European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T181114.20180509 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 Mai 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1811/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07820798.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08F 2/00 C08F 2/10 C08F 2/16 C08F 2/18 A61L 15/60 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG WASSERABSORBIERENDER POLYMERPARTIKEL DURCH POLYMERISATION VON TROPFEN EINER MONOMERLÖSUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Nippon Shokubai Company Limited | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 25. Juni 2014 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent No. 2 076 547 zurückgewiesen wurde.
II. Die Ansprüche 1 und 11 des erteilten Patents hatten folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel durch Polymerisation von Tropfen, enthaltend
a) mindestens ein ethylenisch ungesättigtes Monomer,
b) mindestens eines Vernetzers [sic],
c) mindestens einen Initiator,
d) Wasser,
in einer die Tropfen umgebenden Gasphase, wobei die Tropfen erzeugt werden, indem eine erste Monomerlösung mit einer zweiten Monomerlösung umhüllt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Monomerlösung zu einem höher vernetzten Polymer polymerisiert als die erste Monomerlösung.
11. Wasserabsorbierende Polymerpartikel, wobei die Partikel eine Zentrifugenretentionskapazität von mindestens 30 g/g (EDANA Testmethode Nr.441.2-02), eine Permeabilität von mindestens 30 x 10**(-7)cm**(3)s/g (bestimmt durch die im Absatz "Flüssigkeitsweiterleitung" der Beschreibung offenbarte Methode) und weniger als 30% der gemessenen E-Module der äußeren Partikeloberfläche einen Wert von weniger als 60% des mittleren E-Modules aufweisen (bestimmt durch die im Absatz "mittleres E-Modul" der Beschreibung offenbarte Methode)."
III. Gegen das Patent wurde ein Einspruch eingelegt.
IV. Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung führte die Einspruchsabteilung folgendes Dokument in das Verfahren ein:
E1/D15: WO-A-2006/042704.
V. Gemäß der Entscheidung erfüllte der Gegenstand des Patents die Erfordernisse des EPÜs.
Bezüglich erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 11 sei E1/D15 der nächstliegende Stand der Technik. Das unterscheidende Merkmal sei die einheitliche Vernetzungsdichte (definiert durch die Streuung des E-Moduls). Der Effekt dieses Unterschieds sei, dass elastische, regelmäßige Teilchen mit hoher Absorptionsfähigkeit, ausgedrückt durch die Zentrifugenretentionskapazität (CRC) und der Permeabilität (SFC), erhalten worden seien. Die Teilchen gemäß E1/D15 wiesen dieses Eigenschaftsprofil nicht auf, und es gäbe keinen Hinweis in den vorliegenden Dokumenten, wie solche Teilchen erhalten werden könnten.
Deshalb wurde der Einspruch zurückgewiesen.
VI. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde ein.
VII. In der Beschwerdebegründung richteten sich die Einwände ausschließlich gegen Anspruch 11. Argumente im Hinblick auf Ausführbarkeit, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit wurden vorgetragen, wobei im Hinblick auf Ausführbarkeit und Neuheit wortwörtlich das Vorbringen aus dem Einspruchsschriftsatz wiederholt wurde, ohne auf die Entscheidungsgründe einzugehen.
VIII. In der Erwiderung hat die Beschwerdegegnerin ihr Vorbringen bezüglich Ausführbarkeit und Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 11 aus dem Einspruchsverfahren ebenfalls wortwörtlich wiederholt.
Argumente im Hinblick auf erfinderische Tätigkeit wurden vorgetragen.
IX. Es erfolgte eine Ladung zur mündlichen Verhandlung und eine Mitteilung mit der vorläufigen Meinung der Kammer.
Hierin wurde festgestellt, dass, in Anbetracht des Vorbringens beider Parteien ausschließlich die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 11 zu behandeln wäre.
X. Mit Schreiben vom 26. März 2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, sie würde an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen.
XI. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Mai 2018 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin aus dem schriftlichen Verfahren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Nächstliegender Stand der Technik sei E1/D15, welche die Bereitstellung wasserabsorbierender Teilchen, die zum Teil die anspruchsgemäße Kombination von CRC und SFC aufwiesen, offenbare (z.B. Beispiel 72 (165°C, 60 Minuten); Beispiel 73 (175°C, 45 Minuten); Beispiel 74 (175°C, 60 und 75 Minuten); Beispiel 75 (175°C, 60 Minuten); Beispiel 76 (175°C, 45 Minuten); Beispiel 78 (175°C, 45 Minuten)).
Das Verfahren von E1/D15 unterscheide sich von dem des Patents dadurch, dass eine Nachvernetzung anstelle der patentgemäßen gleichzeitigen Polymerisation zweier Monomerlösungen mit unterschiedlichem Vernetzeranteil verwendet werde. Die erhaltenen Partikel seien jedoch ähnlich indem beide eine erhöhte Oberflächenvernetzung aufwiesen, auch wenn E1/D15 keine gleichmäßige Oberflächenvernetzung offenbare.
Die Gleichmäßigkeit der Oberflächenvernetzung führe - nachweislich der Vergleichsbeispiele 1, 6 und 7 des Streitpatents - zu keinem technischen Effekt. Sie könne nicht selbst in der Formulierung der Aufgabe zum Ausdruck kommen, da sie das unterscheidende Merkmal darstelle.
Die objektiv zu lösende Aufgabe sei deshalb die Bereitstellung alternativer bzw. weiterer Teilchen mit hoher CRC und hoher SFC. Solche alternative Teilchen seien jedoch naheliegend, da der Fachmann grundsätzlich nach Alternativen suche und dabei weitere Verfahren zur Herstellung der gleichen Verbindung entwickele.
Ferner enthalte das Patent keine Vergleiche zwischen den anspruchsgemäßen Teichen und Teilchen hergestellt mittels anderer für die Verbesserung der Homogenität der Oberflächenvernetzung bekannten Verfahren.
Aus den Beispielen des Patents gehe ferner hervor, dass sämtliche Teilchen mit der anspruchsgemäßen Kombination von CRC und SFC auch die erforderliche Homogenität der Oberflächenvernetzung aufweisen würden. Da wasserabsorbierende Teilchen mit der anspruchsgemäßen Kombination von CRC und SFC bereits, unter Anderem aus E1/D15 bekannt seien, sei davon auszugehen, dass der Anspruch im Hinblick auf die Homogenität der Vernetzungsdichte lediglich eine inhärente Eigenschaft der bekannten Teilchen definiere.
XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Ziel der Erfindung sei, wasserabsorbierende Teilchen mit gleichzeitig guter CRC als auch SFC zu erhalten. Hierfür - wie sowohl in E1/D15 als auch im Streitpatent erkannt - sei eine Gradierung der Vernetzungsdichte über den Querschnitt der Teilchen erforderlich. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 stelle eine alternative Vorgehensweise gegenüber dem aus E1/D15 bekannten dar, durch die alternative Produkte hergestellt worden seien. Insbesondere entstünde hierdurch eine gleichmäßigere Vernetzung der Teilchenoberfläche. Bei dem Verfahren von E1/D15 - wie im Vergleichsbeispiel 2 des Patents gezeigt - könne eine homogene Vernetzungsdichte nicht erreicht werden. Diese sei dadurch zu erklären, dass bei dem Verfahren von E1/D15 mit Aufsprühen des Vernetzers auf die fertig geformten Teilchen eine stellenweise Absorption des Lösungsmittels (Wasser) stattfinde, wodurch eine ungleichmäßige Verteilung des Vernetzers auf der Oberfläche und somit ungleichmäßige Vernetzungsdichte resultiere. Dieser Ungleichmäßigkeit sei auch nicht durch längere Vernetzungsdauer kompensierbar.
Die gegenüber E1/D15 zu lösende Aufgabe sei demzufolge, ein alternatives Produkt bereitzustellen. Das Produkt habe zwar ähnliche Eigenschaften, aber eine andere Struktur, welche durch die Gleichmäßigkeit der Vernetzung ausgedrückt sei. Es gäbe zwar keine Beweise, dass diese Gleichmäßigkeit der Vernetzung einen weiteren technischen Effekt hervorrufen würde, nichtsdestotrotz stelle dieses Merkmal eine nicht naheliegende Lösung der Aufgabe dar.
XIV. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Neuheit, Ausführbarkeit
Wie die Kammer in ihrer vorläufigen Mitteilung feststellte, richteten sich die Einwände der Beschwerdeführerin ausschließlich gegen Anspruch 11.
Ferner wurde hinsichtlich der Fragen der Ausführbarkeit und Neuheit lediglich das Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wortwörtlich wiederholt, ohne jedoch auf die entsprechende Begründung der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
Entsprechend wiederholte auch die Beschwerdegegnerin ihr diesbezügliches Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
Aufgrund des Fehlens einer Auseinandersetzung der Parteien mit der Begründung der Entscheidung im Hinblick auf Ausführbarkeit und Neuheit braucht die Kammer die entsprechenden Teile der Entscheidung nicht zu revidieren.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Anspruch 11 betrifft wasserabsorbierende Polymerpartikel, die durch drei Größen definiert sind (siehe Anspruch 11, oben).
Gemäß den Absätzen [0019]-[0026] des Streitpatents sei diese Eigenschaftskombination eine Folge des Herstellungsverfahrens gemäß Anspruch 1.
2.2 Nächstliegender Stand der Technik ist E1/D15, welches Dokument ebenfalls wasserabsorbierende Partikel, zum Teil mit CRC und SFC im anspruchsgemäßen Bereich, offenbart.
Gemäß Seite 1, Zeilen 26-33 von E1/15 ist eine Oberflächennachvernetzung erforderlich, um die Absorptionseigenschaften zu erhalten. Hierzu werden die hergestellten Partikel nachträglich mit einer Vernetzerlösung durch Aufsprühen behandelt. Wie auf Seite 1, Zeilen 35-39 von E1/D15 erklärt, steigt hierbei die SFC auf Kosten der CRC. Ferner sei bekannt, dass durch Erhöhung der internen Vernetzung (d.h. mehr Vernetzter im Grundpolymer) als auch durch stärkere Nachvernetzung, die SFC zu Lasten der CRC gesteigert werden kann (E1/D15 Seite 1, Zeilen 41-44).
Um dem entgegenzuwirken, wird gemäß der Lehre von E1/D15 auf Seite 3, Zeilen 8-22 sowie Anspruch 1 und Anspruch 18 eine kontrollierte Oberflächenvernetzung durchgeführt. Hierzu wird der Nachvernetzer auf die geformten Teilchen gesprüht und die so behandelten Teilchen thermisch getrocknet (Seite 11, Zeilen 38-41). Hierdurch entsteht ein Vernetzungsgradient, d.h. die Vernetzung an der Oberfläche der Teilchen ist stärker als im Partikelinneren (unwidersprochene und glaubhafte Aussage der Beschwerdegegnerin - Beschwerdeerwiderung Seite 17, letzte Absatz, sowie während der mündlichen Verhandlung).
Aus den Beispielen von E1/D15, insbesondere Beispiele 72, 73, 74, 75 und 78 geht hervor, dass je nach Nachvernetzungsdauer Teilchen erhalten werden, die die anspruchsgemäße Kombination von SFC und CRC aufweisen, wobei nach weiterem Fortschreiten der Vernetzung der SFC-Wert weiter ansteigt und der CRC-Wert unter den Wert von 30 g/g (wie im geltenden Anspruch 1 erforderlich) abfällt.
2.3 Unterscheidendes Merkmal
Anspruch 11 definiert zusätzlich, dass das E-Modul der äußeren Partikeloberfläche eine geringe Variabilität aufweist.
Dieses Merkmal ist in E1/D15 nicht offenbart und kann nicht als implizit aufgrund der unterschiedlichen Verfahren betrachtet werden. Insbesondere ist es glaubhaft, im Lichte des patentgemäßen Vergleichsbeispiels 2 sowie der Erklärungen der Beschwerdegegnerin, die von der Beschwerdeführerin weder bestritten noch widerlegt wurden, dass aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensweisen von E1/D15 (Aufsprühen einer wässrigen Lösung des Vernetzers auf die Oberfläche der Partikel) und vom Patent (Umhüllen der Teilchen durch eine homogene Schicht durch Tropfenpolymerisation zweier unterschiedlich zusammengesetzter Monomer Lösungen) die Homogenität der Oberfläche der patentgemäß erhaltenen Teilchen größer als bei den Teilchen gemäß E1/D15 ist.
2.4 Technischer Effekt und objektiv zu lösende Aufgabe
Die Beschwerdegegnerin selbst hat nicht behauptet, dass eine Verbesserung der wichtigen Produkteigenschaften (SFC und CRC) durch das Unterscheidungsmerkmal erreicht wird, und die Aufgabe, wie die Beschwerdeführerin, als die Bereitstellung eines alternativen Produkts mit gleichzeitig guten Werten für SFC und CRC formuliert. Die Kammer ist mit den Parteien einverstanden und braucht bezüglich des unstrittigen Punkts keine weitere Analyse.
2.5 Naheliegend
Die Struktur der Partikel - ausgedrückt durch die erforderliche Homogenität des E-Moduls - ist dem Stand der Technik nicht zu entnehmen und es ist ferner glaubhaft, wie durch Vergleichsbeispiel 2 des Patents gezeigt, und zusätzlich in Anbetracht der Erläuterungen der Beschwerdegegnerin bezüglich ungleichmäßiger Verteilung des Vernetzter auf der Teilchenoberfläche (siehe Abschnitt XIII, oben), dass die Partikel von E1/D15 diese Struktur nicht aufweisen.
Es ist auch nicht gezeigt worden, dass eine derartige Struktur allgemein im Stand der Technik - auch als Postulat - bekannt war oder, dass dem Stand der Technik Hinweise zu entnehmen waren, wie man vorgehen müsste, um eine solche Struktur zu erhalten.
Somit kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des Anspruchs 11 als Lösung der obenstehenden Aufgabe dem Stand der Technik nicht zu entnehmen war.
2.6 Die Beschwerdeführerin hat weiter argumentiert, dass Teilchen mit der erforderlichen Kombination aus CRC und SFC im Stand der Technik bekannt seien und dass solche Partikel inhärent bzw. zwangsläufig die Oberflächenhomogenität (Variabilität des E-Moduls) aufweisen müssten. Entsprechende Beweise sind hierfür nicht geliefert worden.
Somit erweist sich dieses Argument als eine unbegründete Behauptung und kann nicht durchgreifen.
2.7 Den Erfordernissen der erfinderischen Tätigkeit ist somit entsprochen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.