T 1196/14 () of 12.12.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T119614.20171212
Datum der Entscheidung: 12 Dezember 2017
Aktenzeichen: T 1196/14
Anmeldenummer: 08021651.8
IPC-Klasse: B23C 5/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schruppfräser mit abgeschrägter Schneidkante
Name des Anmelders: Hofmann & Vratny OHG
Name des Einsprechenden: Iscar Ltd.
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 27. März 2014 zur Post gegebenen Entscheidung wurde der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 078 574 zurückgewiesen.

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 12. Dezember 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Hinsichtlich der zu Beginn der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, sowie hinsichtlich des Verlaufs der Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 078 574.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Für die vorliegende Entscheidung haben die folgenden Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:

E1: US 2007/0122241;

E24: Handbuch: "Modern Metal Cutting", Sandvik Coromant, 1996; Seite VI-31;

E25: US 2004/0258489 A1;

E29: US 4,764,059;

VI. Anspruch 1 des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut:

"Schruppfräser (1) mit einem zylindrischen Werkzeugschaft (2), der an einem, oberen Ende in eine Fräsmaschine einspannbar ist und einen sich von seinem anderen, unteren Ende ausgehenden und sich in Richtung auf das obere Ende des Werkzeugschafts erstreckenden Fräsbereich (3) aufweist, der zumindest eine im Umfang des Schruppfräsers gelegene und in einem Schraubengang verlaufende Fräsfläche (4) aufweist, die mit einer in Längsrichtung des Schraubenganges wellenförmig verlaufenden Schruppverzahnung mit einer Schneidkante (6) versehen ist, wobei die Schneidkante (6) über ihre gesamte Länge und im Wesentlichen über die gesamte Höhe der wellenförmigen Schruppverzahnung abgeschrägt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der abgeschrägte Bereich (14) der Schneidkante (6) in deren Längsrichtung mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen (15) und Tälern (16) versehen ist."

VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Auslegung des unabhängigen Anspruchs 1

Es sei richtig, dass Anspruch 1 semantisch zwischen einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern auf der Spanfläche und einer wellenförmig verlaufenden Schruppverzahnung auf der Freifläche unterscheide. Beide Merkmale seien jedoch durch die in E1 gezeigte einfache Geometrie erfüllt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im Kennzeichen keinerlei Richtung für den beanspruchten Wellenschliff festgelegt sei. Außerdem werde lediglich definiert, dass der abgeschrägte Bereich mit einem Wellenschliff versehen sei, d.h. der Wellenschliff müsse sich nicht über den gesamten abgeschrägten Bereich erstrecken, sondern könne auf einen Bereich an der Schneidkante beschränkt sein. Eine größere Periode des Wellenschliffs des abgeschrägten Bereichs als der wellenförmigen Schruppverzahnung sei weiterhin lediglich eine bevorzugte Ausführungsform, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durchaus Wellenschliff und Schruppverzahnung gleicher Periode umfasse. Wie zudem der Abbildung 3 der E1 entnommen werden könne, weise der abgeschrägte Bereich der in E1 offenbarten Schneidkante - genau wie auch im Streitpatent, Paragraph [0011] erwähnt - einen nach vorne versetzten Anteil und einen zurückgesetzten Anteil auf.

Der in Figur 2b der E1 gezeigte abgeschrägte Bereich, No. 10 der Schneidkante sei daher als in deren Längsrichtung mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen, No. 8 und Tälern, No. 9 versehen anzusehen.

Mangelnde Neuheit

Anspruch 1 wie erteilt offenbare unstreitig alle Merkmale des Oberbegriffs und, bei richtiger Auslegung, auch das Kennzeichen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher nicht neu über die Offenbarung des Dokuments E1.

Mangelnde erfinderische Tätigkeit

Auf jeden Fall beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. E1 offenbare unstreitig bereits alle Merkmale des Oberbegriffs. Die Merkmale des Kennzeichens, nämlich der in Längsrichtung der Schneidkante mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern versehene abgeschrägte Bereich der Schneidkante, verhindere das Auftreten von Spanklemmern und eine Verstopfung der Spanrille, siehe Patent, Paragraph [0008] und [0011]. Dies löse die technische Aufgabe, die Spanabfuhr der abgefrästen Späne zu verbessern.

Dieser Aufgabe widme sich auch die E25, vgl. Paragraph [0005] und [0013]. Insbesondere dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildungen 3 und 4 der E25 entnähme der Fachmann die Lehre, zur Lösung des Problems die Spanfläche mit einem Wellenschliff zu versehen. Dies führe zwangsläufig zu einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern im abgeschrägten Bereich der Schneidkante der E1, und somit zu einem unter den Gegenstand des Anspruchs 1 fallenden Schruppfräser.

In gleicher Weise konsultierte der Fachmann ausgehend von E1 die Lehre der E29, die sich ebenfalls des Problems einer effizienten Spanabfuhr annimmt, siehe Spalte 1, Zeilen 11-14, 34-39 und 40-43. Auch in diesem Dokument werde eine mit einem Wellenschliff versehene Spanfläche, hier als "leading face" bezeichnet, vorgeschlagen, vgl. Spalte 1, Zeilen 61-65 und Abbildungen 1 und 9, so dass der Fachmann auch bei Anwendung dieser Lehre auf den Schruppfräser der E1 zum erfinderischen Gegenstand gelangte.

Alternativ könnte der Fachmann auch von E25, bzw. E29 ausgehen, die beide einen Schruppfräser mit Wellenschliff sowohl der Freifläche als auch der Spanfläche zeigten, siehe E29, Abbildung 9 und E25, Abbildungen 3 und 4. Einziger Unterschied wäre dann, dass die Schneidkante über ihre gesamte Länge und im Wesentlichen über die gesamte Höhe der wellenförmigen Schruppverzahnung abgeschrägt sei. Derartige Abschrägungen seien dem Fachmann aber im Prinzip bekannt, vgl. E24, und führten, siehe Streitpatent, Paragraph [0005] und [0012], zu einer Stabilisierung der Schneidkante, d.h. sie lösten die Aufgabe, ein Ausbrechen der Schneidkante zu vermeiden. Dokument E1, welches ebenfalls einen Schruppfräser betreffe, schlage zur Lösung eben dieser Aufgabe vor, einen abgeschrägten Bereich vorzusehen, der sich zumindest über die gesamte Höhe der Schruppverzahnung erstrecke, wobei die Abschrägung wie in E1 einen stumpferen Keilwinkel aufweise als der (ursprüngliche) Keilwinkel des Fräsers, siehe E1, Paragraph [0007] und [0008]. Die für den Fachmann naheliegende Anwendung dieser Lehre auf die genannten Ausführungsbeispiele der E25 und E29, führe wiederum zwingende zu einem unter den Anspruchsgegenstand fallenden Schruppfräser.

Letztlich gelangte der Fachmann auch ausgehend von dem Ausführungsbeispiel in E25, Abbildung 6 unter Berücksichtigung der Lehre in dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildungen 3 und 4 der E25 in naheliegender Weise zum Anspruchsgegenstand. Abbildung 6 zeige bereits einen Wellenschliff der Spanfläche. Die Spanfläche sei auch abgeschrägt im Sinne des Patents, da die Fläche No. 38 relativ zu dem aus der Spanrille hervorgehenden Teil der Spanfläche abgewinkelt sei. Genau wie in E1, Abbildung 3 illustriert, ergebe sich im Vergleich zu einer ohne diese Abschrägung zur Freifläche verlaufenden Spanfläche ein anderer Winkel, in E1 als gamma2 statt alpha bezeichnet. Einziger Unterschied zum beanspruchten Gegenstand sei somit die Schruppverzahnung auf der Freifläche, die einen verbesserten Materialabtrag ermögliche. Es sei jedoch aus E25, Paragraph [0016] bekannt, um einen höchstmöglichen Materialabtrag zu erreichen, die Freifläche mit einem zusätzlichen Wellenschliff zu versehen. In Anwendung dieser Lehre gelangte der Fachmann erneut zwingend und in naheliegender Weise zu einem unter den Anspruchsgegenstand fallenden Schruppfräser.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Auslegung des unabhängigen Anspruchs 1

Anspruch 1 wie erteilt definiere klar das Vorhandensein zweier verschiedener, durchlaufender Wellenschliffe, eines im Schraubengang, und eines im Schneidbereich in der Fläche der Abschrägung. Eine andere Auslegung des Anspruchs sei nicht möglich. Wie in Paragraph [0011] der Patentschrift ausgeführt, werde durch einen solchen Wellenschliff die Schneidkante der Fräsfläche, in Längsrichtung des Schruppfräsers gesehen, in einem Wellental zurückgesetzt und in einem Wellenberg nach vorne versetzt. Dagegen verlaufe der in E1, Abbildung 2b und 3 gezeigte abgeschrägte Bereich und mit ihm die Schneidkante in einer Ebene. Eine Versetzung der wellenförmigen Schneidkante nach vorne und hinten durch einen Wellenschliff sei daher nicht gegeben.

Die in E1 offenbarte Geometrie der Schneidkante falle daher, bei richtiger Auslegung, nicht unter das im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierte Merkmal.

Neuheit

Da das Merkmal des Kennzeichens in E1 nicht offenbart werde, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu über diese Entgegenhaltung.

Erfinderische Tätigkeit

Dokument E25 offenbare eine völlig andere Schneidgeometrie als die Erfindung, so dass weder ausgehend von diesem Dokument, noch in Verbindung mit diesem Dokument ein unter den Anspruchsgegenstand fallender Schruppfräser zu erreichen sei.

So könne der in E25, Abbildung 2 gezeigte Verlauf der Spanfläche nicht als kontinuierlicher Wellenschliff angesehen werden. Die Spanfläche bestehe vielmehr aus einer Vielzahl gerader, relativ zueinander bis zu 90° gewinkelter Abschnitte.

Auch sei die innere, auf der Spanfläche angebrachte Verzahnung senkrecht zur Drehachse ausgerichtet. Sie bilde somit weder einen abgeschrägten Bereich, noch bewirke sie eine Umlenkung und Abfuhr der Späne nach oben.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit, Auslegung des unabhängigen Anspruchs 1

Anspruch 1 unterscheidet unstreitig semantisch zwischen einerseits einer in Längsrichtung des Schraubenganges wellenförmig verlaufenden Schruppverzahnung und andererseits einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern, mit dem der abgeschrägte Bereich der Schneidkante in deren Längsrichtung versehen ist. Dabei ist Letzterer als kennzeichnendes Merkmal von der im Oberbegriff genannten Schruppverzahnung mit der abgeschrägten Schneidkante abgegrenzt. Insbesondere findet sich im Kennzeichen keinerlei Rückbezug auf Schruppverzahnung oder Schneidkante des Oberbegriffs. Aus dieser Anspruchsformulierung ergibt sich bereits, dass der Wellenschliff im abgeschrägten Bereich der Schneidkante nicht etwa ein sich beim Anbringen der Abschrägung an der Schneidkante der Schruppverzahnung gewissermaßen zwingend einstellendes Merkmal darstellt, sondern dass es sich dabei um ein eigenständiges, zusätzliches technisches Merkmal handelt.

Tatsächlich muss anspruchsgemäß der Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern im abgeschrägten Bereich der Schneidkante vorgesehen sein. Ein - abgesehen vom helikalen Verlauf im Schraubengang - planer, abgeschrägter Bereich, der lediglich eine wellenförmige Begrenzung aufweist (wie das bei dem in E1 offenbarten Schruppfräser der Fall ist, siehe Abbildung 2b), kann nicht als mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern versehener abgeschrägter Bereich angesehen werden. Dort befinden sich die Berge und Täler eben gerade nicht im abgeschrägten Bereich, d.h. in der Spanfläche, sondern in der Freifläche. Anders ausgedrückt ist die eindimensionale Schneidkante der E1 zwar gewellt, der zweidimensionale abgeschrägte Bereich dagegen ist nicht mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern versehen, sondern plan.

Dabei ist zunächst weder die Richtung noch die Periode des Wellenschliffs von Bedeutung, noch ob der Wellenschliff nur auf einem Teilbereich des abgeschrägten Bereichs vorgesehen sein muss oder nicht. Es genügt, dass die Geometrie - wie in E1, Figur 2b gezeigt - keinen abgeschrägten zweidimensionalen, mit einem Wellenschliff versehenen (Teil-) Bereich aufweist. Auf die zwar gewellte, eindimensionale Kante kann der beanspruchte Begriff abgeschrägter Bereich nicht gelesen werden, da die eindimensionale Kante allein nicht "im Wesentlichen über ihre gesamte Länge abgeschrägt sein kann".

Diese sich bereits aus dem Anspruchswortlaut ergebende Interpretation steht auch in Einklang mit der Beschreibung des Patents, Paragraph [0011], dergemäß durch einen solchen Wellenschliff die Schneidkante der Fräsfläche, in Längsrichtung des Schruppfräsers gesehen, in einem Wellental zurückgesetzt und in einem Wellenberg nach vorne versetzt wird. Dagegen weist die Schneidkante der E1 zwar nach vorne bzw. hinten versetzte Anteile auf, sie ist jedoch in einem Wellenberg zurückgesetzt und in einem Wellental nach vorne versetzt.

Somit kommt die Kammer sowohl bei Auslegung des Anspruchs 1 alleine, als auch unter Rückgriff auf die Beschreibung zu dem Schluss, dass das im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 definierte Merkmal in der aus E1 bekannten Schneidengeometrie nicht verwirklicht ist.

Da das Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 in Dokument E1 nicht offenbart ist, ist der Gegenstand des Anspruchs neu über diese Entgegenhaltung.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Dokument E1

E1 zeigt eine mit einem abgeschrägten Bereich versehene Schneide. Der abgeschrägte Bereich verläuft dabei plan (abgesehen von der dem helikalen Verlauf des Schraubenganges geschuldeten Krümmung) und über die gesamte Höhe der auf der Freifläche angebrachten Schruppverzahnung. Durch "Anschneiden" der Schruppverzahnung ergibt sich eine die abgeschrägte Fläche begrenzende, gewellte Schneidkante. Die Wellenkämme der gewellten Schneidkante liegen dabei sämtlich in der Ebene der Abschrägung, d.h. auf einer dem helikalen Verlauf des Schraubenganges folgenden gedachten Linie.

Diese Geometrie verhindert gemäß Offenbarung der E1 das Ausbrechen der Schneidkante insbesondere im Bereich der Wellenkämme der gewellten Schneidkante (E1, Paragraph [0007] und [0008]).

E1 zeigt dagegen keinen Wellenschliff der Spanfläche.

2.2 Dokumente E25, E29

E25 und E29 Dokumente zeigen Fräser mit sowohl einer Schruppverzahnung auf der Freifläche, als auch einer mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern versehenen Spanfläche (E25, Abbildung 3 und 4, in E29, Abbildung 9 und 11). Diese Fräser sind ausgebildet, eine effiziente Spanabfuhr zu gewährleisten (E25, Paragraph [0005] und [0013]; E29, Spalte 1, Zeilen 11-14, 34-39).

Die in E25 und E29 offenbarten Fräser zeigen jedoch keinen im Wesentlichen über die gesamte Höhe der wellenförmigen Schruppverzahnung abgeschrägten Bereich der Schneidkante (bezüglich des nach Ansicht der Beschwerdeführerin in E25, Abbildung 6 gezeigten abgeschrägten Bereich der Schneidkante, siehe Punkt 2.4).

2.3 Kombination der Lehren der Dokumente E1, E25 und E29

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin versähe der Fachmann zum einen ausgehend von E1, zur Lösung der Aufgabe einer Verbesserung der Spanabfuhr, die Spanfläche und damit den abgeschrägten Bereich der Schneidkante mit einem Wellenschliff, wie aus E25 bzw. E29 bekannt. Zum anderen versähe er ausgehend von E25 bzw. E29 die bereits mit einem Wellenschliff versehene Spanfläche, zur Lösung der Aufgabe einer verbesserten Schneidkanten-Stabilität, mit einem abgeschrägten Bereich. In beiden Fällen ergäbe sich zwangsweise ein unter den Anspruchsgegenstand fallender Schruppfräser.

Die Kammer hält diese Argumentation in beiden Fällen für rückschauend.

Wollte der Fachmann die aus E25, Figur 3,4, oder E29, Figur 9, bekannten Fräser mit einem abgeschrägten Bereich - wie aus E1 bekannt - versehen, so gibt es zunächst zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte er die Abschrägung plan, dem Schraubengang folgend anbringen. Dadurch ergibt sich eine Schneidkantengeometrie wie in E1 offenbart, für die dort gerade eine vorteilhafte Schneidkantenstabilität beschrieben ist. Dabei entstünde jedoch ein abgeschrägter Bereich ohne den dann abgetragenen vorbestehenden Wellenschliff, so dass der resultierende Fräser nicht unter den Gegenstand des Anspruchs fiele.

Folgte der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, bei der Anbringung der sich im Wesentlichen über die ganze Höhe der Schruppverzahnung erstreckenden Abschrägung dem Verlauf der Berge und Täler der Spanfläche, so ergäbe sich eine fundamental andere Schneidkantengeometrie als in E1. Während dort die Schneidkante im Bereich der Wellenberge der Schneidkante im Bereich der Wellentäler in Drehrichtung nachläuft, ergäbe sich eine Konfiguration, bei der die Schneidkante im Bereich der Wellenberge der Schneidkante im Bereich der Wellentäler vorausläuft. Der Fachmann hätte keine Veranlassung anzunehmen, dass diese fundamental andere Konfiguration der Schneidkante die gleiche vorteilhafte Schneidkanten-Stabilität aufweisen sollte, wie die aus E1 bekannte. Der Fachmann versuchte vielmehr, zur Lösung der genannten Aufgabe die bezüglich der Schneidkanten-Stabilität als vorteilhaft bekannte Schneidkanten-Geometrie der E1 unverändert beizubehalten, was jedoch nicht zu einem unter den Anspruchsgegenstand fallenden Fräser führte (siehe voriger Absatz).

Diese Argumentation gilt analog auch für eine Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (vgl. E24), demgemäß durch die Vorsehung einer Abschrägung eine stabilere Schneidkante zu erreichen sei, wobei aus dem angeführten Fachwissen außerdem nicht hervorgeht, dass die Schneidkante im Wesentlichen über die gesamte Höhe einer in E24 überhaupt nicht erwähnten Schrupp­verzahnung abzuschrägen wäre.

Ähnliche Überlegungen ergeben sich, wenn der Fachmann umgekehrt versuchte, den aus E1 bekannten Fräser mit einem Wellenschliff aus abwechselnd Bergen und Tälern im Bereich der Spanfläche zu versehen. Gemäß der Lehre der Dokumente E25, Abbildung 3,4, und E29, Abbildung 1, 9, wäre zur Verbesserung der Spanableitung die gesamte Spanfläche mit einem Wellenschliff zu versehen. Dies veränderte jedoch die in E1 als gerade besonders stabil erkannte Schneidkanten-Geometrie, wie oben diskutiert, fundamental. Der Fachmann müsste somit die als besonders vorteilhaft erkannte Lehre der E1 verlassen. Dies geht über Routineexperimente hinaus und ist ohne Kenntnis der Erfindung nicht naheliegend.

Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Fachmann weder ausgehend von E1 unter Verwendung der Lehre der Dokumente E25 oder E29, noch ausgehend von der Lehre der E25 bzw. E29 unter Verwendung der Lehre der E1 in naheliegender Weise zum erfinderischen Gegenstand gelangte.

2.4 E25, Kombination der Ausführungsbeispiele gemäß Figur 6 und Figur 3, 4

Der in Figur 6 gezeigte Fräser weist eine sich radial erstreckende Spanfläche und einen Keilwinkel von etwa 90° auf. Damit liegt die Spanfläche in der Werkzeugbezugsebene, d.h. der Spanwinkel ist 0°. Der Fachmann sähe eine in der Werkzeugbezugsebene, in 90° zur Schneidebene liegende Spanfläche nicht als Schneidkante mit einem "abgeschrägten Bereich" an. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass zwischen unterem Ende der Spanfläche und Begrenzungsfläche der Spanrille ein Winkel auftritt. Wollte der Fachmann tatsächlich in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 6 einen abgeschrägten Bereich identifizieren, so käme lediglich die im Übergang von Span- zu Freifläche gezeichnete Fase in Betracht. Selbst wenn nun, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, der Fachmann durch das Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4 dazu sich veranlasst sähe, zur Verbesserung des Materialabtrags eine Schruppverzahnung auf der Freifläche anzubringen, so führte diese Fase, d.h. der abgeschrägte Bereich, nicht dazu, dass die Schneidkante im Wesentlichen über die gesamte Höhe der wellenförmigen Schruppverzahnung abgeschrägt wäre.

Auch die Kombination der Lehren der Ausführungsbeispiele gemäß Figur 6 und Figur 3,4 der E25 führte somit nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.

2.5 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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