T 0746/15 (Fällungskieselsäure/Evonik) of 7.12.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T074615.20171207
Datum der Entscheidung: 07 Dezember 2017
Aktenzeichen: T 0746/15
Anmeldenummer: 07107962.8
IPC-Klasse: C01B 33/193
C08K 3/36
C09K 3/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fällungskieselsäuren mit speziellen Oberflächeneigenschaften
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: Grace GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention R 103
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0334/03
T 0109/08
T 0482/09
T 1286/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent EP-B1-1 860 067 zurückzuweisen.

Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"1. Fällungskieselsäure dadurch gekennzeichnet,

dass sie ein Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von größer gleich 1 aufweist, wobei das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert mittels IR-Spektroskopie, wie im Absatz der Beschreibung mit der Überschrift IR-Bestimmung beschrieben, ermittelt wird."

Die Ansprüche 2 bis 11 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Fällungskieselsäure. Anspruch 12 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung einer Kieselsäure gemäß einem der vorherigen Ansprüche. Die Ansprüche 13 bis 17 sind bevorzugte Ausführungsformen dieses Verfahrens. Anspruch 18 betrifft die Verwendung der Fällungskieselsäuren gemäß Ansprüchen 1 bis 11 und Anspruch 19 ist eine bevorzugte Ausführungsform davon. Anspruch 20 bezieht sich auf eine Dichtungsmasse, die eine Fällungskieselsäure gemäß Ansprüchen 1 bis 11 enthält. Anspruch 21 ist eine bevorzugte Ausführungsform davon. Anspruch 22 betrifft die Verwendung der Dichtungsmasse. Somit beziehen sich Ansprüche 2 bis 22 direkt oder indirekt auf Anspruch 1.

II. Die folgenden, in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente sind auch für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D1: DE 879 834

D2: US-A-2005 0165161

D3a: Perkasil®KS 300 PD und Perkasil®KS 300 GRAN Produkt Information, gedruckt am 26.August 2003

D3b: Perkasil®KS 300 PD Verkaufsspezifikation vom 13. Januar 1995 und vom 28. November 1997

D3c: Akzo PQ White Fillers Produktprospekt Juni 1996

D3d: Perkasil®KS 300 PD und Perkasil®KS 300 GRAN Produkt Information,2007

D3f: Kopien von IR-Spektren von Perkasil®KS 300 GRAN

D4: Erklärung von Dr. Horst Herrig

D5: US-B1-6 268 424

D6: Vergrößerte Kopie von Abb. 3 des Streitpatentes

III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin unter anderem folgende neue Dokumente ein:

D8: Zusätzliche Erklärung von Dr. Horst Herrig über das Verfahren zur Herstellung von Perkasil®KS 300 und die Verwendung eines Trocknungsschrittes in der Herstellung der Proben zur IR-Messung.

D9 Erklärung von Patrice Muller über das Verfahren, das für die IR-Messungen von Perkasil®KS 300 verwendet wurde.

D10:Kopie des Standards ISO 787-2 zur Bestimmung der Feuchtigkeit und des Trocknungsverlusts.

IV. Mit ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) drei Hilfsanträge sowie unter anderem folgende Dokumente ein:

D14a: IR-Spektrum Perkasil KS300 GR, getrocknet

D14b: IR-Spektrum Perkasil KS300 GR, original

D14c: IR-Spektrum Perkasil KS300 GR, getrocknet

D14d: IR-Spektrum Perkasil KS300 GR, original

D15: Prüfbericht Nr. A150011767

V. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, war die Beschwerdekammer der vorläufigen Meinung, dass keiner der Einspruchsgründe durchgreife.

VI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Einspruchsabteilung habe nicht begründet, wieso ein Trocknungsschritt die chemischen Eigenschaften des Produktes verändern solle. Diese Schlussfolgerung basiere auf unbewiesenen Behauptungen und Spekulationen. Sie habe sich auch nicht mit D4 auseinandergesetzt. Zudem zeige D6, dass der Fachmann nicht in die Lage versetzt sei Extinktionsverhältnisse kleiner 1 zu bestimmen. Der Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) sei als Reaktion auf Argumente der Patentinhaberin bezüglich der IR-Messung eingereicht worden. Da sich die Einspruchabteilung nicht mit diesen Argumenten auseinandergesetzt, sondern nur eine Wiedergabe des Sachverhaltes getätigt habe, sei der Begründungsmangel so bedeutend, dass er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfordere.

Die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchsgrunds der mangelnden Ausführbarkeit sei nicht korrekt, da nicht gezeigt worden sei, dass am Prioritätstag die im Streitpatent beschriebenen IR Messungen ausführbar waren. Zudem habe die Einspruchsabteilung nicht alle Argumente berücksichtigt. Die Ermessensentscheidung basiere auf falschen technischen Annahmen und müsse im Einklang mit T 109/08 aufgehoben werden. Das Klarheitsproblem bezüglich der Bestimmung des Extinktionsverhältnisses sei so groß, dass ein Fachmann die Erfindung nicht hätte ausführen können.

Das in Anspruch 1 vorhandene Extinktionsverhältnis sei so unklar, dass es nicht für die Bewertung der Neuheit herangezogen werden könne. Das Patent enthalte keine Details über die Vorbereitung der Probe. Es sei nicht angegeben, dass die Probe nicht getrocknet werden dürfe. Anspruch 9 zeige, dass die Kieselsäuren Restfeuchte enthalten könnten, sodass ein Trocknungsschritt vollkommen im Einklang mit dem Patent sei. Zudem zeige Absatz [0083], dass der Trocknungsschritt vor allem zu einem Verlust von Wasser führe. D10 bestätige, dass dieser Schritt bei 105°C für Materialien gelte, die bei dieser Temperatur stabil seien. Das Beseitigen von Wasser führe nicht zur Änderung der wesentlichen Eigenschaften der Kieselsäure. Der Trocknungsschritt entspreche eben nicht einer Temperung. Auch sei aus Absatz [0116] herleitbar, dass der Trocknungsschritt nicht die Silanolgruppendichte verändere. D8 und D9 bestätigten, dass der Trocknungsschritt für die Ausführbarkeit der Messung wesentlich sei und keinen Einfluss auf die Messergebnisse habe. Falls die Messung vom Trocknungsgrad abhängig wäre, würde nicht das chemische Produkt an sich gemessen, sondern unterschiedliche Trocknungsgrade, was wiederum die Unklarheit des zu bestimmenden Parameters belege. Die Abhängigkeit der IR-Messung von der Restfeuchte zeige, dass der Parameter ungenau definiert sei und nicht zur Identifikation einer chemischen Substanz geeignet sei.

Selbst wenn das Extinktionsverhältnis berücksichtigt würde, müsse es, im Einklang mit T 334/03 und T 482/09, sehr breit ausgelegt werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D3a bis D3d. Perkasil®KS 300 sei vor dem Prioritätstag des Patentes erhältlich gewesen und somit Stand der Technik. D3a bis D3d belegten, dass sich die Spezifikation der chemischen Eigenschaften von Perkasil®KS 300 zwischen 1996 und 2008 nicht verändert habe. Aus Absatz 5 aus D4 sei ersichtlich, dass das von der Beschwerdeführerin verwendete Material im Einklang mit dieser Spezifikation erhalten worden sei. Die Messmethode sei in den Absätzen 5 bis 9 der D9 offenbart. Da das Trocknen keinen Effekt auf die chemische Zusammensetzung habe, seien die IR Resultate repräsentativ für das vor dem Prioritätstag erhältliche Material.

Das Verfahren aus D1 führe zu einer gefällten Kieselsäure gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. D1 offenbare auch eine Wärmebehandlung bei 400 bis 500°C. Eine homogene Wärmeverteilung sei gängige Praxis. Es sei also an der Beschwerdegegnerin zu zeigen, dass das Produkt aus D1 nicht identisch mit dem beanspruchten sei.

Auch überlappten die physikalischen Parameter der gefällten Kieselsäure (Zeosil 172 X) aus D2 größtenteils mit denen der beanspruchten Kieselsäure, sodass D2 auch neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch, da die Aufgabe nicht über den gesamten Bereich gelöst sei. Das Patent selbst erwähne in Abschnitt [0024], dass neben der hohen Anzahl an isolierten SiOH-Gruppen auch deren großer Abstand für die speziellen Eigenschaften wesentlich seien. Die Silanolgruppendichte spiegele sich jedoch nicht im Anspruch 1 wieder. Isolierte SiOH Gruppen alleine reichten nicht aus um die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen zu vermeiden, da es vor allem auf den Abstand der OH-Gruppen ankomme. Die Beispiele 1 und 2 des Streitpatents seien nicht für die gesamte Anspruchsbreite repräsentativ, da sie sehr spezifisch seien. Zudem seien sie nicht geeignet einen Effekt zu zeigen, da sie sich nicht nur im Extinktionsverhältnis gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik unterschieden. Die Beschwerdegegnerin habe nicht belegt, dass der Effekt nur dem unterschiedlichen Extinktionsverhältnis geschuldet sei.

D2 beschreibe auch ein Feuchtigkeitsproblem von Fällungskieselsäuren in Silikonkautschuk (Absätze [0001] bis [0005]). Tabelle 1 zeige, dass dieses Problem mit einer Kieselsäure gemäß Beispiel 1 gelöst sei. Der Fachmann, der das in Ansatz [0005] des Streitpatents formulierte Problem des hohen Feuchtegehaltes lösen wolle, würde D2 konsultieren, angesichts der ähnlichen Problemstellung.

VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden.

D3a bis D3d sowie D5 seien nicht prima facie relevant und hätten nicht in das Verfahren zugelassen werden sollen.

Die Nichtzulassung des Einspruchgrundes unter Artikel 100(b) sei gerechtfertigt gewesen, da die IR-Messung nicht vom jeweiligen IR-Messgerät abhänge und der Fachmann gewusst hätte, wie die entsprechenden Auswertungen vorzunehmen seien.

Die Bestimmung des Extinktionsverhältnisses SiOHisoliert stelle für den Fachmann kein Problem dar, da die Methode, einschließlich der Probenvorbereitung, in den Absätzen [0107] bis [0113] detailliert beschreiben sei. Weder dort noch in den Absätzen [0134] sowie [0154] sei ein Trocknungsschritt erwähnt. Die getrocknete Probe und die nicht getrocknete Probe stellten nicht das gleiche Produkt dar. Aus Absatz [0116] ginge nicht hervor, dass die Probe vor der Silanolgruppendichtebestimmung getrocknet würde. Vielmehr würde ein Teil der Probe getrocknet, um den Feuchtigkeitsgehalt zu bestimmen, der später bei der Bestimmung der Silanolgruppendichte des anderen Teils zu berücksichtigen sei (Absatz [0116], insbesondere Seite 14, Zeilen 10 bis 12). Absatz [0083] erkläre, wie die Feuchte der Probe bestimmt werde und lehre nicht, dass die Probe vor jeder Parameterbestimmung jeweils zu trocknen sei. Figur 2 zeige eine erfindungsgemäße Kieselsäure und Figur 3 das IR-Spektrum des Vergleichsproduktes Siloa 72 X mit einem Trocknungsverlust von 2,4 %. Diese Spektren zeigten, dass ohne weiteres von Fällungskieselsäuren mit solchem Feuchtigkeitsgehalt IR Spektren angefertigt werden können. Es bestehe deshalb keine Notwendigkeit Perkasil®KS 300 GRAN zu trocknen. D14a bis D14d sowie D15 zeigten, dass die Wärmebehandlung, wie sie bei den Vergleichsbeispielen der Patentinhaberin vorgenommen wurden, das Extinktionsverhältnis verändere.

Das Patent beschreibe in den Absätzen [0052] und [0107] die Relevanz des Temperschrittes. Ein solcher sei weder in D1 noch in D2 vorhanden, sodass es keinen Grund gäbe die Neuheit zu verneinen.

Es werde nicht bestritten, dass Perkasil®KS 300 vor dem Prioritätstag erhältlich war. Es sei jedoch unklar, ob die Probe aus dem Jahr 2012, die für die Versuche der Beschwerdeführerin verwendet wurde, tatsächlich mit den vor dem Prioritätstag verfügbaren Material identisch sei. Es gebe keine Versuchsergebnisse oder Herstellungsunterlagen, die dies belegten. Innerhalb der in den Dokumenten 3a bis 3d, angegebenen Produktspezifikationen könnten die Materialien trotzdem unterschiedlich sein. Eine Veränderung der Produkte im Laufe der Zeit sei wahrscheinlich und gehe auch aus einem Vergleich von D3d mit D3a hervor. Auch sei die Größe der Anlage zur Herstellung verändert worden (D8, Absatz 8).

Es gebe keine Versuche die belegten, dass die technische Aufgabe nicht über den gesamten Bereich des Anspruchs gelöst sei. Die erfindungsgemäße Kieselsäure zeichne sich durch einen besonders hohen Anteil an isolierten SiOH-Gruppen aus, was bereits einschließe, dass die SiOH-Gruppen einen gewissen Abstand voneinander haben, da sie als isolierte SiOH-Gruppen bezeichnet seien. Die niedrige Silanolgruppendichte sei eine bevorzugte Ausführungsform.

D1 sei aus dem Jahre 1953 und es werde bezweifelt, dass damals Silikonkautschuk bereits als Handelsprodukt erhältlich war. D2 beschreibe, dass Fällungskieselsäuren nicht für Silikonkautschuk geeignet seien. Auch betreffe D2 nicht die Polymerisation bei Raumtemperatur. Als Ausgangspunkt müsse eigentlich eine pyrogene Kieselsäure dienen.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.Zudem beantragte sie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Ermessensentscheidungen der Einspruchsabteilung

Es ist gefestigte Rechtsprechung, dass eine Beschwerdekammer sich nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz bei einer Entscheidung ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen soll, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat und damit ihr eingeräumtes Ermessen überschritten hat (siehe auch T 1286/14, Gründe 1.2.4).

Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung die Dokumente D3a bis D3d und D5 nach Anhörung der Parteien (Punkte 10.1 und 10.2 der Entscheidung) als prima facie relevant für die Frage der Neuheit erachtet und deshalb in das Verfahren zugelassen (Punkt 11 der Entscheidung). Die Kammer kann nicht erkennen, wieso die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt haben soll und sieht deshalb keinen Grund die Entscheidung die erwähnten Dokumente zuzulassen, aufzuheben.

Zudem hat die Einspruchsabteilung den Einspruchgrund gemäß Artikel 100(b), der nach der neunmonatigen Einspruchsfrist vorgebracht wurde, nicht in das Verfahren zugelassen. Dabei hat sie die Argumente der Parteien gehört (Punkte 9.1 bis 9.2 der Entscheidung; Protokoll, Seite 1) und kam abschließend zur Schlussfolgerung (Punkt 9.3), dass der Einspruchsgrund nicht prima facie relevant sei, da die Einsprechende die Messung selbst durchführen konnte (siehe auch Punkt 4.3). Auch hier hat die Einspruchsabteilung das richtige Kriterium angewandt, sodass die Kammer keinen Grund sieht diese Entscheidung aufzuheben.

T 109/08 ist deshalb für den vorliegenden Fall nicht relevant, da die Kammer dort die Ansicht vertrat, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in willkürlicher Art und Weise ausübte (Gründe 4.8) und demzufolge die Ermessungsentscheidung aufhob. Dies gilt nicht für den vorliegenden Fall.

2. Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ

2.1 Bevor die Frage der Neuheit behandelt wird, wird zuerst dargelegt, wie die Kammer Anspruch 1 auslegt.

Anspruch 1 betrifft eine Fällungskieselsäure, die nur durch das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert gekennzeichnet ist. Dabei soll dieses Verhältnis mittels IR-Spektroskopie, wie in den Absätzen [0107] bis [114] beschrieben, ermittelt werden. Es wird in Absatz [0108] (Seite 13, Zeilen 10 bis 15) erläutert, wie das Probenmaterial für die Messung vorbereitet wird. Nachdem ein Spektrum im Bereich 4000 bis 1400 cm**(-1) aufgenommen wurde, werden die Basislinien wie beschrieben festgelegt. Das Festlegen der Basislinien ist eigentlich kein Problem für einen Fachmann, da dies auch vor dem Prioritätstag des Patents normalerweise durch eine geeignete Software durchgeführt wurde. Dies ist auch im Einklang mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Messungen in D3f. Die in D6 gezeigten Skizzen sind dazu im Widerspruch und wurden offensichtlich von Hand und nur näherungsweise durchgeführt. Nach Ansicht der Kammer stellen sie keine fachgerecht angelegten Basislinien dar. Nach erfolgter Festlegung der Basislinien kann das Maximum der relevanten Banden bei 3750 und 1870 cm**(-1) bestimmt werden, woraus das gewünschte Extinktionsverhältnis SiOHisoliert berechnet wird.

Es ist dem Fachmann auch bekannt, dass Wasser an der Oberfläche von Fällungskieselsäuren adsorbiert werden kann, sodass die OH Schwingungen des adsorbierten Wassers sich im IR Spektrum niederschlagen und die OH Schwingungen des Silanols überlagern können. Die Trocknung einer Fällungskieselsäure würde das adsorbierte (physiosorbierte) Wasser entfernen und somit zu einem anderen IR-Spektrum führen, als bei der ungetrockneten Fällungskieselsäure. Eine getrocknete und eine ungetrocknete Kieselsäure stellen somit nicht die gleiche Kieselsäure im Sinne des Anspruchs 1 des Patents dar, selbst wenn durch die Trocknung nur physiosorbiertes Wasser entfernt wird. Dies ist auch im Einklang mit den in D3a bis D3d gezeigten Spezifikationen, die jeweils den Trocknungsverlust angeben ("moisture loss"), da eine getrocknete Probe zwingend einen anderen (also im Prinzip keinen) Trocknungsverlust hat, als eine ungetrocknete Probe. Die getrocknete Probe fällt somit nicht mehr unter die Spezifikation im Hinblick auf den "Trocknungsverlust". Diese Schlussfolgerung ist auch im Einklang mit den in D14a bis D14d sowie D15 gezeigten Ergebnissen und kann das unterschiedliche Ergebnis zwischen D3f und dem im Schreiben vom 25. August 2014 vor der Einspruchsabteilung vorgetragenen Wert der Einspruchsgegnerin, möglicherweise erklären. Zudem wird in D4 erwähnt, dass die Feuchtigkeit die IR-Messung beeinflusst (Absatz 7, letzter Satz).

Absatz [0083] des Streitpatents erklärt, wie an einer bestimmten Probe die Bestimmung der Feuchte oder des Trocknungsverlustes durchgeführt wird. An der gleichen ungetrockneten Probe wird die Bestimmung des Extinktionsverhältnises SiOHisoliert, wie in Absätzen [0107] bis [114] beschrieben, durchgeführt. Auch aus Absatz [0116] kann nicht geschlussfolgert werden, dass es die nach der Methode aus Absatz [0083] getrocknete Probe ist, die zur Bestimmung der Silanolgruppendichte verwendet wurde. Vielmehr wird ein Teil der Probe gemäß der erwähnten Methode getrocknet und der andere dann zur Bestimmung der Silanolgruppen verwendet. Der gemessene Feuchtigkeitswert muss bei der Berechnung der Silanolgruppendichte berücksichtigt werden (Absatz [0116], insbesondere Seite 14, Zeilen 10 bis 12). Auch aus den Absätzen [0134] und [0154] geht nicht hervor, dass die Probe vor der IR-Messung getrocknet wird.

D10 beschreibt, dass das dort beschriebene Verfahren nur auf Pigmente und Füllstoffe anwendbar ist, die bei 105°C beständig sind (Punkt 1, Zeilen 4 bis 6). Dies bedeutet, dass bei solchen Produkten das Verfahren aus D10 es erlaubt, nur den bei 105°C flüchtigen Masseanteil zu bestimmen, ohne irgendwelche Abbauprodukte. Jedoch heißt das nicht, dass die Trocknung keinen Einfluss auf eine IR-Messung hat und die Trocknung das zu messende Produkt nicht im Sinne der Spezifikationen 3a bis 3d ändert.

Für die Aussage, dass die Bestimmung des Extinktionsverhältnisses SiOHisoliert nicht wirklich reproduzierbar sei, gibt es keine Belege, sodass die Annahme, dass das Extinktionsverhältnis bei der Frage der Neuheit nicht zu berücksichtigen sei, nicht wirklich begründet ist. Die zitierten Richtlinien F-IV, 4.6 sind für den vorliegenden Fall nicht relevant, da dort relative Begriffe diskutiert werden und außerdem dargelegt wird, dass relative Begriffe nicht wirklich als Unterscheidungsmerkmal herangezogen werden können, wenn alle anderen Merkmale identisch sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um einen relativen Begriff, sondern um einen Parameter, den der Fachmann bestimmen kann.

Die Entscheidung T 334/03 ist nicht relevant für den vorliegenden Fall, da sie einen Verwendungsanspruch betrifft, wobei die Begriffe "as laser sensitive pigment" und "suitable to be marked with laser light" die beabsichtigte Verwendung der Zusammensetzung betrafen und nicht die Charakterisierung der Zusammensetzung, wie im vorliegenden Fall.

T 482/09 betrifft die breite Auslegung des Begriffes "Viskosität", da keine Messmethode angegeben war. Dies unterscheidet sich von dem vorliegenden Fall, da in den Absätzen [0107] bis [0114] angegeben wird, wie das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert bestimmt werden soll.

Angesichts der Schlussfolgerung, dass eine getrocknete Fällungskieselsäure nicht identisch mit einer (unter gleichen Bedingungen erhaltenen) nicht getrockneten Fällungskieselsäure ist, kommt die Kammer aus folgenden Gründen zum Schluss, dass die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ erfüllt sind.

2.2 D1 offenbart in den Beispielen I und II die Herstellung von gefällten Kieselsäuren (Seite 3, Zeilen 5 bis 25). Diese werden abgefiltert und getrocknet (Seite 3, Zeilen 10 und 20). Zudem beschreibt D1, dass die hergestellten Kieselsäureprodukte unter Erhöhung der Oberflächenaktivität eine weitere Verbesserung hinsichtlich der gummitechnischen Eigenschaften erfahren, wenn sie einer nachträglichen Wärmebehandlung unter Bedingungen unterworfen werden, die das Eintreten einer nennenswerten Rekristallisation mit Sicherheit ausschließen (Seite 2, Zeilen 95 bis 102).

D1 offenbart jedoch weder eine IR-Messung, noch eine Temperung der getrockneten Kieselsäure in einem Wirbel- oder Fließbettreaktor. Dieser Schritt scheint jedoch wesentlich, um die gewünschte Silanolanordnung an der Oberfläche zu erhalten (Spalte [0052] und Anspruch 12 des Streitpatents). Auch wenn eine homogene Temperaturverteilung sowie eine homogene Prozessgasatmosphäre vom Fachmann angestrebt werden, so geht jedoch nicht aus D1 hervor, dass solche Bedingungen bei der angegebenen Wärmebehandlung wirklich vorliegen, sodass es keinen eindeutigen Hinweis gibt, dass die in D1 erhaltenen Fällungskieselsäuren die gleichen Oberflächeneigenschaften haben, wie die beanspruchten. Deshalb scheint das Verfahren gemäß D1 auch nicht zwingend zu dem beanspruchten Extinktionsverhältnis SiOHisoliert zu führen.

2.3 D2 offenbart in Beispiel 1 Zeosil 172X, das eine BET-Oberfläche von 180 m**(2)/g, ein Verhältnis BET/CTAB von 1.06 sowie einen Wassergehalt von 2.3% aufweist. Obwohl diese Parameter im Einklang mit den Eigenschaften des Anspruchs 4 des Patents sind, kann daraus nicht gefolgert werden, dass das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert größer gleich 1 ist. Wie bereits für D1 festgestellt, ist die Temperung ein wesentlicher Verfahrensschritt, um das gewünschte Extinktionsverhältnis einzustellen. Ein solcher in einem Wirbel- oder Fließbettreaktor wird auch in D2 nicht offenbart, sodass es nicht unmittelbar und eindeutig aus D2 hervorgeht, dass das Extinktionsverhältnis im gewünschten Bereich liegt.

2.4 D3f offenbart IR-Spektren von getrocknetem Perkasil®KS 300 GRAN, das im Jahre 2012 im Einklang mit den Produktspezifikationen aus D3a bis D3d hergestellt worden sein soll (D4: Absatz 5; D9: Absätze 6 bis 8). Das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert dieser Proben ist größer gleich 1. Es steht außer Zweifel, dass Perkasil®KS 300 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents im Handel verfügbar war. Jedoch ist es nicht eindeutig, dass das gemessene Perkasil®KS 300 GRAN dem vor dem Prioritätsdatum im Handel verfügbaren entspricht.

Es ist etablierte Rechtsprechung, dass ein Verfahrensbeteiligter für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, Kapitel III.G.5.1.1). D3f enthält jedoch keinerlei Angaben über die Eigenschaften des Perkasil®KS 300, das verwendet wurde. Nur D4 (Absatz 5) behauptet, dass das gemessene Material im Einklang mit den in D3a bis D3d gezeigten Spezifikationen hergestellt wurde. Belege in Form von beispielsweise Unterlagen betreffend die Herstellungsmethoden des gemessenen und der vor dem Prioritätsdatum verfügbaren Produkte liegen nicht vor. Das gemessene Produkt mag möglicherweise die in D3a bis D3d gezeigten Produktspezifikationen erfüllen, was jedoch kein eindeutiger Beweis dafür ist, dass die Produkte identisch waren. Es ist einem Fachmann bekannt, dass es innerhalb der angegebenen Produktspezifikationen zu Variationen der genauen chemischen Zusammensetzung des Produktes kommen kann. Auch geht aus den vorhandenen Unterlagen nicht eindeutig hervor, ob die in der Partikelgrößenverteilung auftretenden Variationen zwischen D3a und D3d alleine der unterschiedlichen Vermahlung geschuldet sind, oder ob sie auf unterschiedliche Herstellungsmethoden zurückzuführen sind. Es ist deshalb nicht eindeutig, ob das gemessene Produkt, das gleiche ist wie das, das vor dem Prioritätsdatum erhältlich war.

Zudem wurde das Handelsprodukt Perkasil®KS 300 GRAN vor der Messung getrocknet, sodass das gemessene Produkt nicht mehr mit dem Handelsprodukt identisch war (siehe auch Punkt 2.1, supra). Die Begründung, dass das Produkt getrocknet werden musste, um eine Messung zu ermöglichen, ist auch zweifelhaft angesichts der Tatsache, dass das in Figur 3 des Streitpatents gezeigte Spektrum des Vergleichsbeispiels 1 (Trocknungsverlust 2.4%) ohne vorheriges Trocknen durchgeführt wurde.

Deshalb ist die Kammer nicht überzeugt, dass die in D3f gezeigten Ergebnisse auf ein vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents im Handel verfügbares Produkt Perkasil®KS 300 zutreffen. Deshalb ist nicht bewiesen, dass Perkasil®KS 300 die Neuheit von Anspruch 1 vorwegnimmt.

Da die Neuheit für den Gegenstand des Anspruchs 1 anerkannt wird, gilt dies auch für den Gegenstand der Ansprüche 2 bis 22, die sich direkt oder indirekt auf den Gegenstand des Anspruchs 1 beziehen.

3. Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ

3.1 Erfindung

Die Erfindung betrifft Fällungskieselsäuren mit einer speziellen Oberflächenbeschaffenheit.

3.2 Nächstliegender Stand der Technik

D2 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen, da D2 auch Fällungskieselsäuren betrifft, die trotz ihres Feuchtigkeitsgehaltes in Silikonkautschukzusammensetzungen verwendet werden können (siehe Absätze [0005] and [0014]).

D1 ist weniger relevant als D2, da D1 sich nicht mit dem Einfluss der Feuchte befasst und nicht eindeutig ist, ob D1 auch Silikonkautschukzusammensetzungen betrifft.

3.3 Aufgabe

Die zu lösende Aufgabe besteht darin Fällungskieselsäuren bereit zu stellen, die in RTV (room temperature vulcanizing)-1K-Silikonkautschuk eingesetzt werden können, ohne zu viel Feuchte in das System einzubringen (Absätze [0005] und [0009] des Streitpatents).

3.4 Lösung

Zur Lösung der Aufgabe wird eine Fällungskieselsäure gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von größer gleich 1 aufweist.

3.5 Erfolg der Lösung

Die Fällungskieselsäuren gemäß den Beispielen 1 und 2 des Streitpatents haben ein Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von 2,43 respektive 3,17 und weisen eine bessere Standfestigkeit und Lagerstabilität auf, als die Fällungskieselsäuren gemäß den Vergleichsbeispielen 1 und 2, die ein Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von 0,8 respektive 0,33 besitzen. Dies zeigt, dass die Fällungskieselsäuren gemäß den Beispielen 1 und 2 zur Verdickung von Standfestigkeit von RTV-1K-Silikonkautschuk geeignet sind und die gestellte Aufgabe durch diese Kieselsäuren gelöst wurde.

Diese Fällungskieselsäuren unterscheiden sich jedoch von den Fällungskieselsäuren gemäß den Vergleichsbeispielen 1 und 2 nicht nur im Extinktionsverhältnis SiOHisoliert sondern auch in anderen Eigenschaften (siehe Tabelle 1 des Streitpatents). Ob die erreichten Ergebnisse alleine auf das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von größer gleich 1 zurückzuführen sind, oder ob andere Unterscheidungsmerkmale dafür verantwortlich sind, lässt sich aus den Ergebnissen nicht bestimmen. Zudem kann nicht geschlussfolgert werden, ob die erreichten Ergebnisse bereits bei einem Extinktionsverhältnis SiOHisoliert von knapp über 1 erreicht werden.

Die Lösung der Aufgabe über den gesamten Bereich des Anspruchs könnte also in Frage gestellt werden. Gemäß Absatz [0024] des Patents erschweren die hohe Anzahl der isolierten SiOH-Gruppen und zugleich deren großer Abstand die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen und das Anlagern von Wassermolekülen auf der Kieselsäureoberfläche. Die Anzahl der isolierten SiOH-Gruppen wird durch das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert ausgedrückt, das im Anspruch 1 vorhanden ist, während der Abstand dieser sich in einer niedrigen Silanolgruppendichte widerspiegelt. Dieses Merkmal ist jedoch nicht im Anspruch 1 vorhanden. Trotzdem ist es plausibel, dass alleine die erhöhte Anzahl der isolierten SiOH-Gruppen auch bereits das Anlagern von Wasserstoffmolekülen erschwert und dieser Effekt sich positiv auf die Eigenschaften der Kieselsäure hinsichtlich der Verwendung in RTV-1K-Silikonkautschuk auswirkt und somit auch in den Ergebnissen der Beispiele wiederzufinden ist.

Da es keine Gegenbeispiele gibt, die zeigen, dass unter den Anspruch fallende Fällungskieselsäuren die gestellte Aufgabe nicht lösen, hat die Kammer keinen Grund an der Lösung der gestellten Aufgabe zu zweifeln.

3.6 Naheliegen

D2 betrifft Silikonkautschuk, der bei hohen Temperaturen vulkanisiert und das Feuchtigkeitsproblem der Fällungskieselsäuren steht im Zusammenhang mit der Schaumbildung während der Vulkanisation (Absatz [0005]). D2 setzt sich somit auch nicht mit RTV-1K-Silikonkautschuk auseinander und sagt nichts über die Silanolgruppen auf der Oberfläche der Fällungskieselsäure aus. D2 ist somit nicht relevant für die Lösung der Aufgabe.

D1 betrifft weder Fällungskieselsäuren, die in RTV-1K-Silikonkautschuk eingesetzt werden, noch die Feuchtigkeit von Kieselsäuren. Zudem beschäftigt sich D1 nicht mit den Silanolgruppen auf der Oberfläche der Kieselsäure, sodass D1 für die Lösung der gestellten Aufgabe, alleine oder in Kombination mit dem nächstliegenden Stand der Technik, nicht hilfreich ist.

Da keines der vorliegenden Dokumente sich mit den isolierten SiOH-Gruppen beschäftigt oder einen Hinweis darauf gibt, dass ein hoher Anteil an solchen Gruppen vorteilhaft ist für Fällungskieselsäuren, die in RTV-1K-Silikonkautschukformulierungen eingesetzt werden sollen, ist die Lösung der Aufgabe nicht naheliegend.

Auch der alternative, von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene, Ansatz der Verwendung pyrogener Kieselsäuren als nächstliegendem Stand der Technik (siehe Absatz [0005] des Streitpatents), legt die gegenständlich beanspruchen, spezifischen Fällungskieselsäuren nicht nahe.

3.7 Somit basiert der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.8 Das gleiche gilt für Ansprüche 2 bis 22, da sich diese Ansprüche direkt oder indirekt auf Anspruch 1 beziehen.

4. Ausreichende Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung

4.1 Die Beschwerdeführerin bemängelt einerseits

i) die Begründung der Neuheit gegenüber Perkasil®KS 300 und andererseits

ii) die Begründung der Ermessensentscheidung über die Zulassung des Einspruchsgrundes unter Artikel 100(b).

4.2 ad (i) In der angefochtenen Entscheidung fasste die Einspruchsabteilung die Argumente der Einsprechenden unter Punkt 12.1 und die der Patentinhaberin unter 12.2 zusammen. Die wesentlichen Argumente der Einsprechenden betreffend D3 sind auch wiedergegeben (Punkt 12.1, letzter Absatz); die Bezugnahme auf D4 in Punkt 10.2 zeigt, dass sich die Einspruchsabteilung mit diesem Dokument auseinandergesetzt hat. Aus der Begründung bezüglich D1 und D2 geht klar hervor, dass die Einspruchsabteilung der Meinung war, dass die Abwesenheit der Temperung nicht den Schluss zulasse, dass das Extinktionsverhältnis SiOHisoliert >= 1 sei (Punkt 12.3, erster Absatz). Die Begründung, wieso D3 als nicht neuheitsschädlich angesehen wurde, ist sehr knapp gefasst (Punkt 12.3, letzter Absatz). Daraus geht jedoch hervor, dass die Einspruchsabteilung, angesichts der Argumente der Beschwerdegegnerin (Punkt 12.2, letzter Absatz), die Notwendigkeit der Trocknung zur Messung nicht sah und somit die Trocknung als Veränderung (Behandlung) des Produktes ansah. Es mag sein, dass die Einspruchsabteilung nicht darlegte, wieso die Trocknung die Eigenschaften des Produktes ändere, jedoch kann daraus gefolgert werden, dass von der Einspruchsabteilung das getrocknete und das nicht getrocknete Produkt als nicht identisch angesehen wurden.

4.3 ad (ii) In der Entscheidung unter Punkt 9.1 erwähnt die Einspruchsabteilung, dass die Beschwerdeführerin argumentiere, dass es nicht möglich sei die Tangente in Abbildung 3 des Patents korrekt anzulegen. Dies ist eine Zusammenfassung bezüglich dessen, was D6 zu zeigen beabsichtigt. Die Einspruchsabteilung hat also dieses Argument zur Kenntnis genommen. In der knappen Begründung unter Punkt 9.3 der Entscheidung, gibt die Einspruchsabteilung an, dass die Argumente der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen, da sie selbst die Messung an Perkasil® durchführen konnte. Die Einspruchsabteilung sah also dadurch die Argumente der Beschwerdeführerin betreffend die Bestimmung der Tangente als widerlegt an. Zudem wird erwähnt, dass andere IR-Spektrometer als das in der Patentschrift erwähnte auch zur Messung geeignet sind.

4.4 Obwohl die Begründung sehr knapp ist, kann der Grund für die Position der Einspruchsabteilung daraus erkannt werden. Somit liegt kein schwerwiegender Begründungsmangel vor, der einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen würde.

5. Regel 103 EPÜ: Rückzahlung der Beschwerdegebühr

5.1 Da kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt und zudem der Beschwerde nicht stattgegeben wird, sind die Bedingungen der Regel 103(1)a) für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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