European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T086715.20181023 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 October 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0867/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09013219.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | E01C 19/40 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Einbaubohle und Straßenfertiger | ||||||||
Name des Anmelders: | Joseph Vögele AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ABG Allgemeine Baumaschinen-Gesellschaft mbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 325 390 (im Folgenden: Patent) betrifft eine Einbaubohle für Straßenfertiger.
II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgrund wurde mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht (Artikel 100 a) EPÜ).
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat diese entschieden, den Einspruch zurückzuweisen.
IV. Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.
V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 23. Oktober 2018 statt.
VII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche des mit Schreiben vom 11. November 2014 eingereichten Hilfsantrags I, oder des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags II, oder der mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 eingereichten Hilfsanträge III bis IX, aufrechtzuerhalten.
VIII. Anspruchssätze gemäß Haupt- und Hilfsanträgen I und II
a) Hauptantrag
Anspruch 1 in der erteilten Fassung ist auf den folgenden Gegenstand gerichtet (die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die in der angefochtenen Entscheidung und die von den Beteiligten verwendete Merkmalsanalyse hinzugefügt):
1) Einbaubohle (B) für Straßenfertiger (F),
2) mit einer wenigstens ein Glättblech (21)
aufweisenden Grundbohle (16) und
3) wenigstens einer wenigstens ein Glättblech (22)
aufweisenden Ausziehbohle (19),
4) die zur Veränderung der Arbeitsbreite (X, X1) der
Einbaubohle (B) mittels wenigstens eines
doppelseitig beaufschlagbaren Hydrozylinders (20)
relativ zur Grundbohle (16) verschiebbar an
dieser angeordnet ist, und
5) mit einer wenigstens ein magnetbetätigtes
Wegeventil zumindest zur Richtungssteuerung des
Hydrozylinders (20) aufweisenden, elektro-
hydraulischen Steuerung (S, S', 9) zum
Beaufschlagen des Hydrozylinders (20),
dadurch gekennzeichnet, dass
6) zum bedienergeführten oder automatischen
Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des
Hydrozylinders (20) in Abhängigkeit von
wenigstens einem Einbauparameter das Wegeventil
ein Proportional-Wegeventil (W) mit proportional-
elektrischer Direktbetätigung oder proportional-
elektrischer-hydraulischer Vorsteuerung ist.
b) Hilfsantrag I
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass der Wortlaut
"zum bedienergeführten oder automatischen Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders"
wie folgt geändert wurde:
"zum [deleted: bedienergeführten oder] automatischen Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders".
c) Hilfsantrag II
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass folgendes zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde:
7) dass mittels eines Proportionalmagneten (M1, M2)
der Direktbetätigung oder der Vorsteuerung des
Proportional-Wegeventils (W) die Bewegungs-
geschwindigkeit des Hydrozylinders (20)
proportional zu einer Bewegungsgeschwindigkeit
und/oder -Richtung wenigstens einer weiteren
Ausziehbohlen-Komponente einstellbar ist.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 betreffen besondere Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Einbaubohle. Anspruch 15 betrifft einen Straßenfertiger mit einer in Anspruch 1 definierten Einbaubohle.
IX. Stand der Technik
In der Beschwerdebegründung und in der Beschwerdeerwiderung haben die Beteiligten unter anderem auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannten Druckschriften Bezug genommen:
D1: EP 0 620 319 A1
D4: US 5,362,176
D10: US 3,691,916
X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik der Fachmann aufgrund der Lehre von D10 in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde, um die Qualität des eingebauten Straßenbelags weiter zu verbessern, selbst bei schwierigen Einbaubedingungen. D10 betreffe eine Einbaubohle mit Hydrozylindern zur Einstellung der Höhenlage und Querneigung der Einbaubohle, wobei jeder Hydrozylinder mittels eines Proportional-Wegeventils angesteuert werde. D10 lehre insbesondere, dass die Proportional-Wegeventile gegenüber Schwarz-Weiß-Ventilen den Vorteil böten, die Bewegungsgeschwindigkeit und -Richtung jedes Hydrozylinders und mithin die Höhenlage bzw. Querneigung der Einbaubohle genau an variierende Einbauparameter anzupassen, um stets den an den Straßenbelag gestellten Qualitätsanforderungen zu genügen (Spalte 1, Zeilen 12 bis 66). Im Hinblick auf diese Lehre würde der Fachmann das in D1 offenbarte Schwarz-Weiß-Ventil 9 zur Ansteuerung des Hydrozylinders zum Aus- und Einfahren der Ausziehbohle durch ein Proportional-Wegeventil austauschen.
Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Fachmann würde die Lehren von D1 und D10 schon deswegen nicht kombinieren, weil D1 sich mit einer ausziehbaren Einbaubohle befasse, während D10 eine starre Einbaubohle mit fest vorgegebener Arbeitsbreite und ohne Ausziehbohlen betreffe und die dort offenbarten Proportional-Wegeventile lediglich zur Ansteuerung von Hydrozylindern zur Höhen- bzw. Querneigungsverstellung der starren Einbaubohle verwendet würden. Außerdem lehre D10, dass die Verwendung von Proportional-Wegeventilen eine Genauigkeit bei der Einstellung der Höhenlage und Querneigung der Einbaubohle ermögliche, die weniger als 3 mm betrage (Spalte 1, Zeile 17 bis 19). Dieser Vorteil sei aber für die Einstellung der Arbeitsbreite einer ausziehbaren Einbaubohle ohne Belang, weil die Korngröße des Straßenbaumaterials größer 3 mm sei. Deshalb hätte der Fachmann im Hinblick auf D10 keine Veranlassung, das in D1 offenbarte Schwarz-Weiß-Ventil 9 durch ein Proportional-Wegeventil auszutauschen.
b) Hilfsantrag I - Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass der Gegenstand von Anspruch 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass in D1 ein automatisches Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders in Abhängigkeit von wenigstens einem Einbauparameter weder vorgesehen noch möglich sei, und dass die Maßnahme nicht naheliegend sei.
c) Hilfsantrag II - Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass das zusätzliche Merkmal 7) von Anspruch 1 sich zwangsläufig aus der naheliegenden Kombination der Lehren von D1 und D10 ergebe. Für den Fachmann sei es beispielweise unmittelbar ersichtlich, dass die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders genau in Abhängigkeit vom Querneigungswinkel des Ausziehbohlen-Glättbleches variiert werden müsse, um beim Verschieben einen Versatz gleichzeitig auszugleichen. Diesbezüglich verweist die Beschwerdeführerin auf Absatz 12 in der Patentschrift.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass Merkmal 7) im entgegengehaltenen Stand der Technik weder offenbart noch angeregt sei. Bei einer bevorzugten Ausführungsform dieses Merkmals werde über die Ansteuerung des Proportionalmagneten die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders proportional zur Bewegungsgeschwindigkeit und/oder einem Winkel eines Höhen- und/oder Querneigungsantriebs für das Ausziehbohlen-Glättblech eingestellt (s. Absatz 12 der Patentschrift). Dies ermögliche die genaue Ausbildung einer nach außen abfallenden Schulter in dem Belag (s. Figuren 2B und 3 und Absatz 31).
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
1.1 Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beteiligten an, dass D1 den nächstliegenden Stand der Technik bildet.
1.2 D1 offenbart in Figuren 1 bis 8 eine Einbaubohle für einen Straßenfertiger (finisher 1) mit zwei ein Glättblech aufweisenden Bohlen (left-right pair of screeds 6), wobei eine der Bohlen zur Veränderung der Arbeitsbreite der Einbaubohle relativ zur anderen Bohle verschiebbar an dieser angeordnet ist (Spalte 4, Zeilen 33 bis 37 und Figur 9). Die Verschiebung wird mittels eines Hydrozylinders bewerkstelligt, der doppelseitig beaufschlagbar ist (screed controller 8, Spalte 2, Zeilen 36 und 37 und Figur 5). Zum Beaufschlagen des Hydrozylinders ist eine elektrohydraulische Steuerung vorgesehen, die ein elektromagnetisch betätigtes Schaltventil (electromagnetic switching valve 9) zur Richtungssteuerung des Hydrozylinders aufweist (Spalte 4, Zeilen 37 bis 42, Spalte 5, Zeilen 19 bis 31 und Blockdiagramm in Figur 8). Damit verwirklicht die in D1 offenbarte Einbaubohle die im Oberbegriff von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale ihrem Wortlaut nach. Insbesondere können die zwei Bohlen (6) als Grund- und Ausziehbohle angesehen werden. Das Schwarz-Weiß-Ventil 9 dient dazu, die Bewegungsrichtung des Hydrozylinders zum Aus- und Einfahren der Abziehbohle automatisch an den Änderungen eines Einbauparameters, nämlich der Referenzlinie A, anzupassen (s. Figur 9 und Spalte 7, Zeile 39 bis Spalte 8, Zeile 33).
1.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich davon durch die kennzeichnenden Merkmale, nämlich:
6) dass zum bedienergeführten oder automatischen
Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des
Hydrozylinders (20) in Abhängigkeit von
wenigstens einem Einbauparameter das Wegeventil
ein Proportional-Wegeventil (W) mit proportional-
elektrischer Direktbetätigung oder proportional-
elektrischer-hydraulischer Vorsteuerung ist.
1.4 Dank dieser Unterscheidungsmerkmale kann die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders und damit die Verschiebegeschwindigkeit der Ausziehbohle schnell und präzise an eine sich ändernde Einbausituation angepasst werden. Dies resultiert in hoher Qualität eingebauter Beläge selbst bei schwierigen Einbauverhältnissen (s. Absätze 8, 9 und 11 in der Patentschrift).
1.5 Ausgehend von D1 liegt die objektiv zu lösende technische Aufgabe mithin darin, die dort offenbarte Einbaubohle so weiterzuentwickeln, dass die Qualität des eingebauten Straßenbelags weiter verbessert wird, und zwar selbst bei schwierigen Einbaubedingungen.
1.6 Der mit dieser Aufgabe befasste Fachmann erhält in D10 einen konkreten Hinweis auf die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe. So offenbart D10 in Figur 3 eine elektrohydraulische Steuerung zum Beaufschlagen zweier Hydrozylinder (34, 49) zur Höhen- und Querneigungsverstellung der Einbaubohle eines Straßenfertigers (Figuren 1 und 2), wobei die Steuerung zwei elektrisch betätigte Proportional-Wegeventile (21, 22) zum automatischen Verändern der Bewegungsrichtung der Hydrozylinder in Abhängigkeit von der Einbausituationen aufweist (s. ram speed und position error in Figur 8; zur Höhenlage s. Einbauhöhemessgerät 44, Referenz 46 und Spalte 6, Zeilen 16 bis 48; zur Querneigung s. Spalte 6, Zeile 58 bis Spalte 7, Zeile 30). In D10 wird gelehrt, dass im Vergleich zu Schwarz-Weiß-Ventilen (on-off valves), die in ihrem geöffneten Zustand lediglich eine konstante Bewegungsgeschwindigkeit der Hydrozylinder bewirken können, die Proportional-Wegeventile den Vorteil bieten, die Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung der Hydrozylinder und damit die Höhenlage und Querneigung des Glättbleches stufenlos, schnell und präzise an die Einbausituation anzupassen, wodurch die Dicke und Neigung des eingebauten Straßenbelags extrem genau gesteuert wird, selbst bei wechselnden Einbaubedingungen wie Schwankungen in der Einbaugeschwindigkeit und/oder in der Beschaffenheit des Untergrunds (Spalte 1, Zeilen 12 bis 66).
1.7 Der Fachmann würde die Vorteile dieser Lehre von D10 zur Lösung der gestellten Aufgabe erkennen, insbesondere zur Steuerung der Arbeitsbreite der Einbaubohle beim Ausbilden einer nicht in Fahrtrichtung verlaufenden Naht oder eines seitlichen Abschlusses des Belages. Er hätte keine praktischen Schwierigkeiten, diese Lehre auf die in D1 offenbarte Steuerung der Ausziehbohle anzuwenden und mithin das dort offenbarte Schwarz-Weiß-Ventil 9 durch ein Proportional-Wegeventil auszutauschen. Diesbezüglich wird in D1 bereits ein Proportional-Ventil 11 eingesetzt, wenngleich nur zur Steuerung der Einbaugeschwindigkeit des Straßenfertigers.
1.8 Auf diese Weise würde der Fachmann ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit ein direkt oder indirekt betätigtes Proportional-Wegeventil zur Ansteuerung des Hydrozylinders zum Aus- und Einfahren der Ausziehbohle in Abhängigkeit des variierenden Einbauparameters (Referenzlinie A) verwenden, wobei das Proportional-Wegeventil naturgemäß die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders an den Einbauparameter anpassen würde. Somit würde der Fachmann zur beanspruchten Lösung gelangen.
1.9 Die Tatsache, dass D10 eine starre Einbaubohle mit fester Arbeitsbreite betrifft, die keine Ausziehbohlen zum Verändern der Arbeitsbreite aufweist, und dass dort die Proportional-Wegeventile lediglich zur Ansteuerung der Hydrozylinder zur Höhen- bzw. Querneigungsverstellung der Einbaubohle verwendet werden, würde den Fachmann nicht daran hindern, die genannte Lehre von D10 heranzuziehen und aufgrund der unmittelbar zu erreichenden Vorteile mit D1 zu kombinieren.
1.10 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, der in D10 dargelegte Vorteil der Proportional-Wegeventile, dass sie stets eine nahezu perfekte Einstellung der Höhenlage und Querneigung der Einbaubohle in Abhängigkeit der Einbaubedingungen ermögliche, sei für die Einstellung der Arbeitsbreite einer ausziehbaren Einbaubohle im Hinblick auf die relativ große Korngröße des verwendeten Straßenbaumaterials ohne Belang. Dies überzeugt die Kammer nicht, denn auch bei der beanspruchten Erfindung ist es Sinn und Zweck der Verwendung des Proportional-Wegeventils, stets eine genaue bzw. exakte Anpassung der Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung des Hydrozylinders an variierende Einbaubedingungen zu ermöglichen (s. Absätze 8, 9 und 11 der Patentschrift).
1.11 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52(1) und 56 EPÜ.
2. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit steht daher der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin entgegen.
3. Hilfsantrag I - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Im Unterschied zu Anspruch 1 in der erteilten Fassung verlangt Anspruch 1 nun, dass das Proportional-Wegeventil dem "automatischen Verändern" der Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders in Abhängigkeit vom Einbauparameter dient.
3.2 In der in D1 offenbarten Einbaubohle dient das Schwarz-Weiß-Ventil 9 dazu, die Bewegungsrichtung des Hydrozylinders zum Verschieben der Abziehbohle automatisch an den Änderungen der Referenzlinie A anzupassen (s. Punkt 1.2 vorstehend). Bei der vorstehend unter Punkt 1.8 beschriebenen Änderung der Einbaubohle gemäß D1 im Hinblick auf die Lehre von D10, würde der Fachmann das Schwarz-Weiß-Ventil unmittelbar durch ein proportionales Servoventil, also ein elektromagnetisch gesteuertes Proportional-Wegeventil, austauschen. Folglich würde der so angesteuerte Hydrozylinder nicht "manuell", sondern in Abhängigkeit von dem variierenden Einbauparameter automatisch bewegt, wie es Merkmal 7) verlangt.
3.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags I beruht demnach ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52(1) und 56 EPÜ.
4. Der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit steht daher der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrags I entgegen.
5. Hilfsantrag II - Artikel 123 EPÜ
5.1 Der geänderte Anspruch 1 resultiert aus einer Zusammenlegung der Merkmale des erteilten Anspruchs 1 mit dem ersten Merkmal des erteilten Anspruch 2 (s. "dass mittels des Proportionalmagneten (M1, M2) der Direktbetätigung oder der Vorsteuerung des Proportional-Wegeventils (W) die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders (20) proportional zu einer vorzugsweise gegebenen Bewegungsgeschwindigkeit und/oder -Richtung wenigstens einer weiteren Ausziehbohlen-Komponente einstellbar ist"). Diese Änderung verstößt nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ (siehe Anspruch 2 in der ursprünglich eingereichter Fassung).
5.2 Ferner ist mit dieser Änderung der Schutzbereich eingeschränkt worden, so dass kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vorliegt.
6. Hilfsantrag II - Erfinderische Tätigkeit
6.1 Die Kammer stimmt mit den Beteiligten darin überein, dass das hinzugefügte Merkmal 7) von Anspruch 1 dem Dokument D1 nicht entnommen werden kann.
6.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von D1 durch die kennzeichnenden Merkmale, nämlich:
6) dass zum bedienergeführten oder automatischen
Verändern der Bewegungsgeschwindigkeit des
Hydrozylinders (20) in Abhängigkeit von
wenigstens einem Einbauparameter das Wegeventil
ein Proportional-Wegeventil (W) mit proportional-
elektrischer Direktbetätigung oder proportional-
elektrischer-hydraulischer Vorsteuerung ist, und
7) dass mittels eines Proportionalmagneten (M1, M2)
der Direktbetätigung oder der Vorsteuerung des
Proportional-Wegeventils (W) die Bewegungs-
geschwindigkeit des Hydrozylinders (20)
proportional zu einer Bewegungsgeschwindigkeit
und/oder -Richtung wenigstens einer weiteren
Ausziehbohlen-Komponente einstellbar ist.
6.3 Ausgehend von D1 besteht die objektiv zu lösende technische Aufgabe - wie beim Hauptantrag - darin, die Einbaubohle so weiterzuentwickeln, dass die Qualität des eingebauten Straßenbelags weiter verbessert wird, selbst bei schwierigen Einbaubedingungen.
6.4 Der mit dieser Aufgabe befasster Fachmann gelangt, unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Stands der Technik und seiner allgemeinen Fachkenntnisse, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung.
6.5 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin zwar insoweit folgen, dass es im Hinblick auf die Lehre von E10 naheliegt, das in D1 offenbarte Schwarz-Weiß-Ventil 9 durch ein Proportional-Wegeventil auszutauschen, das die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders automatisch an ein variierendes Einbauparameter anpasst (s. Punkte 1.6 bis 1.10 vorstehend).
6.6 Es liegt jedoch im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahe, über die Ansteuerung des Proportionalmagneten die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders proportional zu der Bewegungsgeschwindigkeit und/oder -richtung einer weiteren Ausziehbohlen-Komponente einzustellen, wie Merkmal 7) von Anspruch 1 verlangt. Insbesondere erhält der Fachmann im entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung in Richtung dieser Maßnahme, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend argumentiert hat.
6.7 Soweit die Beschwerdeführerin behauptet hat, Merkmal 7) ergebe sich zwangsläufig aus der Kombination der Lehren von D1 und D10, fehlt dafür der Nachweis. D1 beinhaltet nämlich keinen Hinweis auf eine Einstellung der Bewegungsgeschwindigkeit bzw. -richtung des Hydrozylinders zum Verschieben der Ausziehbohle in Abhängigkeit zu der Bewegungsgeschwindigkeit bzw. -richtung einer weiteren Ausziehbohlen-Komponente. Noch weniger kann D10 zu dieser Maßnahme führen, denn es betrifft keine ausziehbare Einbaubohle mit Ausziehbohlen. Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass Merkmal 7) selbstverständlich im Hinblick auf die bekannte Praxis in der Bohlentechnik wäre. Die Beschwerdeführerin argumentiert, aus Absatz 12 der Patentschrift gehe hervor, dass die Bewegungsgeschwindigkeit des Hydrozylinders beispielsweise in Abhängigkeit vom Querneigungswinkel des Ausziehbohlen-Glättbleches feinfühlig zu variieren sei, um beim Verschieben einen Versatz gleichzeitig auszugleichen. Es liegt jedoch kein Nachweis vor, dass diese Erkenntnis zum Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ gehört, geschweige denn das in D1 offenbarte Ausziehbohlen-Glättblech quer zur Fahrtrichtung neigbar ist.
6.8 Zusammenfassend kann die Kammer also nicht feststellen, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik entgegen Artikel 52 (1) und 56 EPÜ in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt.
6.9 Die Beschwerdeführerin hat außerdem schriftlich ausgeführt, der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der in D4 offenbarten Erfindung, oder dem in der Beschreibungseinleitung von D1 offenbarten Stand der Technik (im Folgenden: D1e). In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer ihre Absicht angekündigt, die Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1e bzw. D4 nicht zu erörtern, weil sie als Ausgangspunkt jeweils weniger erfolgversprechend als D1 sind (s. Punkt 7.8 der Mitteilung) und die darauf beruhenden Angriffslinien daher weniger relevant erscheinen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Angriffslinien ausgehend von D1e bzw. D4 nicht wieder aufgegriffen. Die Kammer sieht auch bei nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage keinen Grund, hierzu weitere Ausführungen zu machen.
7. Die Kammer kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrags II der Beschwerdegegnerin nicht entgegensteht.
8. Auf die Hilfsanträge III bis IX der Beschwerdegegnerin braucht deswegen nicht mehr eingegangen zu werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 15 des Hilfsantrags II, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer;
- Beschreibung und Figuren 1 bis 9 wie erteilt.