European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T081715.20191114 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 November 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0817/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04000422.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12M 1/00 G01N 35/04 B65G 1/04 G01N 35/00 G01N 35/02 B65G 1/137 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Automatisches Lagersystem und Klimaschrank mit automatischem Lagersystem | ||||||||
Name des Anmelders: | LICONIC AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Thermo Electron LED GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rechtliches Gehör - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat form- und fristgerecht gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 1 441 026 widerrufen wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehren der D1 (US 5 645 800 A) und E1 (EP 1 256 808 A) aufweise.
IV. Die Patentinhaberin beantragt
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten
Fassung.
V. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragt,
die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Klimaschrank mit einem Lagersystem (2) mit einer Lageranordnung (6) zur Aufnahme von Lagerobjekten (9) und mit einem automatischen Transportsystem (4) zum Transport der Lagerobjekte, wobei die Lageranordnung (6) entnehmbare Lagerschächte aufweist, wobei jeder Lagerschacht übereinander anordnete Lagerstellen für Lagerobjekte aufweist, wobei das Transportsystem eine Beschickungsvorrichtung (45, 46) zum Ein- und Auslagern der Lagerobjekte in das bzw. aus der Lageranordnung aufweist, wobei die Lageranordnung (6) ringförmig um einen Innenraum angeordnet ist, wobei die Beschickungsvorrichtung (45, 46) im Innenraum der Lageranordnung angeordnet ist und wobei die Lageranordnung (6) um ein Rotationszentrum (30) drehbar ist, dadurch gekennzeichnet,
dass die Beschickungsvorrichtung (45, 46) ebenfalls um das Rotationszentrum (30) drehbar ist."
VII. Die Patentinhaberin hat im Wesentlichen argumentiert, dass die angefochtene Entscheidung die eigentliche Lehre der E1 ignoriere. Das Vorbringen der Patentinhaberin wird in den Gründen diskutiert.
VIII. Die Einsprechende hat sich im Wesentlichen der Argumentation der angefochtenen Entscheidung angeschlossen. Das Vorbringen der Einsprechenden wird in den Gründen diskutiert.
IX. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige positive Beurteilung im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 mit.
X. Die Einsprechende nahm hierzu nicht Stellung, sondern kündigte lediglich schriftsätzlich an, nicht an der auch auf ihren Hilfsantrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage.
XI. Am 14. November 2019 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer unter Anwendung von Artikel 15 (3) VOBK und Regel 115 (2) EPÜ in Abwesenheit der Einsprechenden statt, in der die Sach- und Rechtslage mit der Patentinhaberin erörtert wurde.
XII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.
XIII. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Rechtliches Gehör
Obwohl die Einsprechende nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreicht, dass sie die Gelegenheit dazu hatte, gehört zu werden. Durch das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichten fernbleibende Parteien auf diese Möglichkeit (siehe die Erläuterung zu Artikel 15 (3) VOBK, zitiert in T 1704/06, nicht veröffentlich im ABl. EPA, sowie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, Abschnitte III.B.2.7.3). Das schriftliche Vorbringen der Einsprechenden ist in dieser Entscheidung berücksichtigt (Artikel 15 (3) VOBK).
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Unter Punkt 3 ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung folgende vorläufige Meinung mit:
"3. Betreffend diesen Beschwerdegegenstand, der in der mündlichen Verhandlung weiter zu diskutieren sein wird, weist die Kammer auf Folgendes hin:
3.1 Es ist unstreitig, dass D1 (US 5 645 800 A) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt und dass sich der Klimaschrank gemäß Anspruch 1 dadurch unterscheidet, dass die Beschickungsvorrichtung ebenfalls um das Rotationszentrum der Lageranordnung für die mit den Lagerobjekten bestückten Lagerschächte drehbar ist.
3.2 Durch das o.g. Unterscheidungsmerkmal ergibt sich gegenüber D1 ein effizienterer Zugriff auf die Lagerobjekte, da sich sowohl das Lager als auch die Beschickungsvorrichtung drehen können. Dadurch erhöht sich ebenfalls die Flexibilität der Vorrichtung gemäß D1 betreffend den Transport der Lagerobjekte zwischen Lagerschächten und Arbeitsstationen. Dies scheint ebenfalls unstreitig zu sein.
3.3 Die objektive Aufgabe kann daher in Übereinstimmung mit dem Vorbringen sowohl der Patentinhaberin als auch - im Ergebnis - der Einsprechenden darin gesehen werden, den Zugriff auf die Lagerobjekte bei der Vorrichtung gemäß D1 effizienter zu gestalten, bzw. die Flexibilität dieser Vorrichtung betreffend den Transport der Lagerobjekte zwischen Lagerschächten und Arbeitsstationen zu erhöhen.
3.4 E1 (EP 1 256 808 A) enthält für den Fachmann die Lehre, wonach Lagerobjekte zwischen mehreren Stationen 151 - 158, wobei eine dieser Stationen ein Lagerkarussell ("stacking apparatus 151") ist, bewegt werden. Dabei sind diese Stationen stationär in einem Kreis um eine Beschickungsvorrichtung angeordnet. Diese Beschickungsvorrichtung umfasst einen (zusätzlichen) drehbaren Transport-Drehtisch und einen drehbaren, radial beweglichen Roboter. Als eine anspruchsgemäße, um ein Rotationszentrum drehbare Lageranordnung zur Aufnahme von entnehmbaren Lagerschächten, wobei jeder Lagerschacht übereinander anordnete Lagerstellen für Lagerobjekte aufweist, kommt in E1 nur die Station 151 in Form des o.g. Lagerkarussells in Frage. Die o.g. Beschickungseinrichtung ist eindeutig außerhalb des Lagerkarussells positioniert. Im Gegensatz zu der seitens der Einsprechenden vorgebrachten Argumentation erachtet die Kammer, dass der E1 die
Drehbarkeit beider Teile der Beschickungsvorrichtung nicht losgelöst von deren Positionierung zu entnehmen ist. Vielmehr ist die Drehbarkeit beider Teile der Beschickungsvorrichtung der E1 untrennbar mit der entsprechenden Positionierung der Beschickungsvorrichtung verbunden, da sonst die in E1 offenbarte Vorrichtung nicht funktionierte. Der Fachmann kann sich daher, bei einer eventuellen Übernahme der Lehre der E1 betreffend die Drehbarkeit beider Teile der Beschickungsvorrichtung von der speziellen örtlichen, funktionsbedingten Positionierung dieser Vorrichtung nicht lösen. E1 ist daher die Lehre zu entnehmen, dass die Beschickungsvorrichtung außerhalb des Lagerkarussells ("stacking apparatus 151"), d.h. außerhalb der drehbaren Lageranordnung anzuordnen ist.
3.5 Daraus folgt, dass selbst bei einer Übertragung der Lehre der E1 auf den Klimaschrank der D1 der Fachmann zur Lösung gemäß Anspruch 1 nicht gelangte, wonach eine drehbare Beschickungsvorrichtung innerhalb der ringförmigen, drehbaren Lageranordnung vorgesehen ist und wobei die Beschickungsvorrichtung und die Lageranordnung ein gemeinsames Rotationszentrum aufweisen.
3.6 Die Kammer folgt der Argumentation der Patentinhaberin, dass die angefochtene Entscheidung die eigentliche Lehre der E1 ignoriert, wonach eine Transportanordnung als Kombination eines Transport-Drehtisches 12 mit einem mittig positionierten, drehbaren Roboter 14 vorgesehen ist, mit welcher Arbeitsstationen (umfassend eine Station 151 mit einem Karussell mit gestapelten Objekten) um den Transport-Drehtisch herum bedient werden können. Vielmehr greift die angefochtene Entscheidung aus E1 rückblickend lediglich einzelne Teilmerkmale aus der Offenbarung der E1 heraus und sie ändert und abstrahiert dabei die Funktion dieser Teilmerkmale (insbesondere jene des Transport-Drehtischs 12, der in E1 nur zum Transport und nicht zur Lagerung dient, da in Spalte 14, Zeile 15 der E1 eindeutig als "simultaneous transport device" definiert ist) in einer unzulässigen Art und Weise.
3.7 Die Kammer ist daher der vorläufigen Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit aufweist."
2.2 Die Beschwerdeführerin hat die o.g. vorläufige Meinung der Kammer weder in Frage gestellt noch kommentiert, siehe oben Punkt X.
2.3 Die Kammer sieht - nach nochmaliger Bewertung der Rechts- und Sachlage - keinen Grund, von ihrer o.g. vorläufigen Meinung abzurücken.
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist somit eine erfinderische Tätigkeit auf.
3. Schlussfolgerung
Aufgrund der obigen Erwägungen wird festgestellt, dass die Patentinhaberin in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung dargetan hat und dass keiner der gegen das Patent in der erteilten Fassung seitens der Einsprechenden erhobenen Einwände durchgreift. Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben und das Patent kann in erteilter Fassung aufrechterhalten werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.