T 1241/14 () of 8.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T124114.20200608
Datum der Entscheidung: 08 Juni 2020
Aktenzeichen: T 1241/14
Anmeldenummer: 08773840.7
IPC-Klasse: H02P7/00
H02P7/29
H02P7/28
B25F5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ansteuervorrichtung für einen Elektromotor
Name des Anmelders: Marquardt GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Europäische Patentanmeldung Nr. 08 773 840.7 zurückgewiesen worden ist.

Die Prüfungsabteilung war zu der Auffassung gelangt, dass die vor ihr anhängigen Ansprüche 1, 5, 9 und 10 nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ sind. Außerdem sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine Zusammenschau der Dokumente D1 und D2, gegebenenfalls unter Rückgriff auf Dokument D6, nahegelegt.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der gemeinsam mit der Beschwerdebegründung eingereichten Patentansprüche 1 bis 11.

III. In einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, sie schließe sich der Prüfungsabteilung weder hinsichtlich des Einwands mangelnder Klarheit, noch hinsichtlich des Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit an. Jedoch sei mit Anspruch 11 ein zweiter unabhängiger Anspruch derselben Kategorie anhängig, der einer Erteilung entgegenstehe.

IV. Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 bis 11 ein, wobei Anspruch 11 als von Anspruch 1 abhängig formuliert worden ist.

V. In einer telefonischen Rücksprache vom 8. April 2020 teilte der Berichterstatter dem Vertreter der Beschwerdeführerin mit, der Anspruch 11 in der Fassung vom 15. Juli 2019 sei nicht gewährbar.

VI. Mit Schreiben vom 8. April 2020 erklärte die Beschwerdeführerin, ihren Antrag vom 15. Juli 2019 durch die Streichung des Anspruchs 11 abzuändern.

VII. Die folgenden von der Prüfungsabteilung genannten Dokumente sind für die Entscheidung relevant:

D1 : EP 1 800 802 A1

D2 : DE 10 2004 008394 A1

D6 : WO 2007/012311 A1

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 lautet:

"Einrichtung zur Ansteuerung eines Elektromotors (2), insbesondere eines Gleichstrommotors in einem Akku-Elektrowerkzeug (18), mit einer wenigstens einen Leistungshalbleiter (4, 5) aufweisenden Leistungsschaltung (3) zum steuerbaren Anlegen einer elektrischen Spannung an den Elektromotor (2), sowie einer Steuerschaltung (6) zur Steuerung des Leistungshalbleiters (4, 5), derart, daß der Elektromotor (2) mit einer einstellbaren Drehzahl oder einem einstellbaren Drehmoment betreibbar ist, und mit einem Schaltmodul (8) zum Ein- und/oder Ausschalten des Betriebs für den Elektromotor (2), dadurch gekennzeichnet, daß die Leistungsschaltung (3) je einen Zweig (9, 10) als Strompfad mit einem Leistungshalbleiter (4, 5) für den Rechts- sowie den Linkslauf des Elektromotors (2) aufweist, und daß für die Leistungsschaltung (3) und/oder in der Leistungsschaltung (3) ein durch den Benutzer mittels eines manuell bedienbaren Schiebers 23 betätigbarer, mechanischer, elektrischer Schalter (11) zur Einstellung des jeweiligen Zweiges (9, 10) angeordnet ist, wobei Erfassungsmittel (17) zur Ermittelung der Schaltstellung des elektrischen Schalters (11) durch die Steuerschaltung (6) vorgesehen sind, so daß der der jeweiligen Schaltstellung zugeordnete Leistungshalbleiter (4, 5) von der Steuerschaltung ansteuerbar ist."

Die Ansprüche 2 bis 10 sind von Anspruch 1 abhängig.

IX. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Für die beanspruchte Erfindung sei eine H-Brücke nicht erforderlich und somit auch nicht in Anspruch 1 aufzunehmen. Es sei auch nicht notwendig, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels zu beanspruchen. Anspruch 1 sei daher klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch nicht aus einer Zusammenschau der Dokumente D1 und D2 nahegelegt. Die von der Prüfungsabteilung formulierte Aufgabe sei falsch und suggestiv. Aus D2 sei nicht zu entnehmen, einen manuell bedienbaren Schalter zur Auswahl des jeweiligen Strompfades vorzusehen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ausreichend begründet. Folglich ist die Beschwerde zulässig.

2. Änderungen Artikel 123 (2) EPÜ

Die mit der Beschwerdebegründung vom 19. Mai 2014 eingereichten Änderungen des Anspruchs 1 und der Seite 2a sind auf Seite 7, Zeilen 6 bis 8 sowie 24 bis 29 der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart. Die Änderungen verstoßen folglich nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Die Kammer schließt sich der Prüfungsabteilung nicht dahingehend an, dass der Anspruch 1 unklar ist. Laut Artikel 84 EPÜ müssen die Ansprüche deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden.

Um den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ zu genügen ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass ein Anspruch exakt ein Ausführungsbeispiel beansprucht. Die von der Prüfungsabteilung geforderte Definition einer H-Brücke erscheint der Kammer sogar unangemessen, da durch die mittels der Erfindung offenbarte Modifikation der H-Brücke eine H-Brücke im fachüblichen Sinn nicht mehr Teil der technischen Lehre der vorliegenden Anmeldung ist. Die Erfindung geht nur von einer herkömmlichen H-Brücke aus. Die Ausführungsbeispiele definieren einen "Elektrowerkzeugschalter mit elektronisch/mechanischer H-Brücke" und dass "die Wirkung einer H-Brücke" erzielt werde. Die von der Prüfungsabteilung geforderte Aufnahme einer herkömmlichen H-Brücke ist daher nicht erforderlich, um die Erfindung deutlich abzufassen.

Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Die Kammer schließt sich der Prüfungsabteilung ferner nicht dahingehend an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer Zusammenschau der Dokumente D1 und D2, gegebenenfalls unter Rückgriff auf Dokument D6, nahegelegt ist.

4.2 Bereits die durch die Prüfungsabteilung formulierte Aufgabe, eine möglichst kostengünstige und platzsparende Leistungsschaltung für den Motor auszuwählen, ist zu breit gefasst.

Laut den Seiten 1 und 2 der vorliegenden Anmeldung geht es nicht darum, irgendwelche Bauteile einer Leistungsschaltung zu verringern, sondern eindeutig darum, die Anzahl der erforderlichen Leistungshalbleiter zu verringern, da diese laut Beschreibung "teuer" sind und "einen großen Einbauraum" benötigen.

Die Lehre des Dokuments D2 zielt jedoch nicht auf die Einsparung von Leistungshalbleitern ab, sondern auf die Einsparung von Freilaufdioden, siehe Seite 1, Absatz [0005]. D2 lehrt folglich etwas anderes. Bereits aus diesem Grund ist fraglich, ob der Fachmann ausgehend von Dokument D1 das Dokument D2 überhaupt heranziehen würde.

4.3 Die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung durch die Prüfungsabteilung beruht ferner auf der Annahme, dass gemäß Dokument D2 durch das dort offenbarte Schaltrelais 23 der angesteuerte Halbleiterschalter festgelegt werde.

Dem schließt sich die Kammer nicht an. Dokument D2 offenbart in Absatz [0017] explizit, dass stets beide Halbleiterschalter 12 und 13 gegenphasig getaktet werden. Auch aus den in den Figuren 2 und 3 eingezeichneten Freilaufkreisen 10 und 14 ergibt sich unmittelbar, dass gemäß D2 sowohl im Rechtslauf, wie auch im Linkslauf, stets beide Halbleiterschalter 12 und 13 angesteuert werden. Dies wird in den zugehörigen Absätzen [0018] und [0019] auch so beschrieben. Insofern findet die erfindungsgemäße Zuordnung der Leistungshalbleiter zu den Schaltstellungen des Schalters, d.h. in zwei Zweige für den Rechts- bzw. Linkslauf des Motors, in Dokument D2 überhaupt nicht statt. Eine derartige Zuordnung ist in keinem der in der angefochtenen Entscheidung genannten Dokumente D1, D2 und D6 offenbart.

4.4 Die Kammer ist folglich zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer Zusammenschau der Offenbarungen der Dokumente D1 und D2, gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Offenbarung des Dokuments D6, nicht nahegelegt ist.

5. Schlussfolgerung

Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist und eine Erteilung auf der Grundlage der Ansprüche Nr. 1 bis 10 des Anspruchssatzes, der mit dem Schreiben vom 15. Juli 2019 eingereicht wurde, erfolgen kann. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin auf den Anspruch Nr. 11 dieses Anspruchssatzes verzichtet hat (siehe Schreiben vom 8. April 2020).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen:

Patentansprüche Nr. 1 bis 10, eingereicht mit Schreiben vom 15. Juli 2019.

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