T 0563/14 () of 27.6.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T056314.20170627
Datum der Entscheidung: 27 Juni 2017
Aktenzeichen: T 0563/14
Anmeldenummer: 03014710.2
IPC-Klasse: E05F 15/00
E05F 15/20
G01V 8/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sensorvorrichtung für eine automatische Drehtüranlage
Name des Anmelders: GEZE GmbH
Name des Einsprechenden: Agtatec ag
Dorma GmbH + Co. KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der am 10. Januar 2014 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das europäische Patent Nr. 1 375 808 in der Fassung gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 1, das heißt unter Berücksichtigung der von der Patent­inhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen sowie die Erfindung, die das Patent zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Gegen diese Zwischenentscheidung haben sowohl die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) als auch die Einsprechende 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen 2 und 3) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 27. Juni 2017 statt.

Die Beschwerdeführerin 1 beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),

hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, eingereicht

als Hauptantrag B mit Schriftsatz vom 26. Mai 2017,

als Hilfsantrag 1 mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014,

als Hilfsantrag 1B mit Schriftsatz vom 26. Mai 2017 und

als Hilfsantrag 2B mit Schriftsatz vom 26. Mai 2017,

Die Beschwerdeführerin 1 bestätigte ferner, dass der mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014 gestellte Hilfsantrag 2 der Fassung des geänderten Patents entspräche, die von der Einspruchsabteilung für den Erfordernissen des EPÜ genügend befunden wurde, und auf die Zurückweisung der Beschwerden der Beschwerdeführerinnen 2 und 3 gerichtet wäre.

Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 375 808.

IV. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Automatische Drehtüranlage (1) mit mindestens einem Drehtürflügel (2), mit einer eine Steuerungseinrichtung aufweisenden Antriebseinrichtung (5) zum motorischen Öffnen und/oder Schließen des Drehtürflügels (2), und

mit einer Sensorvorrichtung mit einem Sensor (14) zur Erkennung von Personen oder Gegenständen im Bewegungs­bereich des Drehtürflügels (2), welcher eine Sender­einrichtung zur Aussendung von Lichtstrahlen, eine Detektoreinrichtung zum detektieren von Lichtstrahlen sowie eine Signalübertragungseinrichtung zur Übertragung der Sensorsignale zur Steuerungseinrichtung umfasst,

wobei der Sensor (14) mit mindestens einem Senderelement (9a) und mindestens einem Detektorelement (10a) im Bereich der vertikalen Nebenschließkante (12) des Drehtürflügels (2) angeordnet ist, und

wobei ein Lichtstrahl (11a) des Senderelements (9a) nahe bei und zumindest annähernd parallel zu der vertikalen Nebenschließkante (12) des Drehtürflügels (2) verläuft,

dadurch gekennzeichnet,

dass eine Sensorleiste (8) mit mindestens einem Senderelement (9) zur Aussendung von Lichtstrahlen und mindestens einem Detektorelement (10) am Drehtürflügel (2) angeordnet ist und so ausgebildet ist, dass bei Vorhandensein einer Person oder eines Gegenstands im Bewegungsbereich des Drehtürflügels ein Signal über die Signalübertragungseinrichtung zur Steuerungseinrichtung geleitet wird und aufgrund dieses Signals der Öffnungs- bzw. Schließvorgang des Drehtürflügels (2) angehalten oder umgekehrt wird,

wobei die Wellenlänge des Lichtstrahls (11a) des Senderelements (9a) des Sensors (14) von der Wellenlänge der Lichtstrahlen (11) des Senderelements bzw. der Senderelemente (9) der Sensorleiste (8) abweicht."

Das kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt (Änderungen im Hinblick auf den Hauptantrag hervorgehoben):

"dass eine Sensorleiste (8) [deleted: mit mindestens einem Senderelement (9) zur Aussendung von Lichtstrahlen und mindestens einem Detektorelement (10)] am Drehtürflügel (2) angeordnet ist und so ausgebildet ist, dass bei Vorhandensein einer Person oder eines Gegenstands im Bewegungsbereich des Drehtürflügels ein Signal über die Signalübertragungseinrichtung zur Steuerungseinrichtung geleitet wird und aufgrund dieses Signals der Öffnungs- bzw. Schließvorgang des Drehtürflügels (2) angehalten oder umgekehrt wird,

wobei die Wellenlänge des Lichtstrahls (11a) des Senderelements (9a) des Sensors (14) von der Wellenlänge der Lichtstrahlen (11) des Senderelements bzw. der Senderelemente (9) der Sensorleiste (8) abweicht."

Das kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt (Änderungen im Hinblick auf das Hauptantrag hervorgehoben):

"dass eine Sensorleiste (8) mit mindestens einem Senderelement (9) zur Aussendung von Lichtstrahlen [deleted: und mindestens einem Detektorelement] mehreren Detektorenelementen (10) am Drehtürflügel (2) angeordnet ist und so ausgebildet ist, dass bei Vorhandensein einer Person oder eines Gegenstands im Bewegungsbereich des Drehtürflügels ein Signal über die Signalübertragungseinrichtung zur Steuerungseinrichtung geleitet wird und aufgrund dieses Signals der Öffnungs- bzw. Schließvorgang des Drehtürflügels (2) angehalten oder umgekehrt wird,

wobei die Wellenlänge des Lichtstrahls (11a) des Senderelements (9a) des Sensors (14) von der Wellenlänge der Lichtstrahlen (11) des Senderelements bzw. der Senderelemente (9) der Sensorleiste (8) abweicht."

Der Hauptantrag B und die Hilfsanträge 1B-2B unterscheiden sich jeweils vom Hauptantrag und von den Hilfsanträgen 1-2 durch die Streichung der abhängigen Ansprüchen 9-13.

V. Folgende Entgegenhaltungen haben für die vorliegende Entscheidung eine Rolle gespielt:

D1: DE -C- 44 15 401;

D6: Norm CEN TC 33 vom Januar 2002, Teil 1;

D8(E16): DE -A- 43 26 099; und

E6: DE -A- 39 15 303.

VI. Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 argumentierten im Wesentlichen wie folgt:

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. D1 offenbare alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

Darüber hinaus befinde sich auch der linke Sensor der oberen Leiste der Figur 2 im Bereich der Nebenschließ­kante, so dass auch dieses Merkmal aus D1 bekannt sei. Selbst wenn dieses Merkmal als nicht offenbart gölte, könne dadurch keine erfinderische Tätigkeit begründet werden. D1 selbst lehre nämlich die Verwendung eines zusätzlichen Sensors zur Überwachung der Hauptkante. Somit sei es für den Fachmann selbstverständlich, dass, wenn die Nebenkante zu überwachen wäre, ein Sensor in ihrer Nähe anzuordnen sei. Die Wichtigkeit der Überwachung der Nebenkante sei zudem auch aus D6 bekannt.

Auch die Verwendung von unterschiedlichen Wellenlängen für die Sensoren könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Dieses Merkmal habe keinen Effekt, weil der Anspruch keine Detektoren umfasse, die selektiv durch diese Wellenlängen ansprechbar seien. Selbst unter der Annahme, dass durch dieses Merkmal eine gegenseitige Beeinflussung der Sensoren vermieden wäre, bestehe zwischen diesem Effekt und der Anordnung der Sensoren keine Synergie. Da z.B. aus D8 oder E6 bekannt sei, mittels unterschiedlicher Wellenlänge eine Beeinflussung von zwei Sensoren zu vermeiden, sei auch dieses Merkmal naheliegend.

Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus den selben Gründen beruhten auch die weiteren Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Der nächstliegende Stand der Technik D1 offenbare weder einen Sensor im Bereich der vertikalen Nebenschließ­kante noch die Verwendung unterschiedlicher Wellen­länge. Diese beide Unterscheidungsmerkmale bewirken synergetisch, dass eine sichere und zuverlässige Überwachung des Drehtürflügels an der Nebenschließkante gewährleistet werde.

Es sei nicht naheliegend ausgehend von D1, die Neben­schließ­kante mit einem Sensor zu überwachen, weil die D1 nicht erwähne, dass diese Kante zu überwachen oder gefährlich sei. Außerdem könne wegen der verschiedener Geometrie an der Haupt- und an der Nebenschließkante ein an der Hauptschließkante vorgesehener Sensor nicht ohne weiteres an der Nebenschließkante eingesetzt werden.

Ebenso wenig sei es naheliegend, unterschiedliche Wellenlänge für die Sensoren zu verwenden. D8 betreffe die Fenster eines Fahrzeugs, und die Sensoren seien mit unterschiedlichen Schließvorgängen assoziiert, während im Streitpatent alle Sensoren zu einer einzigen Tür gehörten. E6 sei noch weniger relevant, weil sie eine ganz anderes technisches Gebiet betreffe, nämlich ein Schießgestell.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit auf einer erfinderische Tätigkeit.

Aus den selben Gründen beruhten auch die Gegenstände der weiteren Anträge, die andere Einwände adressierten, auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

1.1 D1 stellt unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Entgegenhaltung offenbart eine automatische Drehtüranlage mit mindestens einem Drehtürflügel (4), mit einer eine Steuerungseinrichtung aufweisenden Antriebseinrichtung zum motorischen Öffnen und/oder Schließen des Drehtürflügels (siehe Anspruch 1), und mit einer Sensorleiste (2), die mit Senderelementen zur Aussendung von Lichtstrahlen und Detektorelementen am Drehtürflügel angeordnet ist und so ausgebildet ist, dass bei Vorhandensein einer Person oder eines Gegenstands im Bewegungsbereich des Drehtür­flügels ein Signal über die Signalübertragungs­einrichtung zur Steuerungseinrichtung geleitet wird und aufgrund dieses Signals der Öffnungs- bzw. Schließ­vorgang des Drehtürflügels angehalten oder umgekehrt wird (siehe Figur 1 und Anspruch 1).

1.2 Der Gegenstand des Anspruch 1 unterscheidet sich von der Anlage der D1 dadurch

(a) dass ein Sensor mit mindestens einem Senderelement und mindestens einem Detektorelement im Bereich der vertikalen Nebenschließkante des Drehtürflügels angeordnet ist, wobei ein Lichtstrahl des Sender­elements nahe bei und zumindest annähernd parallel zu der vertikalen Nebenschließkante des Drehtürflügels verläuft; und

(b) dass die Wellenlänge des Lichtstrahls des Sender­elements des Sensors von der Wellenlänge der Licht­strahlen des Senderelements bzw. der Sender­elemente der Sensorleiste abweicht.

1.3 Das Merkmal (a) hat den Effekt, dass eine sichere und zuverlässige Überwachung der Nebenkante gewährleistet wird (Absatz [0004]).

Nach den Beschwerdeführerinnen 2 und 3 ist das Merkmal (b) mit keinem Effekt verbunden, weil lediglich eine Eigenschaft der Sensoren, nicht aber (auch) der Detektoren beschrieben sei. Die Beschwerdeführerin 1 war dagegen der Meinung, dass dadurch eine gegenseitige Beeinflussung des Sensors und der Sensorleiste vermieden werde, da die Eigenschaften der Detektoren implizit mitbeansprucht seien. Außerdem trug sie vor, dass zwischen den Merkmalen (a) und (b) ein synergistischer Effekt bestehe, und dass sie gemeinsam die Aufgabe lösten, eine sichere und zuverlässige Überwachung der Nebenkante zu gewährleisten (Absatz [0004]).

Selbst wenn man zu Gunsten der Beschwerdeführerin 1 die Eigenschaften der Detektoren im Merkmal (b) mitläse, so dass das Merkmal einen technischen Effekt aufwiese, konnte sie nicht überzeugend nachweisen, wieso dieser eine synergetische Wechselwirkung mit der Lage des Sensors an der Nebenschließkante (Merkmal (a)) habe. Das Merkmal (a) betrifft nämlich lediglich die Position des überwachten Bereichs, während der Effekt des Merkmals (b) - falls überhaupt vorhanden - die gegenseitige Beeinflussung von zwei Sensoren betrifft.

Die Merkmale (a) und (b) lösen deshalb zwei Teil­aufgabe.

1.4 Die Aufgabe (A), die durch das Merkmal (a) gelöst wird, besteht somit darin, eine Sensorvorrichtung zu schaffen, die eine sichere und zuverlässige Überwachung des Drehtürflügels an der Nebenschließkante gewährleistet (Absatz [0004] des Streitpatents).

Auch wenn D1 die Nebenschließkante nicht erwähnt, ist es für den Fachmann offensichtlich, dass, wenn die Gefahr einer Verklemmung in diesem Bereich besteht, die Nebenschließkante zu überwachen ist. D1 selbst lehrt nämlich die Verwendung eines zusätzlichen Sensors, wenn eine Kante (im Fall der D1 die Hauptschließkante, siehe Anspruch 1) besonders überwacht werden muss. Diese Lösung auf eine andere Kante zu übertragen, liegt im Rahmen des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns. Dass dabei ein Sensor eingesetzt werden muss, der die Geometrie der Nebenschließkante berücksichtigt, ist auch selbstverständlich und benötigt keine weiteren Umbaumaßnahmen an der Sensorvorrichtung. Daher ist es naheliegend, die Aufgabe (A), durch einen Sensor gemäß Merkmal (a) zu lösen. Merkmal (a) kann deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

1.5 Auch wenn zu Gunsten der Beschwerde­führerin 1 der Effekt des Merkmals (b) im Betracht gezogen wird, wonach die gegenseitige Wechselwirkung der Sensoren vermieden wird, kann das Merkmal (b) ebenso keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Eine gegenseitige Beeinflussung von zwei Sensoren mittels verschiedener Wellenlänge der Sendern (und entsprechend selektiv ansprechbaren Detektoren) zu vermeiden, ist nämlich bekannt. D8, die sich auch mit Schließvorgänge beschäftigt (Spalte 1, Zeilen 3-10), offenbart Lichtsender mit unterschiedlichen Wellenlängen (Spalte 3, Zeilen 14-17), wodurch die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Lichtschrankenanordnungen ausgeschlossen wird (Spalte 3, Zeilen 26-31). Der Fachmann lernt dadurch, dass grundsätzlich mittels unterschiedlicher Wellenlänge die gegenseitige Beeinflussung der zwei Sensoren ausgeschlossen werden kann. Dieser Effekt ist unabhängig davon, ob die Sensoren mit einem einzigen Schließvorgang (wie die Tür im Streitpatent) oder mit zwei unterschiedlichen Schließvorgängen (wie die zwei Fenster in D8) assoziiert sind. Es ist daher naheliegend, ausgehend von D1 die Wellenlänge der Sensoren gemäß Merkmal (b) zu wählen, um eine wechselseitige Beeinflussung zu vermeiden.

1.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2. Hauptantrag B und Hilfsanträge

Der Hauptantrag B und die Hilfsanträge sind - aus den Gründen, die im Hinblick auf dem Hauptantrag erklärt wurden - ebenso wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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