T 0845/14 () of 13.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T084514.20180613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2018
Aktenzeichen: T 0845/14
Anmeldenummer: 01955368.4
IPC-Klasse: G01F 23/26
G01F 23/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR MESSUNG DES FÜLLSTANDS EINES FÜLLGUTS IN EINEM BEHÄLTER
Name des Anmelders: Endress+Hauser SE+Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Änderungen - Hilfsantrag
Änderungen - zulässig (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01955368.4 zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte die Zurückweisung insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2008, gegenüber dem Dokument

D1: DE 195 10 484 A1

nicht neu ist, und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 10. Januar 2014, ausgehend von Dokument D1 in Verbindung mit dem fachüblichen Handeln des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen gemäß Hauptantrag auf Grundlage der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüche 1 - 8 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2008, oder gemäß Hilfsantrag auf Grundlage der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüche 1 - 5 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 10. Januar 2014.

III. In einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Hinblick auf das Dokument D1 entgegen den Erfordernissen des Artikels 54 (1) EPÜ 1973 nicht neu sei. Zum Hilfsantrag vertrat die Kammer unter anderem die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 entgegen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart sei.

IV. Mit Schreiben vom 8. Mai 2018 teilte die Anmelderin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 28. Juni 2018 nicht teilnehmen werde und beantragte Entscheidung nach Aktenlage.

V. Die Kammer hob daraufhin die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf und setzte das Verfahren schriftlich fort.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2008, lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Messung des Füllstands eines Füllguts in einem Behälter mit einem Sensor, der als ein leitfähiges Element ausgebildet ist, und einer Regel-/Auswerteeinheit,

dadurch gekennzeichnet,

daß der Sensor (2) dahingehend ausgestaltet ist, dass er in zumindest zwei unterschiedlichen Betriebsmoden arbeitet, wobei er in dem einen Betriebsmodus das kapazitives [sic] Meßverfahren und in dem anderen Betriebsmodus das Laufzeitverfahren von hochfrequenten Messsignalen ausübt, wobei im Falle des kapazitiven Meßverfahrens das leitfähige Element (3) eine Elektrode bildet und wobei im Falle des Laufzeitverfahrens von hochfrequenten Messsignalen die hochfrequenten Messsignale entlang des leitfähigen Elements (3) geführt werden, und wobei es sich bei den hochfrequenten Messsignalen um einen geführten elektromagnetischen Hochfrequenzpuls oder um eine geführte kontinuierlichen [sic], frequenzmodulierte Mikrowelle handelt,

daß die Regel-/Auswerteeinheit (4) den Sensor (2) jeweils nach zumindest einem der beiden Meßverfahren bzw. zumindest in einem der beiden Betriebsmoden betreibt und

daß die Regel-/Auswerteeinheit (4) anhand der Meßdaten des Sensors (2), die über zumindest ein Meßverfahren bzw. während zumindest eines Betriebsmodus' geliefert werden, den Füllstand des Füllguts (12) in dem Behälter (11) bestimmt."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 10. Januar 2014, lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Messung des Füllstands eines Füllguts (12) in einem Behälter (11) mit einem kapazitiven Meßsystem und einem Laufzeit-Meßsystem mit geführten hochfrequenten Meßsignalen,

wobei das kapazitive Meßsystem ein leitfähiges Element (3), das sich über die gesamte Höhe des Behälters (11) in den Behälter (11) hineinerstreckt, und eine Steuerschaltung (5) für einen kapazitiven Sensor aufweist,

wobei das Laufzeit-Meßsystem mit den geführten hochfrequenten Meßsignalen das leitfähige Element (3) und eine Steuerschaltung (6) für einen Sensor mit geführten hochfrequenten Meßsignalen aufweist,

wobei in einer Regel-/Auswerteeinheit (4) ein Ansteuerprogramm vorgesehen ist, das das kapazitive Meßsystem und das Laufzeit-Meßsystem alternierend oder nach einem vorgegebenen Schaltschema aktiviert,

wobei bei Aktivierung des kapazitiven Meßsystems das leitfähige Element (3) eine Elektrode bildet und über eine Schalteinheit (7) mit der Steuerschaltung (5) für den kapazitiven Sensor verbunden ist,

wobei bei Aktivierung des Laufzeit-Meßsystems die Steuerschaltung (6) über die Schalteinheit (7) mit dem leitfähigen Element (3) verbunden ist, an dem entlang die hochfrequenten Meßssignale [sic] geführt werden,

wobei die Regel-/Auswerteeinheit (4) anhand der Meßdaten, die das Meßsystem mit den geführten hochfrequenten Meßsignalen bereitstellt, einen Abgleich des kapazitiven Meßsystems durchführt, und

wobei die Regel-/Auswerteeinheit (4) anhand der Meßdaten von zumindest einem der beiden Meßsysteme den Füllstand des Füllguts (12) in dem Behälter (11) bestimmt."

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

1.1 Die Prüfungsabteilung war in der angefochtenen Entscheidung der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf Dokument D1 nicht neu sei.

1.2 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass beide in Dokument D1 offenbarten Ausgestaltungen als separate Ausführungsformen in den Figuren 5 und 6 dargestellt seien. Figur 5 zeige eine dielektrische Stabantenne, die sich annähernd über die gesamte Höhe des Behälters erstrecke, Figur 6 zeige eine dielektrische Stabantenne mit elektrischem Innenleiter, die als Überfüllsicherung verwendet werden könne. Eine Kombination beider völlig separater Ausführungsformen sei für einen Neuheitsangriff nicht zulässig. Die in Anspruch 1 des Hauptanspruchs beschriebene Lösung sei durch den Offenbarungsgehalt des Dokuments Dl nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

Außerdem beschreibe das Dokument D1 kein TDR-Füllstandsmessgerät, bei dem die Mikrowellen entlang eines leitfähigen Elements in den Behälter hinein- und aus dem Behälter herausgeführt würden. Das Dokument D1 beschreibe vielmehr ein Füllstandsmessgerät mit einer dielektrischen Stabantenne.

1.3 Nach Ansicht der Kammer offenbart Dokument D1 eine Vorrichtung zur Messung des Füllstands eines Füllguts in einem Behälter (vgl. Zusammenfassung) mit einem Sensor (vgl. Spalte 5, Zeilen 31 - 37; Antenne 3 mit Innenleiter 5), der als ein (für Mikrowellen) leitfähiges Element 5 ausgebildet ist (vgl. Spalte 3, Zeilen 36 - 52 und Spalte 5, Zeilen 31 - 37), und einer Regel-/Auswerteeinheit (eine derartige Regel- und Auswerteeinheit ist nicht explizit offenbart; Dokument D1 offenbart jedoch, dass durch die Laufzeitmessung und die kapazitive Messung ein redundantes Messsystem geschaffen wird, weshalb implizit offenbart ist, dass es eine Auswerteeinheit gibt, die die Messverfahren auswählen und deren Ergebnisse vergleichen kann),

wobei der Sensor dahingehend ausgestaltet ist, dass er in zumindest zwei unterschiedlichen Betriebsmoden arbeitet, wobei er in dem einen Betriebsmodus das kapazitive Messverfahren (Spalte 3, Zeilen 39 - 44 und Spalte 5, Zeilen 38 - 41) und in dem anderen Betriebsmodus das Laufzeitverfahren (Spalte 4, Zeilen 28 - 44) von hochfrequenten Messsignalen ausübt,

wobei im Falle des kapazitiven Messverfahrens das leitfähige Element 5 eine Elektrode bildet (vgl. Spalte 3, Zeilen 41 - 44; Innenleiter 5) und wobei im Falle des Laufzeitverfahrens von hochfrequenten Messsignalen die hochfrequenten Messsignale entlang des leitfähigen Elements geführt werden (Spalte 5, Zeilen 11 - 30 in Verbindung mit Spalte 5, Zeilen 31 - 37; der Innenleiter dient zur Führung der erzeugten Mikrowellen), und

wobei es sich bei den hochfrequenten Messsignalen um einen geführten elektromagnetischen Hochfrequenzpuls oder eine geführte kontinuierliche, frequenzmodulierte Mikrowelle handelt (bei Laufzeitverfahren werden üblicherweise Hochfrequenzpulse oder frequenzmodulierte Schwingungswellen ausgesandt. Dies ist auch in Dokument D1, Spalte 1, Zeilen 26 - 54 erwähnt), und

die Regel-/Auswerteeinheit den Sensor jeweils nach zumindest einem der beiden Messverfahren bzw. zumindest in einem der beiden Betriebsmoden betreibt (siehe Ausführungen zur Regel-/Auswerteeinheit oben), und

wobei anhand der Messdaten des Sensors, die während zumindest eines Betriebsmodus geliefert werden, der Füllstand des Füllguts in dem Behälter bestimmt wird (beide Messverfahren dienen der Füllstandserfassung, wodurch das Messsystem redundant wird).

1.4 Die Kammer folgt der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, dass sich die dielektrische Stabantenne aus Dokument D1 zwar über die gesamte Höhe erstrecke, die Antenne mit elektrischem Innenleiter jedoch nur, wie in Figur 6 gezeigt, als Überfüllsicherung verwendet werden könne. Dokument D1 nennt die Verwendung als Überfüllsicherung nur beispielhaft. Die Kammer ist der Meinung, dass die Gesamtoffenbarung des Dokuments D1 es deutlich macht, dass ein Mikrowellenleiter, der sich über die gesamte Höhe des das Medium speichernden Behälters erstreckt, gewisse Vorteile hat (vgl. Spalte 5, Zeilen 11 - 30). Es ist für den Fachmann implizit, dass diese Vorteile auch bei einem Mikrowellenleiter zum Tragen kommen, der den Innenleiter 5 aufweist. Auch bei der kapazitiven Messung ist es allgemein bekannt, dass sich ein leitfähiges Element über die gesamte Höhe des Behälters erstrecken kann. Daher gibt die kapazitive Messung keinen Anlass, das leitfähige Element nur zur Überfüllsicherung im oberen Teil des Behälters zu verwenden. Die Darstellung in Figur 6 ist daher nur beispielhaft zu verstehen.

1.5 Die Kammer kann sich auch nicht der Ansicht der Beschwerdeführerin anschließen, dass das Dokument D1 kein TDR-Füllstandsmessgerät darstelle, bei dem die Mikrowellen entlang eines leitfähigen Elements in den Behälter hinein- und aus dem Behälter herausgeführt würden. Dokument D1 offenbart, dass der metallische Innenleiter zur Einkoppelung bzw. Führung der Mikrowellen dient (vgl. Spalte 5, Zeilen 31 - 37). Es ist physikalisches Grundwissen, dass der metallische Innenleiter die Mikrowellen in beiden Richtungen führen kann. Diesbezüglich kann die Kammer keinen Unterschied zur beanspruchten Vorrichtung feststellen.

1.6 Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Eingabe vom 28. Juni 2018 zu diesen Einwänden im Bescheid der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK nicht geäußert.

1.7 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu ist.

2. Hilfsantrag - Anspruch 1 - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

2.1 Die Kammer ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart ist.

2.2 Der Anspruch definiert ein kapazitives Messsystem und Laufzeit-Messsystem mit geführten hochfrequenten Messsignalen. Das kapazitive Messsystem weist dabei ein leitfähiges Element auf, das sich über die gesamte Höhe des Behälters in den Behälter hineinerstreckt, und eine Steuerschaltung für einen kapazitiven Sensor. Als Offenbarungsquelle für die Messsysteme hat die Anmelderin die Figur 1 angegeben. Die Kammer kann der ursprünglichen Anmeldung nicht entnehmen, dass das kapazitive Messsystem lediglich ein leitfähiges Element und eine Steuerschaltung für einen kapazitiven Sensor aufweist. In der Figur 1 sind neben dem leitfähigen Element 3 und der Steuerschaltung 5 noch die Schalteinheit 7, die Verbindungsleitung 8, die Einkoppelung 9 und die Regel-/Auswerteeinheit 4 gezeigt, die auch Teil des gezeigten kapazitiven Messsystems sind. Ein kapazitives Messsystem ohne diese Elemente stellt eine unzulässige Zwischenverallgemeine­rung dar.

2.3 Das gleiche trifft für das definierte Laufzeit-Messsystem zu. Der Anspruch definiert lediglich das leitfähige Element und eine Steuerschaltung für einen Sensor mit geführten hochfrequenten Messsignalen. In der Figur 1 sind aber zusätzlich die Regel-/Auswerteeinheit 4, die Schalteinheit 7, die Verbindungsleitung 8 und die Einkopplung 9 gezeigt. Das Laufzeit-Messsystem lediglich durch das leitfähige Element und die Steuerschaltung zu definieren, führt auch hier zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeine­rung.

2.4 Der Anspruch definiert, dass in der Regel-/Auswerteeinheit ein Ansteuerprogramm vorgesehen ist, das das kapazitive Messsystem und das Laufzeit-Messsystem alternierend oder nach einem vorgegebenen Schaltschema aktiviert. Gemäß der ursprünglichen Beschreibung, Seite 5, Zeilen 5 - 8, ist offenbart, dass das eine oder andere Messsystem über den Schalter abwechselnd aktiviert werden kann. Eine Aktivierung des einen oder anderen Messsystems durch ein "Ansteuerprogramm" ohne die Funktion des Schalters ist nicht offenbart. Die Angabe im Anspruch, dass bei Aktivierung des kapazitiven Messsystems das leitfähige Element (3) über eine Schalteinheit (7) mit der Steuerschaltung (5) für den kapazitiven Sensor verbunden ist, lässt offen, welche Rolle die Schalteinheit bei der Aktivierung des Messsystems spielt. Daher ist der Anspruch 1 auch in diesem Merkmal unzulässig geändert.

2.5 Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Eingabe vom 28. Juni 2018 zu diesen Einwänden im Bescheid der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK nicht geäußert.

2.6 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügt.

3. Da keiner der der vorliegenden Anträge gewährbar ist und die Beschwerdeführerin um Entscheidung nach Aktenlage gebeten hat, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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