T 0298/15 () of 4.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T029815.20180904
Datum der Entscheidung: 04 September 2018
Aktenzeichen: T 0298/15
Anmeldenummer: 08749004.1
IPC-Klasse: E04B 1/76
D04H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WÄRMEDÄMM-VERBUNDSYSTEM ZUR DÄMMUNG VON AUSSENFASSADEN VON GEBÄUDEN MIT EINER DÄMMSCHICHT AUS FASSADENDÄMMPLATTEN SOWIE VERWENDUNG EINER FASSADENDÄMMPLATTE ALS BESTANDTEIL DES WÄRMEDÄMM-VERBUNDSYSTEMS
Name des Anmelders: SAINT-GOBAIN ISOVER
Name des Einsprechenden: ROCKWOOL INTERNATIONAL A/S
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Zwischenentscheidung vom 19. Dezember 2014 hat die Einspruchsabteilung das Europäische Patent Nr. 2137359 auf der Grundlage der Europäischen Patentanmeldung

EP 08749004.1 in geändertem Umfang in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2 aufrechterhalten.

In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass die geänderten unabhängigen Ansprüche des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 100b)/83 EPÜ erfüllen und dass ihre Gegenstände auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).

II. Gegen die vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 7. Februar 2015 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und die Beschwerdebegründung am 16. April 2015 eingereicht.

III. Stand der Technik

E1 EP 0 277 500 A2

E3 DE 43 19 340 C1

E6 WO 03/054264 A1

E8 DE 103 36 795 A1

E13 Datenblatt "PUTZTRÄGERPLATTE COVERROCK PLUS"

E17 Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-33.40-142

Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin,

14. Juni 2005

E18 Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-33.40-92

Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin,

15. Juni 2005.

IV. Die Beteiligten haben folgende Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit dem Schreiben vom 21. August 2015, aufrechtzuerhalten.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 gemäß Hauptantrag (entspricht Hilfsantrag 2 im Einspruchsverfahren) lauten:

a) Anspruch 1

"Wärmedämm-Verbundsystem (1) zur Dämmung von Außenfassaden (2) von Gebäuden, mit:

einer Dämmschicht aus Fassadendämmplatten (4), welche aus gebundener Mineralwolle ausgebildet sind und eine Unterschicht (41) und eine Deckschicht (42) aufweisen, wobei die Deckschicht (42) Mineralwolle mit einer erhöhten mechanischen Festigkeit im Vergleich zur Unterschicht aufweist,

und einem Außenputz (5),

wobei die Fassadendämmplatten (4) an der Gebäudefassade (2) aufklebbar sowie mittels Tellerdübeln (6) festlegbar sind und als Putzträgerplatten für den Außenputz (5) dienen,

wobei die Tellerdübel (6) unter dem Außenputz (5) angeordnet sind, und

wobei die Tellerdübel (6) versenkt in der Deckschicht (42) der Fassadendämmplatten (4) angeordnet sind und einen wirksamen Durchmesser eines Dübeltellers (61) von weniger als 90 mm aufweisen,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Fassadendämmplatten einen Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit lambda < 0,040 W/mK gemäß DIN EN 13162 erfüllen,

daß die Unterschicht (41) aus laminarer Mineralwolle gebildet ist, und

daß der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht (42) und der laminaren Unterschicht (41) größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte (4) ist."

b) Anspruch 15

"Verwendung einer Fassadendämmplatte (4) für die Dämmung von Außenfassaden (2) von Gebäuden als ein Bestandteil eines Wärmedämm-Verbundsystems (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 14,

wobei die Fassadendämmplätte (4) aus gebundener Mineralwolle ausgebildet ist und einen Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit lambda < 0,040 W/mK gemäß DIN EN 13162 erfüllt,

wobei sie eine Unterschicht (41) und eine Deckschicht (42) aufweist,

wobei die Unterschicht (41) aus laminarer Mineralwolle gebildet ist,

wobei die Deckschicht (42) Mineralwolle mit einer erhöhten mechanischen Festigkeit im Vergleich zur Unterschicht aufweist, und

wobei der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht (42) und der laminaren Unterschicht (41) größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte (4) ist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Artikel 100c) / 123(2) EPÜ

Das Merkmal, dass der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte ist, sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart.

In der Anmeldung seien zwei Ausführungsformen der Fassadendämmplatte beschrieben, eine erste mit nur drei Schichten (Deck, Grenz- und Unterschichten) nach dem zweiten Absatz der Seite 6, und eine zweite mit vier Schichten (Deckschicht 42, Randschicht 41a, Grenzschicht und Unterschicht 41) nach Absatz 2 der Seite 8 und Figuren. Bei der ersten Ausführungsform verstehe zwar der Fachmann, dass der Begriff "andere Bereiche", auf Seite 6, die Fassadedämmplatte betreffe, jedoch werde bei diesem ersten System kein "Bereich", wie im Anspruch 1 definiert, sondern eine "Lage mit erhöhten Bindemittelanteil" im Bereich der Grenzschicht definiert. Dagegen weise die der Unterschicht 41 angehörende Randschicht 41a der zweiten Ausführungsform den höheren Bindemittelanteil im Vergleich zu den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte, also auch zu der Grenzschicht (Seite 18, Zeile 5 bis 8, Figur 2) auf. Ein Bereich der Grenzschicht mit höherem Bindemittelanteil als in den anderen Bereichen der Dämmplatte finde demnach in keiner Ausführungsform eine ausreichende Offenbarungsstütze.

b) Artikel 100b) / 83 EPÜ

Die funktionelle Definition "Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit lambda < 0,040 W/mK gemäß DIN EN 13162" allein ermögliche dem Fachmann nicht, die Erfindung auszuführen, da die Wärmeleitfähigkeit bei Fassadendämmplatten aus Mineralwolle durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werde, die im Streitpatent jedoch nicht definiert seien.

c) Artikel 56 EPÜ

i) Das aus E17 bekannte Wärmedämm-

Verbundsystem "Sillatherm WVP 1-035" weise sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 bzw. 15 auf (siehe Tabellen 1 und 3 bis 6 sowie Absatz 2.1.2.2), bis auf die Bedingung, dass der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte ist. Unter anderem offenbare D17 auch versenkte Tellerdübel, denn beim Einziehen des Dübels werde nicht nur der Dübelschaft, sondern auch der Dübelteller in die Wärmedämmplatte, wenn auch nur gering, versenkt. Dies passiere auch unabhängig davon, ob der Dübelteller über oder unter dem Armierungsgewebe angeordnet sei, da beim Einziehen des Tellerdübels das Letztere aufgrund seiner Flexibilität in die Wärmedämmplatte mit eingezogen werde. Die Vorrichtung gemäß D17 entspreche daher der Anforderung von versenkten Tellerdübeln, da der Anspruch 1 des Hauptantrags allgemein das Versenken der Tellerdübel verlange und nicht, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, dass die Dübelteller vollständig versenkt seien.

Somit unterscheide sich der beanspruchte Gegenstand von D17 ausschließlich durch das letzte Merkmal des Anspruchs 1, wonach der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte sei. Daraus ergebe sich die Aufgabe, der Wärmedämmplatte eine höhere mechanische Festigkeit zu verleihen.

Sowohl E1 (Spalte 6, Zeile 16 bis 26) als auch E6 (Seite 9, Zeile 27 bis 30; Seite 18, letzter Absatz) gebe dem Fachmann die Anregung, zusätzliches Bindemittel in einem Bereich zwischen zwei Schichten einer Wärmedämmplatte hinzuzufügen. Der Fachmann erkenne ohne Weiteres, dass als Folge des höheren Bindemittelanteils zwischen den Schichten die mechanische Festigkeit der Platte automatisch mit erhöht werde.

ii) Der beanspruchte Gegenstand sei auch

ausgehend von E3 und bei Heranziehen der E17 nahegelegt. Die Putzträgerplatte bzw. Wärmedämmplatte von E3 (siehe insbesondere Spalte 2, Zeile 56 bis Spalte 3, Zeile 6; Spalte 4, Zeile 1 bis 16 und 45 bis 57; Figuren) offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs bis auf die Höchstwerte von 0.04 W/mK für die Wärmeleitfähigkeit und 90 mm für den Durchmesser des Dübeltellers. Insbesondere weise die aus E3 bekannte Platte Vertiefungen zur Aufnahme von Dübeltellern und unterschiedlich hohe Bindemittelanteile in der Platte auf.

Stehe der Fachmann nun vor der Aufgabe, die Wärmedämmeigenschaft der Putzträgerplatte zu erhöhen und die Herstellungskosten dabei zu reduzieren, würde er die Lehre von E17 heranziehen und somit in naheliegender Weise zum beanspruchten Wärmedämmsystem gelangen.

iii) Alternativ sei der beanspruchte Gegenstand

auch durch die Zusammenschau von E8 mit E1 oder E3 nahegelegt, weil der Fachmann die einschichtige Wärmedämmplatte aus E8 aufgrund der Lehre von E1/E3 in eine zweilagigen Schicht abändern würde, um die mechanische Festigkeitseigenschaften zu verbessern.

iv) Zusammenfassend beruhten das Wärmedämm-

Verbundsystem gemäß Anspruch 1 und gleichermaßen das Verfahren nach Anspruch 15 des Hauptantrags aus den selben Gründen auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

a) Artikel 100c) / 123(2) EPÜ

Das Merkmal, wonach der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen sei, sei explizit in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, siehe Seite 6, zweiter Absatz. Dass die sogenannten "anderen Bereiche" der Fassadendämmplatte angehören, sei eine Selbstverständlichkeit.

b) Artikel 100b) EPÜ

Es gehöre zum routinemäßigen Handeln eines Durchschnittsfachmannes auf dem Gebiet der Dämmstofftechnik ein Wärmedämm-Verbundsystem zu schaffen, welches den beanspruchten Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit gemäß DIN EN 13162 aufweise.

c) Artikel 56 EPÜ

i) Für das System Sillatherm WVP 1-035 lehre

E17 kein vollständiges Versenken der Tellerdübel mit Tellerdurchmesser von weniger als 90 mm. Im Gegenteil weise der dritte Absatz des Punktes 3.2.1 darauf hin, dass nur Dübel mit einem Tellerdurchmesser von mindestens 90 mm unter dem Armierungsgewebe befestigt werden dürften. Diesbezüglich unterscheide der Fachmann zwischen einem durch das Einziehen des Dübels üblich auftretendes Eindrücken der Oberfläche der Dämmschicht durch den Dübelteller einerseits und dem vollständigen Versenken des Dübels andererseits, bei dem kein Teil des Dübels, auch nicht der Dübelteller, noch aus der Oberfläche herausrage. Bei einer Verdübelung durch das Armierungsgewebe hindurch könne auch ein Dübelteller mit Durchmesser von kleiner als 90 mm (Tabelle 1 von E17) nicht vollständig in die Oberfläche der Wärmedämmplatte eingezogen werden.

Das beanspruchte System unterscheide sich also von E17 durch zwei Merkmale (das Versenken des Tellerdübels bei Tellerdurchmesser von weniger als 90 mm, und der erhöhte Bindemittelanteil im Bereich der Grenzschicht).

Daraus folge die Aufgabe, die Putzanhaftung an dem Wärmedämm-Verbundsystem bei gleichzeitiger Vermeidung von Kältebrücken zu verbessern.

Bei der Suche einer Lösung habe der Fachmann keinen Anlass, E1 oder E6 heranzuziehen, da die dort jeweils beschriebene lokale Erhöhung des Bindemittelanteils zu einem anderen Zweck vorgesehen sei, nämlich die Haftung zwischen zwei unterschiedlichen Dämmschichten zu verstärken. Zudem lehre weder E1 noch E6 das Einsetzen von Dübeln mit Tellerdurchmessern kleiner als 90 mm.

ii) E3 stelle nicht den nächstliegenden Stand

der Technik dar, zumal in E3 die harte Deckschicht nicht dem Putz, sondern der Fassadenwand (Figur 7) zugeordnet sei, und zudem kein Hinweis vorliege, den Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte auszugestalten. Schließlich offenbare E3 auch kein Versenken der Tellerdübel in die Oberfläche der Dämmstoffplatte oder in sogenannte druckausgleichende Körper, welche zur Plattenbefestigung die an der Oberfläche der Dämmplatte geformten Vertiefungen ausfüllten (vgl. Anspruch 1).

Eine Zusammenschau mit E17 beruhe auf einer rückschauenden Betrachtung.

iii) Die einlagige Wärmedämmplatte gemäß E8

stelle einen gegenüber dem beanspruchten Erfindungsgegenstand entfernten Stand der Technik dar, dessen Relevanz deutlich geringer als z.B. E17 sei.

VIII. Am 5. September 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, am Ende welcher die Kammer ihre Entscheidung verkündet hat.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Artikel 100(c) / 123(2) EPÜ

1.1 Der Anspruch 1 bzw. Anspruch 15 gemäß Hauptantrag beinhaltet das im erteilten Anspruch 1 bereits vorhandene Merkmal, dass der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte ist.

1.2 Dieses Merkmal ist bis auf die zusätzliche, die Angehörigkeit der sogenannten anderen Bereiche definierende Angabe "der Fassadendämmplatte" in den ursprünglich eingereichten Unterlagen explizit offenbart, siehe z.B. Seite 6, zweiter Absatz und Anspruch 1.

Die Präzisierung, dass unter dem Begriff "die anderen Bereiche" die Bereiche der Fassadendämmplatte, die gerade nicht im Bereich der Grenzschicht liegen, gemeint sind, liest der Fachmann in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ohne Weiteres und zweifellos implizit mit.

1.3 Dass, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, die Anmeldung zwei unterschiedliche Ausführungsformen der Fassadendämmplatte beschreibt, spielt für die Frage der ursprünglichen Offenbarung keine Rolle. Falls eine Gestaltung nicht unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fallen würde, wäre dies lediglich eine Frage der Stütze durch die Beschreibung bzw. der Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ. Ein darauf gestützter Einwand wäre aber nicht zu berücksichtigen, da die betroffenen Merkmale vom erteilten Anspruch 1 bereits umfasst sind.

In diesem Zusammenhang erkennt die Kammer auch keine Offenbarungsproblematik darin, dass der im Anspruch 1 definierte Bereich der Grenzschicht womöglich die in der Beschreibung definierte Randschicht mit einschließen könnte.

1.4 Der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand nach Artikel 100 c) / 123(2) EPÜ gegenüber Anspruch 1 kann daher nicht überzeugen.

Die Überlegungen supra und die für Anspruch 1 daraus gewonnene Schlussfolgerung trifft gleichermaßen auf den Verwendungsanspruch 15 zu.

2. Hauptantrag - Artikel 100 b) / 83 EPÜ

2.1 Ähnlich erkennt die Kammer in den Argumenten der Beschwerdeführerin zur geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) / 83 EPÜ keinen Anlass, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

2.2 Es ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass der Fachmann ohne Weiteres in der Lage ist, eine Fassadendämmplatte, welche den maximalen Wert

von 0,04 W/mK gemäß DIN EN 13162 nicht überschreitet, herzustellen bzw. als fertiges Produkt, wie beispielsweise in E17 oder E18 beschrieben, zu besorgen.

2.3 Zur Frage der ausreichenden Offenbarung im vorliegenden Fall ist es auch nicht ausschlaggebend, dass Faktoren, die die Wärmeleitfähigkeit bei Fassadendämmplatten aus Mineralwolle beeinflussen können, im Streitpatent nicht definiert sind, da die Herstellung der Wärmedämmplatte mit der beanspruchten Wärmeleitfähigkeit nicht den Kern der Erfindung darstellt und weil derartige Platten dem Fachmann am Anmeldetag bereits bekannt waren.

3. Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ

3.1 Ausgehend von E17

3.1.1 Stand der Technik E17

In E17 (siehe insbesondere Absätze 1.1, 1.2 und 2.1.2.2) wird ein Wärmedämm-Verbundsystem "Sillatherm WVP 1-035" zur Dämmung von Außenfassaden von Gebäuden offenbart, mit einer Dämmschicht aus Fassadendämmplatten, welche aus gebundener Mineralwolle ausgebildet sind und eine Unterschicht und eine Deckschicht aufweisen, wobei die Deckschicht Mineralwolle mit einer erhöhten mechanischen Festigkeit im Vergleich zu der aus laminarer Mineralwolle gebildeten Unterschicht aufweist, und einem Außenputz. Die als Putzträgerplatten für den Außenputz dienenden Fassadendämmplatten werden an der Gebäudefassade aufgeklebt und mittels Tellerdübeln befestigt, welche unter dem Außenputz angeordnet sind.

Die Fassadendämmplatten "Sillatherm WVP 1-035" weisen eine Wärmeleitfähigkeit lambda von 0,036 W/mK, also kleiner als 0,040 W/mK, gemäß DIN EN 13162 (Absatz 2.1.2.2) auf.

3.1.2 Unterschiede

Sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Beteiligten sehen einen Unterschied des Anspruchs 1 gegenüber dem in E17 offenbarten Stand der Technik darin, dass der Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der laminaren Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte ist.

Darüber hinaus ist die Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass noch eine zweite Unterscheidung gegeben ist, nämlich das Versenken der Tellerdübel mit Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm in der Deckschicht der Wärmedämmplatte.

Diesbezüglich schließt sich die Kammer der Meinung der Beschwerdegegnerin an, dass der Begriff "versenkt" im Anspruch 1 im Einklang mit der Gesamtoffenbarung des Streitpatents (siehe z.B. Absatz [0005], Figur 1) auszulegen ist und daher unmissverständlich bedeutet, dass der Dübel in seiner eingezogenen Endlage vollständig in die Deckschicht versenkt ist, so dass auch der Dübelteller mit keinem Teil AUS der Oberfläche der Decksicht herausragt.

In der angefochtenen Entscheidung (Seite 12) ist die Einspruchsabteilung davon ausgegangen, dass Tellerdübel mit einem Tellerdurchmesser von mindestens 60 mm (Tabelle 3 von E17) bei der Montage von Wärmedämmplatten "Sillatherm WVP 1-035" zwangsläufig in die Deckschicht eingedrückt und somit darin auch versenkt werden.

Es wird aber in E17 je nach Größe des Durchmessers des Dübeltellers unterschieden, ob die Dübelung durch ein Bewehrungsgewebe (Tabelle 3) oder unter dem Bewehrungsgewebe (Tabelle 6) durchzuführen ist.

In diesem Zusammenhang bestätigt E17 im dritten Absatz (Zeilen 9 bis 13) von Punkt 3.2.1 auf Seite 7 nochmal die aus Tabelle 6 entnehmbare Lehre, nämlich dass zur Befestigung von Wärmedämmplatten "Sillatherm WVP 1-035" nur Dübel mit einem Tellerdurchmesser von mindestens

90 mm unter dem Bewehrungsgewebe des aufgebrachten Unterputzes eingesetzt werden dürfen.

Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass zur Befestigung von Wärmedämmplatten "Sillatherm WVP 1-035" Tellerdübel mit Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm (Tabelle 3) zwangsläufig in die Deckschicht bis zum (vollständigen) Versenken tief eindringen müssen, wird also durch die Offenbarung von E17 nicht bestätigt, im Gegenteil.

Es kann der E17 auch nicht implizit entnommen werden, dass ein Dübelteller mit Durchmesser von mindestens

90 mm (Tabelle 6) beim Einziehen des Dübels unter dem Bewehrungsgewebe zwangsläufig in die Deckschicht versenkt wird, also ohne aus der Oberfläche herausragend verbleibender Teil. Auch fehlt E17 jeder Hinweis oder Anlass anzunehmen, dass Tellerdübel mit einem Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm beim Einziehen des Dübels über dem bzw. durch das Bewehrungsgewebe zwangsläufig samt Gewebe vollständig in die Deckschicht versenkt werden.

3.1.3 Technische Aufgabe

Die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe, die Festigkeit der Wärmedämmplatte zu erhöhen, berücksichtigt nur ein unterscheidendes Merkmal (höherer Bindemittelanteil im Bereich der Grenzschicht); das Versenken in die Deckschicht von Tellerdübeln mit einem Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm kann ganz offensichtlich nichts zu der angegebenen Aufgabe beitragen. Sodann liegt die objektive Aufgabe nicht bzw. nicht allein in der Erhöhung der Festigkeit.

Die von der Beschwerdegegnerin definierte Aufgabe, die Unterputzhaftung an der Wärmedämmplatte bei gleichzeitiger Vermeidung von Kältebrücken zu verbessern, hat ihrerseits wiederum mit dem Merkmal des höheren Bindemittelanteils im Bereich der Grenzschicht nicht unmittelbar etwas zu tun. Diese Definition der Aufgabe wird also ebenfalls nicht von der Gesamtheit der Unterscheidungsmerkmale gestützt.

Nach Ansicht der Kammer besteht die Aufgabe, die anhand der kombinierten technischen Effekten der zwei Unterscheidungsmerkmale zu definieren ist, darin, ein Wärmedämm-Verbundsystem, umfassend Wärmedämmplatten in einer Wärmeleitfähigkeitsgruppe von weniger als 0,040 W/mK und Tellerdübel mit einem wirksamen Tellerdurchmesser von weniger als 90 mm, auszuführen, wie in Absätze [0030] und [0031] des Streitpatents dargelegt ist.

Dieses Ziel wird tatsächlich dadurch erreicht, dass der Bereich der Grenzschicht mit einem höherem Bindemittelanteil versehen wird, so dass die Tellerdübel beim Einziehen aufgrund des in dem genannten Bereich erzeugten mechanischen Widerstands in der Art eines Gegenlagers in die Deckschicht versenkt werden können (vgl. Absatz [0061]) .

3.1.4 Keine naheliegende Lösung

Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Entgegenhaltungen E1 und E6 lehren beide, zwischen zwei zusammen verklebten Teilbahnen zusätzliches Bindemittel aufzubringen, also de facto einen Bereich einer zwischen einer verdichteten Deckschicht und einer Unterschicht der Wärmedämmplatte mit höherem Bindemittel zu schaffen. Das Aufbringen dieses zusätzlichen Bindemittelanteils verfolgt jedoch nur den Zweck, das Haften durch Kleben der Teilbahnen zu sichern und damit die Bestandsfestigkeit der Dämmplatte zu verstärken, siehe z.B. E1, Spalte 3, Zeile 29 bis 36; E6, Seite 9, Zeile 27 bis 32.

Aber weder E1 noch E6 befassen sich mit der Befestigung der so hergestellten Wärmedämmplatten an einer Gebäudefassade. Der Fachmann kann daher in E1 und E6 keinen Hinweis erhalten, Tellerdübel mit einem Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm zur Befestigung einzusetzen bzw. bis zur versenkten Lage in der Deckschicht einzuziehen.

Also auch bei Heranziehen von E1 oder E6 wäre der Fachmann nicht zur beanspruchten Vorrichtung gelangt.

Darüber hinaus hätte der Fachmann womöglich auch gar keinen Grund gehabt, die Lehre von E1/E6 zu berücksichtigen und die Haftung zwischen der Deckschicht und der Unterschicht in der Wärmedämmplatte "Sillatherm WVP 1-035" durch zusätzliches Bindemittel zu erhöhen, denn die Wärmedämmplatte von E17 hat unstreitig die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erhalten. Deswegen ist davon auszugehen, dass sie für die Gewährleistung der Sicherheit im Verkehr bereits ausreichende Festigkeitseigenschaften vorweisen kann.

3.1.5 Das beanspruchte Wärmedämm-Verbundsystem ist also ausgehend von E17 auch bei Heranziehen der E1/E6 nicht in naheliegender Weise herleitbar.

3.2 Ausgehend von E3

Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass die Entgegenhaltung E3 im Vergleich zu E17 nicht ausreichend relevant ist, um den nächstliegenden Stand der Technik darstellen zu können. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass dem Gesamtoffenbarungsinhalt von E3 weder ein Grenzschichtbereich mit erhöhtem Bindemittelanteil noch konkrete Angaben einer Befestigung durch versenkte Tellerdübel klar und eindeutig zu entnehmen sind. Außerdem wird gemäß E3 die harte Deckschicht nicht dem Putz/Unterputz, sondern der Fassadenwand (Figur 7) zugeordnet. Es liegt auch kein Hinweis in E3 vor, den Bindemittelanteil im Bereich einer Grenzschicht zwischen der Deckschicht und der Unterschicht größer als in den anderen Bereichen der Fassadendämmplatte auszugestalten.

Da außerdem auch in der aus E17 bekannten Wärmedämmplatte keine Tellerdübel mit einem Tellerdurchmesser kleiner als 90 mm in die Deckschicht versenkt werden, würde selbst eine rein hypothetische Kombination E3 mit E17 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

3.3 Ausgehend von E8

Im schriftlichen Verfahren wurde seitens der Beschwerdeführerin noch E8 als Ausgangspunkt für die Frage der erfinderischen Tätigkeit genannt.

Die Kammer teilt die Bedenken der Beschwerdegegnerin dahingehend, dass E8 deutlich weniger Merkmale des Anspruchs 1 als E17 zeigt. Es fehlen insbesondere die Angabe der Größe der Dübelteller, die zweischichtige Zusammenstellung der Dämmplatte und der Bereich mit größerem Bindemittelanteil. Die Entgegenhaltung E8 ist somit deutlich weniger relevant als E17 und deshalb auch nicht geeignet, den nächstliegenden Stand der Technik bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes darzustellen.

3.4 Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 sowie aus denselben Gründen auch die Verwendung nach Anspruch 15 des Hauptantrags erfüllen also die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

4. Da die geänderten Patentunterlagen gemäß Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügen, ist eine Entscheidung über die nachrangigen Hilfsanträge 1 und 2 entbehrlich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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