European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T155114.20181127 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1551/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04015688.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 49/00 B29C 49/78 B29C 47/92 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur fortlaufenden Herstellung eines Doppelwand-Wellrohres mit Rohrmuffe, das Doppelwand-Wellrohr und die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens | ||||||||
Name des Anmelders: | Hegler, Ralph-Peter, Dr.-Ing. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | UNICOR GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren (ja) Zulassung des eidesstattl. Erklärung D2.14 ins Verfahren (ja) Klarheit der Ansprüche des Hauptantrags (ja) Vorliegen einer unzulässigen Erweiterung (nein) Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzung (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung (ja) |
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Orientierungssatz: |
Legitime Reaktionen auf die Änderung der Verfahrenslage (hier: Einreichung einer eidesstattlichen Erklärung nach Einreichung eines neuen Hilfsantrags) sind grundsätzlich zuzulassen. Der Einwand, dass sie zum bisherigen Vortrag im Widerspruch stehen, kann eine Nichtzulassung in der Regel nicht rechtfertigen (siehe Punkt 3.2 der Gründe). Zurückverweisung mit der Auflage, die Zeugeneinvernahme fortzusetzen, ggf. unter Eid vor einem nationalen Gericht (siehe Punkte 8.5 und 9 der Gründe). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Sowohl der Patentinhaber als auch die Einsprechende haben Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 612 030 aufrecht erhalten werden könne, eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der ihr vorliegende Hauptantrag gegenüber einer offenkundigen Vorbenutzung nicht neu ist, dass der Hilfsantrag 1 aber allen Erfordernissen des EPÜ genüge.
Dabei hat sie unter anderem folgende Dokumente berücksichtigt:
D2.1: Fertigungszeichnung FQ 017 520 A;
D2.2: Fertigungszeichnung FQ 017 521 A;
D2.3: Commercial invoice No. 23-0260-14/2 vom 15. Januar 2004 betreffend Muffen-Formbacken FQ 017 520 A und FQ 017 521 A;
D2.5: Versandauftrag Nr. 23-0260-14 vom 15. Januar 2004 (Versender: Unicor GmbH;
Empfänger: Politejo - Indústria de Plásticos S.A.; Spedition: Geis Cargo);
D2.7: Confirmation of receipt of shipment, ausgestellt von der Firma Schenker Logistics am 9. März 2009;
D2.8: Kundenservicebericht der Firma Unicor Rahn Plastmaschinen vom 13. April 2004;
D2.11: Kopien von diversen Kontoauszügen, Schecks, Zahlungsmitteilungen, Rechnungen;
D2.12: Muster "62" einer bei der Inbetriebnahme hergestellten Rohrmuffe (liegt der Kammer nicht vor);
sowie die Niederschriften der Aussagen der Zeugen Frank Deckert ("Z2") und Vitor Manuel Lopes Antao ("Z3") anlässlich einer ersten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, die am 31. Januar 2012 stattgefunden hat.
Das Dokument D2.14 ("Eidesstattliche Versicherung" von Frank Deckert vom 7. Februar 2014, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Februar 2014) wurde von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen.
III. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 27. November 2018 statt.
IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zog der Patentinhaber seine Beschwerde zurück. Er wird daher im Folgenden als Beschwerdegegner bezeichnet.
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß dem Hauptantrag (vormals als Hilfsantrag 1 mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 eingereicht) oder dem Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schreiben vom 19. Oktober 2018, aufrechtzuerhalten.
VI. Die beiden unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lauten wie folgt:
"1. Verfahren zur fortlaufenden Herstellung eines aus einem glatten Innen-Rohr (39') und einem mit diesem verschweißten, mit Wellenbergen (38) versehenen Außen-Rohr (37') bestehenden Verbundrohres (10) mit einer Rohr-Muffe (41) und einer Mittel-Längs-Achse (18) mit folgenden Verfahrensschritten:
- es wird konzentrisch zur Mittel-Längs-Achse (18) ein Außen Schlauch (37) extrudiert;
- der Außen-Schlauch (37) wird durch von außen aufgebrachtes Teil Vakuum mit einer Wellung mit Wellenbergen (38) und Wellentälern (40) versehen;
- es wird ein Innen-Schlauch (39) konzentrisch zur Mittel-Längs Achse (18) in den Außen-Schlauch (37) extrudiert;
- der Innen-Schlauch (39) wird mit den Wellentälern (40) des Außen Schlauches (37) verschweißt;
- der Außen-Schlauch (37) wird in vorgegebenen Abständen unter Aufbringung des Teil-Vakuums von außen zur Erzeugung einer Rohr-Muffe (41) aufgeweitet,
- der Innen-Schlauch (39) wird von innen mit Gas mit einem Druck über Atmosphärendruck beaufschlagt und zur Fertigstellung der Rohr-Muffe (41) unter Aufweitung vollflächig gegen den aufgeweiteten Bereich des Außen-Schlauches (37) gedrückt, und
- zwischen der Rohr-Muffe (41) und einem benachbarten Wellental (40) wird ein aus Innen-Schlauch (39) und Außen-Schlauch (37) geformter - bezogen auf die Mittel-Längs-Achse (18) - nach außen gerichteter Übergangs-Abschnitt (61, 64) ausgebildet,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Übergangs-Abschnitt (61, 64) im Bereich zwischen Innen Schlauch (39) und Außen-Schlauch (37) in einen benachbarten Wellenberg (38) entlüftet wird, so dass der Innen-Schlauch (39) vollflächig durch den auf ihn von innen ausgeübten Druck gegen den entsprechenden Bereich des Außen-Schlauches (37) gedrückt und mit diesem verschweißt wird."
"6. Verbundrohr, das nach dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 hergestellt ist,
- mit einer Mittel-Längs-Achse (18),
- mit einem konzentrisch zur Mittel-Längs-Achse (18) verlaufenden glattwandigen Innen-Rohr (39'),
- mit einem gewellten Außen-Rohr (37'), das Wellenberge (38) und zwischen den Wellenbergen (38) Wellentäler (40) aufweist, die mit dem Innen-Rohr (39') verschweißt sind,
- mit einer einstückig angeformten Rohr-Muffe (41), die aus einem aufgeweiteten Bereich des Außen-Rohres (37') und einem vollflächig gegen diesen Bereich gedrückten und dadurch verschweißten Innen-Rohr (39') gebildet ist, und
- mit einem zwischen einem Wellental (40) und der Rohr-Muffe (41) ausgebildeten Übergangs-Abschnitt (61, 64), der zwischen Außen-Rohr (37') und Innen-Rohr (39') ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Innere des Übergangs-Abschnitts (61, 64) zwischen Außen Rohr (37') und Innen-Rohr (39') mittels Überström-Kanälen (59, 63) mit einem benachbarten Wellenberg (38) verbunden ist und dass im Bereich des Übergangs-Abschnitts (61,64) das Innen-Rohr (39') vollflächig mit dem entsprechenden Bereich des Außen-Rohres (37') verschweißt ist."
VII. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:
a) Verfahrensfehler
Die Nichtzulassung des Dokuments D2.14 stelle einen Verfahrensfehler dar. Die Einreichung des Dokuments sei nicht verspätet gewesen, da sie eine Reaktion auf die Ansprüche des Hilfsantrags 1 darstellt, die erstmals das Merkmal des "vollflächigen Verschweißens" enthielten. Der entsprechende Schriftsatz vom 10. Februar 2014 sei fristgerecht vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Die Durchführung einer Relevanzbeurteilung auf prima facie Relevanz sei nicht erforderlich und darüber hinaus vom Ergebnis her unzutreffend gewesen.
Es gebe keinen Widerspruch zwischen dem Protokoll D2.8 und den Zeugenaussagen Z2 und Z3. Die Schulung werde nur einmal erwähnt; es handle sich um eine besondere Veranstaltung. Herr Deckert habe das Personal aber während der Inbetriebnahme permanent eingewiesen. Sein Gesprächsleiter sei immer Herr Antao gewesen. Ihm habe er täglich jede Einstellung erklärt. Herr Antao habe die Information dann an die Maschinenführer weitergegeben. Es sei also nicht zwischen Schulung und Einweisung zu unterscheiden. Herr Deckert habe die Aufgabe gehabt, die Anlage in Betrieb zu nehmen und dem Personal die Einstellungen zu vermitteln, sodass sie das selbst machen konnten. Herr Deckert habe natürlich keine Veranlassung gehabt, in einem Servicebericht für seinen Arbeitgeber zu erwähnen, dass er täglich dem Herrn Antao alles für die Maschinenführer erklärt habe. Die Veranstaltung einer kollektiven Schulung am Ende seines Aufenthalts hingegen sei in diesem Bericht zu erwähnen gewesen. Die eigentliche Einweisung bzw. Schulung sei aber täglich gegeben worden. In dieser Hinsicht seien das Protokoll D2.8 und die Zeugenaussagen zu 100% konsistent. Die eidesstattliche Versicherung sei bloß etwas detaillierter. In der Aussage Z2 habe der Zeuge Deckert auf Seite 13 allgemeine Aussagen zur Schulung getätigt und dann auf Seite 14 die Schulung der Maschinenführer näher erläutert. Letztere seien Portugiesen gewesen; Herr Antao habe für sie aus dem Englischen übersetzt. Herr Deckert habe Erläuterungen in englischer Sprache gegeben, Herr Antao habe übersetzt; die Maschinenführer seien somit ständig eingewiesen worden. Bei der Schulungsveranstaltung seien auch diese Maschinenführer und Herr Antao anwesend gewesen. Herr Antao habe bei der Einweisung nie selber Einstellungen vorgenommen; dies sei immer von den portugiesischen Arbeitern erledigt worden. Gemäß dem letzten Absatz der Seite 14 habe Herr Deckert erklärt, dass keine Dritten zugegen gewesen wären. Auch dies sei konsistent mit dem übrigen Vortrag. Das auf Seite 15 erwähnte Abschlussgespräch mit Herrn Barros sei ein kaufmännisches Gespräch gewesen; es sei auch im Protokoll nach der Schulung erwähnt. Die Aussage Z3 von Herrn Antao sei zu 100% konsistent mit diesen Aussagen. Seine Aussage auf Seite 18 sei so zu verstehen, dass Herr Antao den Arbeitern gesagt habe, was zu machen sei. Die eidesstattliche Versicherung D2.14 fasse dies in etwas detaillierter Form zusammen. Dies sei angesichts der Umstände auch nicht zu beanstanden. Entscheidend sei, was zum jeweiligen Zeitpunkt beansprucht wurde. Es gab keinen Anlass, Merkmale, die zum Zeitpunkt der Zeugenbefragung nicht beansprucht waren, bei der Befragung anzusprechen. Die nachfolgende Änderung der Ansprüche habe daher eine Ergänzung der Zeugenaussage erforderlich gemacht.
Die Darstellung des Beschwerdegegners beruhe auf einer Verzerrung der Tatsachen: es sei nicht jeden Tag eine Schulung gegeben worden, aber Herr Deckert habe jeden Tag Mitarbeiter der Firma Politejo eingewiesen.
Auf eine Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerdeführerin, dass die Einweisung Sachverhalte betroffen habe, die in ihrer Gesamtheit auch Teil der Schulung waren, die aber bei der Inbetriebnahme aktuell anfielen.
Während der Inbetriebnahme seien über 62 Muster hergestellt worden. Die meisten davon seien aufgeschnitten und dank der Übersetzung durch Herrn Antao den Maschinenführern erklärt worden. Die Muster seien fotografiert worden, um Lufteinschlüsse nachzuweisen. Der Servicebericht verweise dazu auf Protokolle. Dies alles seien Weisungen gewesen, aber noch keine umfassende Schulung, wie sie am Ende stattgefunden habe. Das sei auch, was Herr Antao meine, wenn er sage, er sei "angelernt" geworden. Diese Einweisungen hätten sich über die gesamte Woche erstreckt.
Das Muster 62 sei von Herrn Deckert im unaufgeschnittenen Zustand mitgenommen und bei der Beschwerdeführerin gelagert worden. Dessen ungeachtet seien die Lufteinschlüsse immer wieder überprüft worden. Das ergebe sich auch aus dem Protokoll. So sei am Freitag, den 2. April "am Muffenanfang etwas Luft in der Ecke" festgestellt worden. Das Muster 62 sei unmittelbar nach der Zeugeneinvernahme durch die Einspruchsabteilung aufgeschnitten worden. Die entsprechenden Fotos seien dann mit dem Schriftsatz vom 28. September 2012 eingereicht worden. Das Muster selbst sei in der zweiten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (im Jahr 2014) vorgelegt worden.
b) Zulässigkeit der Erklärung D2.14
Die eidesstattliche Erklärung D2.14 hätte von der Einspruchsabteilung zugelassen werden müssen. Die Kammer solle diesen Verfahrensfehler dadurch beheben, dass sie das Dokument nunmehr in das Verfahren zulasse.
c) Anspruchsauslegung
Die im Ladungsbescheid der Kammer vertretene Auslegung von Anspruch 6 sei unzutreffend. Der Begriff "vollflächig verschweißt" sei nicht im Sinne von "im Wesentlichen vollflächig verschweißt" zu deuten, denn diese Auslegung werde vom Patent nicht gestützt. Die Textstelle in Absatz [0022] sei unklar und könne auf zweierlei Arten gedeutet werden, nämlich dass die Verschweißung im Übergangsabschnitt außerhalb der Kanäle "fast vollflächig" ist, nur im Bereich der Kanäle nicht (Auslegung A), oder so, wie von der Kammer im Ladungsbescheid gedeutet (Auslegung B). Die Auslegung A liege näher am Wortlaut, während die Auslegung B nicht wirklich konsistent mit dem Wortlaut sei. Wesentlich bei der Deutung der "fast vollflächigen" Verschweißung im Sinne von Absatz [0022] des Patents sei die Frage, ob und in welchem Umfang im Übergangsabschnitt Lufteinschlüsse im Bereich außerhalb der Überströmkanäle und Verbindungskanäle noch vorhanden seien oder nicht. Das im Zusammenhang mit der Neuheitsprüfung durch die Kammer geltend gemachte Verständnis (dem zufolge das Vorhandensein von Lufteinschlüssen ausgeschlossen ist) werde von Absatz [0022] nicht gestützt. Die Frage der Entlüftung werde im Absatz [0026] des Patents behandelt. Daraus gehe hervor, dass im Übergangsbereich doch noch gewisse, möglicherweise kleine, Lufteinschlüsse vorhanden seien, was wiederum im Wort "fast" seinen Ausdruck finde. Es könne keine Luft mittels der Kanäle abgeleitet werden, die nicht vorher vorhanden gewesen sei. Das Entlüften in den Bereichen, wo keine Überströmkanäle sind (Figuren 4 und 5) sei im Kontext so auszulegen. Die von der Kammer vorgenommene Auslegung werde durch das Patent nicht gestützt.
Die Kammer habe auch den Anspruch 1 falsch ausgelegt. Weder die Syntax noch der Kontext sprächen für die von der Kammer vorgeschlagene Deutung. Was das Vorhandensein von Lufteinschlüssen angehe, gelte dasselbe wie für Anspruch 6.
d) Klarheit
Der Begriff "vollflächig verschweißt" sei unklar. Zwei verschiedene Auslegungen (Auslegung A und B, siehe Punkt c) oben) seien möglich. Hinzu komme, dass das Patent den Begriff "vollflächig verschweißt" in Alleinstellung überhaupt nicht verwende. Es sei nicht einzusehen, dass man einen so fraglichen Begriff in einen neuen Anspruch hineinbringen dürfe. Das Merkmal sei höchst unklar, gerade in der Verbindung mit den Figuren 4, 5 und 7.
Eine weitere Unklarheit ergebe sich aus dem letzten Merkmal des Oberbegriffs. In den Ausführungsbeispielen sei der Übergangsabschnitt nicht zwischen dem Außenrohr und dem Innenrohr ausgebildet. Diese Unklarheit werde auch nicht durch den Rückbezug des Verbundrohranspruchs auf die vorangehenden Verfahrensansprüche behoben. Das Patent definiere die Begriffe "Rohrmuffe" und "Übergangsabschnitt" nicht und erkläre auch nicht, wo die entsprechenden Abschnitte beginnen und enden.
e) Unzulässige Erweiterung
Die Formulierung "vollflächig verschweißt" ohne die Spezifizierung "fast" sei in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Das Merkmal erweitere daher den Anspruch in unzulässiger Art und Weise. Das Merkmal, wie es von der Kammer verstanden werde (keinerlei Lufteinschlüsse) sei nicht ursprünglich offenbart.
Auch das vorletzte Merkmal des Oberbegriffs von Anspruch 6 sei nicht ursprünglich offenbart, denn das Verschweißen als Konsequenz des Andrückens sei nicht beschrieben. Die Kammer habe in ihrer vorläufigen Meinung übersehen, dass die Offenbarung auf Seite 2, Zeilen 3 bis 7 nicht den aufgeweiteten Teil der Rohrmuffe, sondern den Übergangs-Abschnitt betreffe, und dass es sich um die Aufgabenstellung und nicht um die Lösung handle. Die Beschwerdeführerin führte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer aus, dass diesem zweiten Einwand weniger Bedeutung zuzumessen sei als dem Einwand, der auf dem Begriff "vollflächig verschweißt" beruht.
f) Offenkundigkeit der Vorbenutzung
Die von Herrn Deckert beschriebenen Geschehnisse entsprächen einer ganz normalen Inbetriebnahme einer Maschine nach einem Kauf von Maschinenelementen. Es sei absurd, anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin eigene Tests beim Kunden machen wollte. Der Auftrag sei von der Firma Politejo ausgegangen und bezahlt worden; auch die Tatsache, dass eine Schulung stattfand, spräche gegen diese Hypothese. Man könne nicht einerseits den Verkauf der Formbacken anerkennen und andererseits die Inbetriebnahme der Formbacken als vertraulichen Versuch darstellen.
g) Zurückverweisung an die erste Instanz
Die Beschwerdeführerin beantragte hilfsweise eine Zurückverweisung, nämlich für den Fall dass die Zulassung des Dokuments D2.14 in das Verfahren nicht zum Widerruf des Patents führe. Auf die Bemerkung der Kammer hin, dass ein bedingter Antrag problematisch sei, beantragte die Beschwerdeführerin, dass die Angelegenheit von der Kammer geprüft werde.
VIII. Der Beschwerdegegner hat Folgendes vorgetragen:
a) Verfahrensfehler
Die Einreichung des Dokuments D2.14 sei verspätet gewesen, da die Zeugen während der Zeugeneinvernahme zu den darin angesprochenen Themen bereits befragt worden waren. Die Fragen, wer geschult worden war und mit wem gesprochen wurde, waren bereits Thema der Zeugeneinvernahme. Insofern sei hier durch die Einreichung der Hilfsanträge keine neue Situation entstanden.
Darüber hinaus sei das Dokument D2.14 deshalb nicht prima facie relevant, weil es zum Teil in massivem Widerspruch zur Zeugenaussage von Herrn Deckert stehe. Auf die Frage der Kammer, wo genau der Widerspruch liege, führte der Beschwerdegegner Folgendes aus: Im Protokoll der Druckschrift D2.8 werde für den Mittwoch, den 7. April [2004] nur die "Schulung der neuen Muffensteuerung" erwähnt. In der Einvernahme von Herrn Deckert erkläre dieser dazu, er habe am letzten Tag seiner Anwesenheit "den Kunden, also die Maschinenführer geschult" (Dokument Z2, Seite 14 unten). In der eidesstattlichen Erklärung D2.14 hingegen heiße es, dass Herr Deckert "bei den Arbeiten von dem über die gesamte Zeit anwesenden Fertigungsleiter Herrn Vitor Antao und weiteren Mitarbeitern des Kunden unterstützt" wurde (siehe Punkt 1), und dass er "Herrn Vitor Antao und die jeweils anwesenden Mitarbeiter des Kunden während der Inbetriebnahmearbeiten ständig eingewiesen" habe (siehe Punkt 2). In der Zeugenaussage Z3 hingegen habe Herr Antao die Frage, wer bei der Inbetriebnahme zugegen war, geantwortet, dass er und Herr Deckert anwesend waren. Herr Deckert habe den Einbau vorgenommen und Erklärungen in englischer Sprache gegeben; er selbst habe assistiert (siehe Seite 18 oben).
Es handle sich somit nicht um eine Komplettierung, sondern um eine Änderung des Vortrags.
Aus dem Protokoll D2.8 gehe hervor, dass Herr Deckert die gesamte Zeit, bis zum Abend des 6. April 2004 damit beschäftigt war, die Anlage umzubauen und irgendwie zum Laufen zu bringen. Am Dienstag Abend sei die Anlage wieder startklar gewesen. Anschließend habe die Schulung stattgefunden. In der Zeugenaussage Z3 stelle Herr Antao fest, dass ein System geliefert worden sei, und dass Herr Deckert etwa eine Woche dafür gebraucht habe. In dieser Zeit habe Herr Deckert ihm beigebracht, wie man die Maschine zu bedienen habe. Von einer Schulung mit Mitarbeitern sei nicht die Rede. Herr Antao sei wohl auch mit dabei gewesen. Dazu stehe die Erklärung D2.14 im Widerspruch.
Der nunmehrige Sachvortrag der Beschwerdeführerin sei nicht belegt und schaffe einen ganz neuen Sachverhalt, von dem bislang noch nie die Rede war. Als das Muster 62 in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegt wurde, sei es nicht aufgeschnitten gewesen, und es war der Eindruck erweckt worden, dass das Rohr ganz in Ordnung sei. Erst Herr Dr. Hegler, der Patentinhaber, habe mit fachmännischem Blick festgestellt, dass der Innenschlauch des Musters nicht vollflächig am Außenschlauch anliege.
Aus dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 30. Dezember 2011 gehe übrigens hervor, dass die Messprotokolle nicht vorgelegt worden wären (siehe Seite 8).
b) Zulässigkeit der Erklärung D2.14
Die Einspruchsabteilung habe die eidesstattliche Erklärung zu Recht nicht zugelassen. Die Erklärung sei verspätet eingereicht worden und prima facie nicht relevant, wegen der unter Punkt a) angeführten Widersprüche zu den früheren Aussagen der Zeugen.
c) Anspruchsauslegung
Die vorläufige Auffassung der Kammer, wie sie im Ladungsbescheid zum Ausdruck komme, sei nicht zu beanstanden.
Im Zusammenhang mit der Deutung des Begriffs "Übergangsabschnitt" verwies der Beschwerdegegner auf die Figuren 10 und 11 des Patents, die zeigen würden, dass der Überströmkanal (und somit auch der Übergangsabschnitt) sich weit nach oben erstreckt.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Muffe sei dort, wo man ein Rohr hineinstecken könne. Die Muffe könne ihre Funktion dort ausüben, wo der volle Innendurchmesser erreicht werde.
Auf die Frage der Kammer, wie er zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Begriff "vollflächig" stehe, verwies der Beschwerdegegner auf Spalte 7, Zeilen 26 bis 38. Die im Bescheid der Kammer dargelegte Deutung sei die einzige vernünftige Deutung des Begriffs, denn ein Verschließen der Kanäle würde die Luft am Entweichen hindern. Das Ziel, gegen die Produktionsrichtung zu entlüften, würde mit verschlossenen Kanälen nicht erreicht werden. Der Beschwerdeführer wies bedauernd darauf hin, dass das EPA die Formulierung "im Wesentlichen" nicht zulasse; deshalb müsse man diesen notwendigen Spielraum auf dem Weg über die Auslegung erreichen.
Das Wort "fast" sei ausführlich erläutert (Spalte 7, Mitte). Es sei auch nicht richtig, dass das Wort "vollflächig" ohne die Beifügung "fast" im Patent nicht verwendet werde (siehe Spalte 1, Zeile 50). Das Ausführungsbeispiel biete auch ein gewisses Maß an Relativierung.
Die Figur 7 stehe dazu nicht im Widerspruch. Man könne noch einmal einen Druckstoß einschieben. Es stehe auch im Anspruch, das das Andrücken und Verschweißen durch den Innendruck erreicht wird.
d) Klarheit
Die Ansprüche seien klar. Die beanstandeten Formulierungen seien bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten gewesen.
e) Unzulässige Erweiterung
Es ziehe sich durch das gesamte Patent, dass Innen- und Außenschlauch durch das Zusammendrücken verschweißt werden. Falls die Kammer Bedenken gegen das vorletzte Merkmal des Oberbegriffs von Anspruch 6 habe, sei der Beschwerdegegner auch bereit, dieses Merkmal zu streichen.
f) Offenkundigkeit der Vorbenutzung
Der Beschwerdeführer verwies auf die Entscheidungen T 363/90 und T 1410/14, aus denen sich ergebe, dass der Dritte, dem ein Gegenstand oder ein Verfahren in irgendeiner Form zugänglich gemacht werde, wenigstens grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, den Gegenstand bzw. das Verfahren in den relevanten Einzelheiten zu erkennen. Sonst liege keine Offenkundigkeit vor, und das sei auch hier der Fall.
Aus der Beweisaufnahme gehe nicht hervor, dass das Muster 62 dem Zeugen Antao oder anderen Mitarbeitern der Firma Politejo in einer Weise zugänglich gemacht wurde, dass sie das Muster visuell untersuchen konnten. Dazu wäre es nötig gewesen, das Muster aufzuschneiden, doch das den Mitarbeitern der Firma Politejo nicht möglich. Aus der Tatsache, dass es sich um ein Muster handelte, kann nicht geschlossen werden, dass der Rest des hergestellten Materials den Mitarbeitern zugänglich war.
Die Aussagen der Zeugen Antao und Deckert widersprächen sich. Herr Deckert wolle die Maschinenführer geschult haben, doch laut Herrn Antao sei nur er selbst geschult und angelernt worden.
Es sei nicht geklärt, welcher Art die Erklärungen zur Maschinensteuerung waren.
Die Versuche hätten im Rahmen von Tests stattgefunden, also vertraulichen internen Veranstaltungen. Auch dies indiziere die fehlende Offenkundigkeit. Es sei nicht zutreffend, dass diese Feststellung ein neues Vorbringen sei. Dies gehe zum Beispiel aus dem Schriftsatz des Beschwerdegegners vom 11. Januar 2010 hervor, wo von einem Einbau der Teile "nur zu internen Versuchszwecken" die Rede sei (siehe Seite 3, erster Absatz; vgl. auch den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 30. Dezember 2011, Seite 5).
Es handle sich letztlich um eine rechtliche Würdigung dessen, was geschehen sei. Rechtliche Argumente könnten jederzeit eingebracht werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Aussagen ergebe sich, dass Politejo an den hergestellten Mustern nicht interessiert war. Die Tatsache, dass die Muster nicht in Ordnung waren, habe keinen der Beteiligten gestört. Herr Deckert habe bis zum vorletzten Tag an der Maschine gearbeitet und versucht, die Maschine zum Laufen zu bringen; es handle sich also um Versuche, deren Offenkundigkeit von jener der Lieferung der Formbacken zu unterscheiden sei. Die Tatsache, dass ein Kunde mit einem Lieferanten gemeinsam eine gelieferte Maschine zum Laufen bringe mache die diesbezüglichen Versuche noch nicht öffentlich.
g) Zurückverweisung an die erste Instanz
Falls der neue Sachverhalt, wie er von der Beschwerdeführerin dargestellt werde, bzw. die eidesstattliche Versicherung D2.14 zugelassen werden, beantrage der Beschwerdegegner eine Zurückverweisung an die erste Instanz.
Vor der letzten Beratung der Kammer stellte der Beschwerdegegner den Antrag, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, falls die Einführung der eidesstattlichen Versicherung zum Widerruf des Patents führen würde.
Entscheidungsgründe
1. Anzuwendendes Recht
Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, war am 3. Juli 2004 eingereicht worden. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) die Artikel 54, 56, 84 und 111 EPÜ 1973 sowie Artikel 117 und 123 EPÜ [2000] anzuwenden. Da die Regel 120 EPÜ [2000] dem Artikel 117 EPÜ zugeordnet ist, ist sie in Analogie zur Entscheidung J 10/07 der Juristischen Beschwerdekammer vom 31. März 2008 im vorliegenden Fall ebenfalls anwendbar.
2. Einführende Bemerkungen
Von besonderer Bedeutung in diesem Fall ist eine angebliche offenkundige Vorbenutzung, die im Folgenden kurz beschrieben wird.
Die Firma Unicor hat im Januar 2004 jeweils ein Paar von Muffenformbacken (cuff mould blocks) an die Firma Politejo verkauft (siehe Rechnung D2.3). Diese Muffenformbacken wurden noch im Januar 2004 versandt, ausgeliefert und bezahlt (siehe Versandauftrag D2.5, Bestätigung D2.7 und Belege für die Bezahlung D2.11) und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Aufbau der gelieferten Muffenformbacken ist aus den Zeichnungen D2.1 und D2.2 ersichtlich. Durch die Lieferung der Muffenbacken sind die Informationen zu ihrem Aufbau in den Besitz der Firma Politejo (und somit der Öffentlichkeit) übergegangen, und zwar unabhängig davon, ob die Zeichnungen D2.1 und D2.2 der Firma Politejo übergeben wurden.
Der Kundenservicebericht D2.8 belegt, dass Herr Deckert Anfang April 2004 zur Firma Politejo gereist ist und dort die neue Muffensteuerung eingebaut und getestet hat. Die Anlage wurde von ihm in Betrieb genommen und das Personal wurde für die Bedienung der neuen Muffensteuerung geschult. Wie aus der Niederschrift Z2 hervorgeht, wurde die Muffe gemäß Muster 62 im Laufe der von Herrn Deckert durchgeführten Tests hergestellt und anschließend von der Beschwerdeführerin eingelagert.
Bezüglich dieser Sachverhalte wurde im Verfahren vor der Kammer insbesondere erörtert:
- welcher Art die Schulung bzw. Einweisung des Personals durch Herrn Deckert war; und
- ob und in welchem Umfang die Vorgänge im April 2004 offenkundig waren, also Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 bilden.
Diese Fragen werden nachfolgend in den Punkten 3.2.2 und 8. behandelt.
3. Verfahrensfehler
3.1 Vorliegen eines Verfahrensfehlers
Am 31. Januar 2012 hat eine erste mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung stattgefunden. In dieser Verhandlung wurden vier Zeugen gehört. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin während dieser mündlichen Verhandlung weitere Beweismittel zu der von ihr geltend gemachten Vorbenutzung sowie das Dokument D2.12 betreffend das Muster 62 vorgelegt. Wie aus Punkt 14 des Bescheids vom 18. Mai 2012 hervorgeht, hat die Einspruchsabteilung den Parteien am Ende der mündlichen Verhandlung ihre Meinung mitgeteilt, dass eine offenkundige Vorbenutzung von Muffen-Formbacken vorliege. Auf Antrag beider Parteien wurde dann entschieden, das Verfahren in schriftlicher Form fortzuführen (siehe dazu die Punkte 26 und 27 des Abschnitts "Sachverhalt und Anträge" der angefochtenen Entscheidung).
Die Ansprüche des nunmehrigen Hauptantrags wurden vom Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 als Hilfsantrag 1 eingereicht. Dabei wurde der Gegenstand der beiden unabhängigen Ansprüche dahingehend eingeschränkt, dass der Innenschlauch und der Außenschlauch vollflächig miteinander verschweißt sind.
Nach der Ladung zur zweiten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, die am 11. März 2014 stattfand, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. Februar 2014 eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Deckert (Dokument D2.14) als weiteres Beweismittel eingereicht und den Zeugen Deckert für eine ergänzende Einvernahme angeboten. Dieses Angebot wurde von der Einspruchsabteilung nicht wahrgenommen; die Einspruchsabteilung hat darüber hinaus entschieden, die eidesstattliche Versicherung D2.14 nicht in das Verfahren zuzulassen, "da sie verspätet vorgebracht wurde und da ihr Offenbarungsgehalt nicht über die bereits im Verfahren befindlichen Beweismittel ... hinausgeht" (siehe Punkt 2 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung).
Die Kammer kann sich letzterer Auffassung nicht anschließen. Die eidesstattliche Erklärung geht über die Offenbarung der vorher im Verfahren befindlichen Beweismittel hinaus, da sie die Frage der vollflächigen Verschweißung anspricht. Diese Frage war erst mit der Einreichung des ersten Hilfsantrags relevant geworden. Es gab daher auch keine Veranlassung, diese Frage während der Zeugenvernehmungen anzusprechen.
Die Einreichung der eidesstattlichen Erklärung D2.14 stellte somit eine direkte und darüber hinaus fristgerechte Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Einreichung des neuen Hilfsantrags durch den Beschwerdegegner dar. Sie kann daher nicht als verspätet gelten. Da die Einspruchsabteilung den Hilfsantrag zugelassen hat, musste sie auch das Dokument D2.14 zulassen. Mit ihrer Entscheidung, das Dokument nicht zuzulassen, obwohl der Hilfsantrag des Beschwerdegegners zugelassen wurde, hat die Einspruchsabteilung der Beschwerdeführerin das ihr zustehende rechtliche Gehör verweigert und somit einen Verfahrensfehler begangen.
3.2 Vorliegen eines Widerspruchs
Der Beschwerdegegner hat das Vorgehen der Einspruchsabteilung mit dem Verweis auf angebliche Widersprüche zwischen der eidesstattlichen Erklärung D2.14 und dem Dokument D2.8 bzw. den Zeugenaussagen Z2 und Z3 verteidigt.
3.2.1 Relevanz
Der Vortrag des Beschwerdegegners überzeugt die Kammer nicht. Die Einspruchsabteilung selbst hat sich nicht auf Widersprüche berufen, sondern ganz im Gegenteil festgestellt, dass der Offenbarungsgehalt der Erklärung D2.14 nicht über die bereits im Verfahren befindlichen Beweismittel hinausgeht. Hätte die Einspruchsabteilung Widersprüche feststellt, hätte sie dies bei der Würdigung des Inhaltes der Erklärung D2.14 ohne weiteres berücksichtigen können. Jedenfalls kann das Vorliegen von Widersprüchen innerhalb eines Vortrags, der eine legitime Reaktion auf eine Änderung des Vortrags der Gegenpartei darstellt, nicht rechtfertigen, die Zulassung dieses Vortrags von vornherein zu verweigern, da ein solches Vorgehen das Recht der Partei auf ein faires Verfahren verletzen würde.
3.2.2 Tatsächliches Vorliegen eines Widerspruchs
Die Kammer möchte noch ergänzend anfügen, dass sie den vom Beschwerdegegner geltend gemachten Widerspruch nicht anerkennen kann. Aus der Gesamtheit der vorgelegten Beweismittel (insbesondere Dokument 2.8 und Zeugenaussagen Z2 und Z3) ergibt sich das stimmige Bild, dass Herr Deckert in der Zeit vom 1. April bis zum 6. April 2014 Umbauten und Testläufe an der Anlage der Firma Politejo vorgenommen hat. Dabei wurde er insbesondere von Herrn Antao unterstützt. Es ist nicht auszuschließen und sogar wahrscheinlich, dass gelegentlich andere Angestellte der Firma Politejo zugegen und unterstützend tätig waren, aber im Wesentlichen wurde Herr Deckert von Herrn Antao assistiert. Am 7. April 2004 fand eine Schulung der Maschinenführer statt.
Die Aussage von Herrn Deckert in Dokument D2.14, dass er "bei den Arbeiten von dem über die gesamte Zeit anwesenden Fertigungsleiter Herrn Vitor Antao und weiteren Mitarbeitern des Kunden unterstützt wurde" fügt sich nahtlos in das oben beschriebene Gesamtbild ein, zumal Herr Deckert nicht behauptet, dass die besagten weiteren Mitarbeiter über die gesamte Zeit anwesend waren. Auch die Behauptung, er habe "Herrn Vitor Antao und die jeweils anwesenden Mitarbeiter des Kunden während der Inbetriebnahmearbeiten ständig eingewiesen" stimmt mit der Offenbarung der früheren Beweismitteln überein. Da Herr Antao ständig anwesend war, wurde er ständig eingewiesen; die anderen Mitarbeiter, die nicht ständig anwesend waren, wurden nur nach Maßgabe ihrer Präsenz und der Übersetzungen durch Herrn Antao eingewiesen. Ungeachtet des Umfangs ihrer Einweisung nahmen sie später an der abschließenden Schulung teil. Die Kammer kann hier keinen Widerspruch zum vorherigen Vortrag erkennen.
4. Zulässigkeit der Erklärung D2.14
Wie aus Punkt 3. hervorgeht, hätte die Einspruchsabteilung im Falle der Zulassung des ersten Hilfsantrags auch das Dokument 2.14 als legitime Reaktion zulassen müssen. Daher ist dieses Dokument in das Verfahren zuzulassen.
5. Anspruchsauslegung
5.1 Anspruch 6
Die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 6 verlangen, dass das Innere des Übergangs-Abschnitts zwischen dem Außenrohr (37') und Innenrohr (39') mittels Überström-Kanälen (59, 63) mit einem benachbarten Wellenberg (38) verbunden ist und dass im Bereich des Übergangs-Abschnitts (61,64) das Innen-Rohr (39') vollflächig mit dem entsprechenden Bereich des Außen-Rohres (37') verschweißt ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Es stellt sich die Frage, wie der Fachmann die Tatsache, dass Überströmkanale vorgesehen sind im Hinblick auf das Erfordernis einer vollflächigen Verschweißung verstehen würde. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann dem Anspruch 6 unzweifelhaft entnimmt, dass Überströmkanale vorhanden sein müssen und deshalb ausschließen würde, dass das vollflächige Verschweißen zu einer Schließung der Überströmkanäle führen würde. Er würde also verstehen, dass die vollflächige Verschweißung nicht derart vollflächig sein kann, dass auch die Überströmkanäle geschlossen werden, sondern dass die Verschweißung mit Ausnahme der Überströmkanäle vollflächig ist. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass in beiden unabhängigen Ansprüchen verlangt wird, dass das Innenrohr vollflächig "mit dem entsprechenden Bereich" des Außenrohrs verschweißt ist.
Diese Deutung, die sich dem Fachmann angesichts des Wortlautes von Anspruch 6 aufdrängt, wird im Übrigen auch von Absatz [0022] des Streitpatents getragen. Dort ist Folgendes offenbart:
"In dem Übergangs-Abschnitt 61 zwischen dem normalen Verbundrohr 10 und der in-line angeformten Rohr-Muffe 41 werden also der Außen-Schlauch 37 und der Innen-Schlauch 39 fast vollflächig miteinander verschweißt. Lediglich im Bereich der Überström-Kanäle 59 und der Verbindungs-Kanäle 60 ist diese Verschweißung nicht gegeben." (Unterstreichungen durch die Kammer)
Die Kammer teilt daher die Auffassung der Einspruchsabteilung zur Auslegung dieses Merkmals, wie sie in Punkt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck kommt.
5.2 Anspruch 1
Das letzte kennzeichnende Merkmal von Anspruch 1 verlangt, "dass der Innen-Schlauch ... vollflächig ... gegen den entsprechenden Bereich des Außen-Schlauches ... gedrückt und mit diesem verschweißt wird". Es stellt sich die Frage, ob das Adverb "vollflächig" sich nur auf das Partizip "gedrückt" oder auch auf das Partizip "verschweißt" bezieht. Die Syntax des Merkmals spricht für letztere Deutung, ebenso wie der Kontext (insbesondere Anspruch 6, wo von einer vollflächigen Verschweißung die Rede ist, und Absatz [0022] der Beschreibung mit dem schon erwähnten Hinweis auf ein "fast vollflächiges" Verschweißen). Die Kammer deutet das Merkmal also dahingehend, dass auch Anspruch 1 ein im Wesentlichen (siehe Punkt 5.1) vollflächiges Verschweißen verlangt.
Es ist für die Kammer auch physikalisch nicht nachvollziehbar, weshalb ein vollflächiger Kontakt nicht zu einem vollflächigen Verschweißen führen sollte. Das Patent selbst beschreibt jedenfalls keine Gründe oder Mechanismen, die zu diesem Ergebnis führen würden. Deshalb hält die Kammer diesbezüglich an ihrer Auffassung fest.
6. Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)
6.1 Vollflächige Verschweißung
Wie die Kammer unter Punkt 5.1 dargelegt hat, würde der Fachmann angesichts des Wortlauts von Anspruch 1 zu einem eindeutigen Verständnis des Gegenstands von Anspruch 6 gelangen. Der Anspruch als solcher ist daher klar. Der Klarheitseinwand der Beschwerdeführerin beruht auf der von ihr geltend gemachten Möglichkeit, die Offenbarung von Absatz [0022] des Patents auf zwei verschiedene Arten auszulegen. Selbst wenn man diesem Vortrag folgen würde, würde dies den Gegenstand von Anspruch 6 nicht unklar machen, da letzterer im Gegensatz zu Absatz [0022] nicht von einem "fast" vollflächigen Verschweißen spricht.
Auch das Erfordernis einer Stütze in der Beschreibung ist im vorliegenden Fall erfüllt, da unbestritten ist, dass Absatz [0022] im Sinne der Deutung von Anspruch 6 durch die Kammer verstanden werden kann. Wie bereits im Ladungsbescheid der Kammer dargelegt wurde, würde der unbefangene Fachmann die Lehre von Absatz [0022] gerade so verstehen.
6.2 Ausbildung zwischen Außenrohr und Innenrohr
Dieser Klarheitseinwand der Beschwerdeführerin betrifft Merkmale, die bereits in den erteilten Ansprüchen vorhanden waren. In Anwendung der Entscheidung G 3/14 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA, 2015, A102) ist die Kammer nicht befugt, einen solchen Klarheitseinwand zu untersuchen.
6.3 Ergebnis
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche erfüllt die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ 1973.
7. Unzulässige Erweiterung
Die Beschwerdeführerin hat zwei Einwände gegen die Änderungen, die zum Anspruch 6 des Hilfsantrags 1 geführt haben, erhoben:
7.1 Vorletztes Merkmal des Oberbegriffs
Gemäß diesem Merkmal weist das Verbundrohr eine einstückig angeformte Rohr-Muffe auf, die aus einem aufgeweiteten Bereich des Außenrohres und einem vollflächig gegen diesen Bereich gedrückten und dadurch verschweißten Innenrohr gebildet ist.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass dieses Merkmal im ursprünglichen Anspruch 1 offenbart ist. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf eine Offenbarungsstelle der ursprünglichen Anmeldung (Seite 15, Zeilen 20 bis 23: "... der Innen-Schlauch (39) wird von innen mit Gas mit einem Druck über Atmosphärendruck beaufschlagt und zur Fertigstellung der Rohr-Muffe (41) unter Aufweitung vollflächig gegen den aufgeweiteten Bereich des Außen-Schlauches (37) gedrückt, ...").
Die Beschwerdeführerin hat dies bestritten und ausgeführt: "Diese Textstelle enthält keine Offenbarung des Teilmerkmals "dadurch verschweißtes Innen-Rohr" und nicht das Teilmerkmal "unter Aufweitung des Innen-Schlauchs", welches in dem Hauptanspruch 6 neu aufgenommenen [sic] ist." (Beschwerdebegründung, Seite 2, vorletzter Absatz)
Die Kammer versteht diesen - etwas unklaren und somit auslegungsbedürftigen - Einwand so, dass nach Auffassung der Beschwerdeführerin zum einen die von der Einspruchsabteilung zitierte Stelle das Teilmerkmal "dadurch verschweißte[s] Innen-Rohr" nicht offenbart, und zum anderen die besagte Offenbarungsstelle eine Aufweitung des Innenschlauchs beschreibt, was im vorletzten Merkmal des Oberbegriffs nicht zum Ausdruck kommt.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Zum einen offenbart die ursprüngliche Anmeldung auf Seite 2, Zeilen 14 bis 19, dass "der Kern der Erfindung ... darin [liegt], dass der Raum zwischen dem Innen-Schlauch und dem Außen-Schlauch im Bereich des Übergangs-Abschnitts, also am Übergang vom Verbundrohr zur Rohr-Muffe entlüftet wird, so dass der Innen-Schlauch vollflächig durch den auf ihn von innen ausgeübten Druck gegen den entsprechenden Bereich des Außen-Schlauches gedrückt und mit diesem verschweißt wird" (Unterstreichung durch die Kammer). Dies bringt klar zum Ausdruck, dass das Verschweißen eine Konsequenz des Andrückens ist.
Zum anderen verlangt der Anspruch, das das Innenrohr (das grundsätzlich einen geringeren Durchmesser hat als das Außenrohr) an einem aufgeweiteten Bereich des Außenrohrs anliegt. Dies ist aber nur denkbar, wenn das Innenrohr selbst aufgeweitet wurde. Dieses Merkmal ist also implizit in Anspruch 6 vorhanden.
7.1.1 Letztes kennzeichnendes Merkmal
Dieses Merkmal verlangt, dass im Bereich des Übergangs-Abschnitts das Innenrohr vollflächig mit dem entsprechenden Bereich des Außenrohres verschweißt ist.
Die Beschwerdeführerin hat beanstandet, dass die von der Einspruchsabteilung genannte Offenbarungsstelle (entsprechend Seite 2, Zeilen 15 bis 19 der ursprünglichen Anmeldung) nicht offenbare, dass der Innenschlauch mit dem Außenschlauch im Übergangsbereich vollflächig verschweißt ist. Dieser Einwand überzeugt die Kammer nicht. Die Offenbarungsstelle lässt sich zwar im Prinzip auch so deuten, dass nur das Aufdrücken, nicht aber das Verschweißen vollflächig ist, aber der Fachmann würde die Stelle nicht so deuten, da es keinen guten Grund gibt, warum das vollflächige Aufdrücken nicht zu einem vollflächigen Verschweißen führen würde.
7.1.2 Ergebnis
Der Gegenstand von Anspruch 6 erfüllt die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
8. Offenkundigkeit der Vorbenutzung
8.1 Strittige Punkte
Wie schon unter Punkt 2. dargelegt wurde, ist der Verkauf und die Lieferung der Muffenbacken an die Firma Politejo vor dem Anmeldetag des Patents nicht strittig. Uneinigkeit bestand jedoch über die Frage, ob die Inbetriebnahme der Maschine durch Herrn Deckert, einschließlich der Einweisung und der Herstellung des Musters 62, als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 anzusehen ist, also ob es "vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist".
8.2 Grundsätzliches
Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Information dann als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht anzusehen, wenn auch nur ein einziges Mitglied der Öffentlichkeit in der Lage ist, sich Zugang zu dieser Information zu verschaffen und sie zu verstehen, und wenn keine Geheimhaltungsverpflichtung besteht (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 8. Auflage, 2016, Punkt I.C.3.3).
Für das Zugänglichmachen genügt es, dass die theoretische Möglichkeit besteht, von einer Information Kenntnis zu nehmen. Es ist unerheblich, ob ein Mitglied der Öffentlichkeit tatsächlich davon wusste, dass das Dokument an einem gewissen Tag zugänglich war, oder ob ein Mitglied der Öffentlichkeit an diesem Tag tatsächlich davon Kenntnis genommen hat (ibid., Punkt I.C.3.1).
8.3 Herstellung der Muster
Im vorliegenden Fall sind die Mitarbeiter der Firma Politejo als Teil der Öffentlichkeit anzusehen. Die Firma Politejo hatte Anlagenteile, die von der Beschwerdeführerin hergestellt wurden, käuflich erworben. Es gibt keinen Hinweis, dass sie zur Geheimhaltung der gekauften Teile oder der im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme hergestellten Rohrmuffen verpflichtet war; das Vorliegen einer solchen Verpflichtung widerspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung.
Da die Muster im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Anlage der Firma Politejo hergestellt wurden, ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiter der Firma die Muster untersuchen konnten und auch befugt gewesen wären, die Muster aufzuschneiden. Ob dies tatsächlich geschehen ist, ist für die Bewertung dessen, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, nicht relevant. Daher sind die Muster als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 anzusehen.
Die vom Beschwerdegegner zitierten Entscheidungen T 363/90 vom 25. Februar 1992 und T 1410/14 vom 14. Oktober 2015 sind nicht einschlägig. Die Entscheidung T 363/90 betrifft eine Maschine, die auf einer Ausstellung vorgestellt wurde und dem Beobachter nur eingeschränkt Einblick bot. Im Gegensatz dazu hatte die Öffentlichkeit im vorliegenden Fall im Prinzip unbeschränkten Zugang zu den von Herrn Deckert hergestellten Muffen.
Die Entscheidung T 1410/14 betrifft einen Fall, in dem der Öffentlichkeit nur wenig Zeit zur Verfügung stand, um eine Gelenksfunktion von einem öffentlich zugänglichen Standpunkt zu sehen. Im vorliegenden Fall bestand keine solche Beschränkung.
8.4 Bedienung der Anlage und Muffensteuerung
Die Einweisung und Schulung der Mitarbeiter der Firma Politejo betraf unzweifelhaft die Bedienung der umgebauten Anlage und die Muffensteuerung. Diese Elemente wurden den Mitarbeitern mündlich erklärt und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemäß Artikel 54 (2) EPÜ bildet auch eine rein mündliche Beschreibung vor dem Anmeldetag einen für die Patentfähigkeit relevanten Stand der Technik.
8.5 Andere mündlich offenbarte Inhalte
In Punkt 3 der eidesstattlichen Versicherung D2.14 beschreibt Herr Deckert mehrere Inhalte seiner mündlichen Offenbarung, nämlich:
- dass es bei der Herstellung des Muffenrohrs auf eine möglichst vollflächige Verschweißung der doppellagigen Wand bis in den Übergangsabschnitt der Muffe zum Wellrohr ankomme;
- dass Lufteinschlüsse im Übergangsabschnitt, der nicht herausgeschnitten wird, zu minimieren sind;
- dass die Entlüftung über die Entlüftungskanäle erfolgt, die von dem Übergangsabschnitt in den jeweils nächsten Wellenberg führen; und
- dass die Entlüftungskanäle im doppellagigen Übergangsabschnitt aufgrund der Ausnehmungen im Ringsteg der Muffenformbacken gebildet werden.
Die Kammer stellt fest, dass mehrere der Aussagen in der eidesstattlichen Erklärung sehr genau dem Wortlaut der Ansprüche des nunmehrigen Hauptantrags entsprechen. Da die Wortwahl vom Wortlaut der Ansprüche beeinflusst worden zu sein scheint, ist es möglich, dass die Aussagen nicht genau dem entsprechen, was Herr Deckert den Mitarbeitern der Firma Politejo mündlich mitgeteilt hat. Es ist auch denkbar, dass Herr Deckert eine nicht von ihm selbst verfasste Erklärung unterzeichnet hat, was auch dafür sprechen würde, dass sie nicht genau den Inhalt seiner mündlichen Ausführungen widerspiegelt.
Da die von Herrn Deckert genannten Punkte einerseits für die Patentfähigkeit der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche des Patents von ausschlaggebender Bedeutung sind und andererseits nur durch seine eidesstattliche Erklärung gestützt werden, ist die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der ein Angestellter der Beschwerdeführerin ist, entscheidend.
Diese Frage lässt sich nur durch eine erneute Einvernahme des Zeugen, ggf. unter Eid vor einem nationalen Gericht (siehe Regeln 119 und 120 EPÜ), klären. Diese Einvernahme sollte von der ersten Instanz durchgeführt werden, da sie schon die erste Einvernahme von Herrn Deckert vorgenommen hat.
9. Zurückverweisung an die erste Instanz
Aus den in Punkt 8.5 genannten Gründen erscheint es der Kammer angemessen, die Angelegenheit in Anwendung von Artikel 111 (1) EPÜ 1973 an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen, mit der Auflage, die Beweisaufnahme mit dem Zeugen Deckert fortzusetzen.
Angesichts der Sachlage sollte die Einspruchsabteilung die Möglichkeit in Betracht ziehen, in Anwendung von Regel 120 (2) und (3) EPÜ das zuständige deutsche Gericht um eine Vernehmung des Zeugen Deckert unter Eid zu ersuchen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen, mit der Auflage, die Beweisaufnahme mit dem Zeugen Deckert fortzusetzen.