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IV nicht neu.

Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Zulassung in das Verfahren

Die Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa seien mit dem Hilfsantrag IV nicht konvergent und deshalb nicht in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Patentierbarkeit

Der Zwischenabschnitt könne nicht gleichzeitig in dem zu befestigenden Gegenstand angeordnet sein und im Mauerwerk sitzen. Merkmale 1.8 und 1.9 in Anspruch 1 des Hilfsantrags I stellten deshalb zwei Alternativen dar. Da D22 mindestens die Alternative gemäß Merkmal 1.9 offenbare, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht neu.

Aus denselben Gründen sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen IIa, IIb, III und IIIa nicht neu.

VII. Die Argumente der Patentinhaberinnen, soweit für die Entscheidung relevant, können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung der D22 in das Verfahren

D22 offenbare nicht alle Merkmale des Anspruchs 1. Ferner sei nicht bewiesen worden, dass D22 zum Stand der Technik gehöre. D22 sei somit nicht prima facie relevant und sei nicht in das Verfahren zuzulassen.

Veröffentlichungsdatum der D22

Es sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass D22 vor dem Prioritätstag öffentlich zugänglich gewesen sei. Der erste Geltungstag einer derartigen technischen Zulassung sei nicht mit dem Veröffentlichungstag gleichzusetzen. Das DIBt warte nämlich üblicherweise sechs Wochen ab, bis die Veröffentlichung erfolge. Da die E-mails des Fraunhofer IRB an einen Mitarbeiter der Einsprechenden gerichtet seien, und damit alle Beweis­mittel in der Sphäre der Einsprechenden lägen, sei als Beweismaßstab nicht das Prinzip des ,,Abwägens der Wahrscheinlichkeit", sondern ,,das Prinzip der Lücken­losigkeit" anzuwenden.

Hilfsantrag I

Im Dübel der D22 könne sich nur ein Teil des durch die Markierungen definierten Zwischenabschnitts spreizen. Daher wirke nicht der gesamte Zwischenbereich - anders als in Merkmal 1.3.1 verlangt - als Spreizbereich. Außerdem seien die zwei Setztiefen in D22 - anders als beim beanspruchten Dübel - für zwei verschiedene Mauerwerke vorgesehen. Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

Neuer Hilfsantrag IV

Der neue Hilfsantrag IV basiere im Wesentlichen auf dem sich im Verfahren befindenden Hilfsantrag IV, und diene dazu, die Diskussion auf Merkmal 1.8 zu konzentrieren. Der neue Hilfsantrag IV sei daher in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag IV

Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags IV weise der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt die gleiche Ausbildung wie in seinem vorderen Spreizbereich auf. Es sei zwar richtig, dass dadurch nicht gemeint sei, dass die zwei Bereiche identisch seien. Das Wort "gleich" im Merkmal 1.8 bedeute, dass sich der Dübel über die gesamte Länge des Zwischenabschnitts wie im vorderen Spreiz­bereich spreize. Dies sei im D22 nicht der Fall, weil sich nur ein Teil des Zwischenabschnitts spreizen könne. Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IV neu.

Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Zulassung in das Verfahren

Die Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa basierten im Wesentlichen auf den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen II und III. Sie seien deshalb in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Patentierbarkeit

Anspruch 1 des Hilfsantrags II betreffe die Verwendung eines Spreizdübels an einem Mauerwerk. Um neuheitsschädlich zu sein, müsse eine Entgegenhaltung beide Alternativen gemäß den Merkmalen 1.8 und 1.9 an einem einzigen Mauerwerk offenbaren. Eine derartige Offenbarung finde man in der D22 nicht. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II neu.

Aus den selben Gründen sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III neu.

Die Hilfsanträge IIa, IIb, III, IIIa stellten dagegen Verteidigungslinien gegen Angriffe dar, welche von anderen Entgegenhaltungen ausgingen.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der D22 in das Verfahren

D22 wurde mit der Beschwerdebegründung und damit zum frühesten möglichen Zeitpunkt in Beschwerdeverfahren eingereicht.

Da die D22 einen Dübel mit zwei Setztiefenmarkierungen zeigt, ist sie für den vorliegenden Fall relevant.

Dies geschah in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, da die Einspruchsabteilung noch in ihrer Mitteilung vor der mündlichen Verhandlung die Meinung geäußert hatte, dass der Hilfsantrag 1 nicht patentfähig sei (Punkte 3.2 und 3.3) und erst während der Verhandlung ihre Meinung darüber geändert hat.

Die Kammer hat daher entschieden D22 in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12(1) VOBK).

2. Veröffentlichungsdatum der D22

Aus der E-mail des Fraunhofer IRB vom 4. Juli 2007 (HG5) ergibt sich, dass an diesem Tag das Dokument ETA-04/0023 (Grundbescheid) vom 15.05.2007 Herrn Hengesbach zur Verfügung gestellt wurde. In der weiteren E-mail des Fraunhofer IRB an Herrn Hengesbach vom 2. August 2007 (HG6), die einen Lieferschein mit der Gesamtübersicht über die Lieferungen im August beinhaltet, ist das Dokument ETA-04/0023 (Grund­bescheid) vom 15.05.2007 ebenfalls erwähnt und zusätzlich, dass es sich dabei um 19 Seiten handelte, die dann auch zur Abrechnung kamen. Dies wird durch die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hengesbach (EV1) bestätigt. Die Patentinhaberinnen wandten ein, dass nicht klar sei, welchen Umfang der in den E-mails erwähnte Grundbescheid habe und zweifelten an, dass es sich dabei um das als D22 eingereichte Dokument handelte, weil D22 das Wort Grundbescheid nicht enthalte. In der eidesstattlichen Versicherung erklärte Herr Hengesbach jedoch eindeutig, dass es sich bei dem als D22 eingereichten Dokument um die europäische Zulassung ETA-04/0023 vom 15.05.2007 handelte. Auch stimmt die Seitenzahl (19) überein.

Der Zeitraum zwischen dem ersten Geltungstag (15. Mai 2007) und der Veröffentlichung liegt, wie die Patentinhaberinnen selbst vorgetragen haben, bei ca. 6 Wochen. Somit liegt der Veröffentlichungstag Ende Juni, d.h. über einen Monat vor dem Prioritätstag (17. August 2007). Dies ist im Einklang mit der E-Mail vom 2. August 2007 (HG6), in der die bis dahin im Archiv von Fischer eingestellten Zulassungen aufgelistet sind. Eine Geheim­haltungsvereinbarung bestand nicht, wie Herr Hengesbach in seiner eidesstattlichen Versicherung erklärt hat. Dies wurde auch nicht bestritten und ist unter den gegeben kommerziellen Verhältnissen auch nicht zu erwarten.

Damit hält es die Kammer für lückenlos bewiesen, dass D22 öffentlich zugänglich war und dementsprechend dem Stand der Technik zuzurechnen ist.

3. Hilfsantrag I

D22 offenbart einen Spreizdübel aus Kunststoff (Seite 3, Punkt 1.1), mit einem an einem Ende des Dübels angeordneten Hülsenabschnitt (Abschnitt rechts der Markierung der Verankerungstiefe im Anhang 4), der in montiertem Zustand des Dübels im Wesentlichen voll­ständig außerhalb des Mauerwerks angeordnet ist, einem vorderen Spreizbereich (Abschnitt links der Markierung der Verankerungstiefe im Anhang 2), der in montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig inner­halb des Mauerwerks angeordnet ist, sowie mit einem zwischen dem Hülsenabschnitt und dem vorderen Spreiz­bereich angeordneten Zwischenabschnitt (Abschnitt zwischen den Markierungen der Verankerungs­tiefen der Anhänge 2 und 4). Der Spreizdübel weist ein metallisches Aufspreizelement auf, das bei montierten Dübel u.a. in dem Bereich des Zwischenabschnitts mit einer korrosionsbeständigen Beschichtung nämlich einer Zinklamellenbeschichtung versehen ist (Seite 3, Punkt 1.1). Der Spreizdübel weist zwei Setztiefen­markierungen (die besagte Markierungen der Verankerungs­­­tiefen der Anhänge 2 und 4) auf, von denen eine am Beginn des Zwischenabschnitts und eine an der Trennstelle zwischen dem Zwischenabschnitt und dem vorderen Spreizbereich angeordnet ist.

Es ist unstreitig, dass der Zwischenabschnitt außerhalb des Mauerwerks angeordnet sein kann. Es bleibt daher zu entscheiden, ob er auch "als Spreizbereich wirken" kann, wie vom Merkmal 1.3.1 gefordert wird. Dieses Merkmal erfordert nicht, dass der Zwischenabschnitt als Spreizbereich ausgebildet ist, sondern lediglich, dass er als solcher wirken - d.h. seine Funktion übernehmen - kann. Gerade das ist beim Zwischenabschnitt der D22 der Fall, weil ein Teil des Zwischenabschnitts sich aufspreizen und Kräfte wie ein Spreizbereich nach außen übertragen kann.

Es stimmt, dass sich bei dem in D22 beschriebenen Dübel die Setztiefen auf den Einsatz in zwei unterschiedlichen Typen von Mauerwerk beziehen. Der Wortlaut des Anspruchs, der einen Spreizdübel und nicht seine Verwendung definiert, gibt aber nicht an, dass sich die zwei Setztiefen auf den Einsatz in ein und demselben Typ von Mauerwerk beziehen.

Folglich offenbart D22 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I.

4. Neuer Hilfsantrag IV

Der "Neue Hilfsantrag IV" unterscheidet sich von dem sich schon im Verfahren befindenden Hilfsantrag IV (eingereicht mit Schreiben vom 13. April 2018) lediglich dadurch, dass das Wort "vorderen" im Merkmal 1.8 und die Unteransprüche 2-5 gestrichen wurden.

Der Antrag versucht daher keine Einwände auszuräumen, die nicht durch den Hilfsantrag IV ausgeräumt werden können. Auch die Patentinhaberinnen haben nichts anderes vorgetragen, sondern lediglich argumentiert, dass der neue Hilfsantrag IV die Diskussion auf Merkmal 1.8 konzentrieren solle. Das Einreichen des neuen Hilfsantrags IV kann somit auch nicht die Verfahrensökonomie fördern.

Die Kammer hat daher entschieden den neuen Hilfsantrag IV, der zu einer extrem späten Phase des Verfahrens - nämlich während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer - eingereicht wurde, nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK).

5. Hilfsantrag IV

Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags IV weist der Spreizdübel in seinem Zwischenabschnitt "die gleiche Ausbildung" wie in seinem vorderen Spreizbereich auf (Merkmal 1.8). Die Patentinhaberinnen haben eingeräumt, dass damit nicht gemeint ist, dass der Zwischen­abschnitt identisch mit dem vorderen Spreizbereich ausgebildet ist.

In der Tat unterscheiden sich z.B. in der Ausführungs­form der Figur 3 der Zwischenabschnitt und der vordere Spreizbereich nicht nur durch die wasserdichte Ausführung des Zwischenabschnitts, sondern auch durch ihre Länge und durch die Geometrie der Rippen zur Stabilisierung gegen die Rotation.

Nach dem Vortrag der Patentinhaberinnen bedeutet "gleich" im Merkmal 1.8, dass sich der Dübel über die gesamte Länge des Zwischenabschnitts wie im vorderen Spreizbereich spreizt. Der Anspruch umfasst jedoch nicht eine derartige Definition. Das Merkmal 1.8 ist deshalb breit zu interpretieren.

In D22 weist der Spreizdübel in seinem Zwischen­abschnitt einen spreizbaren Bereich mit einer identischen Geometrie wie im vorderen Spreizbereich auf. In dieser Hinsicht weist daher der Spreizdübel in seinem Zwischen­abschnitt die gleiche Ausbildung wie in seinem vorderen Spreizbereich auf.

Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IV nicht neu.

6. Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Zulassung in das Verfahren

Die Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa wurden mit dem Schriftsatz vom 13. April 2018 eingereicht. Es stimmt zwar, dass diese Hilfsanträge nicht mit dem Hilfsantrag IV konvergent sind. Die Konvergenz der Anträge ist jedoch nicht im EPÜ oder in der VOBK erwähnt, und stellt lediglich einen der vielen Aspekten dar, die bei einer Entscheidung über die Zulassung von verspäteten Anträgen zu berücksichtigen sind.

Die Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa basieren im Wesentlichen auf den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen II und III, die ihrerseits den im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen II und III entsprechen. Die Änderungen im Vergleich zu diesen Anträgen sind in erster Linie als Reaktion zur Mitteilung der Kammer vom 11. Dezember 2017 (Punkte 3.1 und 3.4) zu werten.

Unter diesen Umständen hat die Kammer entschieden, die Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa in das Verfahren zuzulassen.

7. Hilfsanträge II, IIa, IIb, III, IIIa - Patentierbarkeit

7.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags II betrifft die Verwendung eines Spreizdübels zum Befestigen eines Gegenstandes an einem Mauerwerk, wobei entweder nur der vordere Spreizbereich in dem Mauerwerk sitzt, während der Hülsenabschnitt und der Zwischenabschnitt in dem zu befestigenden Gegenstand angeordnet sind, oder auch der Zwischenabschnitt im Mauerwerk sitzt und dort als Spreizbereich dient (Merkmale 1.8 und 1.9).

Diese zwei Anordnungen sind nicht nur semantisch (durch die Verwendung von "entweder.... oder") sondern auch technisch als sich ausschließende Alternativen zu betrachten, da der Zwischenabschnitt nicht gleichzeitig in dem zu befestigenden Gegenstand angeordnet sein und im Mauerwerk sitzen kann. Um die Neuheit des Anspruchs vorwegzunehmen, reicht es daher, entgegen der Meinung der Patent­inhaberinnen, wenn eine dieser Alternativen im Stand der Technik offenbart wird.

Da es unstreitig ist, dass D22 mindestens die zweite Alternative (Merkmal 1.9) offenbart (Anhang 4) ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht neu.

7.2 Der Hilfsantrag IIa begrenzt sich auf die zweite Alternative (1.9). Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht neu.

7.3 Der Hilfsantrag IIb präzisiert, dass der Hülsen­abschnitt in montierten Zustand des Dübels im Wesentlichen vollständig innerhalb des Mauerwerks angeordnet ist. Da dies in D22 ebenfalls der Fall ist, fehlt auch dem Gegenstand des Anspruchs gemäß Hilfsantrag IIb die Neuheit.

7.4 Aus denselben Gründen wie die Hilfsanträge II und IIa ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfs­anträge, III und IIIa nicht neu.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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