European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T074315.20190820 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 August 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0743/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08018237.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 1/24 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gegenüber Abnutzung optimierter Transportbehälter | ||||||||
Name des Anmelders: | Schoeller Arca Systems GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | D W Plastics N.V. | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Beweismittel - offenkundige Vorbenutzung Beweismittel - Maßstab bei der Beweiswürdigung Nach Rücknahme des Einspruchs Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens mit der Patentinhaberin als alleiniger Verfahrensbeteiligten Vollumfängliche Stattgabe der Beschwerde im schriftlichen Verfahren unter Aufhebung des Termins und der Ladung zur mündlichen Verhandlung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 177 440 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 30. September 2016, nach Vorlage der Beschwerdeerwiderung, den Einspruch zurückgenommen und hat damit ihre Stellung als Verfahrensbeteiligte verloren.
III. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischen Tätigkeit sowie des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden.
IV. Mit ihren verfahrensbestimmenden Anträgen gemäß Artikel 12 (1) a) und b) VOBK begehrt die Patentinhaberin im Ergebnis
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des der angefochtenen Entscheidung als Hilfsantrag zugrunde liegenden Anspruchssatzes (Hauptantrag)
oder hilfsweise
auf der Basis der mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag I eingereichten Anspruchssatzes.
Soweit die Patentinhaberin in ihrer Beschwerdebegründung angibt, dass der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag mit Schriftsatz vom 22. August 2012 eingereicht worden wäre, handelt es sich insoweit um eine Unrichtigkeit, als zwar die Anlage, als die der Hauptantrag eingereicht wurde, das Datum 22. August 2012 trägt, der Schriftsatz indes auf den 23. August 2012 datiert. Dieses letztere Datum ist für die vorliegende Entscheidung maßgeblich.
V. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Offenbarung des Streitpatents den Fachmann in die Lage versetze, die Erfindung auszuführen, entschied aber dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hilfsantrags (und jetzigen Hauptantrags) nicht erfinderisch war, ausgehend vom Transportbehälter A19 (Vorbenutzung BRAND) und unter Berücksichtigung des Transportbehälters A21 (Vorbenutzung KOZEL).
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Transportbehälter aus Kunststoff, insbesondere Flaschenkasten (1; 1') oder dgl. mit einem Boden (7) und zumindest einer Wand (3, 4, 5, 6), dadurch gekennzeichnet, dass zumindest bereichsweise an einer Außenfläche einer oder mehrerer Wände (3, 4, 5, 6) an den nach außen vorstehenden Teilen (9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16) der Wand (3, 4, 5, 6) eine Struktur (21; 21') in Art einer Bürstenstruktur mit furchenartigen Vertiefungen (22; 22') mit Tiefen und Breiten im Bereich von 0,01 bis 1 mm und mit einem Abstand der Vertiefungen in einem Bereich von 0,01 bis 0,7 mm vorgesehen ist."
VII. Für die von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Beweismittel gemäß Anhang 1 bis 34 wird auf die entsprechende Auflistung unter Punkt 2.1 des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Beschwerdeerwiderung vom 17. November 2015 reichte die frühere Einsprechende weitere Beweismittel insbesondere zur Stützung der geltend gemachten Vorbenutzungen BRAND und KOZEL ein (Anlagen A36 bis A51).
VIII. Das nachfolgend zusammengefasste Vorbringen der Beschwerdeführerin wird, soweit dieses für die vorliegende Entscheidung relevant ist, im Detail in den Gründen diskutiert.
Der Inhalt der die offenkundigen Vorbenutzungen BRAND und KOZEL betreffenden Unterlagen werfe erhebliche Zweifeln an den diesbezüglichen Behauptungen der früheren Einsprechenden auf, die in der angefochtenen Entscheidung übernommen wurden.
Die Beweismittelkette, die zur Unterstützung der Vorbenutzung BRAND vorgelegt wurde, sei aufgrund von Unstimmigkeiten in den Transportbehälterbezeichnungen unvollständig.
Ähnliches gelte für die Vorbenutzung "KOZEL".
Keine dieser Vorbenutzungen könne somit zum Stand der Technik gehören.
Entscheidungsgründe
1. Gegenstand und Umfang des Beschwerdeverfahrens - Auswirkung der Zurücknahme des Einspruchs
1.1 Die Einsprechende hat während des Beschwerdeverfahrens nach Einreichung der Beschwerdeerwiderung mit Schriftsatz vom 30. September 2016 ihren Einspruch gegen das Streitpatent zurückgenommen.
1.2 Infolge dieser Rücknahme hat die Einsprechende ihre Stellung als Verfahrensbeteiligte verloren, so dass das Beschwerdeverfahren mit der Patentinhaberin als Beschwerdeführerin und einziger Partei fortgeführt wird und sich in seinem Gegenstand und Umfang im Wesentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung konzentriert, soweit sie das Beschwerdebegehren der Patentinhaberin betrifft.
Die von der Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung vorgelegten Beweismittel und vorgetragene Argumente werden in diesem Kontext berücksichtigt.
2. Die Entscheidung ergeht nach Artikel 12 (3) VOBK im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach Artikel 116 (1) EPÜ, da der Beschwerde der Patentinhaberin vollumfänglich auf Basis ihres Hauptantrages stattgegeben wird, so dass ihr Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung nicht zum Tragen kommt. Die Kammer erachtet die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht für sachdienlich. Aus diesen Gründen wird die für den 17. Dezember 2019 anberaumte mündliche Verhandlung abgesetzt und die Ladung zu diesem Termin aufgehoben.
3. Die angefochtene Entscheidung
3.1 Der vorliegende Hauptantrag entspricht dem Hilfsantrag, den die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit für nicht gewährbar erachtete.
3.2 Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend vom Transportbehälter A19 (Vorbenutzung BRAND) und unter Berücksichtigung des Transportbehälters A21 (Vorbenutzung KOZEL) nicht erfinderisch wäre. Damit basiert die angefochtene Entscheidung auf einer Kombination zweier Vorbenutzungen.
3.3 Die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Einwände zum vorliegenden Hauptantrag verlieren somit ihre Gültigkeit, sobald eine dieser kombinierten Vorbenutzungen nicht mehr als Stand der Technik anerkannt wird.
3.4 Das Beschwerdebegehren der Patentinhaberin richtet sich in erster Linie gegen diese Annahme und ist aus den folgenden Gründen überzeugend.
4. Vorbenutzungen - Maßstab bei der Beweiswürdigung
4.1 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss in Fällen der offenkundigen Vorbenutzungen, in denen die Beweismittel ganz in der Sphäre der Einsprechenden liegen, der Sachverhalt "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nachgewiesen werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, I.C.3.5.2, m.w.N.).
Dies bedeutet, dass bei Vorliegen eines begründeten Zweifels an den behaupteten Umstände die Vorbenutzung nicht als Stand der Technik anerkannt werden sollte.
4.2 Die Kammer ist überzeugt, dass bei den Vorbenutzungen BRAND und KOZEL alle Beweismittel der Verfügungsmacht und dem Wissen der früheren Einsprechenden unterliegen und für die Beschwerdeführerin kaum zugänglich sind.
Die frühere Einsprechende hat dabei geltend gemacht, dass die Kästen BRAND und KOZEL nicht von ihr selbst, sondern von ihren Kunden, nämlich den Brauereien, vermarktet wurden.
Die Kammer sieht darin indes keinen Grund, von dem oben erwähnten strengeren Maßstab der Beweiswürdigung abzuweichen, weil die Transportbehälter gemäß diesen Vorbenutzungen eben von der Einsprechenden produziert wurden und bereits durch ihren ersten Verkauf an Dritte (an Brauereien, nicht an Endkunden) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden.
5. Vorbenutzung BRAND
5.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Vorbenutzung BRAND ausreichend nachgewiesen und öffentlich war, weil sie es als glaubhaft nachgewiesen betrachtete, dass es sich bei der Lieferungen nach A9A bis A9C' um dem Transportbehälter gemäß A7BIS bzw. A19 handelte.
Die angefochtene Entscheidung hat als eindeutige Verknüpfung zwischen diesen Beweismitteln (A7BIS und A19 einerseits, A9A-A9C andererseits) das gemeinsame Bezeichnungselement "HBR1230" anerkannt, das die Marke und die Konfiguration der Box enthält, und ausgeführt, dass es sich bei den in A9A-A9C enthaltenen Ergänzungen (HBR, BNR, STIM, usw.) lediglich um Erläuterungen oder zusätzliche Informationen handelte, die die Struktur des Transportbehälters nicht beträfen.
5.2 Die Kammer teilt dabei die Zweifel der Beschwerdeführerin, dass dieser Sachverhalt nicht als "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nachgewiesen angesehen werden kann.
Grund dafür ist, dass
- A7BIS (Konstruktionszeichnung) in der Legende die Transportbehälterbezeichnung "HBR 1230 12X30C1 - BNR" trägt,
- A9A den Verkauf von Transportbehälter mit einer anderen Typenbezeichnung, nämlich "STIM - HBR1230 - BRAND" betrifft,
- A9B und A9C wiederum eine andere Typenbezeichnung, nämlich "STIM-HBR1230-BRAND-HNN" tragen,
- A19 keine dieser Transportbehälterbezeichnungen trägt.
Dass A19 eine Formennummer (5031) und ein Herstellungsdatum trägt und somit, wie die frühere Einsprechende geltend gemacht hat, kein Prototyp ist, der mit 3D-Drucktechnik hergestellt wurde, ist zur Klärung dieser Unstimmigkeiten zwischen den Transportbehälterbezeichnungen nicht hilfreich.
Die Kammer teilt somit die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es unter Berücksichtigung der Beweismitteln, die der Einspruchsabteilung zur Verfügung standen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass A9A, A9B und A9C den Verkauf und die Lieferung von Transportbehältern betreffen, die der A7BIS und der A21 nicht entsprechen.
Die Einspruchsabteilung hat sich somit einer bloßen Behauptung der Einsprechenden angeschlossen, obschon es weder nachgewiesen noch selbstverständlich war, dass alle diese unterschiedlich bezeichneten Transportbehälter dieselbe Struktur aufwiesen.
5.3 Die Dokumenten, die mit der Beschwerdeerwiderung der früheren Einsprechenden vorgelegt wurden, können diese Lücke in der Beweismittelkette nicht schließen.
A36 beweist die Authentizität der A9A-C, kann aber nicht beweisen, dass die Transportbehälter, die gemäß A9a-A9C verkauft und geliefert wurden, dieselben sind, die in A7' abgebildet sind (d.h. A19).
Der Informationsinhalt der A37A-C sowie der A39 und der A40, der Formen für Transportbehältern mit den Nummern 5031-5034 betrifft, ist zur Klärung dieser Frage ebenfalls nicht relevant.
A38 enthält eine weitere, unterschiedliche Transportbehälterbezeichnung, nämlich 12/30 BNR CRATE BRAND, und hat somit keinen Bezug zu A9A-A9C.
A41, A42 und A43 haben auch keinen Bezug zu A9A-A9C.
Die Dokumente A44-A51 betreffen nicht die Vorbenutzung BRAND.
5.4 Weil die Zweifel der Beschwerdeführerin an den von der Einsprechenden behaupteten und von der Einspruchsabteilung der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Umständen begründet sind, kann der Sachverhalt der Vorbenutzung BRAND nicht als "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nachgewiesen gelten, so dass diese durch die Kammer nicht als Stand der Technik anerkannt wird.
6. Erfinderische Tätigkeit
Weil die Vorbenutzung BRAND kein Stand der Technik sein kann, ist die darauf gestützte Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, dass der jetzige Hauptantrag nicht gewährbar wäre.
Der in der Beschwerdeerwiderung vorgetragene Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit angesichts der Kombination der Vorbenutzung BRAND mit A16 (Katalog Standex) kann aus denselben Gründen auch nicht greifen.
7. Ausführbarkeit
7.1 Die Kammer schließt sich vollständig der Auffassung der Einspruchsabteilung an, dass der Begriff "Bürstenstruktur" in der Patentschrift so offenbart ist, den Fachmann in die Lage zu versetzen, die Erfindung auszuführen (siehe Punkt 2. der angefochtenen Entscheidung).
Weil die Einsprechende im Beschwerdeverfahren vor der Rücknahme ihres Einspruchs die Ausführbarkeit selbst nicht mehr in Frage gestellt hat, sieht die Kammer keinen Anlass für weitere Ausführungen zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
1 bis 12, eingereicht mit Schriftsatz mit Datum 23. August 2012.