European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T178914.20190613 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Juni 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1789/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01106081.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01L 9/06 G01L 19/00 G01L 9/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Drucksensorvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01 106 081.1 zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte die Zurückweisung insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den Dokumenten
D7: JP H07 16133 U,
D8: EP 0 890 830 A1, sowie
D9: JP 56 140230 A
nicht neu sei.
II. Die folgenden weiteren Dokumente werden in der vorliegenden Entscheidung zitiert:
D1: US 5 783 750
D2: US 4 276 533.
III. Mit Schreiben vom 11. August 2014 legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein, begründete ihre Beschwerde und reichte geänderte Ansprüche 1 - 15 gemäß Hilfsantrag 1 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am 11. August 2014 entrichtet.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 eingereichten Patentansprüche 1 - 16 gemäß Hauptantrag und hilfsweise auf der Grundlage der mit Schreiben vom 11. August 2014 eingereichten Ansprüche 1 - 15 gemäß Hilfsantrag 1 zu erteilen.
IV. In einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 12. Oktober 2018 vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber den Dokumenten D7, D8 sowie D9 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Kammer stellte fest, dass die Dokumente D7, D8 und D9 noch nicht in der Beschreibung gewürdigt seien und bat die Beschwerdeführerin anzugeben, welche Beschreibungsseiten (ursprünglich eingereichte und geänderte) und welche Zeichnungen dem Hauptantrag zugrunde liegen sollten. Die Beschwerdeführerin wurde unter Hinweis auf Regel 100 (3) EPÜ aufgefordert, eine Stellungnahme innerhalb einer Frist von 4 Monaten einzureichen.
V. Da diese Mitteilung der Kammer der Beschwerdeführerin nicht zugestellt wurde und die Beschwerdeführerin erst durch eine Mitteilung der Geschäftstelle der Beschwerdekammer vom 18. März 2019 bezüglich der Feststellung eines Rechtsverlusts gemäß Regel 112 (1) EPÜ von der Mitteilung der Kammer Kenntnis erlangt hat, antwortete sie mit Schreiben vom 28. März 2019 auch in der Sache auf die Mitteilung der Kammer und reichte eine Beschreibungsseite "Einschub Stand der Technik" ein. Die Beschwerdeführerin gab an, an ihrem Hauptantrag vom 12. Dezember 2006 festzuhalten und beantragte, dass die Seite "Einschub Stand der Technik" zwischen dem ersten und zweiten Absatz der Seite 2 der ursprünglichen Anmeldung, mit Datum vom "11. April 2000", eingefügt werden solle.
VI. In einer Zwischenentscheidung vom 5. April 2019 stellte die Kammer fest, dass kein Rechtsverlust eingetreten war. Die Mitteilung der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer wurde deshalb aufgehoben und das Beschwerdeverfahren wurde fortgesetzt.
VII. In einer weiteren Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 10. April 2019 stellte die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 bereits einen Text mit der Überschrift "Einschub zum Stand der Technik, einzufügen in Spalte 1 vor der Aufgabenstellung" mit einer Würdigung der Dokumente D1 und D2 eingereicht hat, der aber in ihrem Hauptantrag gemäß Schreiben vom 28. März 2019 keine Berücksichtigung fand. Die Kammer stellte weiter fest, dass nicht alle Seiten der Beschreibung des vorliegenden Hauptantrags gemäß Regel 35 (8) EPÜ 1973 eindeutig nummeriert seien, da der Einschub nicht so gekennzeichnet sei, dass die Reihenfolge der Seiten eindeutig sei.
VIII. Mit Schreiben vom 17. April 2019 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Beschreibungsseiten 2 und 2a ein und beantragte gemäß Hauptantrag ein Patent zu erteilen mit den Ansprüchen 1 - 16, eingereicht mit Schreiben vom 12. Dezember 2006, sowie der ursprünglichen Beschreibung und den ursprünglichen Zeichnungen.
Die Position des Einschubs mit der Würdigung des Stands der Technik auf der Seite 2a sei auf der beiliegenden Seite 2 in spitzen Klammern gekennzeichnet.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht am 12. Dezember 2006 lautet wie folgt:
"Elektronisches Steuergerät (1) mit einem Gehäuse (2), einem Deckel (3) und mindestens einer im Deckel (3) angeordneten Leiterplatte (4, 14), die mit elektronischen Bauelementen (5) bestückt ist, von welchen mindestens eines ein Drucksensor (6) ist, dadurch gekennzeichnet, daß zur Druckzufuhr (P) zum Drucksensor (6) ein am Gehäuse (2) befestigter Schnorchel (7) vorgesehen ist, welcher beim Zusammenfügen von Gehäuse (2) und Deckel (3) mit seinem oberen Teil (8) den Drucksensor (6) umschließt und dessen Rand (9) gegen die Leiterplatte (4, 14) abdichtet."
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Anspruch 1 - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
1.1 Die Prüfungsabteilung war der Ansicht, dass die Ansprüche gemäß Hauptantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügen.
1.2 Der vorliegende Anspruch 1 entspricht weitgehend dem ursprünglichen Anspruch 1.
Das Merkmal, wonach die Leiterplatte im Deckel angeordnet ist, ist aus der Figur 1 und aus dem letzten Absatz der Seite 3 ersichtlich.
Auf Seite 7, erster Absatz ist offenbart, dass der Schnorchel am Gehäuse befestigt ist.
Das Merkmal, wonach "beim Zusammenfügen von Gehäuse und Deckel" der Schnorchel den Drucksensor umschließt und der Rand des Schnorchels gegen die Leiterplatte abdichtet, ist auf Seite 4, dritter und vierter Absatz und Seite 6, dritter Absatz offenbart.
1.3 Die Kammer stimmt daher der Prüfungsabteilung zu, dass der geänderte Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügt.
2. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
2.1 Keines der in der angefochtenen Entscheidung als neuheitsschädlich bezeichneten Dokumente offenbart alle Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1.
2.1.1 Dokument D7 offenbart ein elektronisches Gerät 30 mit einem Gehäuse 34, einem Deckel 32 und mindestens einer am Deckel angeordneten Leiterplatte 38, die mit elektronischen Bauelementen 84, 88, 90 - 96 bestückt ist, von welchen mindestens eines ein Drucksensor 84 ist, wobei zur Druckzufuhr zum Drucksensor 84 ein am Gehäuse befestigter Schnorchel 78 vorgesehen ist, welcher beim Zusammenfügen von Gehäuse 34 und Deckel 32 mit seinem oberen Teil 66 gegen die Leiterplatte 38 abdichtet.
Dokument D7 offenbart kein "Steuergerät". Zudem ist insbesondere das Merkmal, wonach der Schnorchel in seinem oberen Teil den Drucksensor umschließt, im Dokument D7 nicht offenbart. Gemäß Figur 2 wird der Drucksensor 84 vielmehr von den Stützwänden 50 und 52 auf der anderen Seite der Leiterplatte umschlossen.
2.1.2 Dokument D8 offenbart (vgl. Figur 1) ein elektronisches Gerät 10 mit einem Gehäuse 11, einem Deckel 12 und mindestens einer am Deckel angeordneten Leiterplatte 14, die mit einem elektronischen Bauelement bestückt ist, das ein Drucksensor 13 ist, wobei zur Druckzufuhr zum Drucksensor 13 ein am Gehäuse 11 befestigter Schnorchel 20d, 21a vorgesehen ist.
Der Drucksensorchip 13 ist allerdings an den Schnorchel angeschweißt. Der Rand des Schnorchels berührt die Leiterplatte nicht. Weitere elektronische Bauelemente neben dem Drucksensorchip 13 sind nicht offenbart. Das elektrische Signal des Chips wird über die Leiterplatte zum Anschlussterminal 19, 17 geleitet (vgl. Spalte 8, Zeilen 38 - 41).
2.1.3 Dokument D9 offenbart ein elektronisches Gerät mit einer Leiterplatte 3, die mit elektronischen Bauelementen 1, 2 bestückt ist, die zusammen einen Drucksensor bilden, wobei zur Druckzufuhr zum Drucksensor 1, 2 ein Schnorchel 13 vorgesehen ist, welcher mit seinem oberen Teil den Drucksensor 1, 2 umschließt und dessen Rand gegen die Leiterplatte 3 abdichtet.
Ein Gehäuse und ein Deckel sind nicht gezeigt. Der Schnorchel ist an die Leiterplatte geklebt. Die anderen Bauteile befinden sich auf einer anderen Leiterplatte und werden deshalb nicht mit Druck beaufschlagt.
2.2 Die Dokumente D1 und D2, die von der Prüfungsabteilung nicht als neuheitsschädlich bezeichnet wurden, offenbaren ebenfalls nicht alle Merkmale des Anspruchs 1.
2.2.1 Dokument D1 offenbart (vgl. Figuren 8 und 10) einen Drucksensor mit einem Sensorelement 9a auf einer Leiterplatte 9. Das Sensorelement ist mit einem Kunststoffgehäuse 16 umschlossen, das eine Öffnung 16d aufweist. Ein Rohr kann zur Druckübermittlung an die Öffnung angeschlossen werden (vgl. Spalte 8, Zeilen 11 - 36).
Ein Schnorchel, der an der Leiterplatte anliegt, wird jedoch nicht offenbart.
2.2.2 Dokument D2 offenbart einen Drucksensor 10 auf einer Leiterplatte 88 in einem Gehäuse 90. Über eine Öffnung in dem Gehäuse kann mittels eines Einlassrohrs 98 ein mit Druck beaufschlagtes Fluid dem Sensor zugeführt werden (vgl. Figur 10).
Ein Schnorchel, der an der Leiterplatte anliegt, wird auch hier nicht offenbart.
2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu.
3. Hauptantrag - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
3.1 Als nächstliegender Stand der Technik ist das Dokument D7 zu betrachten.
Dokument D7 offenbart nicht, dass das elektronische Gerät ein Steuergerät ist, und dass der Schnorchel in seinem oberen Teil den Drucksensor umschließt. Gemäß Figur 2 wird der Drucksensor 84 von den Stützwänden 50 und 52 auf der anderen Seite der Leiterplatte umschlossen.
3.2 Eine technische Wirkung für die Definition, dass das elektronische Gerät ganz allgemein ein Steuergerät ist, ist in der Anmeldung nicht beschrieben.
Das Merkmal, wonach der Schnorchel in seinem oberen Teil den Drucksensor umschließt, bewirkt jedoch einen einfacheren Aufbau des elektronischen Geräts (vgl. Seite 7, letzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung).
3.3 Ausgehend von Dokument D7 stellt sich dem Fachmann daher die objektive technische Aufgabe, das elektronische Gerät einfacher aufzubauen.
3.4 Keines der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente legt es nahe, beim Zusammenführen von Gehäuse und Deckel den Drucksensor auf der Leiterplatte mit dem druckführenden Schnorchel zu umschließen.
3.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Die Ansprüche 2 - 16 sind abhängig von Anspruch 1 und deren Gegenstand erfüllt daher ebenfalls die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit.
5. Die Beschreibung erfüllt die Erfordernisse der Regel 27 EPÜ 1973.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten: 1, 3 - 7 wie ursprünglich eingereicht,
Seiten: 2, 2a eingereicht mit Schreiben vom 17. April 2019
Ansprüche:
Nr.: 1 - 16 eingereicht mit Schreiben vom 12. Dezember 2006
Zeichnungen:
Blatt: 1/1 wie ursprünglich eingereicht.