European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T091214.20170914 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 September 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0912/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06023941.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 47/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Klappverschluss | ||||||||
Name des Anmelders: | Weener Plastik AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Zaklad Produkcji Opakowan Rosinski i S-ka S.A. Reckitt Benckiser (UK) Limited |
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Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin 01 (Einsprechende 01) und die Beschwerdeführerin 02 (Einsprechende 02) haben gegen die Entscheidung, mit der der gegen das europäische Patent Nr. 1 790 581 gerichtete Einspruch zurückgewiesen wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einsprüche richteten sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützten sich auf die in Artikel 100 a) EPÜ angegebenen Gründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sowie auf den in Artikel 100 b) angegebenen Grund der mangelnden Ausführbarkeit und auf den in Artikel 100 c) angegebenen Grund der unzulässigen Änderung.
III. Die angefochtene Entscheidung stützte sich u. a. auf folgende Entgegenhaltungen:
E1: JP 2004 059137 A;
E2: EP 0 291 457 B2;
E5: US 5 221 017 A;
E6: US 4 403 712 A;
E7: US 4 717 018 A;
E8: JP 2003 221053 A.
Folgende Entgegenhaltungen wurden zusammen mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 eingereicht:
E9: US 5 540 343;
E10: EP 1 048 582;
E11: US 5 368 176;
E12: US 4 487 324.
IV. Am 14. September 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin 01 erschien nicht. Das Verfahren wurde nach Regel 115 (2) EPÜ, Artikel 15 (3) VOBK ohne sie fortgesetzt.
Sie hatte während des schriftlichen Verfahrens die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt.
Die Beschwerdeführerin 02 beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden (Hauptantrag) oder hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage eines der am 18. November 2014 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags, d. h. des Patents in der erteilten Fassung, lautet wie folgt:
"Klappverschluss mit einem Verschlussunterteil (10) und einem Klappdeckel (12), der mittels wenigstens eines Filmscharniers (14) an das Verschlussunterteil (10) angelenkt ist, wobei der Klappdeckel (12) und das Verschlussunterteil (10) ferner über zumindest ein Spannband (24, 26) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass
der maximale Abstand zwischen dem Spannband (24, 26) und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier (14) in der sich um eine zentrale Längsachse (28) des Klappverschlusses (1) erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist und der minimale Abstand größer oder gleich 0 mm ist."
Der unabhängige Anspruch 12 des Hauptantrags, d. h. des Patents in der erteilten Fassung, lautet wie folgt:
"Spritzgussform für die Herstellung eines aus Kunststoff bestehenden und gemäß einem der vorangehenden Ansprüche ausgebildeten Klappverschlusses, wobei die Spritzgussform ein erstes Formteil und ein zweites Formteil aufweist und wobei das erste Formteil die Negativkontur des seitlichen Oberflächenabschnittes (46, bzw. 48) des Spannbandes (24 bzw. 26) ausbildet, der dem Filmscharnier (14) in der sich um die zentrale Längsachse (28) des Klappverschlusses (1) erstreckenden Umfangsrichtung (30) benachbart bzw. zugewandt ist, und wobei das zweite Formteil die Negativkontur des seitlichen Oberflächenabschnittes (50 bzw. 50) des Filmscharniers (14) ausbildet, der dem Spannband (24 bzw. 26) in der sich um die zentrale Längsachse (28) des Klappverschlusses (1) erstreckenden Umfangsrichtung (30) benachbart bzw. zugewandt ist, wobei insbesondere vorgesehen ist, dass eines dieser beiden Formteile die Oberform und das andere dieser beiden Formteile die Unterform dieser Spritzgussform bildet, und wobei der maximale Abstand zwischen dem Spannband (24, 26) und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier (14) in der sich um eine zentrale Längsachse (28) des Klappverschlusses (1) erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist und der minimale Abstand größer oder gleich 0 mm ist."
VI. Die Beschwerdeführerinnen argumentierten im Wesentlichen wie folgt:
Anspruch 10 enthalte Änderungen, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgingen.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 erlaube eine Auslegung, wonach das Filmscharnier und das Spannband als unterschiedliche Bereiche desselben Elements des beanspruchten Klappverschlusses erachtet werden könnten.
E1 und E6 offenbarten Klappverschlüsse, bei denen das Filmscharnier und das Spannband als unterschiedlich geformte, aber gleichzeitig integrale Bestandteile eines einzelnen Elements geformt seien (siehe z. B. Figur 4 der E1). Diese Teile seien offensichtlich nicht voneinander beabstandet und wiesen daher einen Abstand gleich 0 mm auf.
Die Offenbarungen von E1 und E6 seien somit neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
Figur 6 der E2 zeige einen Abstand zwischen Filmscharnier 3 und Spannband 6, welcher größer als 0 mm sei und gleichzeitig kleiner als die Dicke des Spannbandes 6. Aus der Kombination der in Figur 6 enthaltenen Information mit der Information, dass die Materialdicke eines Spannbandes ca. 0,5 - 0,8 mm sein solle (siehe Spalte 2, Zeilen 15, 16), folgere der Fachmann, dass der maximale Abstand zwischen Spannband und Scharnier kleiner als 0,8 mm sein müsse.
Aus ähnlichen Gründen seien den Figuren von E5, E7 und E8 Abstände zwischen dem jeweiligen Filmscharnier und dem jeweiligen Spannband zu entnehmen, welche innerhalb des im Anspruch 1 beanspruchten Bereichs von 0 bis 0,8 mm lägen.
Die Offenbarungen dieser Entgegenhaltungen seien somit ebenfalls neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
Die Begründung betreffend die mangelnde Neuheit des Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelte entsprechend auch für die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hauptantrags.
Ausgehend von E1 oder E5 und insbesondere unter Berücksichtigung des fachmännischen Handels und Könnens weise der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags keine erfinderische Tätigkeit auf, da der im Anspruch 1 beanspruchte Abstandbereich von 0 bis 0,8 mm keine technische Wirkung entfalte. Der Fachmann gelange anhand von Routineexperimenten zu dem beanspruchten Abstandbereich, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
Entsprechendes gelte auch für den Gegenstand des Anspruchs 12 des Hauptantrags.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Die Entgegenhaltungen E9 bis E12 sollten als verspätet eingereicht nicht ins Verfahren zugelassen werden.
Die in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 integrierten Zeichnungen 1-3 und A-D seien ebenfalls nicht ins Verfahren zuzulassen, da sie von der Einspruchsabteilung korrekterweise nicht ins Verfahren zugelassen wurden.
Anspruch 10 könne keine Änderungen aufweisen, welche über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgingen, da dieser Anspruch während des Prüfungsverfahrens nicht geändert worden sei.
Anspruch 1 sei nur so zu verstehen, dass Scharnier und Spannband beabstandet und somit voneinander getrennte Teile seien.
Da Figur 6 der E2 keine maßstabgetreue schematische Abbildung sei, könne ihr auch keine Information betreffend die Dimensionen des Abstandes zwischen dem Filmscharnier und dem Spannband, geschweige denn die Information entnommen werden, dass dieser Abstand zwischen 0 und 0,8 mm liegen solle.
E5 sei besser geeignet als E1, um als Startpunkt für eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit zu dienen, da bei E5 eine Trennung und somit ein Abstand zwischen Spannbändern und Scharnier bereits offenbart sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung der E5 dadurch, dass der Abstand zwischen Scharnier und Spannband im Bereich zwischen 0 und 0,8 mm liege.
Dieses Unterscheidungsmerkmal bewirke, dass die seitlich angeordneten Scharniere der E5 so zentral wie möglich angeordnet seien, sodass sie beim wiederholten Verschließen weniger beansprucht würden.
Die dadurch zu lösende Aufgabe sei somit darin zu sehen, die Betriebssicherheit des aus E5 bekannten Verschlusses zu erhöhen.
Es stehe keine Entgegenhaltung zur Verfügung, bei der der Abstand zwischen Scharnier und Spannband als ein Problem für die Betriebssicherheit erkannt worden sei.
Der Fachmann hätte somit keine Veranlassung, in dem aus E5 bekannten Verschluss einen Abstand zwischen Scharnier und Spannband gemäß Anspruch 1 vorzusehen.
Der Verschluss gemäß der E5 sei nicht zwingend, bzw. ausschließlich mit der zweiteiligen Spritzgussform gemäß den zusammen mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 eingereichten Figuren B und C herstellbar.
Ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik sei die erfinderische Tätigkeit ebenfalls anzuerkennen, da, wie oben erwähnt, der vorgelegte Stand der Technik keinen Hinweis enthalte, einen Abstand zwischen Scharnier und Spannband gemäß Anspruch 1 vorzusehen, bzw. die in E1 offenbarten Spannbänder vom Scharnier zu trennen.
Aus den gleichen Gründen seien die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 01
Während der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin ihren während des schriftlichen Verfahrens gestellten Antrag, die Beschwerde der Beschwerdeführerin 01 als unzulässig zu erachten, zurück, siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung.
Die Kammer merkt diesbezüglich an, dass in der angefochtenen Entscheidung die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 12 des Patents in der erteilten Fassung für neu und erfinderisch befunden wurden, und dass die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 mit Gründen versehene Einwände gegen die o. g. Feststellung der Einspruchsabteilung enthielt. Die Beschwerdeführerin 01 hat somit angegeben und begründet, warum eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, ihrer Meinung nach gerechtfertigt wäre.
Die Kammer sieht daher auch keinen Grund, von sich aus die Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 01 infrage zu stellen.
2. Zulassung der Entgegenhaltungen E9 bis E12 ins Verfahren
Die Entgegenhaltungen E9 bis E12 wurden erstmals zusammen mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 vorgelegt.
In Einklang mit Artikel 114 (2) EPÜ räumt die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in Artikel 12 (4) VOBK der Kammer das Ermessen ein, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zuzulassen.
Die Beschwerdeführerin 01 machte keine Gründe geltend, warum die Entgegenhaltungen E9 bis E12 erst zusammen mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden, und nicht früher.
Im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei den Entgegenhaltungen E9 bis E12 um Patentliteratur handelt, d. h. um verhältnismäßig leicht zugänglichen Stand der Technik, sind der Kammer keine Gründe für die verspätete Vorlage dieser Entgegenhaltungen ersichtlich.
Da dieses Verhalten der Beschwerdeführerin 01 mit der im Prozessverhalten zu fordernden Sorgfalt nicht im Einklang steht, entscheidet die Kammer, die Entgegenhaltungen E9 bis E12 in Anwendung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
3. Zulassung der in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 integrierten Zeichnungen 1-3 und A-D ins Verfahren
3.1 Die Kammer erachtet die in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 integrierten Zeichnungen 1-3 und A-D als Bestandteil der Argumente der Beschwerdeführerin 01, der der Partei zur Klarstellung bzw. Untermauerung ihrer Argumentation dient. Sie sind daher nicht als verspätet eingereichte Tatsachen und Beweismittel anzusehen.
3.2 Die Kammer entscheidet somit, die in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 integrierten Zeichnungen 1-3 und A-D ins Verfahren zuzulassen.
4. Anspruch 10 des Hauptantrags - Änderungen, Artikel 100 c) EPÜ
4.1 Die Beschwerdeführerin 01 macht geltend, dass Anspruch 10 Änderungen enthalte, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgehen.
4.2 Da die angeblich unzulässigen Änderungen den Anspruch 10 des Patents in der erteilten Fassung betreffen, dessen Gegenstand während des Prüfungsverfahrens nicht geändert wurde, trifft der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ nicht zu.
5. Anspruch 1 des Hauptantrags - Interpretation
5.1 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass Anspruch 1 auch so zu interpretieren sei, dass keine physische Trennung zwischen Scharnier und Spannband vorhanden sein müsse, d. h. dass das Filmscharnier und das Spannband unterschiedliche Bereiche desselben Elements des beanspruchten Klappverschlusses sein könnten.
5.2 Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nur so zu verstehen sei, dass Scharnier und Spannband durch den im kennzeichnenden Teil definierten (minimalen bzw. maximalen) Abstand zwischen Scharnier und Spannband getrennt seien.
Dass der (minimale) Abstand zwischen Spannband und Scharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung gleich 0 mm sein kann, bedeutet eigentlich, dass diese Teile entweder in der Umfangsrichtung Kontakt haben oder dass sie in einer anderen Richtung (z. B. in der vertikalen Richtung) beabstandet sind und ihre Ränder sich in der Draufsicht überlappen. Es bedeutet aber nicht, dass diese Teile integral miteinander geformt sind, da sonst kein Abstand existieren würde.
6. Anspruch 1 des Hauptantrags, Neuheit gegenüber E1
6.1 E1 offenbart einen Klappverschluss mit einem Verschlussunterteil (1) und einem Klappdeckel (2), der mittels einer Lasche (4, 5) an das Verschlussunterteil (1) angelenkt ist.
6.2 Die Beschwerdeführerinnen merken an, dass die Lasche im Zentralbereich (4) wesentlich dünner und somit biegsamer ist als in den benachbarten, dickeren Seitenbereichen ist. Diese Lasche ist somit als ein einen Schnappeffekt aufweisendes Gelenk zu betrachten.
Auf dieser Basis machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass der Zentralbereich der Lasche als ein Scharnier gemäß Anspruch 1 und ihre Seitenbereiche als die entsprechenden Spannbänder anzusehen seien.
Da der Abstand zwischen Zentralbereich und Seitenbereichen 0 mm betrage, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Offenbarung der E1 neuheitsschädlich getroffen.
6.3 Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen.
Die in Figur 4 der E1 abgebildeten Teile 4 und 5 sind integral geformte Teile bzw. Bereiche einer einstückigen Lasche.
Wie oben diskutiert wurde, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nur so zu verstehen, dass in der Umlaufrichtung zwischen dem Scharnier und dem Spannband ein Abstand vorhanden sein muss.
Das aus E1 bekannte einstückige Gelenk 4, 5 kann daher nicht als Scharnier und Spannband im Sinne des Anspruchs 1 erachtet werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber der Offenbarung der E1.
7. Anspruch 1 des Hauptantrags, Neuheit gegenüber E2
7.1 E2 offenbart einen Klappverschluss mit einem Verschlussunterteil (1) (siehe Figur 4) und einem Klappdeckel (2), der mittels wenigstens eines Filmscharniers (3) an das Verschlussunterteil (1) angelenkt ist, wobei der Klappdeckel (2) und das Verschlussunterteil (1) ferner über zumindest ein separat ausgebildetes Spannband (6) verbunden sind.
Die Figur 5 zeigt, dass es einen kleinen Abstand zwischen dem Spannband (6) und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier (3) gibt.
Dieser Abstand ist auch in Figur 6 sichtbar.
E2 offenbart somit einen Abstand zwischen dem Spannband (6) und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier (3) in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung, welcher größer als 0 mm ist.
E2 enthält noch dazu die Information, dass ein Filmscharnier, um funktionsfähig zu sein, sehr dünn (0,1-0,2 mm) sein sollte, damit die erforderliche Richtungsorientierung der Makromoleküle stattfinden kann (siehe Spalte 2, Zeilen 8-15).
E2 offenbart weiter, dass das Spannband eine wesentlich größere Materialdicke, z. B. zwischen 0,5 und 0,8 mm, aufweisen sollte, da hier keine Richtungsorientierung der Makromoleküle notwendig ist.
Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich dabei um eine allgemeine Lehre handelt, welche lediglich besagt, dass das Spannband dick genug sein soll, um isotropische Materialeigenschaften aufzuweisen. Eine spezielle Anwendung dieser Lehre auf den in E2 offenbarten Verschluss ist in E2 nicht enthalten.
7.2 E2 soll gemäß den Beschwerdeführerinnen offenbaren, dass der maximale Abstand zwischen dem Spannband (6) und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier (3) in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm sei.
Grund dafür sei, dass in Figur 6 der Abstand zwischen Scharnier und Spannband etwas kleiner als die Dicke des Spannbandes abgebildet sei.
Die Beschwerdeführerinnen machen auf dieser Basis geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung der E2 sei.
7.3 Die Kammer kann dieses Argument nicht gelten lassen.
Der fachkundige Leser kann der Figur 6 der E2 das Merkmal, dass der Abstand zwischen Scharnier und Spannband kleiner als 0,8 mm ist, nicht unmittelbar, vollständig und eindeutig entnehmen.
Grund dafür ist, dass Figur 6 keine exakte Konstruktionszeichnung mit maßstäblicher Wiedergabe der Konstruktionselemente des Klappverschlusses ist.
Figur 6 ist als eine in Patentdokumenten übliche schematische Darstellung anzusehen.
Aus einer solchen schematischen Zeichnung können aufgrund fehlender Exaktheit der Darstellung keine Größenverhältnisse abgeleitet werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, II.E.1.12.1).
E2 offenbart somit nicht das Merkmal des Anspruchs 1, dass der maximale Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber der Offenbarung der E2.
8. Anspruch 1 des Hauptantrags, Neuheit gegenüber E5-E8
8.1 Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung E6 wurde seitens der Beschwerdeführerin 02 mit Argumenten infrage gestellt, welche im Wesentlichen denen entsprechen, die bereits in Bezug auf die Offenbarung der E1 geltend gemacht wurden.
Die Kammer merkt an, dass auch E6 ein Scharnier und ein Spannband offenbart, die integral geformt sind (siehe z. B. Figuren 1, 4 und 5).
E6 kann somit, genau wie E1, nicht als neuheitsschädlich erachtet werden, da dort das Scharnier und das Spannband nicht im Sinne des Anspruchs 1 voneinander beanstandet sind.
8.2 Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber den Offenbarungen der Entgegenhaltungen E5, E7 und E8 wurde mit Argumenten infrage gestellt, die im Wesentlichen denen entsprechen, die bereits in Bezug auf E2 geltend gemacht wurden.
Die Kammer merkt an, dass in E5, E7 und E8 keine exakten Konstruktionszeichnungen mit maßstäblicher Wiedergabe der Konstruktionselemente zu finden sind.
Genau wie in der Diskussion der Neuheit gegenüber E2 ist die Kammer der Überzeugung, dass aus den schematischen Zeichnungen dieser Entgegenhaltungen weder Größenangaben noch Größenverhältnisse entnommen werden können, sodass zumindest das Merkmal des Anspruchs 1, dass der maximale Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist, dort nicht offenbart ist.
8.3 Da, wie unter Punkt 8.2 oben festgestellt, E5 weder Größenangaben noch Größenverhältnisse entnommen werden können, kann die Anwesenheit einer einzelnen Trennlinie zwischen den Elementen 12 und 13 in Figur 3 der E5 nicht belegen, dass ein Abstand von 0 mm zwischen dem Spannband 12 und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier 13 vorhanden ist, wie von den Beschwerdeführerinnen behauptet wurde.
8.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber den Offenbarungen der Entgegenhaltungen E5-E8.
9. Anspruch 12 des Hauptantrags - Neuheit gegenüber E1, E2 und E5-E8
9.1 Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 12 gegenüber den Offenbarungen der Entgegenhaltungen E1, E2 und E5-E8 wurde auf der Basis der Argumente infrage gestellt, welche auch in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 geltend gemacht wurden.
9.2 Auf der Basis der oben geführten Neuheitsdiskussion betreffend den Gegenstand des Anspruchs 1, siehe Punkte 6 bis 8 oben, und aufgrund der Tatsache, dass die Geometrie der geformten Spritzgussteile durch die jeweilige Kavität der Spritzgießform bestimmt wird, ergibt sich, dass das Merkmal des Anspruchs 12, wonach der maximale Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist, den Offenbarungen von E1, E2 und E5-E8 nicht zu entnehmen ist.
9.3 Der Gegenstand des Anspruchs 12 des Hauptantrags ist somit neu gegenüber den Offenbarungen von E1, E2 und E5-E8.
10. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit
10.1 Nächstliegender Stand der Technik
10.1.1 Die Beschwerdeführerinnen stellten die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 sowohl ausgehend von E1 als auch ausgehend von E5 infrage.
Die Kammer ist dabei der Überzeugung, dass E5 dem Gegenstand des Anspruchs 1 viel näher als E1 kommt, weil in E5 eine Trennung und somit ein Abstand zwischen Spannbändern und Scharnier offenbart ist und in E1 nicht (siehe auch oben die Punkte 5, 6 und 8.3).
Die Kammer erachtet daher E5 als den nächstliegenden Stand der Technik.
10.1.2 E5 offenbart einen Klappverschluss mit einem Verschlussunterteil (1) (siehe Figur 4) und einem Klappdeckel (2), der mittels wenigstens eines Filmscharniers (13, 16, als "hinge connector" bezeichnet, siehe Spalte 3, Zeilen 50-68) an das Verschlussunterteil (1) angelenkt ist, wobei der Klappdeckel (2) und das Verschlussunterteil (1) ferner über zumindest ein separat ausgebildetes Spannband (12, als "resilient hinge piece" bezeichnet) verbunden sind.
In Figur 3 der E5 wird die Kontaktfläche zwischen Scharnier (13) und Spannband (12) durch eine einzelne Linie dargestellt. Die Kammer folgt diesbezüglich dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach diese einzelne Linie in der Figur 3 nicht zwangsläufig einen Abstand von 0 mm bedeutet, sondern, dass ein Abstand ? 0 mm an dieser Stelle vorhanden ist, welcher aber im Maßstab dieser unterhalb der in der Figur verwendeten Strichbreite liegt.
Die Figur 4 ist ein Schnitt entlang der Ebene 2-2 und zeigt, dass das Scharnier (13) und das Spannband (12) in der vertikalen Ebene, was hier offensichtlich die Öffnungsrichtung der Form ist, von einander beabstandet sind.
Dies impliziert, aufgrund der notwendigerweise anwesenden Schräge der Kontaktflächen zwischen Oberform und Unterform zur Öffnungsrichtung, dass das Scharnier und das Spannband auch in der Horizontale (siehe Figur 2) von einander beabstandet sein müssen.
E5 offenbart somit, dass der minimale Abstand größer als 0 mm ist.
10.2 Unterschied
Als Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem aus E5 bekannten Klappverschluss gilt lediglich, dass der maximale Abstand zwischen Scharnier und Spannband in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist.
10.3 Wirkung - Aufgabe
10.3.1 Dieses Merkmal bewirkt, dass die seitlich angeordneten und in der Vertikale beabstandeten Scharniere der E5 so zentral wie möglich angeordnet werden. Dadurch verringert sich das Risiko, dass sie durch wiederholtes Öffnen reißen.
Grund dafür ist, dass wenn, wie bei E5, das Filmscharnier nicht zentral angeordnet ist, dieses höhere Zugkräfte standhalten muss, die nicht senkrecht zur Rotationsachse sind.
Die zu lösende Aufgabe ist somit darin zu sehen, die Betriebssicherheit des bekannten Verschlusses zu erhöhen.
10.3.2 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass der im Anspruch 1 definierte maximale Abstand keine technische Aufgabe löse, da in der Beschreibung des Streitpatents nur wirtschaftliche Vorteile in Verbindung mit einem solchen Abstand erwähnt seien.
Die Kammer ist damit nicht einverstanden.
Die oben formulierte Aufgabe ist für einen Ingenieur mit Erfahrung in der Konstruktion von Kunststoffteilen sofort ableitbar, weil es ihm klar ist, dass bei Filmscharnieren schräg verlaufende Zugkräfte minimiert werden sollten. Es ist außerdem im Absatz 7 des Streitpatents angegeben, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe darin besteht, nicht nur einen kostengünstig herstellbaren, sondern auch "einen betriebssicheren ... Klappverschluss zu schaffen".
Aus diesen Gründen erachtet die Kammer die o. g. Aufgabe als Grundlage für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit.
10.4 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit
Es liegt keine Entgegenhaltung vor, bei der der maximale Abstand zwischen Scharnier und Spannband in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung als entscheidend für die Betriebssicherheit eines Klappverschlusses thematisiert wird.
Der aus E5 ausgehender Fachmann hatte somit keine Veranlassung das Scharnier und das Spannband des Verschlusses gemäß E5 so anzufertigen, dass der maximale Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm wäre.
10.4.1 Die Beschwerdeführerinnen argumentieren, dass in Ermangelung eines Beweises für eine Verbesserung der Betriebssicherheit des aus E1 bzw. E5 bekannten Verschlusses durch das o. g. Unterscheidungsmerkmal, die zu lösende Aufgabe darin zu sehen sei, ein alternativen Klappverschluss zur Verfügung zu stellen.
Der Fachmann würde durch sein Fachwissen zum Gegenstand des Anspruchs 1 durch sein Fachwissen gelangen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
Die Kammer kann dieser Argumentation nicht beipflichten.
Die Beschwerdeführerinnen haben keinen Beweis dafür vorgelegt, dass ein anspruchsgemäßer Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier zum Fachwissen des Fachmanns gehört bzw. durch eine einfache Versuchsreihe bestimmt werden können. In Ermangelung eines solchen Beweises ist die o. g. Argumentation der Beschwerdeführerinnen als eine unsubstantiierte Behauptung zu betrachten, welche bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht zu lassen ist.
10.4.2 In einer weiteren Argumentationslinie wurde behauptet, dass der aus E5 bekannte Verschluss nur gemäß der in den zusammen mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 01 eingereichten Figuren B und C abgebildeten Konfiguration der Spritzgussform herstellbar wäre. In einem solchen Fall würde der Fachmann, um die nötige Kontaktkraft zu gewährleisten, die sich im Trennbereich berührenden Formflächen leicht abgeschrägt zur Öffnungsrichtung gestalten. Dabei sei eine solche Schräge in Abhängigkeit von Oberflächenrauhigkeit, Kunststoffdruck und Schließkraft empirisch zu ermitteln.
Der Fachmann würde ausgehend von der Konfiguration der Figuren B und C mittels routinenmäßiger Erprobung und anhand von kleineren Anpassungen an der Spritzgussform zu einem Abstand zwischen Spannband und Scharnier gelangen, welcher innerhalb des beanspruchten Bereiches liegt, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
Die Kammer ist mit dieser Argumentationslinie nicht einverstanden, da sie nicht überzeugt ist, dass es nur eine einzige mögliche Konfiguration für die Spritzgussform zur Herstellung eines Klappverschlusses gemäß der E5, nämlich die in den Figuren B und C abgebildete, gibt.
E5 enthält keine Informationen über die Spritzgussformen für die Herstellung des dort beschriebenen Klappverschlusses.
Außerdem, ist es wie die Beschwerdegegnerin auch geltend machte, ist es nicht zwingend, dass der Verschluss gemäß der E5 mit einer zweiteiligen Spritzgussform hergestellt wird, weil die vertikalen Durchbrüche zwischen dem Spannband (12) und den Filmscharnieren (13, 16) durch einen seitlich in die Spritzgussform eingeführten Schieber hergestellt werden könnten, welcher vor dem Auswerfen des gespritzten Verschlusses seitlich wieder aus der Form herauszunehmen wäre.
10.5 Aus den o. g. Gründen weist der Gegenstand des Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit auf.
11. Anspruch 12 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit
Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hauptantrags wurde durch die Beschwerdeführerinnen mit Argumenten infrage gestellt, die im Wesentlichem denen entsprechen, die in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 geltend gemacht wurden.
Aus der oben geführten Diskussion betreffend die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 (siehe Punkt 10 oben), und weil die Geometrie des geformten Teils durch die der Kavitäten der Spritzgießform bestimmt wird, ergibt sich, dass Anspruch 12 auch das gleiche Unterscheidungsmerkmal gegenüber E5 enthält, nämlich, dass der maximale Abstand zwischen dem Spannband und dem unmittelbar daneben angeordneten Filmscharnier in der sich um eine zentrale Längsachse des Klappverschlusses erstreckenden Umfangsrichtung kleiner oder gleich 0,8 mm ist.
Wie oben ausführlich dargelegt wurde, ist die Kammer der Auffassung, dass die Anwesenheit einer erfinderischen Tätigkeit auf der Basis dieses Unterscheidungsmerkmals anzuerkennen ist.
Aus den o. g. Gründen weist der Gegenstand des Anspruchs 12 eine erfinderische Tätigkeit auf.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.