European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T106115.20191118 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 November 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1061/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07724201.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | H05B 33/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Betriebsschaltung für Leuchtdioden | ||||||||
Name des Anmelders: | Tridonic AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07 724 201.4 zurückgewiesen worden ist.
Die Prüfungsabteilung war unter anderem zu der Auffassung gelangt, dass die Anmeldung keine Hinweise enthalte, wie die beanspruchte Ausschaltzeitdauer eingestellt werde.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche ihres Hauptantrags, oder hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines ihrer Hilfsanträge I bis V, allesamt mit der Beschwerdebegründung eingereicht, zu erteilen.
III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer die Beschwerdeführerin unter anderem darüber informiert, dass der Gegenstand sämtlicher Anträge aller Voraussicht nach das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ nicht erfülle, da die beanspruchte Bestimmung bzw. Festlegung der "Ausschaltzeitdauer" unzureichend offenbart sei.
IV. Die Beschwerdeführerin hat auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK vor dem von der Kammer hierfür festgelegten Zeitpunkt nicht reagiert. Erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 18. November 2019 stattfand, hat die Beschwerdeführerin zu dem Einwand unter Artikel 83 EPÜ mündlich Stellung genommen.
V. Die Kammer hat das erstmals während der mündlichen Verhandlung präsentierte Vorbringen der Beschwerdeführerin dennoch gewürdigt.
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Betriebsschaltung
- für wenigstens eine Leuchtdiode (LED) und
- aufweisend
- eine Schaltreglerschaltung,
· der eine Gleichspannung zugeführt wird, und
· die mittels einer Spule (L1) und eines durch eine Steuereinheit (SR) getakteten Schalters (S1) eine Versorgungsspannung für die wenigstens eine Leuchtdiode (LED) bereitstellt,
- wobei bei eingeschaltetem Schalter (S1) in der Spule (L1) eine Energie aufgebaut wird, die sich bei ausgeschaltetem Schalter (S1) über die wenigstens eine Leuchtdiode (LED) entlädt, und
- wobei die Steuereinheit (SR) eine Ausschaltzeitdauer (toff) zwischen einem Ausschalten und einem folgenden Einschalten des Schalters (S1) abhängig von einer Spannung über der wenigstens einen Leuchtdiode (LED) und einer zeitlich konstanten Kenngröße der Spule (L1) bestimmt."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 13 betrifft ein entsprechendes Verfahren zum Betrieb wenigstens einer Leuchtdiode.
VII. In den unabhängigen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge I bis V sind die Ausdrücke "zeitlich konstante Kenngröße" und "Ausschaltzeitdauer (toff)" ebenfalls in nicht weiter eingeschränkter Form enthalten.
VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Für einen Fachmann für Schaltregler auf dem Gebiet der Beleuchtungstechnik sei unmittelbar klar, dass der Ausdruck "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" nur eine einzige Bedeutung haben könne, nämlich die Induktivität der Spule. Diese sei der Spule eingeprägt und unabhängig von der Anwendung der Spule. Die zeitlich konstante Kenngröße sei daher eine Funktion der Anstiegssteilheit des Spulenstroms und der Spulenspannung.
An anderer Stelle behauptete die Beschwerdeführerin, der Ausdruck "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" sei gleichbedeutend mit der Anstiegssteilheit des Spulenstroms über der Zeit.
Bereits der abhängige Anspruch 3 stelle eine ausreichende Offenbarung dar, denn dort sei die Kenngröße als Funktion der Anstiegssteilheit des Spulenstroms und als Funktion der Spulenspannung beschrieben. Dies entspreche der Induktivität der Spule. Anspruch 1 definiere in den Augen des Fachmanns nichts anderes. Die gewählte Art der Definition der Ausschaltzeitdauer als nicht weiter bestimmte Funktion sei zwar sehr breit, jedoch eine Offenbarung, die der Fachmann nacharbeiten könne.
In der Beschreibung auf Seite 8, ab Zeile 25 beziehe sich das Adjektiv "beispielsweise" nicht auf "anhand der elektrischen Kennwerte" sondern auf "berechnet bzw. gemessen". Als gemessener elektrischer Kennwert sei daher implizit die Induktivität der Spule offenbart.
Figur 3 sei lediglich eine schematische Darstellung und zeige zwar unterschiedliche Ausschaltzeitdauern. Der Fachmann wisse jedoch, dass die gezeigten unterschiedlichen Ausschaltzeitdauern durch Schwankungen der Ausgangspannung über der Leuchtdiode bedingt seien.
Insgesamt erfüllten die unabhängigen Ansprüche 1 sämtlicher Anträge daher das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ausreichend substantiiert. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Unzureichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
2.1 Laut den unabhängigen Ansprüchen sämtlicher Anträge der Beschwerdeführerin wird erfindungsgemäß "eine Ausschaltzeitdauer (toff) zwischen einem Ausschalten und einem folgenden Einschalten des Schalters (S1) abhängig von einer Leuchtdiodenspannung (ULED) über der wenigstens einen Leuchtdiode (LED) und einer zeitlich konstanten Kenngrösse (kL) der Spule (L1)" bestimmt bzw. festgelegt.
Für die beanspruchte Bestimmung bzw. Festlegung der Ausschaltzeitdauer ist jedoch keine ausreichende Offenbarung in der vorliegenden Anmeldung vorhanden.
Die Beschwerdeführerin ist dem entgegengetreten, da der Fachmann unter der zeitlich konstanten Kenngröße ausschließlich die Induktivität der Spule verstehe und folglich auch die von der Kenngröße abhängige Ausschaltzeitdauer ausreichend offenbart sei.
Die Kammer ist hiervon nicht überzeugt, denn in der Anmeldung findet sich keine entsprechende Grundlage für die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Auslegung.
Grundlage in der Beschreibung und den Figuren
2.2 Die Beschreibung und die Figuren enthalten keine Offenbarung, welche die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Auslegung des Ausdrucks "zeitlich konstante Kenngröße" rechtfertigt. Die nachfolgend genannten Textstellen beziehen sich auf die PCT Veröffentlichung der Anmeldung, WO 2007/121870 A1.
2.3 Auf Seite 8 ab Zeile 25 ist angegeben, der "Drosselkennwert kL kann beispielsweise anhand der elektrischen Kennwerte der Induktivität L1 berechnet bzw. gemessen werden". Welche elektrischen Kennwerte der Induktivität L1 für die Messung bzw. die Berechnung herangezogen werden und welche Einheit der Drosselkennwert hat, ist dort indes nicht angegeben.
Die Kammer schließt sich der Beschwerdeführerin nicht dahingehend an, dass das Adjektiv "beispielsweise" auf Seite 8, Zeile 26, auf "berechnet bzw. gemessen" bezogen ist. Vielmehr ist "beispielsweise" nach der Satzstruktur auf "anhand der elektrischen Kennwerte der Induktivität L1" bezogen.
Bereits aus der Formulierung "beispielsweise" geht dabei hervor, dass nicht ausschließlich elektrische Kennwerte gemeint sind. Durch diese Formulierung wird gerade in Zweifel gezogen, dass die für den Fachmann angeblich einzig mögliche Auslegung des Ausdrucks "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" die Induktivität der Spule ist.
Andererseits ergibt sich aus der genannten Beschreibungsstelle auch, dass die zeitlich konstante Kenngröße nicht die Induktivität selbst sein kann, da die Kenngröße laut der Beschreibung aus den elektrischen Kennwerten der Spule L1, d.h. beispielsweise aus deren Induktivität, berechnet bzw. bestimmt wird.
2.4 Laut Seite 8 ab Zeile 29 der Beschreibung ist es besonders vorteilhaft, "wenn das elektromagnetische Verhalten der Spule L1 anhand des Ansteigens des Spulenstroms beim erstmaligen Einschalten des Schalters S1 ermittelt wird." Der Kennwert kL sei somit "eine Funktion der Zeitdauer t1 und der Spulenspannung.... d.h. der ton Zeit zwischen dem erstmaligen Einschalten und dem Zeitpunkt, zu dem der Schalterstrom (wiedergegeben durch US) von Null ansteigend den internen Referenzwert der Steuer- und/oder Regelschaltung SR erreicht."
Die oben genannte Beschreibungsstelle steht somit einerseits im Widerspruch zur unmittelbar darüber in der Beschreibung getroffenen Aussage, wonach die Kenngröße anhand der elektrischen Kennwerte der Spule berechnet oder gemessen werde, denn weder die Zeitdauer t1 noch die Spulenspannung repräsentiert einen elektrischen Kennwert der Spule. Andererseits besteht auch ein Widerspruch zu der Behauptung der Beschwerdeführerin, die zeitlich konstante Kenngröße der Spule sei die Induktivität, da die Induktivität weder von der Zeitdauer t1 noch von der Spulenspannung abhängig ist.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Bedeutung der "zeitlich konstanten Kenngröße der Spule" als Induktivität der Spule hat daher in der Beschreibung der Anmeldung keine Grundlage.
2.5 Auch für die anspruchsgemäße Bestimmung, bzw. Festlegung der Ausschaltzeitdauer tOFF findet sich keine ausreichende Offenbarung. Es wird lediglich erläutert, wie die Einschaltzeitdauer tON ermittelt wird.
Auf Seite 9 ab Zeile 16 wird die Ausschaltzeitdauer dann plötzlich als definiert vorausgesetzt, denn dort heißt es "Nach Ablauf der wie oben definierten Ausschaltzeitdauer tOFF wird dann ..." (Hervorhebung durch die Kammer).
Die angeblich vorhandene Definition der Ausschaltzeitdauer tOFF fehlt jedoch völlig in der vorliegenden Anmeldung. Es wird lediglich beschrieben, wie tON bestimmt wird.
2.6 Aus der in Bezug genommenen Figur 3 lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, wie die Ausschaltzeitdauer tOFF bestimmt werden soll. Laut der Beschriftung der Figur 3 entspricht tOFF lediglich der ersten, unmittelbar auf t1 folgenden Ausschaltzeitdauer. Alle folgenden Ausschaltzeitdauern gemäß Figur 3 sind augenscheinlich kürzer und auch nicht entsprechend benannt. Figur 3 steht somit im Widerspruch zur Beschreibung.
Es mag zwar grundsätzlich möglich sein, dass, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, die unterschiedlichen Ausschaltzeitdauern auf Schwankungen der Ausgangsspannung an der LED zurückgehen könnten. Dies entspricht jedoch nicht der Gesamtoffenbarung der Anmeldung, nach welcher die Ausschaltzeitdauer tOFF sich nicht während des Betriebs abhängig von der Ausgangsspannung irgendwie ergibt, sondern vorab durch die Steuereinheit bestimmt wird, wie sich dies aus dem Anspruchswortlaut sowie aus der Beschreibung ergibt.
Grundlage in den Ansprüchen
2.7 Die Kammer ist von dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, auch aus den Ansprüchen sämtlicher Anträge ergebe sich, dass der beanspruchte Ausdruck "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" unter Berücksichtigung des allgemeinen Wissens des Fachmanns eindeutig nur eine einzige Bedeutung haben könne, nämlich die Induktivität der Spule, ebenfalls nicht überzeugt.
2.8 Einerseits ergibt sich bereits aus der Struktur der Ansprüche sämtlicher Anträge der Beschwerdeführerin - entgegen deren Behauptung - eindeutig, dass mit dem Ausdruck "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" gerade nicht nur die Induktivität gemeint sein kann, denn diese wird erst im abhängigen Anspruch 3 des Hauptantrags und der Hilfsanträge I und II bzw. im abhängigen Anspruch 2 der Hilfsanträge III bis V "als Funktion einer Anstiegssteilheit eines Spulenstroms und als Funktion einer Spulenspannung" definiert.
Aus dem Wortlaut der oben erwähnten abhängigen Ansprüche 3 bzw. 2, lässt sich zwar, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, ableiten, dass in der bevorzugten Ausgestaltung nach Anspruch 3 bzw. 2 die "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" eine Funktion der Anstiegssteilheit des Spulenstroms und der Spulenspannung sein soll. Die gilt jedoch nicht für die in den unabhängigen Ansprüchen 1 gewählte breitere Formulierung, für die völlig offen bleibt, was die "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" sein soll.
2.9 Der Beschwerdeführerin musste auch spätestens mit dem Erhalt der Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK bewusst gewesen sein, dass die Kammer Zweifel in allen vorliegenden Anträgen hinsichtlich der Bedeutung des Ausdrucks "zeitlich konstante Kenngröße der Spule" hat. Die Beschwerdeführerin hätte zumindest versuchen können diese Zweifel auszuräumen, indem sie einen im Sinne ihres während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Vorbringens eingeschränkten Antrag eingereicht hätte. Vorliegend hat sich die Beschwerdeführerin jedoch entschlossen, dies nicht zu tun und auch keine schriftliche Antwort auf die Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK eingereicht.
2.10 Da die Bedeutung des beanspruchten Ausdrucks "Ausschaltzeitdauer (tOFF)" von der, wie oben festgestellt, nicht ausreichend offenbarten zeitlich konstanten Kenngröße der Spule abhängt, ist auch die Bestimmung bzw. Festlegung der "Ausschaltzeitdauer" nicht ausreichend offenbart, da die Anmeldung an keiner Stelle eine eigenständige Angabe darüber enthält, wie die beanspruchte "Ausschaltzeitdauer" zu bestimmen ist.
Die beanspruchte Erfindung gemäß sämtlichen Anträgen der Beschwerdeführerin ist folglich nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sämtlicher Anträge das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt.
3. Schlussfolgerung
Da kein gewährbarer Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.