T 1464/14 () of 9.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T146414.20181109
Datum der Entscheidung: 09 November 2018
Aktenzeichen: T 1464/14
Anmeldenummer: 04765834.9
IPC-Klasse: B42D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wertdokument mit verschiedenen Merkmalstoffen
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Bundesdruckerei GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Hauptantrags und der spät eingereichten Entgegenhaltungen (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2339/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 673 231 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 nicht erfinderisch sei und dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dem Erfordernis der Klarheit nicht genüge.

Sie hat dabei unter anderem die Druckschriften E12 (US 6,155,605) und E13 (DE 102 04 870 A1) berücksichtigt.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens (Schriftsatz vom 9. Oktober 2018) hat die Beschwerdegegnerin noch folgende Dokumente eingereicht:

D21: Wikipedia-Artikel zum Thema "Elektromagnetisches Spektrum" (3 Seiten);

D22: Auszug aus H. J. Eichler et al., "Das Neue Physikalische Grundpraktikum", Springer Verlag, 2001 (3 Seiten);

D23: WO 03/072682 A1.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 9. November 2018 stattgefunden.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, aufrechtzuerhalten.

Alle anderen im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereichten Anträge wurden von der Beschwerdeführerin am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurückgezogen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lauten wie folgt (für Anspruch 1 ist die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung in eckigen Klammern angegeben):

"1. [1] Wertdokument (10), insbesondere Banknote, mit einem Wertdokumentsubstrat (12) und zumindest zwei unterschiedlichen Merkmalsstoffen (16,14) zur Prüfung des Wertdokuments (10), wobei [2] ein erster (16) und ein zweiter (14) Merkmalsstoff voneinander unabhängige Codierungen (20, 22) bilden, [3] der zweite Merkmalsstoff (14) auf das Wertdokumentsubstrat (12) aufgebracht ist und [4a] der erste Merkmalsstoff (16) auf das Wertdokumentsubstrat (12) aufgebracht oder [4b] in das Volumen des Wertdokumentsubstrats (12) eingebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass [5] der erste (16) und der zweite (14) Merkmalsstoff mindestens eine charakteristische Eigenschaft für die Prüfung der Echtheit des Wertdokuments (10) aufweisen, und [6] durch einen Lumineszenzstoff oder eine Mischung aus Lumineszenzstoffen gebildet sind, [7a] die im infraroten Spektralbereich anregbar sind und [7b] im infraroten Spektralbereich emittieren, und dass [8] der erste (16) und der zweite (14) Merkmalsstoff Codierungen (20, 22) für die Erkennung des Werts des Wertdokuments (10) bilden, wobei [9] wenigstens eine Codierung (20, 22) in der Form der Emissions- und/oder Anregungsspektren, des ersten (16) und/oder zweiten (14) Merkmalsstoffes liegt."

"17. Verfahren zur Herstellung eines Wertdokument [sic] nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass der erste (16) und zweite (14) Merkmalsstoff voneinander unabhängige Codierungen (20, 22) bilden, wobei der zweite Merkmalsstoff (14) auf das Wertdokumentsubstrat (12) aufgebracht wird und der erste Merkmalsstoff (16) auf das Wertdokumentsubstrat (14) aufgebracht oder in das Volumen des Wertdokumentsubstrats (12) eingebracht ist."

"21. Verfahren zur Prüfung oder Bearbeitung eines Wertdokuments nach einem der Ansprüche 1 bis 16, bei dem die Echtheit des Wertdokuments (10) geprüft und eine Werterkennung des Wertdokuments (10) durchgeführt wird, indem mindestens eine charakteristische Eigenschaft des ersten (16) und/oder zweiten (14) Merkmalsstoffs zur Prüfung der Echtheit des Wertdokuments (10) verwendet wird und die durch den ersten (16) und/oder zweiten (14) Merkmalsstoff gebildete Codierung (20, 22) zur Werterkennung des Wertdokuments (10) verwendet wird."

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) trug Folgendes vor:

a) Zulässigkeit des Hauptantrags

Der Antrag solle zugelassen werden. Er stelle eine direkte Reaktion auf die Mitteilung der Beschwerdekammer dar. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass die Druckschrift E12 den sichtbaren Spektralbereich offenbare. Dieser Bereich sei nun ausgeklammert worden. Die Reaktion sei innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist erfolgt. Darüber hinaus sei der Anspruch 1 durch die Streichung einer Alternative eingeschränkt worden. Die Änderungen seien somit überschaubar; niemand sei überrascht worden.

Die Änderung habe kein Aliud geschaffen, das eine Recherche in eine neue Richtung erforderlich gemacht hätte. Die Diskussion über die Anregbarkeit der Emission sei schon lange im Zentrum der Debatte gewesen.

Das Konvergenzkriterium der Rechtsprechung sei hier klar erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe als direkte Reaktion auf den Bescheid der Kammer ein Merkmal gestrichen. Es könne nicht von einem Ping-Pong-Spiel gesprochen werden. Vor dem Bescheid der Kammer war durchaus strittig, ob der sichtbare Spektralbereich in der Druckschrift E12 offenbart sei. Die Offenbarung in der Druckschrift E12 sei kein einziges, zusammenhängendes Ausführungsbeispiel. Die Offenbarung des sichtbaren Spektralbereichs finde sich in der Beschreibung des allgemeinen Hintergrunds der Erfindung und habe mit den Ausführungsbeispielen nichts zu tun. Die Mitteilung der Kammer habe eine Reaktion erforderlich gemacht. Die Beschwerdeführerin habe nicht nach patentierbarer Materie gefischt, sondern nur ein Merkmal gestrichen. Darüber sei der Antrag im Juli, also mehrere Monate vor der mündlichen Verhandlung, eingereicht worden. Der neue Gegenstand sei nicht überraschend und mache auch keine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich.

Das Argument, dass keine zusätzliche Recherche möglich war, geht ins Leere, da bereits eine Vielzahl von Druckschriften des Stands der Technik im Verfahren sei.

b) Zulässigkeit der Druckschriften D21 bis D23

Die Einreichung dieser Druckschriften sei verspätet; die Druckschriften sollten daher nicht zugelassen werden. Der Fachmann würde die Druckschriften E12 und D23 nicht kombinieren; das Argument der Beschwerdegegnerin beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Deshalb sei die Druckschrift D23 nicht prima facie relevant. Es handle sich um ein ganz anderes technisches Gebiet (Chemie), die stark auf chemische Aspekte abstelle. Das Patent hingegen betreffe Codierungen. Der Fachmann würde die Lösung der technischen Aufgabe (Schaffung eines verbesserten Wertdokuments mit geringem technischen Aufwand) eher auf dem Gebiet der Informationstechnik suchen, aber nicht auf dem Gebiet der Chemie. Darüber hinaus sei in der Druckschrift D23 das Merkmal 8 nicht offenbart.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Druckschrift D23 prima facie relevant sei, weil es darin um die stofflichen Eigenschaften gehe, sei unzutreffend. Dieses Argument setze die Kenntnis der Erfindung voraus. Der Ansatz sei falsch und Ausdruck einer rückschauenden Betrachtungsweise.

c) Unterscheidungsmerkmale und technische Wirkungen

Der Gegenstand des Antrags sei neu und erfinderisch.

Es sei nicht erforderlich, den Anspruch 1 im Lichte der Beschreibung auszulegen. Der Begriff "Wert des Wertdokuments" sei im Rahmen der Codierung klar: es handle sich nicht nur um den numerischen Wert (10, 20 oder 100), sondern auch um die Art der Währung (z.B. Euro oder Lira). Die Codierung sei im Rahmen der Informationstechnik zu sehen. Es handle sich um das informationstechnische Einbringen des Werts des Wertdokuments, also um etwas, das viel spezifischer sei als die Offenbarung des Standes der Technik. Die Druckschrift E12 erlaube nur die Unterscheidung zwischen "ist es da?" und "ist es nicht da?". Das sei aber keine Codierung. Ein Code bestehe in der Regel aus mehreren Zahlen (z.B. der Code für einen Tresor oder ein vierstelliger PIN-Code) und gehe über ein binäres Ja/Nein hinaus. Damit könne man nicht den Wert eines Wertdokuments bestimmen. Wenn die Druckschrift E12 etwas codiere, dann nicht über die stofflichen Eigenschaften, sondern mit einem Barcode. Im Patent gebe es auch Barcodes, aber der Unterschied liege darin, dass dies eine zusätzliche Variante sei: mit den beanspruchten Stoffen könne man ggf. auch Barcodes ausformen. Die Druckschrift E12 zeige das eben nicht. Die Erfindung bestehe nicht in neuen Materialien, sondern in ihrer geschickten Verwendung. Es sei nicht klar, was den Fachmann veranlassen solle, in die Richtung der stofflichen Eigenschaften zu gehen.

Die Unterscheidungsmerkmale bestünden darin, dass (1) der IR-Spektralbereich offenbart sei und dass (2) gar keine Codierung für die Erkennung des Werts des Wertdokuments (z.B. Wert und Währung : 100 ¤) im Sinne von Merkmal 8 vorliege.

Die entsprechenden technischen Effekte lägen darin, dass (1) der Fälscher gar nicht erkenne, dass ein Sicherheitsmerkmal vorhanden sei, da es dem unbewaffneten Auge nicht zugänglich sei, und dass (2) nicht nur binäres Codieren möglich sei.

Die technischen Aufgaben lägen darin, die Fälschungssicherheit zu erhöhen und den Anwendungsbereich des Wertdokuments zu erweitern, also z.B. eine vollautomatische Erkennung bezüglich der Höhe oder des Werts zu ermöglichen. Es sei also möglich, ein Wertdokument mit reicherem Informationsgehalt bereitzustellen.

Die Offenbarung in Spalte 12 der Druckschrift E12 sei nicht einschlägig, da dort die IR-Anregung nicht offenbart sei. Die dort genannte Denomination sei der numerische Wert, der per se noch nicht den Wert des Wertdokuments offenbare.

Zur Offenbarung der Spalte 11, ab Zeile 26, der Druckschrift E12 erklärte die Beschwerdeführerin, dass der erste Absatz gar nicht auf Lumineszenz eingehe und nur feststelle, dass typischerweise die physikalische Eigenschaft dem unbewaffneten Auge verborgen bleibe (Zeilen 34 und 35). Das Sortieren sei wohl so zu verstehen, dass zwischen echten und gefälschten Banknoten unterschieden werde. Von Lumineszenz sei nicht die Rede, sondern vielmehr von magnetischen Eigenschaften.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bestehe darin, dass jeweils im ersten und im zweiten Merkmalsstoff Codierungen bestünden. Der technische Effekt liege auch hier darin, dass der Datenträger reichhaltiger werde.

Die Unterscheidungsmerkmale würden synergetisch zusammenwirken. Es gebe zwei Aufgaben (Fälschungssicherheit und Reichhaltigkeit des Datenträgers), wobei in der zweiten Aufgabe mehrere Unterscheidungsmerkmale zusammenwirken (Wert des Wertdokuments, mehrere Codierungen).

d) Naheliegen

Der Fachmann sei ein "Feinmechaniker", also ein Maschinenbauer, der nicht im Anlagenbau arbeite, sondern im engeren Bereich der Wertdokumente, und der mit den Feldern, die für diese Technik relevant sind (insbesondere Substrate, Schichtenaufbau, Lumineszenzstoffe und Drucktechnik) vertraut ist.

Die Beschwerdegegnerin habe nur aufgezeigt, dass der Fachmann zur Erfindung gelangen könnte, aber nicht, dass er zu ihr gelangen würde.

i) Aktivierung und Nachweis ohne technische Hilfsmittel

Nach dem Hinweis auf Barcodes in Spalte 2, Zeile 60, der Druckschrift E12 sei offenbart, dass es in diesem Kontext um die magnetischen Eigenschaften gehe, die tatsächlich ohne technische Hilfsmittel nicht detektierbar sind. Es gebe hier keinen Hinweis auf Lumineszenzstoffe. Der Fachmann habe keinerlei Veranlassung, in diese Richtung zu arbeiten. Er würde die Druckschrift E12 tatsächlich nicht mit der Druckschrift D23 kombinieren, da es eine Hürde gebe. Im Kontext der Erfindung werde exklusiv im Infraroten gearbeitet; in der Druckschrift E12 werde immer die Kombination des infraroten und des sichtbaren Spektralbereichs in Betracht gezogen. Insofern gebe es keine "Brücke" zwischen den Druckschriften E12 und D23. Als stützendes Indiz sei zu werten, dass die beiden Druckschriften zu völlig verschiedenen IPC-Klassen gehören. Die Druckschrift D23 interessiere sich für chemische Eigenschaften. Bezüglich der Offenbarung zu Anti-Stokes-Materialien in der Druckschrift E12 sei anzumerken, dass dort ständig von der Emission im sichtbaren Spektralbereich geredet werde. Der Fachmann würde sich gar nicht für Anti-Stokes-Materialien interessieren, da diese Materialien in der Druckschrift E12 immer als im Sichtbaren emittierende Materialien dargestellt werden. Die Druckschrift E12 gebe vielmehr die Richtung der magnetischen Codierungen vor.

ii) Reicherer Informationsgehalt

Die Beschwerdegegnerin habe nicht einmal ansatzweise gezeigt, dass die Lösung dieser Teilaufgabe naheliege. In der Druckschrift E12 gehe es um Authentifizierung im Sinne von Ja/Nein-Entscheidungen zum Aussortieren, und nicht um die Erweiterung des Informationsgehalts.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) trug Folgendes vor:

a) Zulässigkeit des Hauptantrags

Der Antrag solle nicht zugelassen werden. Das geänderte Merkmal sei schon in der Beschwerdeerwiderung im Hinblick auf die Druckschrift E12 angegriffen worden. Die Beschwerdeführerin hätte genug Zeit gehabt, den Antrag schon früher rein vorsorglich einzureichen. Es war schon früh klar, dass eine Einschränkung gegenüber der Lehre der Druckschrift E12 erforderlich sein könnte. Das Beschwerdeverfahren dürfe nicht zu einer Art von Ping-Pong-Spiel werden, in dem die Patentinhaberin ständig Merkmale zur weiteren Abgrenzung nachlege. Es sei nicht Sinn und Zweck einer Beschwerdeverhandlung, Merkmale aus der Beschreibung aufzunehmen, um nach und nach Fehler zu beheben.

Bei der Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung stelle sich immer die Frage, ob die Einsprechende verpflichtet sei, eine neue Recherche durchzuführen. Die Einreichung des Antrags sei in der Urlaubszeit erfolgt, weshalb es nicht möglich war, fähige Rechercheure zu finden bzw. eine vollständige Recherche durchzuführen. Vor Einreichung des Antrags, habe kein Anlass bestanden, im IR anregbare Substanzen zu recherchieren, da die andere Alternative (Anregung durch sichtbares Licht) unzweifelhaft in der Druckschrift E12 offenbart war. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin auf Spalte 6 der Druckschrift E12, wo im konkreten Ausführungsbeispiel von der Anregung durch ein Blitzlicht die Rede sei.

b) Zulässigkeit der Druckschriften D21 bis D23

Es gehe im Gegenstand von Anspruch 1 um stoffliche Eigenschaften. Die Druckschrift D23 sei daher prima facie relevant.

Die Werterkennung sei in Absatz [0006] des Patents definiert. Aus dieser Definition gehe hervor, dass jede Information als "Wert" verstanden werden könne. Die Erfindung sei nicht auf Banknoten beschränkt. Die Markierungen der Druckschrift D23 seien daher Codierungen im Sinne des Patents; der Druckschrift könne die Relevanz nicht abgesprochen werden.

Die Druckschrift D23 sei erst jetzt eingereicht worden, da es bisher gar keine Veranlassung zu ihrer Einreichung gegeben hätte. Erst durch die Aufnahme des Merkmals aus der Beschreibung sei ihre Lehre besonders relevant geworden. Ein anderes Vorgehen wäre nicht verfahrensökonomisch aus der Sicht der Beschwerdegegnerin gewesen.

c) Unterscheidungsmerkmale und technische Wirkungen

Die Druckschrift E12 offenbare alle Merkmale von Anspruch 1. Die Beschwerdegegnerin könne der vorläufigen Auffassung der Kammer, dass nicht beide Codierungen Codierungen des Wertes seien, nicht zustimmen. Der Begriff des "Werts eines Wertdokuments" sei im Zusammenhang mit der Definition der Werteerkennung im Patent als Erkennung einer codierten Information auszulegen. Der "Wert" sei also als codierte Information zu deuten. Merkmal 9 verlange, dass eine der Codierungen in der Form der Spektren liege. Ein Merkmalstoff, der diese Stoffeigenschaft aufweise, beinhalte somit automatisch eine codierte Information. Die Druckschrift E12 offenbare aber die Suche nach einem charakteristischen Spektrum. Für das LSE Merkmal sei die Ausformung als Barcode offenbart, wodurch auch eine Information bezüglich des Wertdokuments codiert werde. Die Patentinhaberin habe eine breite Auslegung des Begriffs Werteerkennung angestrebt und sei dadurch gebunden. Deshalb sei auch das Merkmal 8 in der Druckschrift E12 vollständig offenbart.

Bezüglich der Offenbarung der Anregung einer IR-Emission verwies die Beschwerdegegnerin auf Spalte 1, Zeilen 36ff. der Druckschrift E12. Im darauffolgenden Absatz sei von Anti-Stokes Materialien die Rede, die im Infraroten angeregt werden und im Sichtbaren emittieren. Das Patent setze aber die Schwelle des Sichtbaren bei 750 nm an, im Gegensatz zur Stand der Technik (siehe die Dokumente D21 und D22), der die Grenze bei 780 nm ansetze. Insofern sei eigentlich explizit offenbart, dass die Emission bei einer Anti-Stokes-Anregung in einem Bereich stattfinde, den das Patent als zum Infraroten gehörig betrachte. Damit fehle dem Anspruch 1 die Neuheit gegenüber der Druckschrift E12.

Das Merkmal 9 verlange nur eine Codierung in Form der stofflichen Eigenschaften. Ein Barcode sei nicht beansprucht. Absatz [0021] des Patents mache klar, dass es sich um eine zusätzliche Option handle. Es sei auch nur gefordert, dass eine solche Codierung vorliege.

Die Druckschrift E12 beschreibe explizit in Spalte 12, Zeilen 6 und 7 eine Ausführungsform, in der unterschiedliche Denominationen durch unterschiedliche Merkmalsstoffe identifiziert werden. Es handle sich hier um eine Codierung über den Stoff.

Die von der Beschwerdeführerin definierte technische Aufgabe treffe das Unterscheidungsmerkmal nicht. Die Anregung im Infraroten habe mit einem höheren Informationsgehalt nichts zu tun. Man könne die Offenbarung der Druckschrift E12 auf zwei Arten sehen: entweder gebe es vorher schon eine Emission im Infraroten, und die Anregung sei ins Infrarote zu verschieben, oder man gehe von der Offenbarung des Anti-Stokes-Materials aus und die Emission sei ins Infrarote zu bringen. In letzterem Fall bestünde die Aufgabe darin, das Sicherheitsmerkmal unsichtbar zu machen.

Ganz allgemein, sei festzustellen, dass in Spalte 4, ab Zeile 30, der Druckschrift E12 offenbart sei, dass die beiden Einheiten nebeneinander vorgesehen werden können. Damit sei offenbart, dass es zwei mit unterschiedlichen Merkmalsstoffen hergestellte Barcodes gebe. Wenn zwei Barcodes vorhanden seien, ließe sich damit eine Werterkennung durchführen.

Auf die Frage der Kammer, wo das Merkmal 8 in der Druckschrift E12 konkret offenbart sei, verwies die Beschwerdegegnerin auf die Offenbarung, dass das HSE-Merkmal zur Sortierung verwendet werde (siehe Figur 2 und die zugehörige Beschreibung). Dort werde die Codierung durch das Merkmal mit den geforderten stofflichen Eigenschaften erreicht. Zusätzlich gebe es entweder ein LSE- oder ein HSE-Merkmal, das nicht zum Sortieren verwendet werde. Im Sinne der Druckschrift E12 gebe es sogar zwei Merkmalsstoffe mit unterschiedlichen Charakteristiken in dem einen HSE, die dazu verwendet werden könnten, um darüber die Codierung auszuführen.

Anspruch 1 verlange nicht, dass der erste und der zweite Merkmalsstoff Codierungen beinhalten, sondern dass sie Codierungen bilden.

d) Naheliegen

Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehle es zumindest an der erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Lehre der Druckschrift E12.

Der Fachmann sei nicht ein Maschinenbauer, sondern ein Physiker mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Spektroskopie und im Bereich der Sicherheitselemente.

i) Aktivierung und Nachweis ohne technische Hilfsmittel

Im allgemeinen Teil der Druckschrift E12 finde der Fachmann bereits einen Hinweis auf Anti-Stokes-Materialien, die im Infraroten angeregt werden und im Sichtbaren emittieren (Spalte 1, Zeile 47). Somit sei der Fachmann schon dazu angeregt, die Anregung im Infraroten in Betracht zu ziehen. In Spalte 2, Zeile 59, sei offenbart, dass Barcodes nur dann zu mehr Sicherheit führen, wenn sie vollständig verborgen werden können. Der Fachmann würde daher danach trachten, auch die Emission unsichtbar zu machen. Er würde die Druckschrift D23 heranziehen, die zu demselben technischen Gebiet gehört und würde dort im letzten Absatz der Seite 2 auf die Lösung stoßen, eine Materialkomposition zu verwenden, das nur im Infraroten emittiert (z.B. Tabelle, Beispiele 2 bis 4).

Der Hinweis auf magnetische Codes in der Spalte 2, Zeilen 60ff., sei negativ formuliert. Es handle sich deshalb nicht um eine Anregung, magnetische Codierungen zu verwenden.

Die Beschwerdegegnerin merkte darüber hinaus an, dass der Wortlaut von Anspruch 1 nicht verlangt, dass die Emission ausschließlich im Infraroten emittieren.

ii) Reicherer Informationsgehalt

Der Fachmann erhalte den entscheidenden Hinweis bereits in der Druckschrift E12, da dort vorgeschlagen wird, zwei HSE-Elemente zu kombinieren, wodurch der Informationsgehalt erhöht werde.

Entscheidungsgründe

1. Anzuwendendes Recht

Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, wurde am 5. Oktober 2004 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) die Artikel 54 und 56 EPÜ 1973 anzuwenden.

2. Zulässigkeit des Hauptantrags

Der nunmehrige Hauptantrag wurde (als Hilfsantrag 1a) erstmals mit dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 16. Juli 2018 eingereicht. Seine Zulässigkeit wurde von der Beschwerdegegnerin bestritten.

Die Kammer hat Verständnis für das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Einreichung der Hilfsanträge inmitten der Sommerferien eine zeitgerechte Recherche erschwert hatten. Es bestand aber auch noch nach dem Ende der Sommerpause genügend Zeit, um eine solche Recherche nachzuholen, zumal nicht die ganze Erfindung, sondern lediglich ein konkretes Merkmal zu recherchieren war. Dieses Argument kann also eine Nichtzulassung des Antrags nicht rechtfertigen.

Die Beschwerdegegnerin hat den Antrag auch als verspätet beanstandet und darauf hingewiesen, dass bereits seit der Beschwerdeerwiderung durch die Beschwerdegegnerin Anlass bestand, einen entsprechenden Antrag einzureichen.

Auch dieses Argument hat die Kammer nicht überzeugt. Der Einwand, der zur Einreichung des Hauptantrags führte, war erstmals in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK erhoben worden. Die Beschwerde-erwiderung enthält keinen entsprechenden Einwand. Dies war auch nicht zu erwarten, da ein Anspruch mit einem Merkmal betreffend die Anregbarkeit der Lumineszenz erstmals mit dem damaligen Hilfsantrag 1a als Antwort auf die Beschwerdeerwiderung (mit dem Schriftsatz vom 25. März 2015) eingereicht worden war.

Die Kammer betrachtet die Einreichung des nunmehrigen Hauptantrags als legitime Reaktion auf einen Einwand der Kammer, der erstmals in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK erhoben wurde. Daraus ergibt sich, dass der Antrag nicht als verspätet zu betrachten ist.

Der Hauptantrag ist somit zulässig.

3. Zulässigkeit der Druckschriften D21 bis D23

Die Druckschriften D21 und D22 sind als Nachweis des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns zu betrachten und als solcher zuzulassen.

Die Druckschrift D23 betrifft eine gewisse Kategorie von fluoreszierenden Materialien, die auch in der als nächster Stand der Technik genannten Druckschrift E12 erwähnt werden, und von denen die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat, dass ihre Verwendung den Gegenstand von Anspruch 1 nahelege. Das Argument ist auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. Die Druckschrift ist daher als prima facie relevant zu betrachten, ungeachtet dessen, wie die Kammer nach eingehender Prüfung die Frage beantwortet, ob der Fachmann die Druckschriften E12 und D23 tatsächlich kombiniert hätte, um die objektive technische Aufgabe zu lösen. Letztere Frage ist im Zusammenhang mit dem Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1 zu untersuchen, für die Zulassung der Druckschrift D23 hingegen nicht entscheidend.

In Anbetracht der Sachlage hat die Kammer die Druckschriften D21 bis D23 in das Verfahren zugelassen.

4. Anspruchsauslegung

4.1 Merkmal 2: "unabhängige Codierungen"

Dem allgemeinen Wortsinn nach sind zwei Dinge voneinander unabhängig, wenn sie für sich bestehen und nicht voneinander beeinflusst oder bestimmt werden. Die Beschwerdeführerin hat auf den dritten Absatz auf Seite 7 der ursprünglichen Anmeldung (Absatz [0023] des Streitpatents) verwiesen und dargelegt, dass die Unabhängigkeit so zu deuten sei, dass die Codierungen nicht gemeinsam auf bzw. in demselben Bereich des Wertdokuments eingebracht sind. Die Kammer kann sich dieser Deutung nicht anschließen, da es einerseits nicht erforderlich ist, die Beschreibung zur Deutung heranzuziehen, und andererseits auch Absatz [0023] nur lehrt, dass die Unabhängigkeit "vorzugsweise" so zu deuten sei. Die Kammer hält daher an einer breiteren Auslegung des Merkmals fest.

4.2 Merkmale 7a und 7b

Gemäß diesen Merkmalen werden die Merkmalsstoffe des erfindungsgemäßen Wertdokuments von Lumineszenzstoffen gebildet, die im infraroten Spektralbereich anregbar sind und auch in diesem Bereich emittieren. Beide Parteien haben dies so verstanden, dass die Lumineszenzstoffe ausschließlich im infraroten Spektralbereich angeregt werden und emittieren, und haben ihre Argumente zum Beitrag dieses Merkmals zur erfinderischen Tätigkeit entsprechend formuliert. Die Kammer legt ihrer Entscheidung daher dieses Verständnis der Merkmale 7a und 7b zugrunde.

4.3 Merkmal 8: "Codierungen"

Die Kammer kann sich dem Argument der Beschwerdeführerin, dass die Verwendung der Mehrzahl betreffend die Codierungen im Merkmal 8 bedeute, dass in jedem Merkmalsstoff mehrere Codierungen bestünden, nicht anschließen. Das Merkmal verlangt nur, dass "der erste und der zweite Merkmalsstoff Codierungen ... bilden". Dies umfasst auch den Fall, dass jeder Merkmalsstoff für sich nur eine Codierung bildet.

4.4 Merkmal 8: "Wert des Wertdokuments"

Absatz [0006] des Patents offenbart Folgendes:

"Unter Werterkennung wird ... im Rahmen der vorliegenden Erfindung die Auswertung einer codiert vorliegenden Information für einen bestimmten Nutzerkreis verstanden. Die codierte Information kann bei einer Banknote beispielsweise die Denomination, die Währung, die Serie, das Ausgabeland oder andere Ausstattungsmerkmale der Banknote darstellen."

Der Verfasser der Patentanmeldung hat hier klar zum Ausdruck gebracht, dass der Begriff "Wert" nicht im Sinn der "einer Sache innewohnende[n] Qualität, aufgrund deren sie in einem gewissen Maße begehrenswert ist" (Duden) zu verstehen ist, sondern ganz allgemein im Sinne einer konkreten Information betreffend das Wertdokument.

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass der Wert notwendigerweise zwei Informationen umfasse, nämlich einerseits den numerischen Wert (also z.B. 100) und andererseits die Einheit (z.B. "Euro"). Die Kammer kann sich dieser Deutung nicht anschließen, da sie impliziert, dass das Wertdokument eine Banknote ist. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist aber nicht auf Banknoten beschränkt.

5. Neuheit gegenüber der Druckschrift E12

Es bestand Einigkeit darüber, dass in der Druckschrift E12 dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 besondere Bedeutung zukommt. Es handelt sich dabei um eine Sortiervorrichtung für Banknoten 2. Eine Lichtquelle bestrahlt die Banknote in dem Bereich, in dem das lumineszierende Identifikationsmaterial erwartet wird. Die Lumineszenzintensität und die Verzögerung werden von einem ersten Detektor 3A erfasst. Ein Detektor 3B erkennt das Vorhandensein eines binär codierten magnetischen Materials im gleichen Bereich. All diese Informationen werden mit einer Nachschlagetabelle verglichen, wodurch das Ziel (Behälter 10 oder 12) der Banknote bestimmt und somit die Sortierung veranlasst wird.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Beschwerdeführerin machte mehrere Unterschiede geltend, nämlich:

- die Anregbarkeit und Emission der Lumineszenzstoffe im Infraroten (Merkmale 7a und 7b); und

- das Vorhandensein von mehreren Codierungen (anstatt nur einer Codierung) für die Erkennung des Werts des Wertdokuments (anstatt der bloßen Erkennung des Wertdokuments) (Merkmal 8).

5.1 Anregung und Emission im Infraroten

Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 enthält keine Offenbarung der konkreten Lumineszenzeigenschaften, sondern beschränkt sich auf die Offenbarung, dass lumineszierende Materialien verwendet werden können. Der Hinweis auf die Offenbarung von Spalte 1, Zeilen 37 bis 48) führt zu keinem anderen Ergebnis, da es sich um eine Offenbarung im Rahmen der Beschreibung des technischen Hintergrunds der Erfindung handelt, die nicht direkt und eindeutig mit der Offenbarung zum Ausführungsbeispiel zusammengelesen werden kann.

Auch das Argument, das sich darauf stützt, dass das Patent den Bereich der Wellenlängen zwischen 750 und 780 nm als zum infraroten Spektralbereich gehörig versteht (siehe Absatz [0016]), wohingegen dieser Bereich in der Regel als dem tiefroten sichtbaren Bereich zugeordnet wird, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Druckschrift E12 nicht offenbart, dass die dort genannten Anti-Stokes-Materialien innerhalb dieses Bereichs emittieren. Eine Emission im Infraroten, selbst wenn dieser Bereich im Sinne des Patents verstanden wird, ist somit nicht offenbart.

Daher ist festzustellen, dass das Ausführungsbeispiel der Figur 2 die Merkmale 7a und 7b nicht offenbart.

5.2 Mehrzahl von Codierungen

Angesichts der Deutung des Merkmals durch die Kammer (siehe Punkt 4.3) kann die Kammer hier kein weiteres Unterscheidungsmerkmal erkennen.

5.3 Erkennung des Werts des Wertdokuments

Im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 ist nur die Verwendung eines lumineszierenden (also HSE) Elements in Verbindung mit magnetischem Material offenbart.

Die Druckschrift E12 offenbart unzweifelhaft, dass mehrere HSE vorgesehen sein können (Spalte 3, Zeilen 27 bis 28: "at least one ... HSE"), aber diese Offenbarung betrifft nur eine allgemeine Möglichkeit und ist daher nicht unmittelbar und eindeutig in Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel offenbart. Auch die Verwendung von zwei Lumineszenzstoffen in der Banknote 20 der Figur 1 ist nicht unmittelbar mit der Offenbarung zur Vorrichtung gemäß der Figur 2 in Verbindung zu bringen. Es ist nicht abwegig, die magnetische Codierung der Banknote 2 als Codierung für die Erkennung des Werts des Wertdokuments (siehe dazu Punkt 4.4) zu deuten, aber dieser Merkmalstoff ist nicht ein Lumineszenzstoff oder eine Mischung aus Lumineszenzstoffen.

Die Kammer ist deshalb zum Schluss gelangt, dass das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 2 der Druckschrift E12 auch das Merkmal 8 (in Verbindung mit dem Merkmal 6) nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

5.4 Ergebnis

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift E12.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Ausgangspunkt

Die Beschwerdegegnerin hat das Ausführungsbeispiel gemäß der Druckschrift E12 als Ausgangspunkt für ihre Einwände betreffend die mangelnde erfinderische Tätigkeit gewählt. Die Kammer betrachtet diese Wahl als vernünftig und sieht keinen Grund, davon abzuweichen.

6.2 Unterschiede

Wie unter Punkt 5. dargelegt wurde, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 dadurch von der Offenbarung des Ausführungsbeispiels der Figur 2, dass der erste und der zweite Merkmalsstoff durch Lumineszenzstoffe gebildet sind, die im infraroten Spektralbereich anregbar sind und im infraroten Spektralbereich emittieren, und Codierungen für die Erkennung des Werts des Wertdokuments bilden.

Im genannten Ausführungsbeispiel ist nur allgemein von Lumineszenzelementen die Rede; nur ein solches Element bildet eine Codierung für die Werterkennung.

6.3 Objektive technische Aufgaben

6.3.1 Verwendung zweier Codierungen

Die Kammer macht sich die Definition der Aufgabe durch die Beschwerdeführerin zu eigen, der zufolge dieses Unterscheidungsmerkmal es erlaubt, ein Wertdokument mit reicherem Informationsgehalt zu erhalten.

6.3.2 Anregung und Emission im Infraroten

Die Kammer kann sich dem Argument, dass dieses Merkmal die Aufgabe löst, das Sicherheitsmerkmal unsichtbar zu machen, nicht anschließen, da diese Formulierung der Aufgabe nur einem der beiden Aspekte der Merkmale 7a und 7b, nämlich der Emission im infraroten Spektralbereich, gerecht wird. Die Anregbarkeit im Infraroten hingegen wird von dieser Aufgabenstellung nicht zufriedenstellend erfasst. Daher ist die Kammer zur Auffassung gelangt, dass die gelöste Aufgabe auch darin besteht, die Aktivierung des Merkmalsstoffes und seinen Nachweis durch den Menschen ohne technische Hilfsmittel unmöglich zu machen.

6.3.3 Synergie?

Im Hinblick auf die von den verschiedenen Unterscheidungsmerkmalen gelösten Aufgaben ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass keine synergetische Wirkung vorliegt. Die Aufgaben sind daher als unabhängige Teilaufgaben aufzufassen und im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit getrennt zu untersuchen.

6.4 Naheliegen

6.4.1 Verwendung zweier Codierungen

Dieses Unterscheidungsmerkmal ist ungeeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen, da der Fachmann verstehen würde, dass die Aufgabe, ein Wertdokument mit reicherem Informationsgehalt zu erhalten, dadurch gelöst werden kann, dass, wie in der Druckschrift E12 selbst vorgeschlagen wird, mehrere HSE-Einheiten verwendet werden.

6.4.2 Anregung und Emission im Infraroten

In Spalte 1, Zeilen 45 bis 48, offenbart die Druckschrift E12 verschiedene Lumineszenzstoffe, insbesondere (i) Materialien, die im Sichtbaren angeregt werden und emittieren, (ii) Materialien, die im Sichtbaren angeregt werden und im Infraroten emittieren und (iii) Materialien, die im Infraroten angeregt werden und im sichtbaren Spektralbereich emittieren (sogenannte "Anti-Stokes"-Materialien). Der Fachmann würde verstehen, dass die Verwendung von Anti-Stokes-Materialien es erlaubt, einen Teilaspekt der zweiten objektiven technischen Teilaufgabe zu lösen, da die Anregung der Lumineszenz dieser Materialien technische Hilfsmittel wie IR-Lampen erfordert. Der Fachmann würde allerdings auch sehen, dass der zweite Teilaspekt nicht gelöst wird, da die Emission bei den offenbarten Anti-Stokes-Materialien im sichtbaren Spektralbereich stattfindet und daher durch das bloße Auge, d.h. ohne technische Hilfsmittel, nachgewiesen werden kann. Der fachmännische Leser würde daher die Verwendung von Anti-Stokes-Materialien nicht weiter verfolgen, da alle Hinweise auf diese Materialien in der Druckschrift E12 mit der Bemerkung versehen sind, dass diese Materialien im sichtbaren Spektralbereich emittieren (siehe Spalte 1, Zeilen 47 und 48, sowie Spalte 8, Zeile 52).

Die Druckschrift D23 befasst sich mit Anti-Stokes-Fluoreszenzstoffen, deren Emission im sichtbaren Spektralbereich deutlich oder sogar vollständig reduziert ist.

Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zu, dass eine Kombination der Lehren der Druckschriften E12 und D23 den Fachmann zum Gegenstand von Anspruch 1 führen könnte. Es wurde jedoch nicht überzeugend dargelegt, dass der Fachmann angesichts der Offenbarung der Druckschrift E12 und auf der Suche nach einer Lösung der objektiven technischen Aufgabe auf die Druckschrift D23 zurückgreifen würde. Die Druckschrift E12 erwähnt zwar die Anti-Stokes-Materialien, aber in einer Weise, die nicht dazu einlädt, diese Materialien zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe zum Einsatz zu bringen. Daher hat der Fachmann keinen Anlass, sich weiter für diese Materialien zu interessieren und sich die Frage zu stellen, ob es Anti-Stokes-Materialien gibt, die ausschließlich im Infraroten emittieren. Wie die gefestigte Rechtssprechung wiederholt festgestellt hat (Schlagwort: "could-would"-Ansatz), ist es nicht ausschlaggebend, ob ein Fachmann zum Gegenstand des Patents hätte gelangen können, sondern vielmehr, ob er es in der Hoffnung auf eine Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe bzw. gerade in der Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte (siehe die "Rechtsprechung der Beschwedekammern des EPA", 8. Auflage, Juli 2016, Punkt I.D.5). Letzteres kann hier nicht bejaht werden.

Es wurde auch weder behauptet noch dargelegt, dass es Teil des allgemeinen Fachwissens ist, dass es Anti-Stokes-Materialien gibt, die ausschließlich im Infraroten emittieren. Die Druckschrift D23 ist eine internationale Patentanmeldung und kann nicht als Teil des allgemeinen Fachwissens angesehen werden (siehe die "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, Juli 2016, Punkt I.C.2.8.2).

Die Kammer stellt daher fest, dass nicht überzeugend dargelegt wurde, dass der Fachmann, der von der Offenbarung der Druckschrift E12 ausgeht und sich die Aufgabe stellt, die Aktivierung des Merkmalsstoffes und seinen Nachweis durch den Menschen ohne technische Hilfsmittel unmöglich zu machen, ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.

Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 als erfinderisch anzusehen.

Die erfinderische Tätigkeit der unabhängigen Ansprüche 17 und 21 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht weiter angegriffen.

6.5 Ergebnis

Der Hauptantrag entspricht den Erfordernissen des EPÜ.

Einer Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage dieses Antrags steht somit nichts im Wege.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung:

Seiten 2 und 4 bis 6 der Patentschrift.

Seite 3 der Patentschrift, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2018.

- Ansprüche 1 bis 28 des Hauptantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2018.

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 4 der Patentschrift.

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