European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T095415.20170601 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 01 Juni 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0954/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08152261.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09J 7/04 D04H 3/04 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Handeinreißbares Gewebe-Klebeband | ||||||||
Name des Anmelders: | Coroplast Fritz Müller GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | certoplast Technische Klebebänder GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechende richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 990 393 zurückzuweisen.
II. Das erteilte Patent enthält 30 Ansprüche, wobei Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Handeinreißbares Gewebe-Klebeband (1), insbesondere Kabelwickelband, umfassend einen bandförmigen Träger (2) und mindestens eine auf einer Seite des Trägers (2) aufgetragene Klebeschicht (3), wobei der Träger (2) aus einem Gewebe besteht, welches überwiegend Fäden (5, 6) enthält, die sich einerseits als Längsfäden (5) mit einer Fadendichte im Bereich zwischen 30 und 50 Fäden pro Zentimeter Breite (B) in Längsrichtung des Klebebandes (1) und andererseits als Querfäden (6) mit einer Fadendichte von wenigstens 18 Fäden pro Zentimeter Länge (L) und einer Stärke von mindestens 150 dtex in Querrichtung des Klebebandes (1) erstrecken, wobei ein auf die Breite (B) bezogener Titer der Längsfäden (5) kleiner ist als ein auf die Länge (L) bezogener Titer der Querfäden (6), dadurch gekennzeichnet, dass der auf die Breite (B) bezogene Titer der Längsfäden (5) mindestens 2600 dtex/cm, der auf die Länge (L) bezogene Titer der Querfäden (6) mindestens 4700 dtex/cm und die Fadendichte der Querfäden (6) mindestens 28 Fäden (6) pro Zentimeter Länge (L) beträgt, wobei die Längsfäden (5) eine Stärke von mindestens 65 dtex aufweisen und die Längsfäden (5) und die Querfäden (6) außer durch die Klebeschicht (3) zusätzlich gegen eine Verschiebung relativ zueinander fixiert sind."
III. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt.
Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E1 : EP 1 074 595 B1;
E2 : JP 06 228 436 A;
E12: DE 10 2005 044 942 A1; und
E13: JP 63 097 678 A.
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:
- E13 wurde zum Verfahren zugelassen, während E12 nicht zum Verfahren zugelassen wurde.
- Die Erfindung erfülle die Erfordernisse der Ausführbarkeit, da der Fachmann in der Lage sei, die Parameter des beanspruchten Gewebe-Klebebands zu bestimmen und seine Handeinreißbarkeit zu beurteilen.
- Der erteilte Gegenstand sei gegenüber den Dokumenten E1, E2 und E13 neu, weil keines dieser Dokumente alle Merkmale des erteilten Gegenstands offenbare.
Der erteilte Gegenstand beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von E1 als dem nächstliegenden Stand der Technik sei die objektiv zu lösende technische Aufgabe darin zu sehen, ein handeinreißbares alternatives Gewebe-Klebeband bereitzustellen. Weder in E1 selbst, noch in E2 finde sich ein Hinweis, außerhalb der in E1 offenbarten Wertebereiche der Fadenparameter zu arbeiten, um ein Gewebe-Klebeband mit der gewünschten Quereinreißbarkeit zu erreichen. Darüber hinaus habe die Einsprechende weder belegt, noch glaubhaft gemacht, dass die technische Aufgabe nicht über die gesamte Anspruchsbreite gelöst sei.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hierbei stützte sich die Beschwerdeführerin u. a. auf E12 und E13.
V. In ihrer Erwiderung widersprach die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Außerdem beantragte sie, u. a. E12 und E13 im weiteren Verfahren vor der Beschwerdekammer von der Betrachtung auszuschließen.
VI. Im Bescheid vom 28. März 2017 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung zu den in der mündlichen Verhandlung zu diskutierenden Punkten mit.
VII. Am 1. Juni 2017 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Während der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie sich nicht weiter auf das Dokument E12 stützen wolle. Die Beschwerdegegnerin erklärte, dass sie ihren Antrag auf Ausschluss des Dokuments E13 vom Verfahren zurücknehme.
VIII. Die von der Beschwerdeführerin schriftlich und mündlich vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung sei nicht ausreichend offenbart. So offenbare das Streitpatent nicht, (i) wie die beanspruchten Parameter des fertigten Gewebe-Klebebandes zu messen seien, (ii) wie die Feinheit der im Gewebe enthaltenen texturierten Fäden zu bestimmen sei, und (iii) anhand welches Kriteriums entschieden werden könne, ob eine zusätzliche Fixierung erreicht sei und wie diese quantitativ zu bestimmen sei.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu angesichts der Offenbarung von E13, welche sämtliche Merkmale der streitgegenständlichen Lehre erkennen lasse.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Die Unterschiede des beanspruchten Gegenstands stellten eine naheliegende alternative Ausführungsform des handeinreißbaren Gewebe-Klebebands von E1 dar. Diese Unterschiede würden, wenn nicht schon durch die E1 in Alleinstellung, so doch zumindest bei zusätzlicher Berücksichtigung der E13 nahegelegt.
IX. Die von der Beschwerdegegnerin schriftlich und mündlich vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Erfindung sei deutlich und vollständig offenbart. Die Beschwerdeführerin habe nicht gezeigt, dass der Fachmann nicht in der Lage sei, ein Gewebe nach Anspruch 1 herzustellen und seine Parameter zu bestimmen. Hinsichtlich der Parameter des Endproduktes (beanspruchtes Gewebes) sei es dem Fachmann möglich, sie - nach Entfernung der Klebeschicht mit Hilfe üblicher organischer Lösungsmittel - zu bestimmen. Auch sei im Streitpatent detailliert ausgeführt, wie Gewebe mit anspruchsgemäßen Parametern erhalten werden können. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien texturierte Fäden mit anspruchsgemäßer Feinheit kommerziell erhältlich und die Bestimmung der Feinheit anhand gängiger Normen bekannt. Das Streitpatent offenbare schließlich auch, wie eine zusätzliche Fixierung der Längs- und Querfäden zu erreichen sei. Eine quantitative Angabe der Fixierung sei für die Ausführbarkeit nicht erforderlich.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber der Offenbarung von E13. Der Fachmann müsse aus sechs unabhängigen Listen auswählen, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
- Schließlich sei der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von E1 allein oder in Kombination mit E13 erfinderisch. Selbst wenn man die Aufgabe in der Bereitstellung eines weiteren Gewebeklebebandes mit guter Handeinreißbarkeit und Abriebfestigkeit sehe, sei die anspruchsgemäße Lösung nicht naheliegend. Der Fachmann finde im Stand der Technik (E1 oder E13) keinen Hinweis, für die Lösung dieser Aufgabe Parameterwerte in den anspruchsgemäßen Bereichen zu wählen. Die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin beruhe hierbei auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)
1.1 Die beanspruchte Erfindung
Anspruch 1 bezieht sich auf:
a) ein handeinreißbares Gewebe-Klebeband (1), insbesondere Kabelwickelband, umfassend:
a1) einen bandförmigen Träger (2) und
a2) mindestens eine auf einer Seite des
Trägers (2) aufgetragene Klebeschicht (3);
b) wobei der Träger aus einem Gewebe besteht, welches überwiegend Fäden (5, 6) enthält, die sich einerseits als Längsfäden (5) und andererseits als Querfäden erstrecken,
c) die Längefäden (5) aufweisen:
c1) eine Fadendichte im Bereich zwischen 30 und 50 Fäden (5) pro Zentimeter Breite (B),
c2) eine Stärke von mindestens 65 dtex in der Längsrichtung des Klebebandes,
c3) einen auf die Breite (B) bezogenen Titer der Längsfäden (5) von mindestens 2600 dtex/cm;
d) die Querfäden (6) aufweisen:
d1) eine Fadendichte von mindestens 28 Fäden (6) pro Zentimeter Länge (L),
d2) eine Stärke von mindestens 150 dtex in Querrichtung des Klebebandes (1),
d3) einen auf die Länge (L) bezogenen Titer der Querfäden (6) von mindestens 4700 dtex/cm;
e) der auf die Breite (B) bezogene Titer der Längsfäden (5) kleiner als der auf die Länge (L) bezogene Titer der Querfäden (6) ist; und
f) die Längsfäden (5) und die Querfäden (6) außer durch die Klebeschicht (3) zusätzlich gegen eine Verschiebung relativ zueinander fixiert sind.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat drei Einwände gegen die Ausführbarkeit der erteilten Erfindung erhoben.
1.2.1 Das Streitpatent lasse offen, wie in dem beanspruchten Gewebe-Klebeband (Endprodukt) die Parameter des darin enthaltenen Gewebes (Ausgangsmaterial) gemessen werden können. Diese seien insbesondere nur am ursprünglich eingesetzten Gewebe ermittelbar. Um festzustellen, ob ein Gewebe-Klebeband anspruchsgemäß sei, müsse beispielsweise der Klebstoff, mit dem das Gewebe im Endprodukt verbunden sei, mit einem Lösemittel entfernt werden. Dadurch würde das Gewebe jedoch zwangsläufig beschädigt, so dass die Eigenschaften des Gewebes verändert würden.
Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob der Fachmann feststellen kann, ob ein bestimmtes Gewebe-Klebeband anspruchsgemäß ist, ist jedoch eine Frage einer möglichen Verletzung des Patents bzw. der Klarheit des Anspruchs. Hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung ist nur relevant, ob dem Fachmann ein anspruchsgemäßes Gewebe zur Verfügung stand, mit dem er das beanspruchte Gewebe-Klebeband herstellen konnte. Diese Frage ist zu bejahen. So offenbart die Patentschrift (Seite 6, Zeile 5 bis Seite 7, Zeile 4) detailliert, wie ein anspruchsgemäßes Gewebe hergestellt werden kann, worauf die Klebeschicht aufgebracht und so das beanspruchte Gewebeklebeband erhalten wird.
Ferner könnte das Argument der Beschwerdeführerin, selbst wenn es die ausreichende Offenbarung betreffen würde, nicht durchgreifen. So ist ohne Nachweis des Gegenteils davon auszugehen, dass es, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, möglich ist, die Klebeschicht mit einem organischen Lösungsmittel zu entfernen, ohne dass das Gewebe beschädigt wird. Ferner wäre, wie ebenfalls von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, selbst unter Berücksichtigung einer bestimmten Schädigungswirkung des Lösungsmittels eine entsprechende Rückrechnung auf das unbeschädigte Gewebe möglich. Somit könnte der Fachmann entgegen den Angaben der Beschwerdeführerin die Eigenschaften des Gewebes am fertigen Gewebe-Klebeband bestimmen.
1.2.2 Gemäß Beschwerdeführerin offenbare das Streitpatent ferner nicht, wie die Feinheit und damit die Länge (in dtex) der texturierten (gekräuselten) Fäden zu bestimmen sei. Insbesondere fehlten Angaben zur Vorspannung, die nötig sei, um die Kräuselung aufzuheben und so die Feinheit bzw. Länge zu bestimmen.
Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. So handelt es sich bei der Feinheit von Fäden um eine elementare Grundgröße der Textiltechnik, die vom Fachmann routinemäßig eingestellt und anhand einschlägiger Normen bestimmt werden kann. Entsprechend sind gekräuselte Fäden mit bestimmter Feinheit auch kommerziell erhältlich.
1.2.3 Schließlich gebe das Streitpatent dem Fachmann kein Kriterium an die Hand, zu entscheiden, ob die anspruchsgemäße zusätzliche Fixierung erreicht sei und wie diese quantitativ zu bestimmen sei.
Auch hinsichtlich dieses Arguments stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zu. Die Patentschrift offenbart zahlreiche Beispiele, wie der Fachmann eine zusätzliche Fixierung der Längsfäden und der Querfäden gegen eine Verschiebung relativ zueinander erreichen kann. Insbesondere offenbaren die Absätze [0015] bis [0018], [0021] und [0023] eine zusätzliche Fixierung durch (i) den Einsatz von texturierten Garnen als
Längs- oder Querfäden, (ii) eine Kalandrierung, (iii) eine Appretur des Trägers oder (iv) ein Intermingeln der glatten oder texturierten Fäden. Ohne Nachweis des Gegenteils durch die Beschwerdeführerin hat die Kammer keinen Grund zu bezweifeln, dass durch eine oder mehrerer dieser zusätzlichen Maßnahmen tatsächlich eine zusätzliche Fixierung erreicht wird.
Es ist der Kammer auch nicht ersichtlich, weshalb eine Quantifizierung der zusätzlichen Fixierung notwendig sein soll, um eine ausreichende Offenbarung zu gewährleisten. Wie oben dargestellt, ist der Fachmann, in der Lage, eine zusätzliche Fixierung zu bewerkstelligen und kann damit unabhängig vom Grad dieser zusätzlichen Fixierung die Erfindung ausführen.
1.3 Aus den oben genannten Gründen offenbart das angefochtene Patent die beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig, dass der Fachmann sie ausführen kann. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in seiner erteilten Fassung nicht entgegen.
2. Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerin hat den Einwand mangelnder Neuheit ausschließlich auf E13 gestützt. E13 offenbart ein handeinreißbares Gewebe-Klebeband, das einen Träger und mindestens eine auf einer Seite des Trägers aufgetragene Klebeschicht aufweist. Der Träger besteht aus Längs- ("warp yarns") und Querfäden ("weft yarns") (Anspruch 1; Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, erster Absatz).
2.1.1 Die beigefügte Tabelle stellt die Merkmale der Längs- und Querfäden gemäß Anspruch 1 denjenigen gemäß E13 gegenüber. Die berechneten Zahlenwerte wurden der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 18 Februar 2015 entnommen (Seiten 10-11). Diese Werte wurden von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
Anspruch 1 E13 (allgemeine Offenbarung)
c1) FadendichteL30-50 Fäden/cm Breite FadendichteL11,8-39,4 Fäden/cm Breite (Seite 4, 3. Absatz:30-100 picks/inch)
c2) StärkeL mindestens65 dtex StärkeL ca. 33-133 dtex (Seite 3, 3. Absatz:30-120 deniers)
c3) einen auf die Breite bezogenen TiterLmindestens2600 dtex/cm einen auf die Breite bezogenen TiterL 389-5240 dtex/cm (11,8 Fäden/cm x 33 dtex: 389 dtex/cm; 39,4 Fäden/cm x 133 dtex: 5240 dtex/cm)
d1) FadendichteQmindestens28 Fäden/cm Länge FadendichteQ16,6-87 Fäden/cm Länge (Seite 4, 3. Absatz:42-220 picks/inch)
d2) StärkeQ mindestens150 dtex StärkeQ 33-244 dtex (Seite 4, 2. Absatz:30-220 deniers)
d3) einen auf die Länge bezogenen TiterQmindestens4700 dtex/cm einen auf die Länge bezogenen TiterQ 548-21228 dtex/cm (16,6 Fäden/cm x 33 dtex: 548 dtex/cm;87 Fäden/cm x 244 dtex: 21228 dtex/cm)
e) TiterL < TiterQ "strength"L < "strength"Q (Seite 3, 1. Absatz; Seite 5, 3. Absatz )
2.1.2 Wie aus der Tabelle hervorgeht, kann der Gegenstand des Anspruchs 1 aus der allgemeinen Offenbarung von E13 erst nach mehrfachem Auswählen der Überschneidungsbereiche abgeleitet werden. Ein Hinweis auf eine solche Mehrfachauswahl fehlt in E13. So liegen, wie von der Einspruchsabteilung festgestellt, die Werte in den Beispielen der E13 außerhalb der Anspruchsbereiche, so dass diese Beispiele dem Fachmann keinen Hinweis geben, in den überlappenden Bereichen zu arbeiten. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist unter diesen Umständen die Neuheit des Anspruchsgegenstandes anzuerkennen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, Achte Auflage, Juli 2016, I.C.6.3.3).
2.1.3 Unabhängig hiervon offenbart E13 nicht, dass der auf die Breite bezogene Titer der Längsfäden kleiner als der auf die Länge bezogene Titer der Querfäden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich der in E13 offenbarte Begriff "strength" von einem Titer unterscheidet, wie aus den unterschiedlichen Einheiten hervorgeht (Seite 5, 3. Absatz der E13: kg/mm; Tabelle 3 des Streitpatents: dtex/cm).
2.2 Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber E13.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ)
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Die Kammer stimmt den Parteien zu, dass das Dokument E1 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist.
E1 offenbart ein handeinreißbares und abriebfestes Gewebe-Kabelwickelband (Absätze [0001], [0002], [0009], [0020], Tabelle 1), das einen bandförmigen Träger und mindestens eine auf einer Seite des Trägers aufgetragene Klebeschicht umfasst (Absätze [0010] und [0026]). Die Klebeschicht verhindert eine relativ zueinander stattfindende Verschiebung der Längsfäden (Absatz [0013]), und der Träger besteht aus einem Gewebe aus Längs- und Querfäden (Absatz [0010]). Das Klebeband enthält auch eine zusätzliche Schicht, nämlich eine Antihaftschicht, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Trägers befindet (Seite 3, Zeile 29).
3.1.2 Die beigefügte Tabelle stellt die Merkmale der Längs- und Querfäden gemäß Anspruch 1 denjenigen gemäß E1 gegenüber.
3.1.3 Es ist aus dieser Tabelle ersichtlich, dass E1 im
Vergleich zu Anspruch 1 unterschiedliche Werte für die Merkmale c2) und c3) der Längsfäden und unterschiedliche Werte für die Merkmale d1) und d3) der Querfäden offenbart. Die Beschwerdeführerin erklärte während der mündlichen Verhandlung, dass sie dieser Analyse zustimme.
|Anspruch 1 |E1 |
c1) |FadendichteL30-50 Fäden/cm Breite |FadendichteL30-50 Fäden/cm Breite (Seite 3, Zeile 19)|
c2) |StärkeL mindestens65 dtex |StärkeL ca. 40-60 dtex (Seite 3, Zeile 23)|
c3) |einen auf die Breite bezogenen TiterLmindestens2600 dtex/cm|einen auf die Breite bezogenen TiterL max. 2500 dtex/cm (Seite 2, Zeilen 51-52)|
d1) |FadendichteQmindestens28 Fäden/cm Länge|FadendichteQ18-27 Fäden/cm Länge (Seite 3, Zeile 21)|
d2) |StärkeQ mindestens150 dtex |StärkeQ 150-250 dtex (Seite 3, Zeile 25)|
d3) |einen auf die Länge bezogenen TiterQmindestens4700 dtex/cm|einen auf die Länge bezogenen TiterQ 3000-4500 dtex/cm (Seite 3, Zeile 15)|
e) |TiterL < TiterQ |TiterL < TiterQ (Seite 3, Zeile 17) |
3.2 Die Aufgabe
3.2.1 Gemäß Patent liegt der beanspruchten Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Gewebe-Klebeband bereitzustellen, das sowohl manuell, als auch maschinell leicht verarbeitbar ist, das handeinreißbar ist, aber eine hohe Verbundfestigkeit und eine verbesserte Abriebfestigkeit aufweist, das bei Vorhandensein eines verrottungsfesten Trägers schmiegsam und flexibel ist und eine hohe Klebkraft aufweist (Absatz [0012]).
Es wurde jedoch nicht nachgewiesen, dass tatsächlich eine gegenüber E1 verbesserte Abriebfestigkeit erhalten wird. Daher teilt die Kammer die Sicht der Beschwerdeführerin, dass die objektive technische Aufgabe lediglich darin liegt, ein weiteres/alternatives Gewebe-Klebeband mit den gleichen Eigenschaften (eine Abriebfestigkeit von mindestens der Klasse C (siehe Patentschrift, Absatz [0012] und Tabelle 1) und eine Handeinreißbarkeit von weniger als 10 N (siehe Patentschrift Absatz [0011])) bereitzustellen.
3.3 Die Frage des Naheliegens
3.3.1 Es bleibt zu untersuchen, ob der mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontierte Fachmann ausgehend von E1 in naheliegender Weise zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt wäre, d.h., ob er im Stand der Technik einen Hinweis gefunden hätte, eine Stärke der Längsfäden von mindestens 65 dtex (c2), einen auf die Breite bezogenen Titer der Längsfäden von mindestens 2600 dtex/cm (c3), eine Fadendichte von mindestens 28 Fäden/cm Länge (d1) und einen auf die Länge bezogenen Titer der Querfäden von mindestens 4700 (d3) auszuwählen.
3.3.2 E1 selbst gibt keine Anregung zur beanspruchten Lösung. Im Gegenteil lehrt E1 den Fachmann, dass die Parameter c2), c3), d1) und d3) innerhalb von ganz bestimmten außerhalb der Anspruchsbereiche liegenden Wertebereichen liegen müssen, um ein Gewebe-Klebeband mit guter Handeinreißbarkeit und Abriebfestigkeit zu erhalten.
3.3.3 Von der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, dass in dem Beispiel A der E1 (Tabelle 2 auf Seite 4) eine Handeinreißbarkeit von nur 3.73 N erhalten werde. Dies liege deutlich unterhalb dem im Streitpatent zugelassenen Höchstwert von 10N. Daher hätte der Fachmann erkannt, dass er ausgehend von diesem Beispiel der E1 noch genügend "Luft" habe, um unter Beibehaltung einer Handeinreißbarkeit von unter 10 N die in Anspruch 1 genannten Parameter c2), c3), d1) und d3) derart zu verändern, dass sie in den anspruchsgemäßen Bereichen liegen.
Dieses Argument basiert jedoch auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Tatsächlich hätte der von E1 ausgehende Fachmann keinen Grund gehabt, Werte in den anspruchsgemäßen Bereichen zu verwenden, um ein Gewebe-Klebeband mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. So fordert E1, wie oben dargestellt, Grenzen für die Wertebereiche dieser Parameter, die außerhalb der anspruchsgemäßen Bereiche liegen.
3.3.4 Zusätzlich würde der Fachmann einem Vergleich der Beispiele B, C und D mit dem oben bereits diskutierten Beispiel A der E1 entnehmen, dass die gewünschten Eigenschaften durch andere, von c2), c3), d1) und d3) verschiedene Parameter des Gewebes beeinflusst werden können, nämlich die Ab- bzw. Anwesenheit einer Klebeschicht (Beispiel B) oder die chemische Natur der Fäden (Beispiele C und D). Folglich hätte der Fachmann nicht unbedingt die Parameter c2), c3), d1) und d3) variiert, um ausgehend von E1 ein weiteres Gewebe-Klebeband mit den gewünschten Eigenschaften herzustellen.
3.3.5 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass E1 in
Absatz [0014] eine dichte Packung der Querfäden vorschlägt, und daher eine Erhöhung dieser Dichte auf Werte innerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches nahelag, geht fehl. So wird im Absatz [0016] der E1 eine Dichte der Querfäden von 18 bis 27 offenbart. Im Lichte dieser Offenbarung würde der fachkundige Leser der E1 unter der in Absatz [0014] erwähnten dichten Packung der Querfäden eine Fadendichte von höchstens 27 und damit unterhalb der anspruchsgemäßen Untergrenze verstehen.
3.3.6 Die Beschwerdeführerin hat auch auf das Dokument E13 hingewiesen, welches ein Gewebe-Klebeband offenbart, dessen Parameter in Wertebereichen variieren, die mit den beanspruchten teilweise überlappen (siehe oben Punkt 2.2). E13 offenbart jedoch nicht, dass durch Wahl von Parameterwerten innerhalb der anspruchsgemäßen Bereiche ein weiteres Gewebe-Klebeband mit den gewünschten Eigenschaften erreicht werden kann. Tatsächlich bezieht sich E13 nur auf die Handeinreißbarkeit, nicht jedoch die Abriebfestigkeit (Seite 2, 4. Absatz; Seite 3, 2. Absatz; Seite 6, letzter Absatz; Tabelle 1). Der Fachmann hätte daher E13 nicht zu Rate gezogen, oder hätte zumindest keine Veranlassung gehabt, zur Erzielung einer guten Handeinreißbarkeit und Abriebfestigkeit solche Parameterwerte aus E13 auszuwählen, die sämtlich in den anspruchsgemäßen Bereichen liegen.
3.3.7 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 durch E1 oder E1 in Kombination mit E13 nicht nahegelegt.
4. Unteransprüche
Da die von Anspruch 1 abhängigen Unteransprüche 2-30 spezifische Ausführungen des Gegenstands von Anspruch 1 darstellen, sind auch diese Ansprüche neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ steht damit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung ebenfalls nicht entgegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.