European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T118714.20180316 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 März 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1187/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09180880.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04R 25/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Hörvorrichtung mit Tragehakenerkennung | ||||||||
Name des Anmelders: | Sivantos Pte. Ltd. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Widex A/S Oticon A/S GN Resound A/S Phonak AG |
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Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 217 009 in geändertem Umfang auf der Grundlage eines während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags, legten sowohl die Einsprechenden als auch die Patentinhaberin Beschwerde ein.
II. Die Einsprechenden beantragten, die Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.
III. Die Patentinhaberin beantragte zumindest implizit in ihrer Beschwerdeschrift, die Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen und in ihrer Beschwerdeerwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
IV. Beide Parteien beantragten hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
V. Die Kammer lud zu einer mündlichen Verhandlung und nahm in einer nachfolgenden Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK zum Sachverhalt, unter anderem zu der Frage, ob Anspruch 1 des Hilfsantrags den Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt, Stellung.
VI. Mit Schreiben vom 23. Januar 2018 nahm die Patentinhaberin ihre Beschwerde zurück und teilte der Kammer mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
VII. Am 16. März 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Abwesenheit der Patentinhaberin statt. Die Einsprechenden (jetzt alleinigen Beschwerdeführerinnen) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Patentinhaberin (jetzt Beschwerdegegnerin) beantragte schriftlich, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.
VIII. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags vorgesehenen Fassung lautet:
"Hörvorrichtung mit
- einem Gehäuse (10), das eine Signalverarbeitungseinrichtung beinhaltet und das einen Schallauslass besitzt, wobei
- an dem Schallauslass des Gehäuses (10) ein Tragehaken (11, 14) zum Anbringen der Hörvorrichtung an einem Ohr oder Kopf derart befestigbar ist, dass aus dem Schallauslass austretender Schall durch den Tragehaken (11, 14) geleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass
- ein Sensor (13) zum Erfassen des Typs des Tragehakens (11, 14) in oder an dem Gehäuse (10) angeordnet ist, wobei der Typ den Tragehaken unabhängig von einem Schallschlauch charakterisiert, und
- der Sensor (13) die Signalverarbeitungseinrichtung in Abhängigkeit von dem erfassten Typ des Tragehakens (11, 14) steuert."
Entscheidungsgründe
1. Anspruch 1 - Artikel 123 (2) EPÜ
1.1 Anspruch 1 umfasst das im Vergleich zu Anspruch 1 in der erteilten Fassung geänderte Merkmal, dass ein Sensor zum Erfassen des Typs des Tragehakens in oder an dem Gehäuse angeordnet ist, "wobei der Typ den Tragehaken unabhängig von einem Schallschlauch charakterisiert" (Unterstreichung von der Kammer hinzugefügt).
Dieses Merkmal ist nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu entnehmen.
Im Gegenteil stellt die Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung an mehreren Stellen einen Zusammenhang zwischen dem Typ des Tragehakens und dem Schallschlauch her. Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass in Anspruch 1 das Merkmal "wobei der Typ den Tragehaken ... charakterisiert" sich auf eine Charakterisierung des Tragehakens selbst richtet. Der in Anspruch 1 genannte Sensor dient zum Erfassen des Typs des Tragehakens. Ob dieser Sensor dies nur anhand des Tragehakens, d.h. unabhängig vom Schallschlauch, feststellen kann oder nicht, ist für das oben genannte Merkmal somit nicht relevant.
Die Kammer merkt dazu an, dass auf Seite 5, Zeilen 2 bis 18, eine Ausführungsform der Hörvorrichtung mit einem ersten Tragehaken eines ersten Typs und einem zweiten Tragehaken eines zweiten Typs beschrieben ist, wobei nur der Tragehaken des ersten Typs mit einem Sensor zusammenwirkt. Der Sensor kann somit unterscheiden, ob es sich um einen Tragehaken des ersten oder des zweiten Typs handelt. Weiter ist jedoch beschrieben, dass auf den Tragehaken des ersten Typs ein Schallschlauch aufsteckbar ist und in den Tragehaken des zweiten Typs ein Schallschlauch fest eingebaut ist, dessen Durchmesser deutlich kleiner als der des Tragehakens des ersten Typs ist. Weiter ist wörtlich ausgesagt: "Damit kann das Hörsystem Tragehaken mit Schallschläuchen unterschiedlichen Durchmessers automatisch voneinander unterscheiden". Verschiedene Schallschläuche werden somit anhand des Tragehakentyps voneinander unterschieden. Der Schallschlauch ist somit vom Typ des Tragehakens abhängig.
Weitere Fundstellen zu einem Zusammenhang zwischen dem Typ des Tragehakens und dem Schallschlauch sind im folgenden Abschnitt erörtert.
1.2 Argumente der Einspruchsabteilung
In ihrer Entscheidung (Punkt 3.1.2 der Begründung) stellte die Einspruchsabteilung fest, dass die Formulierung "wobei der Typ den Tragehaken unabhängig von einem Schallschlauch charakterisiert" von den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt ist, und verwies auf folgende Textstellen:
a) Seite 2, Zeilen 21 bis 30;
b) Seite 3, Zeile 34 bis Seite 4, Zeile 25; und
c) Seite 6, Zeilen 9 bis 28.
Textstelle a) beschreibt allgemein den technischen Hintergrund und besagt, dass ein Schallschlauch mit einem entsprechend großen Durchmesser am freien Ende auf den Tragehaken gesteckt wird, ein sehr dünner Schallschlauch aber sich kaum aufstecken lässt und daher in einem kleinen Tragehaken fest verbaut wird. Dies lehrt somit einen Zusammenhang zwischen einem Tragehaken und einem aufzusteckenden Schallschlauch mit entsprechend großem Durchmesser und zwischen einem sehr dünnen Schallschlauch und einem kleinen Tragehaken mit fester Verbauung. Eine wahlfreie Kombination von Tragehaken beziehungsweise Schallschläuchen verschiedener Art wird dadurch nicht gestützt, sondern im Gegenteil, dass der Tragehaken und der Schallschlauch aneinander angepasst sein müssen.
Die zweite Textstelle b) richtet sich auf den Gegenstand der Ansprüche und nennt unter anderem als einen Vorteil davon die Möglichkeit, "dass die Hörvorrichtung automatisch den Typ des Tragehakens bzw. einer Tragehaken-Schallschlauch-Kombination erkennt und die Signalverarbeitung entsprechend konfiguriert". Als weiteren Vorteil nennt die Textstelle auch, dass es genügt, dass die Hörvorrichtung "einmal individuell angepasst wird, denn sie stellt sich nach Austausch des Tragehakens automatisch auf den neuen Tragehakentyp bzw. Schallschlauch akustisch um". Der Begriff bzw. (beziehungsweise) bedeutet "oder vielmehr" oder "genauer gesagt" und drückt damit im vorliegenden Fall aus, dass der Tragehakentyp den Schallschlauch oder die Kombination aus Tragehaken und Schallschlauch bedingt. Diese Textstelle liefert daher keine Grundlage für das fragliche Merkmal.
Textstelle c) beschreibt ein Ausführungsbeispiel eines Drucksensors zur Erkennung des Tragehakentyps. Für den Fall, dass eine Außenfläche des Tragehakens auf den Sensor drückt, heißt es zu der vom Sensor gelieferten Information wörtlich: "Diese Sensorinformation wird für die Signalverarbeitung des Hörgeräts 10 dahingehend interpretiert, dass ein üblicher Tragehaken 11 mit aufgestecktem Schallschlauch auf das Hörgerät 10 aufgebracht ist. Die Signalverarbeitungseinrichtung schaltet hierdurch in ein erstes Verarbeitungsprofil, mit dem die Akustik des konkreten Tragehakens und Schallschlauchs berücksichtigt wird". Damit die Akustik eines bestimmten Schallschlauchs, hier eines aufgesteckten Schallschlauchs, berücksichtigt wird, ist somit ein Tragehaken erforderlich, der auf den Drucksensor drückt. Eine Unabhängigkeit des Tragehakens vom Schallschlauch wird durch diese Textstelle somit nicht gestützt.
1.3 Argumente der Patentinhaberin
Die Einsprechenden argumentierten in ihrer Beschwerdebegründung mit Verweis auf folgende Textstelle der Beschreibung auf Seite 7, Zeilen 25 bis 29, dass der Typ des Tragehakens das vollständige austauschbare akustische System einschließlich des Schallschlauchs charakterisiert: "Sollen mehr als zwei unterschiedliche Tragehakentypen (im vorliegenden Dokument synonym mit Typen von Tragehaken-Schallschlauch-Kombinationen) durch die Hörgerätesignalverarbeitung automatisch erkannt werden, so müssen die verschiedenen Tragehaken entsprechend kodiert werden." (Unterstreichung von der Kammer hinzugefügt)
Die Patentinhaberin argumentierte in Erwiderung darauf, dass laut Wikipedia ein Synonym auch ein Zeichen mit einem sehr ähnlichen Bedeutungsumfang bezeichnen kann und dass demgemäß sie die Textstelle derart versteht, dass Tragehakentyp als Oberbegriff steht, sowohl für einen einzelnen Tragehaken als auch eine Kombination eines Tragehakens mit einem Tragehakenschlauch, sei es austauschbar oder in nicht lösbarer Verbindung.
Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Wenn im vorliegenden Fall die Begriffe Tragehakentyp und Tragehaken-Schallschlauch-Kombination als Synonyme genannt werden, so kann bei Letzterem nicht vernachlässigt werden, dass es sich um eine Kombination handelt. Ein Tragehaken allein, außerhalb einer solchen Kombination, ist damit nicht mehr als Synonym des Begriffs Tragehakentyp zu verstehen. Dies gilt umso mehr als, wie in den vorigen Punkten dargelegt, in der Beschreibung durchgängig der Zusammenhang zwischen dem vom Sensor erfassbaren Tragehakentyp und dem damit verbundenen Schallschlauch mit dem Ziel herausgestellt wird, dessen akustischen Einfluss durch entsprechende Steuerung der Signalverarbeitungseinrichtung zu berücksichtigen.
1.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine Grundlage für das Merkmal bieten, dass ein Sensor zum Erfassen des Typs des Tragehakens in oder an dem Gehäuse angeordnet ist, wobei der Typ den Tragehaken unabhängig von einem Schallschlauch charakterisiert. Anspruch 1 erfüllt daher nicht das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.
Nachdem Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt und keine weitere Anträge vorliegen, ist das Patent zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.