T 0023/15 (Dieselabgaskatalysator/Umicore) of 25.7.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T002315.20170725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 2017
Aktenzeichen: T 0023/15
Anmeldenummer: 07724847.4
IPC-Klasse: B01D 53/94
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KATALYSATOR ZUR VERMINDERUNG STICKSTOFF-HALTIGER SCHADGASE AUS DEM ABGAS VON DIESELMOTOREN
Name des Anmelders: Umicore AG & Co. KG
Name des Einsprechenden: Johnson Matthey Public Limited Company
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
T 1811/13
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP-B-2 029 260 wegen mangelnder Offenbarung zu widerrufen.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:

D6: Rahman, M.A. et al., "Measurement of Brönsted Acidity of Silica-Alumina Solid Catalyst by Base Exchange Method", J. Surface Sci. Technol., Vol.22, 2006, S. 25-33

D7: Morterra, C. et al., "On the strength of Lewis- and Brønsted-acid sites at the surface of sulfated zirconia catalysts", J. Chem. Soc. Faraday Trans., Vol. 93(6), 1997, S. 1179-1184

D8: Parfitt, G.D., "Surface Chemistry of Oxides" Pure & Appl. Chem., Vol. 48, 1976, S. 415-418

III. Als Anhang zur Beschwerdebegründung wurden drei Hilfsanträge eingereicht.

IV. Mit einem weiteren Schreiben reichte die Beschwerdeführerin zusätzliche Hilfsanträge ein.

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass keiner der Anträge den Bedingungen des EPÜ genüge.

VI. Mit ihrem Schreiben vom 23. Juni 2017 ersetzte die Beschwerdeführerin die bisherigen Hilfsanträge durch die Hilfsanträge I bis III.

VII. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 25. Juli 2017 statt. Darin machte die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag I zum Hauptantrag.

Die Ansprüche 1 und 2 dieses Antrags entsprechen den erteilten Ansprüchen 1 und 2 und lauten wie folgt:

"1. Katalysator zur Entfernung von Stickstoff-haltigen Schadgasen aus dem Abgas von Dieselmotoren enthaltend einen Wabenkörper und eine aus zwei übereinander liegenden katalytisch aktiven Schichten bestehende Beschichtung, wobei die direkt auf den Wabenkörper aufgebrachte, untere Schicht einen Oxidationskatalysator enthält, der frei ist von Ammoniak- Speichermaterialien und besteht aus Platin oder Palladium oder Mischungen von Platin und Palladium auf einem Trägermaterial ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus aktivem Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Titanoxid, Siliziumdioxid und Mischungen oder Mischoxiden davon,

und wobei die darauf aufgebrachte, obere Schicht besteht aus einem oder mehreren mit Eisen ausgetauschten Zeolithen, die sich durch gute SCR-Aktivität auszeichnen, als Ammoniak-Speichermaterial, welches über eine Ammoniak-Speicherkapazität von mindestens 20 Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial verfügt.

2. Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden aus dem Abgas von Dieselmotoren, dadurch gekennzeichnet, dass das Abgas bei Temperaturen im Bereich 150 bis 400°C über einen Katalysator nach Anspruch 1 als SCR-Katalysator mit einem verringerten Ammoniak-Schlupf geleitet wird."

Ansprüche 3 bis 4 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 2.

Anspruch 5 lautet wie folgt:

"5. Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden aus dem Abgas von Dieselmotoren, dadurch gekennzeichnet, dass der Katalysator nach Anspruch 1 als Ammoniak-Sperrkatalysator in Kombination mit einem SCR-Katalysator eingesetzt wird, welcher einen mit Kupfer oder Eisen ausgetauschten Zeolithen oder einen mit Kupfer und Eisen ausgetauschten Zeolithen oder Mischungen davon, oder ein Oxid ausgewählt aus Vanadiumoxid, Wolframoxid und Molybdänoxid auf einem Trägermaterial aus Titanoxid enthält."

Die Ansprüche 6 bis 10 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 5.

VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Bedingungen des Artikels 123(3) EPÜ seien erfüllt, da das Verfahren gemäß Anspruch 5 unter den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 falle, im Einklang mit G 2/88.

Zudem seien die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ erfüllt. "[F]rei von Ammoniak-Speichermaterialien" sei so zu verstehen, dass keine Materialien mit einem signifikanten Anteil Brönstedt-saurer Zentren vorhanden seien. Im weitesten Sinne würde der Fachmann Katalysatormaterialien, die eine Ammoniak-Speicherkapazität von weniger als 20 Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial haben, als ,,frei von Ammoniak-Speichermaterialien" begreifen.

Der Fachmann müsse in der Lage sein, ein "Trägermaterial ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus aktivem Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Titanoxid, Siliziumoxid und Mischungen oder Mischoxide davon" aufzufinden, das keinen signifikanten Anteil Brönstedt-saurer Zentren aufweise. Dies sei ihm ohne weiteres möglich, da D8 lehre, dass Aluminiumoxid keine Brönstedt-saure Zentren aufweise (D8, Seite 416, rechte Spalte oben). Gleiches gelte für Siliziumoxid, das darüber hinaus auch keine Lewis-sauren Zentren besitze (D8, Seite 416, linke Spalte, vorletzter Satz). D7 lehre den Fachmann, dass Zirkonoxid frei von Brönstedt-sauren Zentren sei (D7, Seite 1180, rechte Spalte, Zeilen 3-5). Insgesamt lehrten D6 bis D8, dass es möglich sei die gewünschten Materialien ausfindig zu machen.

Die Aussage ,,frei von Ammoniak-Speichermaterialien" sei unter dem Blickwinkel des Einsatzwecks zu verstehen. Es mache keinen Sinn, dieses Merkmal auch auf z.B. kalte Oxidoberflächen zu lesen, die zwar Ammoniak irgendwie adsorbieren, die jedoch nicht wesentlich für den beabsichtigten Einsatz seien.

Basierend auf diesen Informationen orientiere sich der Fachmann an Beispiel 2, #5 des Streitpatentes.

Zudem sei es dem Fachmann jederzeit in einfacher Weise möglich, die Ammoniak-Speicherkapazität eines jeden beliebigen Materials gemäß der in Absatz [0028] des Streitpatentes beschriebenen einfachen Methode zu bestimmen.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, sofern relevant für die vorliegende Entscheidung, wie folgt zusammengefasst werden:

Anspruch 5 erfülle nicht die Bedingungen des Artikels 123(3) EPÜ, da die Temperaturbeschränkung "im Bereich 150 bis 400°C" des erteilten Verfahrensanspruchs 2 nicht mehr vorhanden sei.

Zudem seien die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt. Ein einziges Beispiel könne für die Offenbarung nur ausreichen, wenn dieses es ermögliche die Erfindung über den gesamten Bereich auszuführen.

Dies sei hier nicht der Fall, da der Fachmann nur durch unzumutbaren Aufwand mittels Versuch und Irrtum herausfinden könne, welche der in Anspruch 1 aufgezählten Trägermaterialien keine Ammoniak-Speicherkapazität haben, also, gemäß der Beschwerdeführerin, weniger als 20 Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial.

D6 (vor allem Figuren 2 und 3) zeige, dass die Oberflächenacidität von der Zusammensetzung und der Probengröße abhänge.

D7 (Seite 1180, rechte Spalte, Punkte (i) bis (iii); Seite 1182, linke Spalte, Punkt (ii)) belege, dass Aluminiumoxid und Zirkonoxid Lewis-saure Zentren enthalte und dass deren Anzahl stark von den Herstellungsmethoden abhänge.

Auch D8 (Seite 416, linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, Anfang des zweiten Absatzes) bestätige, dass es innerhalb der beanspruchten Trägermaterialien starke Schwankungen betreffend die Anwesenheit von Lewis-sauren Zentren sowie von Brönstedt-sauren Zentren gebe.

D6 bis D8 lehrten also, dass die geeigneten Materialien nur durch umfangreiches Testen mit einem eigenen Forschungsprogramm ausfindig gemacht werden könnten, was einen unzumutbaren Aufwand darstelle. Im Einklang mit der etablierten Rechtsprechung sei die Erfindung deshalb nicht über den gesamten Bereich des Anspruchs ausführbar.

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß dem Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag I mit dem Schreiben vom 23. Juni 2017, aufrecht zu erhalten oder die Ausführbarkeit dieses Antrags festzustellen und die Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen. Alternativ beantragte sie, das Streitpatent gemäß einem der Hilfsanträge I bzw. II, eingereicht als Hilfsanträge II bzw. III mit dem Schreiben vom 23.Juni 2017, aufrecht zu erhalten, bzw. diese jeweils hilfsweise, nach Feststellung der Vereinbarkeit mit den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ, an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 13(1),(3) VOBK

Der vorliegende Hauptantrag wurde mit dem Schreiben vom 23. Juni 2017 eingereicht. Da die Einreichung des Anspruchssatzes nach dem Einreichen der Beschwerdebegründung, bzw. sogar nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung stattfand, liegt es im Ermessen der Kammer über dessen Zulassung zu entscheiden (Artikel 13(1),(3) VOBK).

Die einzige Änderung im Vergleich zu den erteilten Ansprüchen betrifft Anspruch 5. Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit des vorliegenden Hauptantrags nicht beanstandet. Auch die Kammer sieht keinen Anlass dies zu tun, da der Anspruchssatz eine Reaktion auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK darstellt, die Änderungen nicht komplex sind, keine Fragen aufwerfen und im Sinne der Verfahrensökonomie sind, indem sie den in der vorläufigen Meinung der Kammer erhobenen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ ausräumen.

2. Artikel 123(2) EPÜ

Die Beschwerdegegnerin hatte keinen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ gegen den vorliegenden Hauptantrag. Die Kammer kann sich dem anschließen, da der geänderte Anspruch 5 unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Seite 10, Zeilen 8 bis 15 zusammen mit der allgemeinen Aufgabenstellung des Streitpatents auf Seite 6, Zeilen 7 bis 12) hervorgeht.

3. Artikel 123(3) EPÜ

Gemäß G 2/88 (Gründe 5) ist es ein dem EPÜ zugrundeliegendes, anerkanntes Prinzip, dass ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht wird, für diesen Gegenstand absoluten Schutz gewährt; d. h. unabhängig davon, wo und in welchem Sachzusammenhang er in Betracht zu ziehen ist (also auch für jede bekannte oder unbekannte Verwendung dieses Gegenstands). Daraus folgert die G 2/88, dass der Schutzbereich eines Anspruchs für eine bestimmte Verwendung demnach "geringer" ist, als der eines Anspruchs für den Gegenstand per se.

Im vorliegenden Fall betrifft Anspruch 1 wie erteilt einen Katalysator per se, der generell geeignet sein muss, Stickstoff-haltige Schadgase aus dem Abgas von Dieselmotoren zu entfernen, unabhängig von Betriebsbedingungen wie der Temperatur. Der vorliegende Anspruch 5 betrifft ein Verfahren in dem der Katalysator gemäß Anspruch 1 eingesetzt wird. Dieser Anspruch 5 bezieht sich nicht auf ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses, sondern auf ein Verfahren zur Erzielung einer Wirkung durch den beanspruchten Katalysator. Anspruch 5 ist somit kein Verfahrensanspruch im Sinne des Artikels 64 (2) EPÜ. Demzufolge fällt unter den Schutzbereich des Anspruchs 5 auch kein Erzeugnis, das möglicherweise den Schutzbereich erweitern könnte.

Vielmehr entspricht Anspruch 5 der Verwendung des Katalysators gemäß Anspruch 1 als Ammoniak-Sperrkatalysator in Kombination mit einem SCR-Katalysator (wie in Anspruch 5 definiert) zur Entfernung von Stickoxiden aus dem Abgas von Dieselmotoren.

Im Einklang mit G 2/88 (Gründe 5.1), kommt die Kammer deshalb zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 zu keiner Erweiterung des Schutzbereichs im Sinne des Artikels 123 (3) EPÜ führt.

4. Artikel 83 EPÜ

4.1 Die Einspruchsabteilung widerrief das Streitpatent, da nicht offenbart sei, wie das Kriterium, dass ein in der unteren Schicht enthaltener Oxidationskatalysator "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien", erfüllt werden soll.

4.2 Im Anspruch 1 ist nicht definiert, wie bestimmt werden kann, ob ein Katalysator frei von Ammoniak-Speichermaterialien ist. Auch die Beschreibung enthält keine Definition, wie das Merkmal zu verstehen ist. Der Ausdruck hat somit keine eindeutige Bedeutung, da der Fachmann nicht weiß, ab welcher Speicherkapazität ein Träger diese Voraussetzung erfüllt.

4.3 Da im vorliegenden Fall der Einwand nicht die Klarheit des Anspruchs im Sinne von Artikel 84 EPÜ, sondern die Offenbarung der Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ betrifft, muss überprüft werden, ob der Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens und der weiteren Angaben in der vorliegenden Patentschrift einen Katalysator gemäß Anspruch 1 erhalten kann, der als untere Schicht einen Oxidationskatalysator enthält, der frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien.

4.4 Gemäß Patentschrift sind Ammoniak-Speichermaterialien Verbindungen, die acide Zentren enthalten, an denen Ammoniak gebunden werden kann. Dabei wird zwischen Physiosorption an Lewis-sauren Zentren und Chemisorption an Brönstedt-sauren Zentren unterschieden (Absatz [0027]). Die Verwendung des Verbs "kann" in diesem Kontext deutet darauf hin, dass die Fähigkeit der Ammoniakaufnahme abhängig ist von den gewählten Verfahrensbedingungen. Um die Ammoniak-Speicherfähigkeit eines Katalysators zu überprüfen, wird in Absatz [0028] eine Methode beschrieben, deren Ausführbarkeit von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt wurde. In Absatz [0029] wird erwähnt, dass der erfindungsgemäße Katalysator über die Fähigkeit verfügt, mindestens 20 Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial in der oberen Schicht zu speichern. Daraus lässt sich jedoch nicht zwingend ableiten, dass "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" bedeutet frei von Materialien, die weniger als 20 Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial speichern.

4.5 In Absatz [0030] wird erwähnt, dass eine wesentliche Verbesserung gegenüber EP 0 773 057 A1 dadurch erreicht wird, dass die untere Schicht frei von Ammoniak-Speichermaterialien ist. Dabei wird auf das Vergleichsbeispiel 3 verwiesen. In diesem Vergleichsbeispiel wird ein Katalysator gemäß dem erwähnten Stand der Technik mit dem erfindungsgemäßen Katalysator #2 verglichen. Der Fachmann kann daraus erkennen, dass der erfindungsgemäße Katalysator #2 eine untere Schicht enthält, die als frei von Ammoniak-Speichermaterialien anzusehen ist. Dieser Katalysator hat als untere Schicht einen unselektiven NH3-Oxidationskatalysator, bestehend aus Platin auf einem Trägermaterial aus überwiegend Aluminiumoxid enthaltenden Mischoxid. Die genau Zusammensetzung des Trägermaterials ist jedoch nicht angegeben.

4.6 Trotzdem wird der Fachmann daraus entnehmen, dass "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" nicht unbedingt bedeuten muss, dass überhaupt keine aciden Zentren im Träger vorhanden sind, da Aluminiumoxid - wie im erfindungsgemäßen Katalysator #2 vorhanden - auf jeden Fall Lewis-saure Zentren enthält. Dies geht z.B. aus D8 (Seite 416, linke Spalte, letzter Absatz) hervor. Dies ist auch im Einklang mit der Zusammensetzung des erfindungsgemäßen Katalysators #5, der als Trägermaterial der unteren Schicht eine Mischung aus Zirkonoxid und Aluminiumoxid in einem unbestimmten Verhältnis enthält, da es auch bekannt ist, dass Zirkonoxid Lewis-saure Zentren enthält (siehe z.B. D7, Seite 1180, rechte Spalte, Punkte (i) bis (iii)). Wie hoch die genaue Ammoniak-Speicherkapazität dieser Träger ist, geht aus der Patentschrift nicht hervor. Angesichts der Zusammensetzung kann wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass diese Träger die Möglichkeit haben Ammoniak zu speichern, was darauf hindeutet, dass "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" nicht als Ammoniak-Speicherkapazität von null Milliliter Ammoniak pro Gramm Katalysatormaterial anzusehen ist, sondern wahrscheinlich einen nicht bestimmten, niedrigen Wert betreffen soll, der von dem Trägermaterial, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus aktivem Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Titanoxid, Siliziumdioxid und Mischungen oder Mischoxiden davon, erhalten wird.

4.7 Der Fachmann kann Trägermaterialien, die im Einklang mit den in den Beispielen #2 und #5 angegebenen Trägermaterialien sind, auswählen und deren Speicherkapazität gemäß den in Absatz [0028] angegebenen Bedingungen bestimmen. Dies erlaubt es ihm abzuschätzen, was unter "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" zu verstehen ist. An diesem Wert kann sich der Fachmann bei der Auswahl weiterer Trägermaterialien aus der Gruppe bestehend aus aktivem Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Titanoxid, Siliziumdioxid und Mischungen oder Mischoxiden davon, orientieren.

Die Trägermaterialien in den Beispielen #2 und #5 sind nicht vollständig definiert, aber es gibt keinen Beweis dafür, dass unterschiedliche Träger, die angesichts ihrer Zusammensetzung für die Beispiele #2 und #5 in Frage kämen, sehr unterschiedliche Ammoniak-Speicherkapazitäten unter den in Absatz [0028] angegebenen Bedingungen aufweisen.

4.8 D6 zeigt, dass die Oberflächenacidität von Silica-Alumina Katalysatoren vom Verhältnis Si/Al (Figur 2) und von der Probengröße (Figur 3) abhängt. Es gibt jedoch keinen Hinweis wie die Ammoniak-Speicherkapazität solcher Katalysatoren unter den in Absatz [0028] angegebenen Bedingungen variieren. Es fehlt somit der Beweis, dass sich die Veränderung der Brönstedt Acidität derart stark auf die Ammoniak-Speicherkapazität auswirkt, dass die für Trägermaterialien aus den Beispielen #2 und #5 ermittelten Werte nicht mehr repräsentativ sind.

4.9 Auch D7 weist darauf hin, dass sich die Oberflächenacidität von sulfatierten Zirconiumdioxid-Katalysatoren aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von Lewis-sauren- sowie Brönstedt-sauren-Zentren je nach Herstellungsmethode verändert (Seite 1180, rechte Spalte, Punkte (i) bis (iii)). Doch auch hier fehlt ein Bezug zu den Ammoniak-Speicherkapazitäten unter den in Absatz [0028] des Patents angegebenen Bedingungen.

4.10 Diese Schwankungen betreffend die Anwesenheit von Lewis-sauren- sowie von Brönstedt-sauren-Zentren in Silica-Alumina Katalysatoren und Rutil (TiO2) werden auch in D8 (Seite 416, linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, Anfang des zweiten Absatzes) beschrieben.

4.11 Insgesamt bestätigen D6 bis D8, dass die in Anspruch 1 angegebenen Trägermaterialien bekannt sind, was auch nicht wirklich angezweifelt wurde; sie erlauben jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass diese Materialien sich so grundlegend in ihrer Fähigkeit Ammoniak zu speichern unterscheiden, dass das Auffinden eines Katalysators, der "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" im Sinne von Punkt 3.5, einen unzumutbaren Aufwand mit sich bringt.

4.12 Dem Fachmann ist das in Punkt 3.2 erwähnte Klarheitsproblem ersichtlich und er würde deshalb diesen Begriff aufgrund der Angaben im Streitpatent auslegen. Dabei würde er die Beispiele #2 und #5 nacharbeiten und einen Träger wählen, der unter die in den Beispielen angegebene Beschreibung fällt. Anschließend kann die Ammoniak-Speicherkapazität mittels des in Absatz [0028] beschriebenen einfachen Tests bestimmt werden, sodass der Fachmann eine Abschätzung der Bedeutung des Ausdruckes "frei ist von Ammoniak-Speichermaterialien" erhält. Aufgrund dieser Abschätzung kann er Trägermaterialien aus der Gruppe bestehend aus aktivem Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Titanoxid, Siliziumdioxid und Mischungen oder Mischoxiden davon auswählen und deren Speicherkapazität wieder mittels des in Absatz [0028] beschriebenen einfachen Tests überprüfen.

Ein unzumutbarer Aufwand kann hier nicht erkannt werden, da einerseits der in Absatz [0028] beschriebene Test als Routinetest angesehen werden kann, und andererseits kein Beweis dafür vorliegt, dass die in D6 bis D8 beschriebenen Schwankungen in der Acidität auch relevante Schwankungen in der Ammoniak-Speicherkapazität unter realistischen Bedingungen mit sich bringen.

4.13 Im Einklang mit T 1811/13 (Gründe 5.1), kommt die Kammer deshalb zum Schluss, dass das vorhandene Klarheitsproblem der Ausführbarkeit nicht entgegen steht.

4.14 Anspruch 1 erfüllt somit die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ. Dies gilt auch für die Ansprüche 2 bis 10, die sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1 beziehen.

5. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

5.1 Die Einsprechende hatte hilfsweise den Antrag gestellt, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Verfahrens zurückzuverweisen. Von der Beschwerdegegnerin wurde ihrerseits kein Antrag gestellt, der zu einer derartigen Zurückverweisung im Widerspruch steht.

5.2 Um beiden Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Argumente gegebenenfalls vor zwei Instanzen vortragen zu können und da im Einspruchsverfahren zumindest im Hinblick auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands keine abschließende Diskussion stattfand (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2014), wird die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anweisung, die Prüfung des Einspruchs auf der Grundlage des nunmehrigen Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag I mit Schreiben vom 23. Juni 2017, fortzusetzen.

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