T 0722/14 () of 26.11.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T072214.20151126
Datum der Entscheidung: 26 November 2015
Aktenzeichen: T 0722/14
Anmeldenummer: 08869251.2
IPC-Klasse: F16D 65/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: RADBREMSSCHEIBE FÜR EIN RAD EINES FAHRZEUGS
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Faiveley Transport Witten GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der am 27. Januar 2014 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 2229543 zurück.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 26. November 2015 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, oder das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2 eingereicht mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 aufrechtzuerhalten.

VI. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Radbremsscheibe (12) für ein Rad (4) eines Fahrzeugs, mit

- beidseitig des Rades (4) anordbaren Reibringen (1),

- und mit Verbindungsmitteln zum Befestigen der Reibringe (1) am Rad (4), die zum Durchgreifen von Bohrungen (6) in den Reibringen (1) und/oder Bohrungen (15) im Rad (4) eingerichtet sind und Spannelementen (5) zum Verspannen der Reibringe (1) am Rad (4) sowie Zentriermittel (3) zum Zentrieren der Reibringe (1) am Rad aufweisen, wobei die Zentriermittel (3) stiftförmig ausgebildet sind und an ihren beiden freien Enden jeweils ein Führungselement (2) angeordnet ist, welches radial beweglich am Reibring (1) geführt ist, wobei

- die Spannelemente (5) und die Zentriermittel (3) voneinander getrennt in unterschiedlichen Bohrungen (6, 15) angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass das stiftförmige Zentriermittel eine hohle Spannhülse (3) ist."

Die Hilfsanträge sind für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.

VII. Folgende Entgegenhaltungen haben für diese Entscheidung eine Rolle gespielt:

D1: EP -A- 0 683 331;

D7: DE -A- 1 530 241;

D15: DE -A- 1 141 309; und

D19: DE -A- 21 33 235.

VIII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik für Anspruch 1 des Hauptantrags dar. Diese Entgegenhaltung offenbare eine Radbremsscheibe mit allen Merkmalen gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs. Insbesondere weise die Radbremsscheibe Zentriermittel 19 mit Passfedern 21 an beiden freien Enden auf. Die Passfedern könnten als Führungselemente, welche radial beweglich am Reibring geführt seien, angesehen werden. Ferner seien diese Führungselemente an beiden freien Enden der Zentrier­mittel angeordnet oder mindestens vorgesehen.

Die ausgehend von D1 zu lösende Aufgabe bestehe darin, eine Radbremsscheibe mit einer stabilen und einfachen Anordnung bereitzustellen. Im Hinblick auf diese Aufgabe sei es für den Fachmann naheliegend, die Lehre der D15, die sich mit einer ähnlichen Aufgabe beschäftige, in Betracht zu ziehen.

D15 offenbare Spannhülsen, die an den freien Enden Führungsmittel tragen, und die als Zentriermittel dienen. Für den Fachmann sei es offensichtlich, dass diese Spannhülsen eine hohe Stabilität aufweisen. Es sei deshalb für ihn naheliegend, die Spannhülsen als Zentriermittel in der Radbremsscheibe der D1 zu verwenden. Darüber hinaus würde er, um die Herstellung zu vereinfachen, ohne erfinderisches Zutun eine einzige Spannhülse statt zwei getrennter Spannhülsen - wie in der Figur 1 der D15 gezeigt - verwenden. Es sei zwar richtig, dass in D15 die Spannhülse und die Schrauben, die als Verspannungselemente dienen, nicht getrennt sondern in derselben Bohrung angeordnet seien. Es gebe jedoch keine Interaktion zwischen den Spannhülsen und den Schrauben, so dass der Fachmann sie weiterhin wie in der D1 - d.h. in unterschiedlichen Bohrungen - anordnen würde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe deshalb ausgehend von D1 und im Hinblick auf die Lehre der D15 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Darüber hinaus veranlasse auch D19, die Radbremsscheibe der D1 gemäß Anspruch 1 zu verändern, da D19 in Figur 3 ebenso die Verwendung von Spannhülsen als Zentrier­mittel offenbare. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe deshalb auch ausgehend von D1 und unter Berücksichtigung der Lehre der D19 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Schließlich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch ausgehend von D15 naheliegend. In diesem Fall bestehe die zu lösende Aufgabe darin, die Zentriermittel dort anzuordnen, wo keine großen Spannungen auftreten. Sowohl D1 als auch D7 schlügen vor, Spannelement und Zentriermittel zu trennen, wodurch weniger Spannungen auf die Zentriermittel wirkten. Deshalb beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auch ausgehend von D15 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag unterscheide sich vom diesen Stand der Technik dadurch, dass an beiden freien Enden der Zentriermittel jeweils ein Führungselement angeordnet sei, und dass das Zentriermittel eine hohle Spannhülse sei. Ausgehend von D1 bestehe die Aufgabe, die durch die Unterscheidungs­merkmale gelöst werde, darin, eine einfache Montierbarkeit der Radbremse zu erreichen.

Die beanspruchte Lösung werde nicht durch D15 nahe­gelegt. Erstens würde der Fachmann diese Entgegen­haltung zur Lösung der gestellten Aufgabe nicht in Betracht ziehen. Ferner lehre die D15 keine Lösung gemäß Anspruch 1, sondern eine Anordnung, bei der Spannelemente und Zentriermittel, die von zwei Spann­hülsen dargestellt seien, in einer gemeinsamen Bohrung anzuordnen. Dasselbe treffe im Hinblick auf die D19 zu, die noch weniger relevant als D15 sei, weil sie keine Führungselemente offenbare. Deshalb lege die Kombination der D1 mit der D15 oder der D19 den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahe.

Da die D15 gegen die beanspruchte Lösung lehre, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von dieser Entgegenhaltung ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere könnten weder D1 noch D7 den Fachmann dazu anregen, die Spannelemente und die Zentriermittel der Radbremsscheibe der D15 zu trennen und in unterschiedlichen Bohrungen anzuordnen.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

1.1 D1 stellt unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Entgegenhaltung offenbart eine Radbremsscheibe für ein Rad eines Fahrzeugs, mit beidseitig des Rades anordbaren Reibringen (3), und mit Verbindungsmitteln, zum Befestigen der Reibringe am Rad, die zum Durchgreifen von Bohrungen in den Reib­ringen und/oder Bohrungen im Rad eingerichtet sind und Spannelemente (Schrauben 11, Muttern 15) zum Verspannen der Reibringe am Rad sowie Zentriermittel (Doppelgleit­steine 19 und Passfedern 21) zum Zentrieren der Reib­ringe am Rad aufweisen, wobei die Zentriermittel stift­förmig ausgebildet sind. Die Spannelemente und die Zentriermittel sind voneinander getrennt in unterschiedlichen Bohrungen angeordnet (siehe Figur 2).

Die Passfedern 21 befinden sich an beiden freien Enden des Zentriermittels und können als Führungselemente, welche radial beweglich am Reibring geführt sind, angesehen werden (Spalte 2, Zeilen 31 bis 49).

1.2 Da jedoch die Passfedern und die Gleitsteine einstückig ausgebildet sind, sind im Fall der D1 die Führungs­elemente nicht an beiden Enden des Zentriermittels angeordnet, wie vom Anspruch 1 erfordert wird.

Darüber hinaus unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Radbremsscheibe der D1 auch noch dadurch, dass das stiftförmige Zentriermittel eine hohle Spannhülse ist.

1.3 Die ausgehend von der D1 zu lösende Aufgabe besteht darin, eine Radbremsscheibe anzugeben, welche einfach montierbar ist (Absatz [0004] des Streitpatents). Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 mittels der in Absatz 1.2 genannten Unterscheidungsmerkmale gelöst. Die Spann­hülse kann in einem ersten Schritt in der Rad-Bohrung stabil befestigt werden (Absatz [0010]) und die Führungs­elemente können anschließend an ihren freien Enden angeordnet werden und ggf. einfach ausgetauscht werden.

1.4 D15 betrifft eine Bremsscheibe für Scheibenbremse und zielt darauf ab, eine Bremsscheibe der eingangs angeführten Art zu schaffen, deren Reibflächenkörper ohne Nach- oder Anpassungsarbeiten am Radkörper befestigt und ausgetauscht werden können, so dass die Herstellungs- und Unterhaltungskosten niedrig gehalten werden können (Spalte 1, Zeilen 45 bis 52). Deshalb würde der Fachmann die Lehre der D15 entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin sehr wohl zur Lösung der gestellten Aufgabe in Betracht ziehen.

Die von D15 vorgeschlagene Bremsscheibe umfasst Zentrier­mittel (11,13) zum Zentrieren der Reibringe am Rad, wobei die Zentriermittel stiftförmig ausgebildet sind und an ihren beiden freien Enden jeweils ein Führungselement (Kulissensteinen 15, 17) angeordnet ist, welches radial beweglich am Reibring geführt ist (siehe Spalte 3, Zeilen 3 bis 9 und 17 bis 22). Die Zentrier­mittel sind als Spannhülsen (längsgeschlitze Buchsen) ausgebildet. Allerdings besteht ein Zentrier­mittel nach D15 (an dessen beiden Enden jeweils ein Führungselement angeordnet ist) nicht aus einer hohlen Spannhülse, wie von Anspruch 1 vorgeschrieben, sondern aus zwei Spannhülsen (siehe Figur 1). Vor allem aber sind die Spannhülsen Teil einer Einheit, die auch ein Spannelement (Schraube 37) umfasst, das in derselben Bohrung wie das Zentriermittel angeordnet ist (Figur 1). Diese Anordnung, in der die Spannhülsen auch zur Aufnahme der Spannelemente dienen, ist ein wesentlicher Aspekt der Lösung der D15 (siehe Anspruch). Durch diese Bauweise wird nämlich u.a. erreicht, dass der Ein- und Austritt der zwischen Rad- und Reibscheibenteil geführten Kühlluft keinerlei Drosselstellen aufweist, so dass eine ausreichende Kühlung erfolgen kann (Spalte 3, Zeilen 29 bis 32 und Spalte 2, Zeilen 19 bis 25).

Die Lehre der D15 hätte den Fachmann deshalb dazu angeregt, die Anordnung mit unterschiedlichen Bohrungen für Zentriermittel und Spannelemente, die in D1 gezeigt und von Anspruch 1 gefordert wird, aufzugeben.

Die Kombination der D1 und der D15 führt deshalb nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.

1.5 Dasselbe gilt für die Kombination der D1 und der D19. Denn die in D19 offenbarten Spannhülsen sind - wie in der D15 - in denselben Bohrungen wie die Spannelemente angeordnet (Figur 3), wo sie zu deren Aufnahme dienen (Anspruch 3). Deshalb würde der Fachmann diese Spannhülsen, die noch dazu keine radial bewegliche Führungselemente aufweisen, ebenfalls nicht in anderen Bohrungen als denen der Spannelemente anordnen.

1.6 Deshalb war es von D1 ausgehend nicht naheliegend zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D15

2.1 Auch ausgehend von der D15 würde der Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Denn wie weiter oben erklärt, lehrt D15 gegen die Verwendung von unterschiedlichen Bohrungen für die Spannelemente und die Zentriermittel. Es ist zwar richtig, dass sowohl D1 (Figuren 1 bis 3) als auch D7 (Figur 1) Reibringe zeigen, wo die Zentriermittel und die Spannelemente in unterschiedlichen Bohrungen angeordnet sind. Sie erwähnen jedoch keine Vorteile dieser Anordnung, insbesondere keine Vorteile bezüglich der Spannungs­kräfte, gegenüber der Anordnung der D15. D1 und D17 geben deshalb dem Fachmann keinen Anlass dazu, entgegen der Lehre der D15 die Spannhülsen und die Spannelemente in unterschiedlichen Bohrungen anzuordnen.

3. Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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