European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T229014.20180322 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 März 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2290/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09780169.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B28B 1/52 C04B 28/10 C04B 28/32 B27N 3/00 B27N 3/18 B28B 5/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON PLATTEN AUS NACHWACHSENDEN ROHSTOFFEN IM ENDLOSVERFAHREN UND PLATTE AUS NACHWACHSENDEN ROHSTOFFEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Strohlos Produktentwicklung KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 09 780 169.0 Beschwerde eingelegt.
II. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden, mit dem auf den 10 September 2013 datierten Schreiben eingereichten Anspruchssatzes keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehren der D1 (US 2009/025850 A1) und D4 (GB 2 004 807 A) aufweise.
III. Mit ihrer Schreiben vom 4 Dezember 2017 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patentes auf der Basis folgender Unterlagen:
Ansprüche 1 bis 11: eingereicht mit der auf den 19. März 2018 datierten Eingabe,
Beschreibungsseiten 1 bis 7: eingereicht mit der auf den 4. Dezember 2017 datierten Eingabe
IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 gemäß der Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin lauten wie folgt:
Anspruch 1
"Verfahren zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, mit den Verfahrensschritten: Mischen einer Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, wobei die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, nachwachsende Rohstoffe, Glaskugeln sowie ein Bindemittel aus Magnesiumcarbonat, Magnesiumoxid, Magnesiumchlorid und Wasser umfasst,
Auftragen der Masse auf ein Förderband, welches seitliche Begrenzungen aufweist,
Auftrennen der aus der Masse entstandenen Endlosplatte in Abschnitte,
Abtrennen von Randbereichen der Abschnitte, die durch das Auftrennen der Endlosplatte in Mitleidenschaft gezogen worden sind,
Verarbeitung der Randbereiche zu Häckseln und
Einbringen dieser Häcksel in die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen in den weiteren Produktionsprozess,
wobei nach dem Auftragen der Masse auf das Förderband hervorstehende Materialien oder Unebenheiten mit einem einfachen Rakel beseitigt werden,
im Anschluss daran ein erstes Lufttrocknen der Masse auf dem Förderband erfolgt,
und nach dem Auftrennen der Masse eine Endtrocknung an der Luft in einer Lagervorrichtung erfolgt".
Anspruch 8
"Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, hergestellt nach dem Verfahren gemäß der Ansprüche 1 bis 7, umfassend nachwachsende Rohstoffe, Glaskugeln sowie ein Bindemittel aus Magnesiumcarbonat, Magnesiumoxid, Magnesiumchlorid und Wasser, dadurch gekennzeichnet, dass der Anteil der Glaskugeln 10 bis 50% an der Masse zur Herstellung einer Platte beträgt".
Entscheidungsgründe
1. Änderungen
1.1 Anspruch 1 wird durch den ursprünglichen Anspruch 1 und die Absätze 14 und 15 der ursprünglichen Anmeldung (WO 2011/003436 A1) gestützt. Der Wortlaut des jeweiligen Anspruchs 2, 6, 7, 9, 10 und 11 entspricht dem Wortlaut des jeweiligen ursprünglichen Anspruchs 3, 7, 8, 11, 12 und 13. Ansprüche 3, 4 und 5 stellen jeweils eine Präzisierung der ursprünglichen Ansprüche 4, 5 und 6 dar. Anspruch 8 geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 9 und 10 hervor.
1.2 Ansprüche 1 bis 11 verstoßen daher nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
2. Erfinderische Tätigkeit
Anspruch 1
2.1 Nächstliegender Stand der Technik
2.1.1 Als nächstliegender Stand der Technik ist D1 anzusehen, da diese Entgegenhaltung ein Verfahren zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen offenbart, siehe Absätze 4 und 22.
2.2 Offenbarungsgehalt der D1
2.2.1 D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, mit den folgenden Verfahrensschritten:
Mischen einer Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen (z. B. "woodshavings", siehe Absatz 22);
wobei die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen, nachwachsende Rohstoffe, Magnesiumcarbonat, Magnesiumoxid, Magnesiumchlorid und Wasser umfasst, siehe Absatz 22, Abb. 5, Stufen 62, 64, Anspruch 16,
Auftragen der Masse auf eine Form 30, siehe Abb. 5, Stufe 68;
Abtrennen von Randbereichen der in der Form gebildeten Abschnitte, siehe Abb. 5, Stufe 88;
Verarbeitung der Randbereiche zu Häckseln und Einbringen dieser Häcksel in die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen in den weiteren Produktionsprozess, siehe Absatz 28;
ein erstes Lufttrocknen der Masse, siehe Abb. 5, Stufe 80;
nach dem Auftrennen der Masse eine Endtrocknung an der Luft in einer Lagervorrichtung erfolgt, siehe Abb. 5, Stufe 86, Absatz 36.
2.3 Unterscheidungsmerkmale
2.3.1 Im Absatz 4 der D1 ist Perlit ("Perlite") als Bindemittel, bzw. als Teil des zu benutzenden Bindemittels aufgeführt. In diesem Absatz wird Perlit als in natürlicher Form vorkommendes Kieselgestein ("naturally occurring siliceous rock") bezeichnet. Es ist offensichtlich, dass ein solches, eine unregelmäßige Oberfläche und Form aufweisendes Kieselgestein sich von den beanspruchten, offensichtlich runden "Glaskugeln" unterscheidet. Glaskugeln sind daher in D1 nicht offenbart.
2.3.2 Ein Auftragen der Masse auf ein Förderband, welches seitliche Begrenzungen aufweist, ist ebenfalls aus D1 nicht bekannt.
2.3.3 Gemäß der Lehre der D1 wird die zur Herstellung der Platte benutzte Masse auf mehrere separate Formen aufgetragen, siehe Absatz 37 der D1. In D1 wird somit keine Endlosmasse auf einem Förderband gebildet. D1 offenbart somit kein Auftrennen der aus der Masse entstandenen Endlosplatte in Abschnitte, kein Abtrennen der Randbereiche dieser Abschnitte, die durch das Auftrennen der Endlosplatte in Mitleidenschaft gezogen worden sind, keine Verarbeitung dieser Randbereiche zu Häckseln und kein Einbringen dieser Häcksel in die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen in den weiteren Produktionsprozess.
2.3.4 Die aus D1 bekannten Rollenpaare ("pairs of rollers") 42, 44, siehe Absätze 34, 35, können auch nicht dem beanspruchten einfachen Rakel gleich gesetzt werden.
2.3.5 D1 offenbart keine auf dem Förderband liegende Endlosmasse, deren hervorstehenden Materialien oder Unebenheiten mit einem einfachen Rakel beseitigt werden. D1 kann daher auch den Verfahrensschritt nicht offenbaren, wonach eine so behandelte Endlosmasse ein erstes Lufttrocknen auf dem Förderband erfährt.
2.3.6 Zusammenfassend sind die Merkmale des Anspruchs 1 betreffend
- die Benutzung von Glaskugeln,
- das Auftragen der Masse auf ein Förderband, welches seitliche Begrenzungen aufweist,
- Auftrennen der aus der Masse entstandenen Endlosplatte in Abschnitte,
- das Abtrennen von Randbereichen der Abschnitte, die durch das Auftrennen der Endlosplatte in Mitleidenschaft gezogen worden sind,
- das Verarbeitung der Randbereiche zu Häckseln,
- das Einbringen dieser Häcksel in die Masse zur Herstellung einer Platte aus nachwachsenden Rohstoffen in den weiteren Produktionsprozess,
- das nach dem Auftragen der Masse auf das Förderband Beseitigen der hervorstehenden Materialien oder Unebenheiten mit einem einfachen Rakel,
- das im Anschluss daran ein erstes Lufttrocknen der Masse auf dem Förderband
aus D1 nicht bekannt.
2.4 Technische Wirkung
2.4.1 Die Kammer folgt den in den Absätzen 10 und 12 der ursprünglichen Anmeldung angegebenen Wirkung, wonach das erfindungsgemäße Herstellungsverfahren für Platten aus nachwachsenden Rohstoffen kostengünstiger als entsprechende herkömmliche Herstellungsverfahren ist und zur Herstellung einer Platte mit hohen Anforderungen bezüglich Stabilität, Verarbeitbarkeit und Hitzebeständigkeit führt.
2.5 Aufgabe
2.5.1 Die zu lösende Aufgabe ist darin zu sehen, ein Herstellungsverfahren für Platten aus nachwachsenden Rohstoffen vorzuschlagen, welches kostengünstiger als entsprechende herkömmliche Herstellungsverfahren ist und zur Erstellung einer Platte mit hohen Anforderungen bezüglich Stabilität, Verarbeitbarkeit und Hitzebeständigkeit führt.
2.6 Lösung
2.6.1 Die o.g. Aufgabe wird im Verfahrensanspruch 1 durch die Kombination der unter Punkt 2.3.6 oben angegebenen, aus D1 nicht bekannten Verfahrensschritte gelöst.
2.7 Erfinderische Tätigkeit
2.7.1 Aus D2 (US 5 632 848 A) geht ein Herstellungsverfahren für Produkte auf Gipsbasis hervor, insbesondere für Faserplatten und Wandplatten, bei denen Gips als Bindemittel dient, siehe Spalte 1, Zeile 19 bis 22 und Spalte 5, Zeile 16 bis 18. Aus D3 (US 3 963 849 A) geht ein Verfahren zum Herstellen eines feuerfesten Produkts mit aufgeschäumtem Magnesiumoxidchlorid-Zement als Imprägniermittel für poröse Materialien hervor, siehe Spalte 2, Zeile 15 bis 23. Dieser Zement wird zum Imprägnieren fertiger Produkte wie beispielsweise Faserplatten verwendet. D4 offenbart einen Gipsputz, der beispielsweise zur Herstellung faserverstärkter Gipsplatten verwendet werden kann. Als Gipsputz werden insbesondere Gips im allgemeinen, Zement und ähnliches benannt, siehe Seite 1, Zeile 61 bis 64. Fasern werden zur Verstärkung hinzugegeben, um insbesondere plattenförmige Materialien herzustellen. Als Fasern werden insbesondere Glasfasern genannt, siehe Seite 1, Zeile 84 bis 93.
2.7.2 Es ist daher offensichtlich, dass die aus D2, D3 oder D4 bekannten Herstellungsverfahren mit anderen Bindemitteln als das im Anspruch 1 beanspruchte Bindemittel arbeiten. Es ist diesbezüglich anzumerken, dass keine der o.g. Entgegenhaltungen Glaskugeln vorsieht. Somit kann auch eine Kombination der Lehre der D1 mit der Lehre einer der D2, D3 oder D4 den Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.
2.7.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist daher eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52 und 56 EPÜ).
2.8 Anspruch 8
2.8.1 Das o.g. betreffend der Gegenstand des Anspruchs 1 ist entsprechend auf den Gegenstand des Anspruch 8 anwendbar, zumal neben der Bezugnahme auf den Verfahrensanspruch 1 vor allem auch die darin aufgeführten Inhaltsstoffe des Bindemittels im Anspruch 8 explizit genannt sind.
2.8.2 Der Gegenstand des Anspruchs 8 weist daher ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52 und 56 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der
Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung
zu erteilen:
Ansprüche: 1 bis 11, eingereicht mit der auf den
19. März 2018 datierten Eingabe;
Beschreibungsseiten: 1 bis 7, eingereicht mit der auf den
4. Dezember 2017 datierten Eingabe.