European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T094714.20191122 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 November 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0947/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09169683.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06F 11/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Auswählen von Daten für eine Speicherung | ||||||||
Name des Anmelders: | Vodafone Holding GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Mangelnde Offenbarung der Erfindung - (nein) Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 09169683.1 aufgrund des Artikels 97(2) EPÜ mangels ausreichender Offenbarung (Artikel 83 EPÜ) zurückgewiesen worden ist.
II. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Patentbegehrens (Hauptantrag) oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen oder weiter hilfsweise auf der Grundlage des der Beschwerdebegründung beigefügten Anspruchssatzes (bezeichnet als "Hilfsantrag") ein Patent zu erteilen. Weiter hilfsweise wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
III. Der unabhängige Anspruch 1 entsprechend dem Hauptantrag lautet:
"1. Vorrichtung (10) zum Auswählen von Daten (100) für eine Speicherung, wobei die Daten (100)
- in wenigstens einem Datenelement (120,120') angeordnet sind und
- das wenigstens eine Datenelement (120,120') in wenigstens einer Dateneinheit (110,110') angeordnet ist, mit
- zumindest einem Zeitmittel (20)o zur Bestimmung einer Sendedauer aus einer Datenrate, mit welcher die Daten (100) an eine Speichereinheit (50) sendbar sind, und einer Gesamtmenge der Daten (100), sowieo zur Bestimmung einer Übermittlungsdauer aus der Datenrate und einer Datenmenge der Daten (100) wenigstens einer ausgewählten Dateneinheit (110,110'),
- zumindest einem Auswahlmittel (30),o das bei einer Sendedauer größer als einer Maximaldauer, wenigstens eine Dateneinheit (110,110') anhand eines ersten Merkmales (111,111'), das eine zugewiesene Priorität aufweist, auswählt, wobei die Dateneinheit (110,110') ausgewählt wird, welche das Merkmal (111,111') mit der höheren Priorität aufweist, sowieo das bei einer Übermittlungsdauer größer als der Maximaldauer, aus der wenigstens einen ausgewählten Dateneinheit (110,110') anhand eines zweiten Merkmales (121,121'), das eine zugewiesene Priorität aufweist, wenigstens ein Datenelement (120,120') auswählt, wobei das Datenelement (120,120') ausgewählt wird, welches das Merkmal (110,110') mit der höheren Priorität aufweist, und
- zumindest einem Übergabemittel (40), daso bei einer Sendedauer kleiner als der Maximaldauer, die Gesamtmenge der Daten (100) an die Speichereinheit (50) sendet,o bei einer Sendedauer größer als der Maximaldauer und einer Übermittlungsdauer kleiner als der Maximaldauer, die wenigstens eine ausgewählte Dateneinheit (110,110') an die Speichereinheit (50) sendet, odero das wenigstens eine ausgewählte Datenelement (120,120') an die Speichereinheit (50) sendet." Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist als weiteres Merkmal auf:
"wobei bei einer Unterbrechung des Sendens (200) der Daten (100) an die Speichereinheit (50) wenigstens eine der folgenden Informationen gespeichert wird:
- eine Menge der übermittelten Daten (100),
- eine Menge der nicht übermittelten Daten (100)."
Anspruch 7 spezifiziert jeweils einen korrespondierenden Verfahrensanspruch.
Entscheidungsgründe
1. Der Kerngedanke der Erfindung besteht darin, die Gesamtheit der möglicherweise zu sichernden Daten in Datenelemente und Dateneinheiten aufzuspalten. Dabei sind die Dateneinheiten mit einem ersten Merkmal versehen und die Datenelemente mit einem zweiten Merkmal. Unter Berücksichtigung der Maximaldauer, welche für die Sicherung vorgesehen ist, bestimmt das Auswahlmittel, ob ein oder mehrere Dateneinheiten und/oder ein oder mehrere Datenelemente übermittelt werden können. Basis für diese Auswahl ist die Bestimmung einer anzunehmenden Sendedauer aus der zur Verfügung stehenden Datenrate - auch als Übertragungsrate oder Datenübertragungsrate bezeichnet - sowie der Gesamtmenge der zu sichernden Daten. Als Datenrate wird dabei im Rahmen der Erfindung jene Rate bezeichnet, mit der eine digitale Datenmenge innerhalb einer Zeiteinheit über einen Übertragungskanal übertragen wird (vgl. Seite 3, letzter Absatz der Beschreibung der Anmeldung).
2. Die angefochtene Entscheidung ist auf einen Einwand mangelnder Offenbarung nach Artikel 83 EPÜ gestützt, wobei in der mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz und in der Entscheidung lediglich behandelt wurde, ob die Auswahlschritte für die Dateneinheiten und Datenelemente in der Beschreibung der Patentanmeldung ausreichend offenbart sind. Weitere Einwände unter Artikel 83 und Artikel 84 EPÜ wurden in der mündlichen Verhandlung nicht diskutiert (vgl. Punkt 5.6 der angefochtenen Entscheidung).
3. Die Prüfungsabteilung argumentiert im Wesentlichen, dass in der Beschreibung keine Offenbarung zu finden sei, wie viele bzw. welche Dateneinheiten im ersten Auswahlschritt ausgewählt werden sollen, wenn mehrere Dateneinheiten die höchste Priorität haben. Darüber hinaus fehle auch eine Offenbarung, wie viele bzw. welche Datenelemente im zweiten Auswahlschritt aus den bereits zuvor ausgewählten Dateneinheiten ausgewählt werden sollen, wenn mehrere dieser Datenelemente die höchste Priorität haben. Anspruch 1 bzw. 7 gebe lediglich an, dass jeweils wenigstens eine solche Dateneinheit oder wenigstens ein Datenelement ausgewählt werde(vgl. Punkt 4.4 der Entscheidungsgründe). Die Funktionsweise der Erfindung werde lediglich anhand eines einzigen simplen Ausführungsbeispiels erklärt (mit Bezugnahme auf Figur 1 und Beschreibung, Seite 12, Zeile 15; Seite 13, Zeile 6), wobei die Daten in nur zwei Dateneinheiten mit unterschiedlichen Prioritätsmerkmalen unterteilt seien und jede der beiden Dateneinheiten in nur zwei Datenelemente mit unterschiedlichen Prioritätsmerkmalen weiter unterteilt seien. Dadurch lasse sich die Funktionsweise, die anhand des sehr einfachen Ausführungsbeispiels klar zu sein scheine, nicht ohne weiteres auf den gesamten Bereich des beanspruchten Verfahrens übertragen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, wie eine geeignete Kombination von Dateneinheiten auszuwählen sei, die innerhalb des durch die Maximaldauer vorgegebenen Zeitintervalls gespeichert werden kann (vgl. Punkte 4.5 bis 4.7 der Entscheidungsgründe).
4. Zunächst ist festzustellen, dass der Wortlaut von Anspruch 1 sowohl für Dateneinheiten als auch für Datenelemente vorsieht, dass mehr als eine Einheit ausgewählt werden können ("der wenigstens einen ausgewählten Dateneinheit (110,110')" und "das wenigstens eine ausgewählte Datenelement (120,120')"). Auch sind Mehrfachvergaben gleicher Prioritäten möglich. Dies ergibt sich unter anderem aus der Beschreibung (siehe Seite 9, zweiter Absatz):
"Ist geplant im Rahmen einer Speicherung beispielsweise zwei ausgewählte Datenelemente zu übermitteln und bricht nach dem Senden des ersten Datenelementes die Verbindung mit der Speichereinheit ab, so kann das erfindungsgemäße Verfahren erneut gestartet werden. Allerdings würde bei unverändertem ersten und/oder zweiten Merkmal die beiden vormals ausgewählten Datenelemente wieder als jene bestimmt werden, die gespeichert werden müssen. Dadurch würde das erste schon gespeicherte Datenelement ein weiteres Mal der Speicherung zugeführt. Dieses würde zu unnützem Verbrauch von Netzwerkkapazitäten führen. Folglich hat es sich als vorteilhaft erwiesen, wenn das erste und/oder zweite Merkmal den schon übermittelten Daten angepasst wird. Somit könnten das erste und/oder zweite Merkmal derart geändert werden, dass nur noch das zweite, bisher nicht gespeicherte Datenelement, ausgewählt wird und im Rahmen der Sendung an die Speichereinheit übermittelt wird. Weiterhin kann bei der Unterbrechung des Sendens der Daten ein erstes Auswahlkriterium für das erste Merkmal und/oder ein zweites Auswahlkriterium für das zweite Merkmal verändert werden. Die Auswahlkriterien haben Einfluss auf die Wahl des ersten und/oder zweiten Merkmales. Bei den Auswahlkriterien kann es sich insbesondere um Größen, wie die zur Verfügung stehende Datenrate und/oder den Typ des Netzes handeln".
5. Somit entnimmt der Fachmann, anders als in den Figuren mit dem vereinfachten Ausführungsbeispiel, dass auch mehr als ein Datenelement ausgewählt und übertragen werden soll und dass zwei Datenelemente das gleiche Merkmal aufweisen können, welches zur Auswahl geführt hat. Mithin sind Mehrfachvergaben gleicher Prioritäten für unterschiedliche Datenelemente offenbart. Aufgrund der erfindungsgemäßen Lehre schließt der Fachmann daraus, dass gleiches auch für Dateneinheiten gilt. Somit ergibt sich bei verständiger Würdigung der zitierten Passage der Beschreibung, dass eine Auswahl aller Dateneinheiten oder aller Datenelemente mit zugewiesenem ersten bzw. zweiten Merkmal höchster Priorität erfolgt.
6. Auch sind Beispiele für die Auswahl der ersten und zweiten Merkmale genannt (Größe, Datenrate, Netzwerktyp) und somit sind dem Fachmann Wege für ein mögliches Auswahlverfahren aufgezeigt (entgegen Punkt 5.11 der angefochtenen Entscheidung). Dass eine Auswahl bzw. Priorisierung von Dateneinheiten bzw. Datenelementen anhand subjektiver Kriterien durch einen Benutzer erfolgt, steht der Ausführbarkeit der beanspruchten Auswahlschritte nicht im Wege (entgegen Punkt 4.8 der angefochtenen Entscheidung). Dies stellt entgegen der Auffassung in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkte 4.1 und 7.2(b) der Entscheidung) für die Kammer auch kein Klarheitsproblem dar (Artikel 84 EPÜ).
7. Die angefochtene Entscheidung irrt in der Annahme, dass es für die Ausführbarkeit erforderlich sei, eine geeignete Kombination von Dateneinheiten auszuwählen, die innerhalb des durch die Maximaldauer vorgegebenen Zeitintervalls gespeichert werden kann (vgl. Punkt 4.7 der Entscheidung). Eine solche einschränkende Auswahl ist erfindungsgemäß gar nicht erforderlich. Der Fachmann entnimmt der Anmeldung, wie verfahren werden kann, wenn nicht alle ausgewählten Datenelemente übertragen werden können. In diesem Fall erfolgt eine Unterbrechung mit Neustart. Die Aufgabe der Erfindung, nämlich eine Reduktion der Datenmenge, wird damit immer noch gelöst, denn es werden weniger als alle Datenelemente übertragen, indem Dateneinheiten mit niedriger Priorität nicht übertragen werden (in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin, vgl. Punkt 5.10 der angefochtenen Entscheidung). Vorteilhaft erfolgt eine Anpassung der Priorisierung, wodurch die Effizienz weiter gesteigert werden kann. Eine solche Anpassung erfolgt dabei derart, dass durch entsprechende Prioritätsvergabe nur noch bisher nicht gespeicherte Datenelemente ausgewählt werden und im Rahmen der Sendung an die Speichereinheit übermittelt werden (vgl. zitierte Passage in Punkt 4 oben).
8. Der Fachmann entnimmt den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen somit zumindest einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Auswahlschritte für Dateneinheiten und Datenelemente, mit dem die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausgeführt werden kann. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind diesbezüglich erfüllt. Der Einwand, auf den die Zurückweisung der Anmeldung in der angefochtenen Entscheidung gestützt wurde, kann daher nicht aufrecht erhalten werden, da die Beschreibungsseiten die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen.
9. Anders als in der angefochtenen Entscheidung angenommen, erfordert die beanspruchte Erfindung nicht eine Datenrate zu bestimmen (vgl. Punkt 4.9 der Entscheidung), sondern es wird anhand der Datenrate und dem Datenvolumen eine Sendedauer bzw. Übermittlungsdauer bestimmt (vgl. Seite 3, letzter Absatz der Beschreibung). Die Datenrate ist somit vorgegeben und nicht beeinflussbar, sondern diese kann z.B. bei einer Mobilfunkverbindung variieren. Ziel der Erfindung ist es ja gerade, Daten in Abhängigkeit von einer zur Verfügung stehenden Datenübertragungsrate selektiv zu sichern (vgl. Seite 3, vorletzter Absatz der Beschreibung).
10. Da in der ersten Instanz keine abschließende Prüfung der weiteren Erfordernisse erfolgt ist und sich die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz nicht zu allen Einwänden äußern konnte (siehe Punkt 2 oben), insbesondere auch keine Würdigung des Standes der Technik und keine Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit erfolgt ist, ist eine Zurückverweisung geboten und die Kammer übt ihr Ermessen nach Artikel 111(1) EPÜ in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin entsprechend aus.
11. Von der ersten Instanz wird dabei auch zu prüfen sein, ob die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag alle wesentlichen Merkmale enthalten oder aber die Aufnahme weiterer Merkmale zur Erfüllung der Erfordernisse einer vollständigen Lehre und einer Stützung durch die Beschreibung, so wie im Hilfsantrag geschehen, erforderlich sind.
12. Da die Beschwerdekammer der Argumentation der Beschwerdeführerin folgt, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.