European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T125415.20190313 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1254/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06762842.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | F03D 7/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | WINDENERGIEANLAGE MIT EINZELPITCHEINRICHTUNGEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Senvion GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ENERCON GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Post gegeben am 26. Mai 2015, das europäische Patent Nr. 1 910 670 nach Artikel 101(2) und 101(3) b) EPÜ zu widerrufen.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 17. Juni 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 24. September 2015 eingereicht.
III. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die in Artikel 100(a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:
E1 DE 197 20 025 A1
E2 DE 297 22 109 U1
E3 DE 197 31 918 A1
E5 DE 100 33 029 A1
E6 DE 30 09 922 A1
IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2018 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 13. März 2019 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Form (Hauptantrag). Hilfsweise beantragt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf Basis eines der Hilfsanträge 1-6, die mit Schreiben vom 22. Februar 2019 eingereicht wurden.
VI. Die Beschwerdegegnerin-Einsprechende beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:
"1. Windenergieanlage mit einem Generator (5) zur Erzeugung elektrischer Energie, einem den Generator (5) antreibenden Rotor (3) mit pitchverstellbaren Rotorblättern (4) und einer Zentralsteuerungseinrichtung, wobei Einzelpitcheinrichtungen (6) für die Rotorblätter (4) vorgesehen sind, die einen Verstellantrieb (7), eine Kommunikationsverbindung (56) zur Zentralsteuereinrichtung (55) und einen Regler (60) umfassen, wobei die Rotorblätter (4) zum Abfahren der Windenergieanlage in eine Abschaltposition verstellbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Einzelpitcheinrichtungen (6) Zusätzlich einen eigenen Störfalldetektor (64) und eine eigene Anslöseeinrichtung (65) umfassen, wobei der Störfalldetektor (64) zum Erkennen von abnormalen Betriebszuständen ausgebildet und mit der Auslöseeinrichtung (65) verbunden ist, die ein Verstellen des jeweiligen Rotorblatts (4) in eine Abschaltposition bewirkt."
"17. Windenergieanlage mit einem Generator (5) zur Erzeugung elektrischer Energie, einem den Generator (5) antreibenden Rotor (3) mit pitchverstellbaren Rotorblättern (4) und einer Zentralsteuereinrichtung, wobei Einzelpitcheinrichtungen (6) für die Rotorblätter (4) vorgesehen sind, die einen Verstellantrieb (7) umfassen, wobei die Rotorblätter (4) zum Abfahren der Windenergieanlage in eine Abschaltposition verstellbar sind, und wobei die Einzelpitcheinrichtungen (6) Teil eines rotorfesten Nabenkontrollsystems (58) sind, das Messaufnehmer und eine Kommunikationsverbindung (58) zur Zentralsteuereinrichtung umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass das Nabenkontrollsystem (58) Zuzätlich einen eigenen Störfalldetecktor (64) und eine eigene Auslöseeinrichtung (65) umfasst, wobei der Störfalldetektor (64) zum Erkennen von abnormalen Betriebszuständen ausgebildet und mit einer Auslöseeinrichtung verbunden ist, die ein Verstellen der Rotorblätter (4) mittels der zugeordneten Einzelpitcheinrichtung in eine Abschaltposition bewirkt."
"19. Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit einem Generator (5) zum Erzeugen elektrischer Energie, einem den Generator (5) antreibenden Rotor (3) mit pitchverstellbaren Rotorblättern (4) und einer Zentralsteuereinrichtung (55), wobei die Rotorblätter (4) mittels Einzelpitcheinrichtungen (6), die einen Verstellantrieb (7), eine Kommunikationsverbindung (56) zur Zentralsteuereinrichtung (55) und einen Regler (60) umfassen, bezüglich ihres Anstellwinkels verändert werden, und sie zum Abfahren der Windenergieanlage in eine Abschaltposition gebracht werden, gekennzeichnet durch dezentrales Erkennen eines abnormalen Betriebszustands durch Störfalldetektoren (64) in den Einzelpitcheinrichtungen und Betätigen einer Auslöseeinrichtung derart, dass durch Verstellen des jeweiligen Rotorblatts die Rotorblätter in die Abschaltposition gebracht werden."
VIII. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1, 17 und 19 gemäß Hauptantrag sei neu und werde nicht nahegelegt.
IX. Die Beschwerdegegnerin-Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der E2. Darüber hinaus werde der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch eine Kombination von E2 mit E3, E5 oder E6 nahegelegt. Alternativ werde er durch E5 oder eine Kombination von E5 mit E1 oder E2 nahegelegt. Die gleiche Argumentation gelte analog oder sinngemäß für die unabhängigen Ansprüchen 17 und 19.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Das Streitpatent betrifft eine Windenergieanlage mit einem Generator zur Erzeugung elektrischer Energie, einem den Generator antreibenden Rotor mit pitchverstellbaren Rotorblättern und einer Zentralsteuerungseinrichtung, wobei Einzelpitch-einrichtungen für die Rotorblätter vorgesehen sind, die insbesondere einen Regler umfassen, wobei die Rotorblätter zum Abfahren der Windenergieanlage in eine Abschaltposition verstellbar sind. Die Einzelpitch-einrichtungen umfassen zusätzlich einen eigenen Störfalldetektor und eine eigene Auslöseeinrichtung, wobei der Störfalldetektor zum Erkennen von abnormalen Betriebszuständen ausgebildet und mit der Auslöse-einrichtung verbunden ist, die ein Verstellen des jeweiligen Rotorblatts in eine Abschaltposition bewirkt. Durch die Zuordnung eines Störfalldetektors und einer eigenen Auslöseeinrichtung zu jeder Einzelpitcheinrichtung können diese selbsttätig und unabhängig von der Zentralsteuerungseinrichtung Störfälle erkennen (Patentschrift, Absatz 7).
Außerdem betrifft das Streitpatent eine ähnlich ausgestattete Windenergieanlage mit einem rotorfesten Nabenkontrollsystem sowie ein entsprechend angepasstes Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage.
3. Neuheit
3.1 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach die Windenergieanlage nach Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber E2 sei.
3.2 Das Dokument E2 offenbart unbestritten eine Windenergieanlage mit einem Generator zur Erzeugung elektrischer Energie, einem den Generator antreibenden Rotor mit pitchverstellbaren Rotorblättern, wobei Einzelpitcheinrichtungen für die Rotorblätter vorgesehen sind, die einen Verstellantrieb und einen Regler umfassen, wobei die Rotorblätter zum Abfahren der Windenergieanlage in eine Abschaltposition verstellbar sind, wobei die Einzelpitcheinrichtungen zusätzlich einen eigenen Fliehkraftschalter umfassen, der zum Erkennen von abnormalen Betriebszuständen ausgebildet ist, und ein Verstellen des jeweiligen Rotorblatts in eine Abschaltposition bewirkt (Seite 3, Absätze 3 und 4).
3.3 Die Entscheidung befand, wie auch von der Beschwerdegegnerin-Einsprechende ausgeführt, dass E2 auch für jede Einzelpitcheinrichtung einen eigenen Störfalldetektor offenbare, der mit einer eigenen Auslöseeinrichtung verbunden sei. Der Störfalldetektor und die Auslöseeinrichtung seien nämlich in der Patentschrift nur als unterschiedliche Funktionsblöcke beschrieben, und solche seien im Fliehkraftschalter 20 vorhanden. Die Beschwerdegegnerin-Einsprechende vertritt zudem die Auffassung, dass alternativ in Figur 2 ein dem Fliehkraftschalter nachfolgender, in Reihe geschalteter weiterer Schalter gezeigt sei, der als Auslöseeinrichtung anzusehen sei.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus den folgenden Gründen nicht anschließen:
3.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin darin zu, dass das in E2 genannte Überschreiten der vorgegebenen Drehgeschwindigkeit als Störfall anzusehen ist. Die Fliehkraft ist proportional zum Quadrat der Drehgeschwindigkeit, so dass der in E2 offenbarte Fliehkraftschalter diesen Störfall detektiert und folglich einen Störfalldetektor bildet. Außerdem bewirkt der Fliehkraftschalter ein Verstellen des jeweiligen Rotorblatts in eine Abschaltposition, so dass er als Auslöseeinrichtung anzusehen ist (E2, Seite 3, Absätze 3 und 4).
Dagegen werden in E2 nicht zwei unterschiedliche Funktionsblöcke in Form eines Störfalldetektors und einer damit verbundenen Auslöseeinrichtung offenbart.
Das Überschreiten der vorgegebenen Drehgeschwindigkeit des Rotors kann vom Fliehkraftschalter 20 nämlich erst dann detektiert werden, wenn er fliehkraftbedingt schaltet. Vorher liefert er keine Information über die Höhe der Fliehkraft und detektiert somit bis zu seinem Schalten keinen Störfall. Durch das Schalten des Fliehkraftschalters wird direkt das Verstellen des jeweiligen Rotorblatts in eine Abschaltposition bewirkt, da dann der Anker des (ein Verstellen des Rotorblatts in die Abschaltposition bewirkenden) Gleichstrommotors 10 mit Spannung versorgt wird (E2, Seite 3, dritter Absatz). Daher erfolgen die Störfalldetektion und die Auslösung der Rotorblattverstellung in E2 integral - also gemeinsam und gleichzeitig als ein einziges und untrennbares Ereignis - durch den Fliehkraftschalter.
3.5 Auch der Verweis der Beschwerdegegnerin auf die Figur 2 der E2 und einen dort vermeintlich nach dem Fliehkraftschalter angeordneten weiteren Schalter führt zu keiner anderen Sichtweise.
3.5.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass ohne einen weiteren Schalter bereits bei einer leichten Abbremsung des Rotors das Verstellen der Rotorblätter in die Abschaltposition vorzeitig beendet würde. Laut E2 sei das jedoch erst bei Erreichen der Endschalter 18 der Fall, so dass ein Fachmann einen weiteren Schalter in E2 mitlese (Seite 3, viert- und fünftletzte Zeile).
Aus Sicht der Kammer wäre der Fliehkraftschalter bei der behaupteten Funktionsweise dann aber eine Art Regler, der die Drehgeschwindigkeit des Rotors im Bereich der "vorgegebenen Umdrehungsgeschwindigkeit" hält (vgl. E2, Seite 2, dritter Absatz). Das wäre gerade nicht Sinn und Zweck eines Fliehkraftschalters, mit dem laut E2 die Rotorblätter in die Abschaltposition verstellt werden sollen. Stattdessen wird ein Fachmann die E2 nur in dem Sinne verstehen, dass der Fliehkraftschalter 20 nach seinem Auslösen infolge eines Überschreitens der vorgegebenen Umdrehungsgeschwindigkeit zumindest solange in seiner ausgelösten Schaltposition stehen bleibt, bis die Abschaltposition erreicht ist. Bei dieser Funktionsweise des Fliehkraftschalters wird kein weiterer Schalter benötigt, um die Rotorblätter in die Abschaltposition zu verstellen.
3.5.2 Im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin genannte Figur 2 der E2 erscheint dort tatsächlich das für den Fliehkraftschalter gebrauchte Bezugszeichen 20 im Zusammenhang mit einem Rechtecksymbol, zu dem ein weiteres Schaltersysmbol in Reihe geschaltet ist.
Dieses Schaltersymbol offenbart jedoch keinen nach dem Fliehkraftschalter angeordneten weiteren Schalter. Ein solcher Schalter stünde im Widerspruch zur expliziten Aussage in E2, wonach der Anker des (für ein Verstellen des Rotorblatts in die Abschaltposition dienenden) Gleichstrommotors 10 bereits dann mit Spannung versorgt wird, wenn der Fliehkraftschalter 20 schaltet (Seite 3, dritter Absatz). Der weitere Schalter in Figur 2 ist nämlich in seiner offenen Position dargestellt, so dass die Verbindung zwischen der Batterie 12 und dem Gleichstrommotor 10 im Widerspruch zur Beschreibung auch bei Schalten des Fliehkraftschalters 20 immer noch unterbrochen wäre. Ein Verstellen des Rotorblatts durch Schalten des Fliehkraftschalters wäre demnach gar nicht möglich.
3.5.3 Ein Fachmann wird folglich das in Figur 2 dargestellte Schaltersymbol als Bestandteil des Fliehkraftschalters 20 ansehen, das den in der Beschreibung genannten Effekt bewirkt, den Anker des Gleichstrommotors 10 mit Spannung zu versorgen. Dieses Schaltersymbol offenbart daher keine vom Fliehkraftschalter getrennte Auslöseeinrichtung.
3.6 Aus diesen Gründen offenbart E2 nicht zwei miteinander verbundenen Funktionsblöcke, von denen einer den Störfalldetektor und der andere die Auslöseeinrichtung bildet. E2 offenbart somit insbesondere nicht, dass die Einzelpitcheinrichtungen einen eigenen Störfalldetektor und eine damit verbundene eigene Auslöseeinrichtung umfassen.
Da die Beschwerdegegnerin-Einsprechende keine weiteren Neuheitseinwände erhoben hat, ist die Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags zu bejahen, Artikel 52 und 54 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
Die erfinderische Tätigkeit ist ausgehend von E2 und E5 angegriffen worden. Zu diesen Angriffslinien bemerkt die Kammer folgendes:
4.1 Ausgehend von E2
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird das Dokument E2 als geeigneter Ausgangspunkt angesehen, da es eine Windenergieanlage mit Einzelpitch-einrichtungen für die Rotorblätter offenbart, wobei abnormale Betriebszustände erkannt werden und ein Verstellen des jeweiligen Rotorblatts in eine Sturmposition bewirken (siehe Absatz 3.2 der Entscheidung). Gegenüber diesem Stand der Technik sieht die Kammer die Unterscheidungsmerkmale der Windenergieanlage nach Anspruch 1 des Hauptantrags insbesondere darin, dass die Einzelpitcheinrichtungen einen eigenen Störfalldetektor und eine damit verbundene eigene Auslöseeinrichtung umfassen (siehe Absatz 3.6 der Entscheidung).
Diese Unterscheidungsmerkmale haben aus Sicht der Beschwerdegegnerin-Einsprechende keinen besonderen Effekt, der die erfinderische Tätigkeit stützen könnte. Die Kammer sieht das anders, da es sich unbestritten um technische Merkmale handelt, die folglich einen technischen Effekt bewirken, auf dessen Basis sich eine technische Aufgabe formulieren lässt. Nach Ansicht der Kammer besteht die objektive technische Aufgabe ausgehend von E2 zumindest darin, eine alternative Ausgestaltung der Einzelpitcheinrichtungen anzugeben.
Die anspruchsgemäße Lösung wird für den Fachmann durch die herangezogenen Dokumente nicht nahegelegt:
4.1.1 E2 kombiniert mit sich selbst
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass ein Fliehkraftschalter mit einem nachgeschalteten, elektrisch angesteuerten Schütz zum Schalten der Spannungsversorgung des Gleichstrommotors 10 eine naheliegende Variante eines Fliehkraftschalters sei. Die Beschwerdegegnerin argumentiert außerdem, dass der Fachmann für die konkrete Umsetzung der dem Fliehkraftschalter 20 zugrunde liegenden Funktionalität auf naheliegende Weise einen Computer für die Regelung einsetze (Schreiben vom 13. Februar 2019, Seite 12).
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist jeder Verfahrensbeteiligte für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig (RdBK, 8. Auflage 2016, III.G.5.1.1). Da die Beschwerdegegnerin keinen Beleg für ihre Behauptungen erbracht hat, und diese sich auch nicht im Wege der Amtsermittlung belegen lassen, kann sich die Kammer ihr nicht anschließen.
4.1.2 E2 kombiniert mit E3 oder E5
Die Beschwerdegegnerin akzeptiert, dass E3 oder E5 insbesondere nicht das Merkmal "eigene[r] Störfalldetektor" im Kennzeichen von Anspruch 1 des Hauptantrags offenbaren (Einspruchsschrift, Seite 15, zweiter Absatz und Seite 17, dritter Absatz).
Aus Gründen der Logik kann daher das nur im Kennzeichen von Anspruch 1 genannten Merkmale "eigene[r] Störfalldetektor" nicht durch E3 oder E5 nahegelegt werden.
4.1.3 E2 kombiniert mit E1
E1 offenbart die Kombination aus einer bestromten Dauermagnet-Kupplung 32, einer bestromten Bremse 4 und einem Federspeicher 5. Bei einem Ausfall des elektrischen Netzes verbindet die stromlos gewordene Dauermagnet-Kupplung den Federspeicher mit dem Verstellantrieb der Einzelpitcheinrichtung, und die stromlos gewordene Bremse gibt die im Federspeicher gespeicherte Energie frei, um das jeweilige Rotorblatt rein mechanisch in die Fahnenstellung zu drehen (Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 4).
Im Gegensatz dazu beruht die technische Lehre der E2 darauf, die Rotorblätter elektrisch in die Fahnenstellung zu drehen, indem Energie aus der Batterie 12 bereitgestellt wird (Seite 3, dritter Absatz). Wegen der rein mechanischen Lösung mittels eines Federspeichers wird ein Fachmann die E1 nicht auf naheliegende Weise zur Weiterbildung der E2 heranziehen.
4.1.4 E2 kombiniert mit E6 (dort genannter Stand der Technik)
Der in E6 offenbarte Stand der Technik beschreibt eine Einzelpitcheinrichtung mit einem hydraulischen Servomotor. Eine vorgespannte Feder hat die Aufgabe, bei einem Störfall das jeweilige Rotorblatt rein mechanisch in die Fahnenstellung zu drehen (Seite 4, Zeilen 28-33).
Wie für die Kombination von E2 mit E1 (siehe den vorherigen Absatz) festgestellt, wird der Fachmann die rein mechanischen Lösung der E6 nicht auf naheliegende Weise zur Weiterbildung der E2 verwenden.
4.2 Ausgehend von E5
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird das Dokument E5 als ein alternativer geeigneter Ausgangspunkt angesehen, da es eine Windenergieanlage mit Einzelpitcheinrichtungen offenbart, mit denen bei einem Störfall die Rotorblätter aus dem Wind gedreht werden (Spalte 2, Zeilen 3-9).
4.2.1 E5 kombiniert mit sich selbst
Während der mündlichen Verhandlung vertrat die Beschwerdegegnerin-Einsprechende die Auffassung, dass ein Fachmann in E5 einen Störfalldetektor und eine Auslöseeinrichtung mitlese. Ein Ausfall der Stromversorgung der Windenergieanlage müsse durch einen Störfalldetektor erfasst werden, und die Verdrehung der Rotorblätter aus dem Wind müsse implizit durch eine Auslöseeinrichtung gestartet werden. Aus Sicht der Beschwerdegegnerin könne wegen der fehlenden Unterscheidungsmerkmale gegenüber E5 keine objektive technische Aufgabe formuliert werden, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags durch E5 nahegelegt werde.
Die Kammer teilt diese Auffassung aus den im Absatz 4.2.2 dieser Entscheidung genannten Gründen nicht. Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgt, offenbart E5 nur einen einzigen Störfalldetektor und eine einzige Auslöseeinrichtung. Laut Anspruch 1 ist dagegen jedem Rotorblatt eine eigene Einzelpitcheinrichtung mit einem eigenen Störfalldetektor und einer eigenen Auslöseeinrichtung zugeordnet. Da der Rotor der E5 drei Rotorblätter mit Einzelpitcheinrichtungen A, B, C aufweist, müsste E5 auch - um alle Merkmale von Anspruch 1 zu offenbaren - drei Störfalldetektoren und drei Auslöseeinrichtungen besitzen. Das wurde von der Beschwerdegegnerin nicht vorgetragen, und ist aus Sicht der Kammer auch nicht der Fall.
Daher kann diese Argumentationslinie die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht in Frage stellen.
4.2.2 E5 kombiniert mit E1 oder mit E2
Im schriftlichen Verfahren vertrat die Beschwerdegegnerin-Einsprechende die Auffassung, dass E5 keinen eigenen Störfalldetektor offenbare (Einspruchsschrift, Seite 17, dritter Absatz; Schreiben vom 13. Februar 2019, Seite 14, dritter Absatz). Daher könne die objektive technische Aufgabe darin gesehen werden, die Autarkiefähigkeit der E5 zu erhöhen. Die Lösung dazu werde durch E1 oder E2 nahegelegt.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen:
E1 offenbart die Verstellung der Rotorblätter in die Abschaltposition mit Energie, die von einem Federspeicher bereitgestellt wird (siehe Absatz 4.1.3 der Entscheidung). Dagegen werden die Rotorblätter in E5 mit Elektromotoren verstellt, die ihre elektrische Energie aus Kondensatoren beziehen (E5, Spalte 2, Zeilen 10-13). Wegen der rein mechanischen Lösung mittels eines Federspeichers in E1 wird ein Fachmann dieses Dokument nicht auf naheliegende Weise zur Weiterbildung der E5 heranziehen.
Im Hinblick auf E2 vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass der Fachmann nur den Fliehkraftschalter 20 als Störfalldetektor übernehme, während er die in E5 implizit vorhandene Auslöseeinrichtung beibehalte. Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt, da E2 nicht zwei miteinander verbundene Funktionsblöcke offenbart, von denen einer den Störfalldetektor und der andere die Auslöseeinrichtung bildet. Stattdessen erfolgen die Störfalldetektion und die Auslösung der Rotorblattverstellung in E2 integral - also gemeinsam und gleichzeitig - durch den Fliehkraftschalter 20 (siehe Absatz 3 der Entscheidung). Eine ausschließliche Verwendung des Fliehkraftschalters aus E2 als Störfalldetektor für die Einzelpitcheinrichtung der E5 beruht daher auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise.
4.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags wird aus diesen Gründen ausgehend von E2 oder von E5 nicht nahegelegt, Artikel 56 EPÜ.
5. Gegen die unabhängigen Ansprüche 17 und 19 hat die Beschwerdegegnerin-Einsprechende nicht gesondert vorgetragen. Die Kammer hat daher keinen eingehenden Grund anzunehmen, dass die obengenannten Gründe nicht analog oder sinngemäß für diese Ansprüche gelten, da sie die gleichen oder ähnliche Merkmale aufweisen. Somit stellt sie fest, dass auch der Gegenstand der Ansprüche 17 und 19 neu und erfinderisch ist im Lichte des entgegengehaltenen Standes der Technik.
6. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen die Neuheit und erfinderische Tätigkeit für den Hauptantrag, Patent wie erteilt, im Lichte der genannten Entgegenhaltungen. Weitere Einwände sind nicht geltend gemacht worden.
Somit steht keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegen, Artikel 101(2) EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.