T 0128/15 () of 9.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T012815.20191209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 0128/15
Anmeldenummer: 09000746.9
IPC-Klasse: B31B 1/90
B31B 19/90
B65B 61/06
B65B 61/18
B65B 61/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen von Tabak-Beuteln
Name des Anmelders: Focke & Co. (GmbH & Co. KG)
Name des Einsprechenden: G.D S.p.A.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0187/01
T 1914/12
T 0710/15
T 0691/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 18 November zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. 2 087 991 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 eingereichten ersten Hilfsantrags den Erfordernissen des Europäischen Patentüberkommens genüge.

II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) (mangelnde erfinderische Tätigkeit), 100 b) und 100 c) EPÜ begründet worden.

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf der Grundlage der mit der Beschwerdeerwiderung vom 11. August 2015 eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.

IV. Im Beschwerdeverfahren wird unter anderem auf folgende druckschriftliche Dokumente Bezug genommen:

D1 |US 4 680 024 A; |

D10 |DE 10 2004 056 043 A1.|

V. Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"[M1] Vorrichtung zum Herstellen von Tabak-Beuteln (10) durch Abtrennen derselben in einer Trennstation (27) von einer fortlaufenden Folienbahn (22), [M2] die in einer Faltstation (23) mit einem durch Umfalten gebildeten Bahnschenkel (24) versehen ist, [M3] in dessen Bereich in einer Siegelstation (26) quergerichtete Verbindungsnähte (25) durch ein Schweiß- bzw. Siegelaggregat (34) anbringbar sind, [M4] wobei in der Trennstation (27) die quergerichteten Trennschnitte im Bereich der Verbindungsnähte durchführbar sind, derart, dass Beutel (10) mit einer offenen Tasche (11), Seitennähten (14, 15) als Siegelnähte im Bereich der Tasche (11) und einer Wickellasche (17) einer nachfolgenden Füll- und Verschlussstation (29) zuführbar sind, gekennzeichnet durch folgende Merkmale: [M5] a) in einer der Trennstation (27) in Förderrichtung vorgeordneten Übertragungsstation (30) sind gesonderte Zuschnitte, insbesondere ein Tape (18) zum Fixieren der Wickellasche (17) in Schließstellung des Beutels (10) und/oder ein Druckträger bzw. Coupon (20) und/oder ein Sticker (21) zur Befestigung einer Beigabe in beutelgerechter Position an der fortlaufenden Folienbahn (20) anbringbar, [M6] b) die Folienbahn ist im Bereich der Übertragungsstation (30) über eine Übertragungswalze (37) geführt, [M7] c) der gesonderte Zuschnitt (18, 20, 21) ist auf die freie Außenseite der am Umfang der Übertragungswalze (37) anliegenden Folienbahn (22) durch eine Andruckrolle (42) oder eine Zuführungsrolle (66) übertragbar, [M8] d) der Zuschnitt (18, 20, 21) ist von einem Aggregat der Andrückrolle (42) oder der Zuführungsrolle (66) zuführbar, von dieser mittels Saugluft erfassbar und an die Folienbahn (22) während der Drehung der Übertragungswalze (37) andrückbar."

VI. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

Zulassung verspätetes Vorbringens

Im Punkt 14.6 der angefochtenen Entscheidung habe die Einspruchsabteilung bereits die Zulässigkeit der Änderungen in den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 erörtert. Auch die Hauptgründe zu Anspruch 1 seien schon im Einspruchsverfahren gewesen. Folglich betreffe der mit dem Schreiben vom 11. September 2019 vorgebrachte Sachvortrag lediglich neue Argumente zu bereits im Verfahren befindlichen Tatsachen und Beweismitteln bzw. eine Entwicklung von Argumenten die schon im Verfahren waren, welche aufgrund Artikel 114(2) EPÜ nicht vom Verfahren ausgeschlossen werden können.

Änderungen

Die im Merkmal M5 vorgenommenen Änderungen beruhen auf eine Zwischenverallgemeinerung. In der ursprünglichen Patentbeschreibung werden die Tapes über eine Andruckrolle 42 dem Umfang einer Übertragungswalze 37 zugeführt, deren Randbereich zur fehlerfreien Übertragung der Tapes in einer in Figur 7 gezeigten Art gestaltet sei. Ohne diese zusätzlichen Merkmale gehe der geänderte Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Außerdem führe die Änderung des Anspruchsmerkmals M4 durch das Weglassen der Angabe, dass der Trennschnitt mittig im Bereich der Verbindungsnähte liege, zu einer unzulässigen Erweiterung.

Die Aufnahme der Faltstation in das Merkmal M2 und die ausdrückliche Verwendung der Übertragungswalze, Andruckrolle und Zuführungsrolle in den Merkmalen M6 bis M8 führe ohne die zur Erzeugung einer konstanten, kontinuierlichen Fördergeschwindigkeit in der Faltstation unentbehrlichen Ausgleichspendel vor und nach der Faltstation zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.

Durch die Umformulierung der Reihenfolge von Übertragungsstation und Trennstation im Merkmal M5 entstehe die Möglichkeit, dass die Übertragungsstation irgendwo stromaufwärts von, aber nicht direkt vorangehend an der Trennstation angeordnet sein könne.

Ausführbarkeit

Der beanspruchte Gegenstand sei zwar im Sinne der sehr eingeschränkten Ausführungsform nach Figur 5 ausführbar, es bedürfe allerdings erfindungswesentlicher Merkmale, die nicht in Anspruch 1 aufgenommen seien. Insbesondere fehle jegliche Information, wie die Folienbahn kontinuierlich bzw. taktweise durch die verschiedenen Stationen der Vorrichtung transportiert werde. Anspruch 1 decke somit die Möglichkeit ab, dass die Folienbahn auch im Bereich der Siegelstation und der Trennstation mit kontinuierlicher Fördergeschwindigkeit geführt werde. Der Fachmann finde aber weder in dem Streitpatent noch in seinem Fachwissen Anhaltspunkte, wie er eine solche Lösung ausführen könne.

Erfinderische Tätigkeit

Der beanspruchte Gegenstand sei durch die Kombination der Druckschriften D1 und D10 nahegelegt. Ausgehend von der Druckschrift D1, die die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 nicht offenbare, bestehe die Aufgabe darin, gesonderte Zuschnitte an der Folienbahn von Tabak-Beuteln anzubringen. Zur Lösung dieser Aufgabe werde der Fachmann die Druckschrift D10 heranziehen, die sich auch mit dieser Aufgabe auseinandersetze. Nach der Figur 14 der Druckschrift D10 werden Zuschnitte 28 auf die freie Außenseite der am Umfang einer Übertragungswalze 54 anliegenden Folienbahn 40, d.h. stromabwärts von der Zuführungswalze 49, übertragen. Genauso wie in den Figuren 4 und 7 der Patenschrift finde die eigentliche Übertragung in der Druckschrift D10 nämlich erst statt, nachdem die Zuschnitte entgegen der Wirkung der Saugbohrungen von der Zuführungswalze getrennt werden. Dafür sei das Trennorgan 53 zuständig. Daraus folge, dass die Übertragung erst stromabwärts vom Trennorgan vollbracht werde, so dass nur die Walze 54 als Übertragungswalze im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden könne. Auf den Schnitt XVII in der Figur 17 der Druckschrift D10 werde verwiesen.

Laut Absatz [0020] des Patents finde die Übertragung statt erst nachdem die Zuschnitte die Andruckrolle verlassen haben. Daher sei es nicht entscheidend, dass die Druckschrift D10 den Begriff "Übertragungsorgan" eher in Zusammenhang mit der Walze 49 verwende.

Die Stelle, an der der Fachmann die aus der Druckschrift D10 bekannte Übertragungsstation in der Vorrichtung nach der Druckschrift D1 einfügen werde, sei unwichtig da nicht vom Anspruch 1 vorgeschrieben.

Der Begriff "andrückbar" im Merkmal M8 sei so zu verstehen, dass es sich nur auf die Alternativlösung mit einer Andruckrolle beziehe. In der in Figur 5 des Patents gezeigten Ausführungsform ohne Andruckrolle sei der Begriff als "anlegbar" auszulegen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat Folgendes vorgetragen:

Zulassung verspätetes Vorbringens

Der erstmals vier Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebrachte Angriff mit Schreiben vom 11. September 2019 solle nicht zugelassen werden.

Bereits im Einspruchsschreiben, während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und in der Beschwerdebegründung habe die Beschwerdeführerin detailliert mehrere Einwände der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht. Mit dem neuen Sachvortrag werden zum ersten Mal im Einspruchs- und im Beschwerdeverfahren bestimmte Merkmale angegriffen. Dadurch werden die bisher vorgetragenen Einwände praktisch ausgewechselt.

Änderungen

Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Argumente seien schon aus dem Einspruchsverfahren bekannt, wo sie ausführlich diskutiert worden sind. Insbesondere auf Punkt 14 der angefochtenen Entscheidung werde verwiesen.

Ausführbarkeit

Die Beurteilung der Ausführbarkeit sei anhand des gesamten Inhalts der Anmeldung zu erfolgen. Auf die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung unter Punkt 15 der angefochtenen Entscheidung werde verwiesen.

Erfinderische Tätigkeit

In der Druckschrift D10 müsse die Saugwalze 49 als Übertragungswalze im Sinne vom Anspruch 1 verstanden werden. Das folge aus dem Absatz [0044], wo die Saugwalze 49 als Teil des "Übertragungsorgans 44" definiert werde. Da der Ziplock-Abschnitt 28 sich aber zwischen dem Umfang der Übertragungswalze und der Folienbahn 40 befinde, sei das Merkmal M7 nicht offenbart.

Die Formulierung "durch eine Andruckrolle ... übertragbar" stelle außerdem einen kausalen Zusammenhang dar, der nicht in der Druckschrift D10 offenbart sei. Auch fehle in der Druckschrift D10 eine Andrückrolle bzw. eine Zuführungsrolle. Das Merkmal M8 erfordere eindeutig, dass der Zuschnitt von einem Aggregat an die Folienbahn andrückbar sei. Deshalb gehen zumindest die Merkmale M7 und M8 nicht aus der Druckschrift D10 hervor, so dass die Kombination mit der Druckschrift D1 nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand führen könne. Die erfinderische Tätigkeit sei deshalb gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des verspäteten Vorbringens

1.1 Mit dem Schreiben vom 11. September 2019 hat die Beschwerdeführerin "Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung" mehrere Einwände der unzulässigen Erweiterung erhoben, und zwar in Bezug auf das Merkmal M6 ("die Folienbahn ist ... über eine Übertragungswalze geführt") und das Merkmal M7 (das Weglassen der Angabe "während momentaner Drehung derselben") des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Außerdem wurden die in den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 vorgenommenen Änderungen hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ beanstandet.

1.2 Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, diesen neuen Vortrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, weil er verspätet ist.

1.3 Tatsachen und Beweismittel, die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht werden, können von den Beschwerdekammern aufgrund des ihnen in Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumten Ermessens unberücksichtigt gelassen werden.

Weitere Einschränkungen ergeben sich für das Beschwerdeverfahren aus der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, indem der Kammer nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 ein Ermessen zusteht, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung, die nach Artikel 12(2) VOBK 2007 den vollständigen Sachvortrag enthalten muss, zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

1.4 In Anwendung dieser Bestimmungen hat die Kammer beschlossen, den neuen Vortrag der Beschwerdeführerin nicht zuzulassen, und zwar aus den folgenden Gründen.

Die Frage, ob die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ eingehalten werden, wurde bereits in der Beschwerdebegründung aufgeworfen (siehe Punkt IV auf Seiten 12 bis 17), allerdings nur in Bezug auf die Änderungen in den Merkmalen M2, M4 und M5 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Mit Schreiben vom 11. September 2019 hat die Beschwerdeführerin einen Monat vor der mündlichen Verhandlung erstmals die Zulässigkeit der Änderungen in den Merkmalen M6 und M7 des Anspruchs 1 und die Zulässigkeit der Änderungen in den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 bemängelt.

Im Vergleich zu der Beschwerdebegründung schafft der neue Vortrag deshalb einen neuen faktischen Rahmen, der über den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdeführerin nach Artikel 12 (2) VOBK 2007 hinausgeht.

Deshalb übt die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, die nachträglichen Einwände, welche ohne weiteres in einem früheren Verfahrensstadium hätten vorgelegt werden können, nicht zuzulassen.

1.5 Die neuen Ausführungen zu Artikel 123 (2) EPÜ stellen keine bloßen neuen Argumente dar, die sich auf bereits im Verfahren befindliche Tatsachen stützen, und bei denen die Kammer keinen Ermessensspielraum hätte sie gemäß Artikel 114 (2) EPÜ als verspätet zurückzuweisen (siehe T 1914/12, Punkt 7.2.3 der Entscheidungsgründe und T 187/01, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe).

In dieser Hinsicht muss zwischen einem neu vorgebrachten Einwand, der ein bereits unter Artikel 123 (2) EPÜ beanstandetes Merkmal angreift und einem Einwand, der ein bisher nicht beanstandetes Merkmal unter Artikel 123 (2) EPÜ angreift, differenziert werden (siehe T 710/15, Punkt 1.4.1 der Entscheidungsgründe und T 691/16, Punkt 5.1.2 der Entscheidungsgründe). Der Sachvortrag vom 11. September 2019 gehört zur letzteren Kategorie, kann daher nicht als bloße Weiterentwicklung oder nähere Ausführung des früheren Standpunkts der Beschwerdeführerin betrachtet werden.

1.6 Auch dem Argument, die Einwände in Bezug auf die Änderungen der abhängigen Ansprüchen 2 und 3 seien bereits in der Entscheidungsbegründung erörtert worden und gehören somit zum faktischen Rahmen, folgt die Kammer nicht. Im schriftlichen und mündlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden die Vorrichtungsansprüche 2 und 3 ausschließlich wegen der Änderung der Anspruchskategorie beanstandet (siehe Seite 3 der Einspruchsschrift und Seite 3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Die zusätzlichen Merkmale der abhängigen Ansprüchen hat die Beschwerdeführerin allerdings zum ersten Mal mit dem Schreiben vom 11. September 2019 einzeln angegriffen.

1.7 Die Kammer lässt somit die neuen Einwände der unzulässigen Änderung unter Ausübung ihres Ermessens nicht ins Verfahren zu (Artikel 13(1) VOBK 2007).

2. Änderungen

2.1 Nach Auffassung der Kammer ist das im Merkmal M5 enthaltene Merkmal "ein Tape (18) zum Fixieren der Wickellasche (17) in Schließstellung des Beutels (10)" durch das vorstehende Adverb "insbesondere" als fakultativ zu verstehen. Dass das Tape lediglich als Beispiel von einem möglichen Zuschnitt und nicht als notwendiges Teil der Vorrichtung genannt wird, geht auch aus der darauffolgenden Formulierung "und/oder ein Druckträger bzw. Coupon (20) und/oder ein Sticker (21)" im Merkmal M5 hervor. Eine Änderung des fakultativen Teils dieses Merkmals hat somit keine Auswirkung auf den beanspruchten Gegenstand, sodass sie auch nicht zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung führen kann, die darin bestünde, dass das Anbringen des Tapes und die damit verbundenen Besonderheiten, wie die Gestaltung des Randbereichs der Übertragungswalze 37, nicht in den Anspruch 1 aufgenommen sind.

2.2 Die Kammer kann nicht erkennen, wie die Aufnahme des Begriffs "Trennstation (27)" (Merkmal M1) und der Formulierung "[Seitennähten (14, 15)] als Siegelnähte" (Merkmal M4) zu einer unzulässigen Änderung führen könnten. Im kennzeichnenden Teil des ursprünglich eingereichten Vorrichtungsanspruchs 5 war die Trennstation erwähnt und es war die Information enthalten, wonach "Verbindungsnähte (25) durch ein Schweiß- bzw. Siegelaggregat (34) anbringbar sind". Die Aufnahme weiterer im Absatz [0012] der ursprünglich eingereichten Beschreibung genannten Merkmale sind deshalb nicht erforderlich.

2.3 Zur Aufnahme der "Faltstation" wurde im Punkt 14.3 der angefochtenen Entscheidung argumentiert, dass die Vorrichtung gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 5 bereits implizit eine Faltstation als den Teil der Vorrichtung, in welchem ein Bahnschenkel umgefaltet wird, offenbare. Dem Argument schließt sich die Kammer an. Obwohl die Ausgleichspendel, welche die unterschiedlichen Bewegungen der Folienbahn in den verschiedenen Aggregaten kompensieren, im Ausführungsbeispiel auf Seite 4, Zeile 27 - Seite 15, Zeile 11 der Originalbeschreibung zusammen mit der Faltstation beschrieben werden, sind sie in der Originalfassung der Ansprüche nicht enthalten. Die explizite Definition eines bereits implizit vorhandenes Merkmals erfordert somit nicht zwingend die Aufnahme weiterer Merkmale des Ausführungsbeispiels.

Auch die Verwendung von den Begriffen "Übertragungswalze 37", "Andruckrolle 42" und "Zuführungsrolle 66" in den Merkmalen M6 bis M8, die auf die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 9 in der ursprünglich eingereichten Fassung zurückzuführen sind, kann nicht dazu führen, dass die in der Beschreibung erwähnten Ausgleichspendel zwingend aufgenommen werden müssen.

2.4 Bei der Anpassung der zweiteiligen Fassung des Anspruchs 1 im Erteilungsverfahren wurde der Begriff "Trennstation" in das Merkmal M4 des Oberbegriffs aufgenommen. Dazu wurde der Verweis auf die Trennstation in Bezug auf die relative Position der Übertragungsstation geändert von "Übertragungsstation (30) ... und in einer darauffolgenden Trennstation (27)" in "in einer der Trennstation (27) in Förderrichtung vorgeordneten Übertragungsstation (30)".

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Begriff "darauffolgend" im vorliegenden Fall, genauso wie "vorgeordnet", die Reihenfolge der Aggregate bzw. der Stationen in der beanspruchten Vorrichtung in Bezug auf die Förderrichtung der Folienbahn bezeichnet, ohne aber deren Nähe zur Trennstation festzulegen. Sie sind somit von "direkt darauffolgend" bzw. "direkt vorgeordnet" zu unterscheiden.

Insofern hat die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt, wieso die Änderung im Merkmal M5 nicht von der Originalfassung des Anspruchs 5 gestützt sei.

2.5 Aus den genannten Gründen geht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

3. Ausführbarkeit

Die Kammer kann nicht erkennen, warum der Fachmann außerstande sein sollte, die im Patent offenbarte Erfindung auszuführen. Die Frage der ausreichenden Offenbarung kann nicht allein vom Inhalt der Ansprüche her beurteilt werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein Fachmann die in dem Anspruch definierte Erfindung basierend auf der Gesamtoffenbarung der Patentschrift mit seinem Fachwissen nacharbeiten kann. Es ist dabei für das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung unerheblich, dass ein vermeintlich wesentliches Merkmal aus der Beschreibung nicht in den Anspruch aufgenommen wurde.

Den Absätzen [0013], [0015] und [0016] der Patentbeschreibung entnimmt der Fachmann, wie die Folienbahn 22 in den verschiedenen Stationen betrieben wird. Nachdem sie sich in der Faltstation 23 mit einer konstanten, kontinuierlichen Geschwindigkeit bewegt, sorgt das Ausgleichspendel 35 dafür, dass die Folienbahn sowohl im Bereich der Siegelstation 34 als auch in den darauffolgenden Stationen taktweise angetrieben wird (Spalte 4, Zeilen 18 und 19). Dabei ist der Taktrhythmus der Folienbahn 22 in der Übergabestation 30 derart mit der Förderung der Zuschnittsträgerbahn 40 synchronisiert, dass sich die Folienbahn während der Dauer der Übertragung des Zuschnitts kurz fortbewegt, dann aber bis zum Anfang des nächsten Taktes angehalten wird (Anspruch 3 und Abschnitt [0033]).

In Anbetracht dessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Fachmann der Beschreibung und den Figuren des Patents zumindest einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung entnehmen kann, den er im gesamten beanspruchten Bereich ausführen kann.

Daher offenbart die Patentschrift die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Es wird von den Parteien nicht bestritten, dass die Druckschrift D1 einen erfolgsversprechenden Ausgangspunkt zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bildet. Die Kammer sieht keinen Anlass, davon abzuweichen.

4.2 Von der Offenbarung der Druckschrift D1 unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die kennzeichnenden Merkmale M5, M6, M7 und M8. Auch diese Feststellung ist zwischen den Parteien unstrittig.

4.3 Entsprechend dem Absatz [0004] des Patents besteht die objektive technische Aufgabe darin, eine Vorrichtung zum Herstellen von Tabak-Beuteln so zu verbessern, dass gesonderte Zuschnitte an den Tabak-Beuteln angebracht werden.

4.4 Zur Frage des Naheliegens der beanspruchten Lösung hat die Beschwerdeführerin auf die Druckschrift D10 verwiesen, derzufolge es üblich sei, gesonderte Zuschnitte während der Herstellung von Tabak-Beuteln an einer fortlaufenden Folienbahn anzubringen.

Die Druckschrift D10 offenbart eine Vorrichtung zum Herstellen von Tabak-Beuteln, wobei eine folienartige Materialbahn 40 ähnlich wie in der Druckschrift D1 eine Faltstation, eine Siegelstation, eine Trennstation und eine Füll- und Verschlussstation durchläuft (Absatz [0047]; Figuren 12 und 13). An einer der Faltstation und der Siegelstation in Förderrichtung vorgeordneten Stelle werden gesonderte Zuschnitte (Ziplocks 28) an der fortlaufenden Materialbahn angebracht (Absätze [0038] bis [0040]; Figuren 11 und 12). Die Übertragung der Zuschnitte 28 ist in der Figur 14 veranschaulicht.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Eine Saugwalze 49 fördert die über die Umlenkwalze 50 zugeführten und von dem Trennmesser 51 abgetrennten Zuschnitte 28 entgegen dem Uhrzeigersinn in Richtung eines Übertragungsbereichs im vierten Quadrant der als Kreis abgebildeter Saugwalze, wo die Zuschnitte mit der ebenfalls an der Saugwalze anliegenden Materialbahn 40 in Kontakt kommen und an ihr übertragen werden. Darauffolgend trennt ein keilförmiges Ablenkorgan 53 die Zuschnitte 28 samt Materialbahn 40 von der Saugwalze 49 und überträgt sie auf die Siegelwalze 54.

Folglich werden die Zuschnitte 28, entgegen den Anforderungen des Merkmals M7, auf die Innenseite der am Umfang der Übertragungswalze 49 anliegenden Material- bzw. Folienbahn 40 übertragen.

Die Kombination der Druckschriften D1 und D10 kann aus diesem Grund nicht ohne erfinderisches Zutun zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

5. Die Kammer folgt dem Argument der Beschwerdeführerin nicht, wonach die Zuschnitte 28 in der aus der Druckschrift D10 bekannten Vorrichtung erst im Bereich der Siegelwalze 54 auf die (freie Außenseite der) Materialbahn 40 übertragen werden. In den Absätzen [0043] und [0044] wird nicht die Siegelwalze 54 sondern die Saugwalze 49 als "Übertragungsorgan 44" bezeichnet. Die Siegelwalze 54 hingegen ist Teil des darauffolgenden Siegelaggregats 45 (siehe Absatz [0045]). Darüber hinaus kann aus der Wortwahl im letzten Satz von Absatz [0044] ("die Einheit aus Materialbahn 40 und Ziplock-Abschnitt [wird] von dem Umfang der Saugwalze 49 abgehoben und auf die Umfangsfläche einer unmittelbar anschließenden Siegelwalze 54 übertragen") geschlossen werden, dass der Ziplock-Abschnitt und die Materialbahn bereits vor der Trennung von der Saugwalze 49 eine Einheit bilden, sodass die Übertragung im Bereich des Ablenkorgans 53 bereits abgeschlossen ist.

6. Darüber hinaus hat die Kammer erhebliche Zweifel, ob der Fachmann die aus der Druckschrift D10 bekannte Übertragungsstation zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe überhaupt in die aus der Druckschrift D1 bekannte Vorrichtung aufnehmen würde. Nach der Lehre der Druckschrift D10 müssen die Zuschnitte nämlich an einer der Faltstation in Förderrichtung vorgeordneten Stelle an die fortlaufende Folienbahn übertragen werden. Das würde für die Druckschrift D1 bedeuten, dass die Übertragung und die Zufuhr von Zuschnittmaterial an der räumlich eher ungünstigen Stelle zwischen den Ausgleichspendeln 35 und der ersten Umlenkrolle der Faltstation 36, entfernt von der Siegelstation 29, stattfinden müsse (siehe Figur 4). Die Anordnung der Übertragungsstation an einer anderen Stelle der Vorrichtung würde bedeuten, dass der Fachmann sich von der eigentlichen Lehre der Druckschrift D10 abwendet.

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7. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht durch die Kombination der Druckschriften D1 und D10 nahegelegt und beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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