T 0734/15 () of 10.8.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T073415.20170810
Datum der Entscheidung: 10 August 2017
Aktenzeichen: T 0734/15
Anmeldenummer: 06725134.8
IPC-Klasse: B29C 45/04
B29C 45/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Horizontalspritzgießmaschine mit einer verfahrbaren Dreheinrichtung für Formen von Spritzgießwerkzeugen
Name des Anmelders: KraussMaffei Technologies GmbH
Name des Einsprechenden: Foboha GmbH
Ferromatik Milacron Maschinenbau GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention R 106
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Rügepflicht - Einwände zurückgewiesen
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/89
G 0011/91
G 0001/93
G 0002/10
R 0003/13
R 0008/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 11. Februar 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 934 033 zu widerrufen, weil der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.

II. Die Einsprüche waren gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) und c) EPÜ 1973 (fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit, unzulässige Erweiterung) begründet worden.

III. Am 10. August 2017 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

V. Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 1 und 2) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Auf folgendes Dokument ist im Beschwerdeverfahren Bezug genommen worden:

D5: WO 01/10624 A1

VII. Der erteilte Anspruch 1 lautet folgendermaßen:

"Horizontalspritzgießmaschine mit einer feststehenden (2) und einer beweglichen Formaufspannplatte (3), mit zwischen den beiden Formaufspannplatten (2,3) verlaufenden Säulen (11a, 11b, 12a, 12b), mit einer zwischen den Formaufspannplatten (2, 3) angeordneten und mit ersten Antriebsmitteln (19, 20) parallel zur Maschinenlängsachse verschiebbaren Grundplatte (18), auf der ein Drehteller (21) um eine vertikale Achse drehbar gelagert ist, sowie mit einem auf dem Drehteller (21) befestigten Formhälftenträger (23) für Formhälften (24a, 25a) von Spritzgießwerkzeugen (24, 25), wobei die Horizontalspritzgießmaschine ein Maschinenbett aufweist und wobei ein sich zwischen den oberen Säulen (11a, 11b) erstreckendes und relativ zu diesen verschiebliches Joch (30) mit einer Ausnehmung vorgesehen ist, dass auf der Oberseite des mittleren Formenträgers (23) ein Drehzapfen vorgesehen ist, der drehbar in der Ausnehmung des Jochs (30) angeordnet ist, und dass zu beiden Seiten des Drehzapfens zwischen dem Joch (30) und einer der beiden Formaufspannplatten (2, 3) weitere Antriebsmittel (32, 33) zum Verschieben des Jochs (30) relativ zu dieser Formaufspannplatte vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass auf oder in dem Maschinenbett (1) Linearführungen (16, 17) vorgesehen sind, auf denen die Grundplatte (18) verschiebbar abgestützt ist, wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen (12a, 12b) ferngehalten wird."

VIII. Der schriftliche und mündliche Vortrag der Beschwerdeführerin war im Wesentlichen wie folgt:

Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973

Das im Prüfungsverfahren hinzugefügte Merkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen (12a, 12b) ferngehalten wird" sei im Kontext der gesamten ursprünglichen Anmeldung zu verstehen, insbesondere im Lichte des Absatzes, in welchem es ursprünglich offen-bart sei. Die eingereichte Fassung der Anmeldung verweise auf den gattungsbildenden Stand der Technik gemäß der Druckschrift WO 01/10624 (= D5) (vgl. ursprüngliche Anmeldung, Seite 1, zweiter Absatz), nach der die Dreheinrichtung vollständig von den Holmen gelöst sei, so dass diese weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet würden. Der in der Anmeldung genannten technischen Aufgabenstellung folgend (vgl. ursprüngliche Anmeldung, Seite 3, dritter Absatz), die auf das Dokument D5 Bezug nehme, solle dieser Vorteil beibehalten werden. Vor diesem Hintergrund sei der als Grundlage für die streitige Änderung dienende Absatz in der ursprünglich eingereichten Anmeldung (vgl. Seite 3 unten bis Seite 4 oben) nach fachmännischem Verständnis so zu lesen, dass die aus dem Dokument D5 bekannte Dreheinrichtung unverändert, also losgelöst von den Säulen, bleibe, während sich die erfindungsgemäße Weiterentwicklung auf das Joch beziehe. Insofern besage die Verwendung von "weiterhin" dort auf Seite 4, erster und zweiter Satz ("Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten. Die unteren Säulen werden weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet.") nichts anderes, als dass sowohl beim gattungsbildenden Stand der Technik WO 01/10624 (D5) als auch in den ursprünglichen An-meldungsunterlagen und beim Streitpatent das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung von den Säulen ferngehalten werde und dass die unteren Säulen weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet würden. Das Wort "Damit" beziehe sich im zitierten Satz auf die erfindungsgemäße Lösung, dass das Auftreten von Kippmomenten durch die auf das Joch wirkenden Antriebsmittel verhindert werde, wobei das Joch selbst jedoch kein Teil der Dreheinrichtung sei.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass eine unzulässige Erweiterung auch deshalb nicht vorliege, weil bei einer direkten oder indirekten Verbindung der Grundplatte mit den unteren Säulen nicht das gesamte Gewicht der Dreh­einrichtung von den Säulen ferngehalten werde. Vielmehr könne das Gewicht der Dreheinrichtung nur dann voll­ständig auf das Maschinenbett übertragen werden, wenn es keinerlei Verbindung zwischen der Grundplatte und den unteren Säulen gebe oder, wie es im fraglichen Merkmal heiße, wenn "die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht".

Entgegen der angefochtenen Entscheidung handle es sich beim Teilmerkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht" auch nicht um einen Disclaimer, da diese Formulierung gleichbedeutend damit sei, dass die Dreheinrichtung vollständig von den Holmen losgelöst sei.

Das weitere bemängelte Merkmal, wonach "auf oder in dem Maschinenbett (1) Linearführungen (16, 17) vorgesehen sind, auf denen die Grundplatte (18) verschiebbar abgestützt ist", beruhe auf dem ursprünglichen Anspruch 5. Da dort zwischen den ersten und zweiten Linearführungen keine technische Verknüpfung bestehe, könne jede der beiden Lagerungen für sich betrachtet werden. Der erteilte Anspruch 5 stelle eine Weiterbildung des erteilten Anspruchs 1 dar.

Einwände nach Regel 106 EPÜ

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor, da alle entscheidungserheblichen Punkte und Aspekte deutlich angesprochen und unter voller Redefreiheit diskutiert worden seien. Zudem sei keiner der Beteiligten etwa das Wort abgeschnitten worden.

Antrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Da im bisherigen Verfahren nur der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 geprüft worden sei, werde die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz beantragt.

IX. Die Beschwerdegegnerinnen haben im Wesentlichen das Folgende vorgetragen:

Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973

Als Basis für die streitige Änderung in der ursprüng­lich eingereichten Anmeldung sei der Absatz auf Seite 3 unten und Seite 4 oben genannt worden, insbesondere die Passage "Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten. Die unteren Säulen werden weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet.". Aufgrund des Wortlauts "Damit" beziehe sich diese auf die in dem vorausgehenden Satz dargelegten technischen Gegebenheiten ("zwischen den oberen Säulen ein an diesen verschiebliches Joch [...] unten an die Grundplatte angreifenden Antriebsmittel [...] zusätzliche auf das Joch wirkende Antriebsmittel [...]"). Folglich betreffe der fragliche Satz ("Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten.") ein Merkmal, das den vorliegenden Anspruchsgegenstand von der aus dem Dokument D5 bekannten Vorrichtung unterscheiden solle. Dieser Aspekt sei ursprünglich in einem anderen Licht und daher mit einem anderen Gehalt dargestellt gewesen als im erteilten Anspruch 1. Dafür, dass anspruchsgemäß die Grundplatte nicht mit den unteren Säulen in Verbindung stehe, gebe es in den ursprünglichen Unterlagen keine Offenbarung. Unter diesen Umständen könne die oben zitierte Passage nicht als eine Stütze dafür angesehen werden, ein dem Stand der Technik nach der Druckschrift D5 zugeschriebenes Charakteristikum in den Anspruch des Streitpatents zu übernehmen. Außerdem umfasse die streitpatentgemäße Dreheinrichtung ein Joch (vgl. Ausführungen auf Seite 5, zweiter und dritter Absatz der ursprünglichen Anmeldung, insbesondere die Bezugnahme auf die "gesamte Dreheinrichtung"), das mit dem Drehverteiler wichtige Funktionen der Dreheinrichtung übernehme. Das Gewicht des Jochs belaste die oberen Säulen. Dass alle vier Säulen frei von Gewichts- und Drehmomenten gehalten würden, lasse sich, wie die ursprüngliche Anmeldung zum Streitpatent auf Seite 4, erster Absatz, ausführe, allenfalls unter Anwendung zusätzlicher besonderer Maßnahmen erreichen, was sich aber im geänderten Anspruch nicht widerspiegle. Aus diesen Gründen treffe die Feststellung der Einspruchsabteilung uneingeschränkt zu, wonach das Merkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen ferngehalten wird" in Anspruch 1 des Streitpatents über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe.

Auch das Dokument D5 als solches könne die fehlende Offenbarung des streitigen Merkmals in der ursprünglichen Anmeldung nicht ersetzen, zumal dort vier Druckschriften als Stand der Technik erörtert würden, ohne dass überhaupt bei allen ein Vorteil genannt sei, auf den sich die Formulierung der Aufgabenstellung der Erfindung beziehen könnte. Zudem würden die beiden in Zusammenhang mit der Druckschrift D5 genannten Vorteile in der nun beanspruchten Erfindung gar nicht mehr auftreten, so dass die von der Beschwerdeführerin zitierte Aufgabenstellung der Erfindung keine Grundlage für die streitige Änderung bieten könne.

Außerdem beruhe der Vortrag der Beschwerdeführerin auf einem Zirkelschluss, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, warum aus dem Merkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht" das Merkmal "so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen (12a, 12b) ferngehalten wird" (Merkmale (k) und (l) in der Merkmalsbezeichnung der angefochtenen Entscheidung) folgen sollte. Insgesamt gebe es für die funktionale Beziehung der Merkmale (k) und (l) keine mittelbare, geschweige denn eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung.

Darüber hinaus beruhe das Merkmal der auf dem Maschinenbett für die Grundplatte vorgesehenen Linearführungen in dem erteilten Anspruch 1 auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung im Hinblick auf den ursprünglichen Anspruch 5, nach dem auf dem Maschinenbett erste Linearführungen für die bewegliche Formaufspannplatte und auf oder in dem Maschinenbett zweite Linearführungen für die Grundplatte vorgesehen seien. Im Lichte des geänderten Anspruchs 1 sei auch der von diesem abhängige erteilte Anspruch 5 zu beanstanden.

Antrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Gegen eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz gebe es seitens der Beschwerdegegnerinnen keine Einwände.

X. Während der mündlichen Verhandlung brachten die Beschwerdegegnerinnen I und II jeweils Einwände nach Regel 106 EPÜ vor.

Der Wortlaut des Einwands der Beschwerdegegnerin I ist wie folgt:

"In Sachen T0734 / 15

Streitpatent EP1934033B1

Foboha GmbH Beschwerdegegnerin / Einsprechende 1

Rüge betreffend mangelndem rechtlichen Gehört [sic] (Art. 113 EPÜ / Regel 106 EPÜ) bezüglich einem wesentlichen Teilmerkmal des kennzeichnenden Teils des unabhängigen Anspruchs 1:

Im Namen der Beschwerdegegneipn [sic] 1 rügen wir, dass während der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2017 nicht zur Offenbarung des nachfolgenden wesentlichen Merkmals im kennzeichnenden Teils [sic] des erteilten Hauptanspruchs ,,wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht" Stellung genommen werden konnte. Dieses Merkmal ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart.

Die Diskussion auf die Frage der Offenbarung handelte, gemäss dem Verständnis der Beschwerdegegnerin 1, einzig vom nachfolgenden Merkmal ,,so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen (12a, 12b) ferngehalten wird".

Dadurch, dass der Entscheid zur Offenbarung diesen Aspekt ausklammert und der Entscheid zur Zurückweisung ohne gebührende Berücksichtigung dieses Aspektes erfolgte, wurde das rechtliche Gehör diesbezüglich nicht gewährt.

Der Entscheid, ob die Beschwerdegegnerin 1 einen Antrag auf Überprüfung durch die grosse Beschwerdekammer gemäss Art. 112a stellt, wird auf den Zeitpunkt nach dem Vorliegen der Begründung der Beschwerdekammer vertagt.

Vertreter der Beschwerdegegnerin 1,

Louis Lagler

[Unterschrift]"

Der Einwand der Beschwerdegegnerin II lautet wie folgt:

"Unter Verweis auf R 106 EPÜ wird namens der Beschwerdeführerin [sic] 2 eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2017 dahingehend gerügt, dass die Beteiligten seitens der Beschwerdekammer nicht zu solchen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkten befragt oder auf solche Erwägungen der Beschwerdekammer bzw. einzelner Mitglieder derselben hingewiesen wurden, die eine Abkehr von der in der - nicht bindenden - Zwischenverfügung zum Ausdruck gebrachten vorläufigen Auffassung/Beurteilung rechtfertigen.

München, 10 August 2017

[Unterschrift]"

Entscheidungsgründe

1. Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973

1.1 Zu dem Merkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen ferngehalten wird" in Anspruch 1

1.1.1 Gemäß der Artikel 100 c) EPÜ 1973 und 123 (2) EPÜ darf die europäische Patentanmeldung nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Diesen Bestimmungen liegt der Gedanke zugrunde, dass es einem Anmelder nicht gestattet ist, seine Position durch Hinzufügung von in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbarten Gegenständen zu verbessern, weil ihm dies zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhülfe und der Rechtssicherheit für Dritte, die sich auf den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung verlassen, abträglich sein könnte (vgl. G 1/93, ABl. EPA 1994, 541). Für die Beurteilung, ob eine Änderung mit den Artikeln 100 c) EPÜ 1973 bzw. 123 (2) EPÜ in Einklang steht, gilt nach der gefestigten Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer, dass jede Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen darf, was der Fachmann der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89, ABl. EPA 1993, 117; G 11/91, ABl. EPA 1993, 125; G 2/10, ABl. EPA 2012, 376).

1.1.2 Zum vorliegenden Fall stellt die Kammer zunächst fest, dass das fragliche Anspruchsmerkmal in der dem Streitpatent zugrunde liegenden ursprünglichen Patentanmeldung nicht explizit offenbart ist. Zwischen den Parteien ist in erster Linie streitig, ob für dieses Merkmal auf der Grundlage des Satzes "Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten." (vgl. ursprüngliche Anmeldung, Seite 4 oben) im Lichte der vorangehenden Beschreibung der Erfindung und des Standes der Technik, insbesondere in Form des Dokuments D5, eine implizite, aber eindeutige Offenbarung vorliegt.

1.1.3 Diesbezüglich sei zunächst verwiesen auf den Abschnitt auf Seite 1, zweiter Absatz bis Seite 2, erster Absatz der ursprünglichen Anmeldung, wo die Druckschrift D5 diskutiert wird und ihre Vor- und Nachteile herausgearbeitet werden (Unterstreichungen durch die Kammer):

"Diese Art von Horizontalspritzgießmaschine hat den Vorteil, dass die Dreheinrichtung völlig von den zwischen den Formaufspannplatten verlaufenden Säulen losgelöst sein kann, so dass diese weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet werden. Dies ist insbesondere bei Zwei-Platten-Horizontalspritzgieß­maschinen von Bedeutung, da bei diesen die Säulen mitbewegt werden und sich geringfügige Änderungen im Abstand der Säulen zueinander negativ auf eine an diesen Säulen geführte und abgestützte Dreheinrichtung für Spritzgießwerkzeuge auswirken würde. Ausserdem [sic] ist das Spritzgießwerkzeug im eingebauten Zustand von beiden Seiten sowie von oben frei zugänglich. Bei der Drehbewegung ergeben sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Größe der einbaubaren Spritzgießwerkzeuge ausser [sic] durch die Öffnungsweite der Schließeinheit der Spritzgießmaschine. Nachteilig ist jedoch, dass gerade bei großen Horizontalspritzgießmaschinen dieser Art mit einer entsprechend großen Dreheinrichtung und großen, schweren Formhälften beim Anfahren und Abbremsen der Grundplatte infolge von deren Massenträgheit Kippmomente auftreten, die es zu kompensieren gilt. Hierzu wird die Grundplatte auf Linearführungen mit einem geeigneten Querschnitt wie beispielsweise einem Schwalbenschwanzquerschnitt geführt. Mit zunehmender Größe der Horizontalspritzgießmaschine nehmen auch die aufzunehmenden Kippmomente zu; die hierfür erforderlichen Linearführungen mit einem Schwalbenschwanzquerschnitt sind jedoch vergleichsweise teuer und bei ganz großen Horizontalspritzgießmaschinen nicht verfügbar."

Unter wörtlicher und inhaltlicher Bezugnahme auf den "eingangs genannten Stand der Technik", also auch das Dokument WO 01/10624 (= D5), soll die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin bestehen, "eine Horizontalspritzgießmaschine anzugeben, die die Vorteile der gattungsgemäßen Horizontalspritzgieß­maschine beibehält und bei der auf aufwändige Linearführungen auch bei großen Maschinen verzichtet werden kann." (vgl. Seite 3, dritter Absatz).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Patentanmeldung im Wesentlichen das Vorsehen eines verschieblichen Joches vor, auf das zusätzliche Antriebsmittel zum Verfahren der Dreheinrichtung wirken (vgl. Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, erster Absatz):

"Dadurch, dass sich zwischen den oberen Säulen ein an diesen verschiebliches Joch erstreckt, in das ein Drehzapfen des mittleren Formenträgers eingreift, kann der mittlere Formenträger sowohl durch die unten an die Grundplatte angreifenden Antriebsmittel als auch durch zusätzliche auf das Joch wirkenden [sic] Antriebsmittel verfahren werden, so dass beim Anfahren und Abbremsen der Dreheinrichtung keine Kippmomente auftreten können. Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten. Die unteren Säulen werden weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet. Die oberen Säulen haben allenfalls das Gewicht des Jochs zu tragen; durch eine Abstützung des Gewichts des Jochs auf dem Formträgerelement mittels geeigneter Gleit- oder Rollenlager können auch die oberen Säulen frei von einer Gewichtsbelastung gehalten werden. Etwaige sich aufgrund der Reibung zwischen dem Drehzapfen und dem Joch ergebende Drehmomente können vernachlässigt werden, insbesonder [sic] bei Verwendung geeigneter Lager. Insgesamt können somit alle vier Säulen frei von Gewichts- und Drehmomenten gehalten werden, wie dies auch beim eingangs genannten Stand der Technik der Fall ist."

1.1.4 Im Lichte dieses Gesamtzusammenhangs in der ursprünglichen Patentanmeldung kann der Fachmann die von der Beschwerdeführerin als Grundlage für die streitige Änderung genannte Passage

"Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten. Die unteren Säulen werden weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet."

sinnvollerweise nur so verstehen, dass es die im unmittelbar vorausgegangenen Absatz (Seite 3, vorletzter Absatz) angesprochene erfindungsgemäße Lösung (vgl. "Damit") ermöglicht, wie in der zitierten Aufgabenstellung gefordert, den in der Anmeldung beschriebenen Vorteil der bekannten Lösung nach der Druckschrift WO 01/10624 (= D5) beizubehalten (vgl. "weiterhin"), nämlich die unteren Säulen weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten zu belasten, indem die auf der Grundplatte montierte Dreheinrichtung völlig von diesen, zwischen den Formaufspannplatten verlaufenden Säulen losgelöst ist. Nach dem Gesamtzusammenhang dieses Beschreibungstextes kann sich der genannte Vorteil, der "weiterhin" beibehalten werden soll, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen auch nur auf die im Stand der Technik genannte Druckschrift WO 01/10624 (= D5) beziehen. Denn der genannte Vorteil ergibt sich einzig aus diesem Dokument und nicht aus den drei weiteren, im Stand der Technik ebenfalls diskutierten Dokumenten, bei denen zwar Nachteile, aber kein derartiger Vorteil angegeben ist. Da der offenbarte Wortlaut "völlig von den Säulen losgelöst" gleichbedeutend ist mit der Formulierung "mit den [...] Säulen nicht in Verbindung steht", geht das streitpatentgemäße Anspruchsmerkmal

"wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen ferngehalten wird"

nicht über das hinaus, was der Fachmann dem oben dargestellten allgemeinen Teil der ursprünglichen Patentanmeldung eindeutig entnehmen kann.

1.1.5 Dabei ist festzuhalten, dass sich die Kammer in Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, 2016, II.E.1.1) nicht auf das Dokument D5 selbst als Offenbarungsquelle stützt, sondern ausschließlich auf die aus der Darstellung der Erfindung unter ausdrücklicher und wiederholter detaillierter Bezugnahme auf das Dokument WO 01/10624 (= D5) (bzw. den "eingangs genannten Stand der Technik"; vgl. Seite 1, zweiter Absatz; Seite 3, dritter Absatz; Seite 4, erster Absatz) klar ableitbare technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung. Angesichts der bereits dort gewählten Formulierung "Damit wird das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung weiterhin von den Säulen ferngehalten." (vgl. Seite 4, oben) kann die von den Beschwerdegegnerinnen aufgeworfene Thematik der Abstützung des Jochs für die hier zu entscheidende Frage einer möglichen unzulässigen Erweiterung des erteilten Anspruchs durch das Merkmal "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht, so dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung (21, 23) von den Säulen ferngehalten wird" dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für den hinsichtlich dieses Merkmals seitens der Beschwerdegegnerin II behaupteten Zirkelschluss, da es auch hierauf nach dem oben Gesagten nicht mehr ankommt.

1.1.6 Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen kommt die Kammer nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Schluss als in der vorläufigen Einschätzung des Falles, wie sie den Beteiligten mit der Mitteilung vom 25. Juli 2017 übermittelt worden ist. Letztere beruhte im Wesentlichen auf dem damaligen Verständnis, dass in der ursprünglichen Anmeldung, Seite 4, erster und zweiter Satz, ein kausaler Zusammenhang hergestellt werde zwischen den an der Grundplatte und am Joch angreifenden Antriebsmitteln und der (direkten) Folge, dass das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung von den Säulen ferngehalten werde und die unteren Säulen weder mit Gewichts- noch mit Drehmomenten belastet würden. Wie jedoch die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, trifft diese verkürzte Auslegung des fraglichen Satzes nicht uneingeschränkt zu. Bei Berücksichtigung des Wortes "weiterhin" und vor dem Hintergrund der Formulierung der Aufgabenstellung in der ursprünglichen Patentanmeldung ist die Kammer vielmehr zu der Auffassung gekommen, dass die genannte Passage so auszulegen und zu verstehen ist, dass das erfindungsgemäße Joch und die daran angreifenden zusätzlichen Antriebsmittel deswegen keine Auswirkungen auf die Gewichts- (und Drehmomenten)belastung der unteren Säulen haben, weil, wie schon in der früheren Lösung nach Dokument WO 01/10624 (= D5), die Grundplatte und die Dreheinrichtung völlig von den unteren Säulen losgelöst sind und somit das gesamte Gewicht der Dreheinrichtung von den Säulen ferngehalten wird.

1.2 Zu dem Merkmal "auf oder in dem Maschinenbett (1) Linearführungen (16, 17) vorgesehen sind, auf denen die Grundplatte (18) verschiebbar abgestützt ist" in Anspruch 1

1.2.1 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es in der Regel nicht gestattet, bei der Änderung eines Anspruchs isolierte Merkmale aus einer Reihe von Merkmalen herauszugreifen, die ursprünglich nur in Kombination miteinander (beispielsweise in einer bestimmten Ausführungsform in der Beschreibung) offenbart waren. Insofern führt eine solche Änderung zu einer Zwischenverallgemeinerung einer nicht offenbarten Kombination von ausgewählten Merkmalen, die zwischen einer ursprünglich breiten Offenbarung und einer beschränkteren spezifischen Offenbarung liegt. Eine derartige Zwischenverallgemeinerung ist dann zu rechtfertigen, wenn die Merkmale der spezifischen Kombination, von denen nur ein Teil in den Anspruch übernommen wurde, nicht in einem engen Zusammenhang stehen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, 2016, II.E.1.7).

1.2.2 Im vorliegenden Fall bemängeln die Beschwerde­gegnerinnen diesbezüglich, dass das Merkmal der auf dem Maschinenbett vorgesehenen Linearführungen, auf denen die Grundplatte verschiebbar abgestützt ist, aus dem ursprünglichen Anspruch 5 (dort bezeichnet als zweite Linearführungen) in den unabhängigen Anspruch 1 übernommen wurde, nicht jedoch das weitere Merkmal der ersten Linearführungen für die bewegliche Aufspannplatte.

1.2.3 Die Kammer kann sich diesem Einwand nicht anschließen, da die ersten und zweiten Linearführungen zwar beide im ursprünglichen Anspruch 5 genannt werden, ohne jedoch funktional miteinander verbunden zu sein. Vielmehr wirken die ersten und zweiten Linearführungen unabhängig voneinander mit zwei verschiedenen Bauteilen (bewegliche Formaufspannplatte bzw. Grundplatte) zusammen, ohne dass eine Wechselwirkung zwischen den beiden Linearführungen erkennbar wäre. Folglich ist vorliegend zwischen den ersten und zweiten Linearführungen kein enger Zusammenhang gegeben. Unter diesen Umständen ist es im Hinblick auf die Bestimmungen von Artikel 100 c) EPÜ 1973 nicht zu beanstanden, dass die zweiten Linearführungen in den unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen worden sind, nicht jedoch die ersten Linearführungen. Zudem entspricht die Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 5, was die Linearführungen betrifft, dem Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 5, so dass die streitige Änderung auch in dieser Hinsicht im Rahmen des Erlaubten liegt.

1.3 Aus den genannten Gründen geht der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 5 nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Folglich steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegen.

2. Einwände nach Regel 106 EPÜ

2.1 Die Beschwerdegegnerin I begründet ihre Rüge mangelnden rechtlichen Gehörs im Wesentlichen damit, dass ihrer Meinung nach während der mündlichen Verhandlung nicht zur Offenbarung des Merkmals "wobei die Grundplatte (18) mit den unteren Säulen (12a, 12b) nicht in Verbindung steht" Stellung genommen werden konnte.

2.2 Die Kammer kann diesem Einwand nicht stattgeben, da der tatsächliche Verlauf der mündlichen Verhandlung ihn nicht trägt. Wie auch aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung hervorgeht, hat der Vorsitzende nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis, dass es zur Frage der ursprünglichen Offenbarung des Merkmals, dass die Grundplatte mit den unteren Säulen nicht in Verbindung stehe, zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen gebe, das von der Beschwerdegegnerin I genannte Merkmal ausdrücklich zur Diskussion gestellt. In ihrem nachfolgenden Vortrag ist die Beschwerdeführerin auf diesen Aspekt eingegangen und hat ausgeführt, dass ihrer Auffassung nach dieses Merkmal gleichbedeutend sei mit der ursprünglichen Formulierung des Vorteils, dass die Dreheinrichtung völlig losgelöst von den Säulen sei. In ihrer Erwiderung hat die Beschwerdegegnerin I dem entgegnet, dass es dafür, dass die Grundplatte nicht mit den unteren Säulen in Verbindung stehe, in den ursprünglichen Unterlagen keine Offenbarung gebe. Auch die Beschwerdegegnerin II hat sich in ihrem Vortrag ausführlich dem von ihr als (k) bezeichneten Merkmal auseinandergesetzt. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass nicht nur der Vorsitzende das fragliche Merkmal ausdrücklich zur Diskussion gestellt hat, sondern auch alle Beteiligten, einschließlich der Beschwerdegegnerin I selbst, sich dazu mündlich geäußert haben. Insofern ist diesbezüglich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs erkennbar, weshalb der dahingehende Einwand der Beschwerdegegnerin I zurückgewiesen wird.

2.3 Die Beschwerdegegnerin II rügt, dass ihr rechtliches Gehör im Wesentlichen dadurch verletzt worden sei, dass die Kammer die Beteiligten nicht vorab zu den Gesichtspunkten, aufgrund derer sie schließlich von der nicht bindenden vorläufigen Auffassung abgewichen sei, befragt oder auf diese hingewiesen habe.

2.4 Die Kammer kann auch dem nicht beitreten. Mit ihrer Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist die Kammer dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung gefolgt. Auf dieses stützen sich auch die diese Entscheidung tragenden Gründe. Da sich die Beschwerdegegnerinnen zu diesen Gründen haben äußern können und auch geäußert haben, sind in dieser Hinsicht die Bestimmungen von Artikel 113 (1) EPÜ 1973 erfüllt. Dies wird von der Beschwerdegegnerin II auch nicht bestritten. Vielmehr sieht sie ihr rechtliches Gehör offenbar dadurch verletzt, dass ihr die Kammer nicht vorab mitgeteilt hat, warum sie - entgegen der vorläufigen und ausdrücklich als nicht bindend bezeichneten Auffassung - letztlich dem Vortrag der Beschwerdeführerin gefolgt ist und nicht jenem der Beschwerdegegnerinnen. Dabei verkennt die Beschwerdegegnerin II, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs kein Anspruch darauf ableiten lässt, dass eine Kammer den Beteiligten im Voraus alle denkbaren Erwägungen, die für oder gegen einen Antrag sprechen, darzulegen hat, solange jedenfalls - wie hier - die tatsächlichen Grundlagen dafür erörtert wurden. Hieraus die geeigneten rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen obliegt dagegen der Kammer kraft Amtes. Auch muss (und kann) sie vorab keine Hinweise geben, welche der mit den Beteiligen diskutierten Argumente schließlich in der Beratung dafür ausschlaggebend werden könnten, im mehrseitigen Verfahren im Sinne einer Partei und damit gegen eine andere Partei zu entscheiden (vgl. beispielsweise auch R 3/13, Entscheidungsgründe 2.5.2 und 2.6; R 8/15, Entscheidungsgründe 2.1.2.2 und die weiteren dort zitierten Entscheidungen). Da die gewählte Verfahrensführung also den von der Großen Beschwerdekammer bestätigten Grundsätzen entspricht, ist vorliegend das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt worden. Damit wird auch der Einwand der Beschwerdegegnerin II zurückgewiesen.

3. Antrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

3.1 Nach Artikel 111 (1) EPÜ 1973 steht es im Ermessen der Beschwerdekammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder ob sie diese an die Instanz zurückverweist, die die Entscheidung erlassen hat. Dabei ist nicht nur das bekundete Interesse der Parteien und das Bestreben, das Verfahren in einer angemessenen Zeit zu Ende zu bringen, zu berücksichtigen, sondern auch, ob ein zu berücksichtigendes Vorbringen erstmals im Einspruchs­beschwerdeverfahren dargelegt wurde, ob wesentliche Änderungen der Ansprüche vorliegen oder ob im Einspruchs­beschwerdeverfahren Einspruchsgründe erstmalig zu prüfen sind, da sie in der angefochtenen Entscheidung nicht behandelt wurden (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, 2016, IV.E.7).

3.2 Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung nur über den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 entschieden, nicht aber über die von den Beschwerdegegnerinnen genannten weiteren Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die bisherige Verfahrensdauer im Rahmen des Vertretbaren liegt, hält es die Kammer für geboten, dem unwidersprochenen Antrag der Beschwerdeführerin zu folgen und ihr Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ 1973 dahingehend auszuüben, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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