European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T055514.20180919 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 September 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0555/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06708189.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01C 9/02 A01B 49/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | KOMBINIERTE LANDWIRTSCHAFTLICHE MASCHINE | ||||||||
Name des Anmelders: | Heiss (Jun.), Andreas | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Fischer Landtechnik GmbH (Einspruch zurückgenommen) Grimme Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 23. Januar 2014 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 848 263 am 7. März 2014 Beschwerde eingelegt, am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet und am 20. Mai 2014 die Beschwerdebegründung eingereicht.
II. Mit dem Einspruch sind von der Einsprechenden die Einspruchsgründe nach Artikel 100a), b) und c) EPÜ geltend gemacht worden. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden. Sie hat dabei unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen, die auch eine Rolle im Beschwerdeverfahren gespielt haben, berücksichtigt:
D1: NL 1014691 C
E11: DE 33 36 313 C2
III. Im Beschwerdeverfahren wurde außerdem auf die folgende
Entgegenhaltung Bezug genommen:
E23: H.Dörfler: ,,Der praktische Landwirt", BLV Verlagsgesellschaft, 1978, Seiten 95 und 197 - 200.
IV. Am 19. September 2018 wurde vor der Kammer zur Sache mündlich verhandelt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents in vollem Umfang.
VI. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderten Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags oder einer der Hilfsanträge I bis II und IV bis VIII, alle eingereicht mit Schriftsatz vom 17. August 2018, oder des Hilfsantrags IX, eingereicht am 19. September 2018 in der mündlichen Verhandlung.
VII. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 der geltenden Anträge lautet wie folgt:
Hauptantrag
"Kombinierte landwirtschaftliche Maschine (1) in Ausführung als gezogene Maschine oder als Aushebemaschine zum Anschluss an einen Schlepper, umfassend eine als Kartoffellegeeinrichtung ausgeführte Pflanzeinrichtung (3) mit wenigstens einem Vorratsbehälter (10), einer diesem zugeordneten Entnahmeeinrichtung und einer Setzschar (7), ein in Fahrtrichtung vor der Pflanzeinrichtung (3) angeordnetes Lockerungswerkzeug (2) zur Saatbeetbereitung, sowie eine nachgeordnete Einrichtung zum Enddammaufbau (4), wobei in Fahrtrichtung vor dem Lockerungswerkzeug (2) ein oder mehrere Räder (18) zum Abstützen der Maschine (1) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass das/die Rad/Räder (18)
- zum gleichmäßigen Zerkleinern des Bodens mit Breitreifen (15) versehen ist/sind und
- die Bearbeitungsbreite der Maschine (1) weitgehend überdecken."
Hilfsantrag I
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags, fügt aber als letztes kennzeichnendes Merkmal den folgenden Wortlaut hinzu:
"und dass in Fahrtrichtung nach dem Lockerungswerkzeug keine die Maschine abstützenden Räder angeordnet sind."
Hilfsantrag II
IFORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag IV
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag V
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag VI
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag VII
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag VIII
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Hilfsantrag IX
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
VIII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen folgendes vor:
- Die Kombination von D1 mit E11 sei für den Fachmann offensichtlich, weil die Lehre der E11 nicht auf Kreiselegge beschränkt sei, sondern allgemein für Landmaschinen Anwendung finde. D1 enthalte bereits Hinweise zur Überwindung eines behaupteten technischen Vorurteils, weil die Verwendung von Niederdruckreifen schon vorgesehen sei.
- Für die Hilfsanträge II, IV bis VIII sei die prima facie Gewährbarkeit nicht gegeben, außerdem seien ihren zusätzlichen Merkmale durch D1 nahegelegt.
- Hilfsantrag IX sei nicht zuzulassen, da dieser Fragen aufwerfe, deren Behandlung im Rahmen der Verhandlung nicht zumutbar sei, weil das hinzugefügte Merkmal in der Beschreibung nicht als zur Erfindung gehörig dargestellt wurde, und in diesem Zusammenhang keine Offenbarung in der Anmeldung finde.
IX. Der Beschwerdegegner trug im Wesentlichen folgendes vor:
- Ausgehend von D1 hätte ein technisches Vorurteil den Fachmann daran gehindert, die Lehre von D1 und E11 zu kombinieren. E11 betreffe nicht den Bereich der Pflanzung, sondern die Aussaat, und würde vom Fachmann nicht berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt der Priorität war es im Fachgebiet des Kartoffelanbaus weit verbreitet und akzeptiert, dass der Wuchsraum nicht vom Zugfahrzeug oder weiteren Geräten überfahren werden sollte.
- die Hilfsanträge II,IV bis VIII seien zuzulassen, weil sie konvergierend, und erst durch den Hinweis der Kammer in der Ladung veranlasst worden seien. Zumal seien ihre Gegenstände nicht nahegelegt, und somit prima facie gewährbar. Die Merkmale stammten aus den Unteransprüchen, somit sei deren Behandlung während der mündlichen Verhandlung zumutbar.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
2.1 Es ist unbestritten, dass D1 eine Kartoffelpflanzmaschine beschreibt, und zwar eine kombinierte landwirtschaftliche Maschine mit Pflanzeinrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Insbesondere sind Stützräder 6 ("steunwiel") beschrieben, wobei die Höhe des Rahmens in Bezug auf die Stützräder durch eine Höhenanpassungsvorrichtung 20 ("hoogte-instelmechannisme") korrigiert werden kann bzw. werden muss, vgl. D1, siehe die Zusammenfassung und die Figur.
2.2 Weiterhin unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung aus D1 durch seine Merkmale im Kennzeichen, wonach "das/die Räder zum gleichmäßigen Zerkleinern des Bodens mit Breitreifen versehen ist/sind und die Bearbeitungsbreite der Maschine weitgehend überdecken".
2.3 Technische Aufgabe
Der Beschwerdegegner bezieht sich auf den in Spalte 8, Zeilen 25-28 der Patentschrift angegebenen Vorteil, den Enddammaufbau zu erleichtern, und schlägt als objektive technische Aufgabe vor, diesen Dammaufbau zu verbessern.
Die Kammer stellt aber fest, dass als Aufgabe im Patent (vgl. Abs. 0005) angegeben ist, eine kombinierte landwirtschaftliche Maschine mit Pflanzeinrichtung vorzuschlagen, welche eine Bündelung von Arbeitsgängen ermöglicht und darüber hinaus den bereits gelockerten Boden in nur geringem Maße verdichtet. Es ist unstrittig, dass die Bündelung von Arbeitsgängen bereits durch D1 mit denselben Merkmalen gelöst wurde. Allerdings verbleibt die Teilaufgabe, den bereits gelockerten Boden in nur geringem Maße zu verdichten.
Nach ständiger Rechtsprechung soll bei der objektiven Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe ausgegangen werden. Erst wenn die Prüfung ergibt, dass die dort gestellte Aufgabe nicht gelöst ist, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen wurde, muss untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammer (RdBK), 8. Auflage 2016, I.D.4.3.2).
Diese Aufgabe lässt sich tatsächlich durch anspruchsgemäße Breitreifen, die die Bearbeitungsbreite der Maschine weitgehend überdecken, lösen, wie auch aus dem ersten kennzeichnenden Merkmal einer gleichmäßigen Bodenzerkleinerung hervorgeht.
Da die im Patent angegebene Aufgabe durch das unterscheidende Merkmal der Breitreifen gelöst wird, sieht die Kammer keinen Grund, für die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe von diesem Ausgangspunkt abzuweichen. Diese sieht die Kammer somit darin, den bereits gelockerten Boden in nur geringem Maße zu verdichten.
2.4 Anwendbarkeit der Lehre von E11
Dokument E11 betrifft im Allgemeinen ein Bodenstützgerät für eine schleppergezogene Landmaschine (Spalte 1, Zeilen 3-5), und offenbart als Ausführungsbeispiel eine schleppergezogene Kreiselegge 35 mit nachfolgender Walzenegge (Spalte 2, Zeilen 13-15). E11 lehrt insbesondere, zur Verringerung der vom Gewicht der Landmaschine verursachten Flächenpressung des Bodens und zur Vermeidung tiefer Radspuren (Spalte 1, Zeilen 28 bis 33) im Bodenstützgerät Niederdruckreifen zu verwenden, siehe Anspruch 1. Durch die sehr große Aufstandsfläche solcher Reifen ergibt sich, Spalte 1, 36 bis 46, eine besonders gleichmäßige und durch Verteilung des Gesamtgewichts verringerte Flächenpressung. Spalte 4 Zeilen 11 bis 15 zufolge, ist es dann besonders vorteilhaft, die Niederdruckreifen und die Schlepperräder lückenlos über die ganze Breite des Stützgeräts bzw. der Arbeitsmaschine auszuführen. Im Ausführungsbeispiel, Spalte 4, Zeilen 25 bis 29, beträgt die Breite der Niederdruckreifen 80% der Arbeitsbreite, also überdecken sie weitgehend (nahezu vollständig) die Arbeitsbreite, vgl. Figur 2 der Patentschrift.
Der Beschwerdegegner vertritt die Meinung, dass der Fachmann die Lehre von E11 nicht in Betracht ziehen würde, weil Kreiseleggen in der Getreideindustrie verwendet werden, und daher diese Lehre aus einem fremden Gebiet stammt. Zumal würde die in E11, Spalte 58-62 angegebene Nachlaufwalze eine Rückverfestigung des Bodens erzeugen, die beim Kartoffelnpflanzen ungeeignet sei. Aus diesen Gründen würde der Fachmann die Lehre aus E11 nicht in Betracht ziehen.
Die Kammer ist aber von dieser Argumentation nicht überzeugt, da eine Kreiselegge in E11 ausdrücklich nur als Beispiel zur Erläuterung der allgemeinen Grundlagen ihres Erfindungsgedankens angeführt wird, siehe Spalte 1, Zeilen 58 bis 62; und Spalte 2, 13 bis 16 und Zeilen 55 bis 56. Sowohl die Problemstellung als auch ihre Lösung wird in der E11 sehr viel breiter dargelegt. So befasst sich E11 im Allgemeinen mit den Problemen von Radspuren, Gewichtsverteilung und Flächenpressung für alle "schlepperbetriebenen Landmaschinen" (Spalte 1, Zeilen 6-16). Auch stellt sich E1, siehe Spalte 1, 28 bis 32, eine entsprechend allgemeine Aufgabe, nämlich ein für eine Landmaschine geeignetes Bodenstützgerät zu schaffen, mit dem die spezifische Bodenpressung, die von den Laufrädern verursacht wird, verringert werden kann. Zudem ist auch der Lösungsansatz von E11, wie aus dem Anspruch 1 hervorgeht, nicht inhärent eng mit der spezifischen Anordnung einer Kreiselegge verknüpft. Somit wird dem Fachmann durch E11 die Anwendung für alle Landmaschinen mit Bodenstützgeräten nahegelegt. Er wird deshalb nicht davon abgehalten, diese Lehre für eine mögliche Anwendung auf die Kartoffelpflanzmaschine nach D1 heranzuziehen, zumal die E11 sich mit einer ähnlichen wenn nicht identischen Aufgabe befasst, nämlich den bereits gelockerten Boden in nur geringem Maße zu verdichten. Die gleiche Aufgabe hat sich der Fachmann auch ausgehend von D1 gestellt.
Die vom Beschwerdegegner erwähnte Benutzung einer Nachlaufwalze ist lediglich als optional dargestellt (vgl. Spalte 1, Zeile 58: Die Landmaschine "kann"...). Der aufgeführte Nachteil einer Rückverfestigung des Bodens ist nur in diesem Zusammenhang von dem Fachmann zu betrachten. Sie ist aber nicht als ein von der Kernlehre der E11 ausgehendes Hindernis für den Fachmann anzusehen.
Aus diesen Gründen schließt die Kammer, dass dem Fachmann nichts im Wege steht, die allgemeine Lösung nach E11 für die Verbesserung der Kartoffelpflanzmaschine von D1 heranzuziehen.
2.5 Technisches Vorurteil
Der Beschwerdegegner macht auch auf der Grundlage des Handbuchs E23 geltend, dass es im Fachgebiet des Kartoffelanbaus ein weit verbreitetes und akzeptiertes Vorurteil gebe, dass der Wuchsraum nicht vom Zugfahrzeug oder weiteren Geräten überfahren werden dürfe (E23, Seite 197, rechte Spalte, Absatz 5), weshalb bestimmte maximale Reifenbreiten nicht überschritten werden sollten (Tabelle 98). Dieses Vorurteil hätte den Fachmann davon abgehalten, die in der Spalte 3 bis 4 überbrückend angegebene Lehre der E11, nämlich wesentlich breitere Niederdruckreifen als zweckdienliche Lösung in Erwägung zu ziehen.
Es mag sein, dass im Jahr 1978, das Veröffentlichungsjahr des Handbuchs E23, ein Vorurteil bestand. Spätestens aber mit der Offenbarung der D1 im Jahr 2001 wurde dieses Vorurteil überwunden. Auf der Seite 2, Zeilen 30 bis 33, wird eben entgegen dem behaupteten Vorurteil aus dem Jahr 1978 die Verwendung von solcher Niederdruckreifen für den Schlepper beschrieben ("lagedrukbanden"), damit die gesamte Arbeitsbreite -einschließlich die Räderspuren- durch die Fräsmittel ("freesmiddelen") bearbeitet werden kann. Folglich lehrte die D1 bereits am Prioritätstag des Patents, Niederdruckreifen in gezogenen Landmaschinen zu verwenden.
2.6 Naheliegen der Lösung
Aus den Ausführungen oben folgt, dass dem Fachmann nichts in Wege stand, die Lehre von E11 zu verwenden, und mit dieser Lehre die kombinierte landwirtschaftliche Maschine nach D1 weiterzuentwickeln, um bereits gelockerten Boden in nur geringem Maße zu verdichten. Dementsprechend würde der Fachmann die Verteilung des Gewichts über mehrere Stützräder 2, 3, 4, 5 auf der gesamten Arbeitsbreite der Landmaschine, wie in E11 gelehrt, zur Entlastung des Bodendrucks durch die Stützräder (Steunwiel 6) von D1 als einfache zweckmäßige Lösung betrachten. Damit die Radspuren weniger tief sind und der Boden in den Spuren nicht so stark verfestigt wird (vgl. E11, Spalte 3, Zeilen 47-49), würde er dann diese Stützräder 6 der D1 durch die Niederdruckreifen 2, 3, 4, 5 der E11 ersetzen. Diese würde er dann, wie in der E11 als besonders vorteilhaft beschrieben, siehe oben, praktisch lückenlos über nahezu die ganze Breite des Stützgerätes bzw. der Arbeitsmaschine anordnen. Der Effekt des gleichmäßigen Zerkleinerns des Bodens und folglich eine Bündelung von Arbeitsvorgängen scheint sich dadurch zwangsläufig zu ergeben.
Bei der Übertragung der Lehre von E11 ist dabei auch unerheblich, ob hierbei die Stützräder (Steunwiel 6) der D1 durch die Niederdruckreifen 2, 3, 4, 5 der E11 an gleicher Stelle direkt an der Maschine oder verlagert an einem gesonderten Bodenstützgerät wie in der E11 ersetzt werden. Beide Möglichkeiten werden vom Anspruchswortlaut gedeckt.
2.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus Dokument D1 in Kombination mit E11 (Artikel 56 EPÜ).
3. Hilfsantrag I - erfinderische Tätigkeit
3.1 Der geänderte Anspruch 1 ist wie Anspruch 1 des Hauptantrags, fügt aber als letztes kennzeichnende Merkmal den folgenden Wortlaut hinzu:
"und dass in Fahrtrichtung nach dem Lockerungswerkzeug keine die Maschine abstützenden Räder angeordnet sind."
Dieses negative Merkmal betrifft das Verzichten auf einer Nachlaufwalze, und kann nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen, weil solche Abstützräder auch in der D1 fehlen.
Beim Heranziehen der Lehre von E11 hätte der Fachmann keinen Grund, die lediglich als optional dargestellte Nachlaufwalze (vgl. Spalte 1, Zeilen 58-62) auf D1 zu übernehmen. Dies trifft besonders zu, als D1 keine Nachlaufwalze sondern wie im Patent ein Dammformblech ("ruggenvormer" 11, siehe Figur; Seite 6, Zeilen 19-20) verwendet, und keine zusätzliche Abstützung benötigt.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus Dokument D1 in Kombination mit E11 (Artikel 56 EPÜ).
4. Hilfsanträge II, IV bis IX: Zulassung unter Artikel 13(1) und (3) VOBK
4.1 Die Hilfsanträge II, IV bis VIII wurden erst mit Schreiben vom 17. August 2018 nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Sie stellen somit eine Änderung des Vorbringens im Sinne des Artikels 13(1) und (3) VOBK dar, deren Zulassung nach Maßgabe der dort ausgeführten Kriterien erfolgt. Nach Art 13(3) VOBK sollen Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Nach ständiger Rechtsprechung (siehe RdBK, IV.E.4.4.2) wenden die Kammern bei verspätet eingereichten, geänderten Ansprüchen u. a. das Kriterium der "eindeutigen Gewährbarkeit" an. Eindeutig gewährbar sind solche Anspruchssätze, bei welchen für die Kammer ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich ist, dass die Änderungen den aufgeworfenen Fragen erfolgreich Rechnung tragen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben.
4.2 Die Hilfsanträge II, IV bis VIII fügen dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag I Merkmale von unterschiedlichen erteilten abhängigen Ansprüchen oder aus der Beschreibung wie folgt hinzu:
- Hilfsantrag II: Vorratsbehälter über den Lockerungswerkzeug angeordnet (erteilte Anspruch 17);
- Hilfsantrag IV: Ausführung als gezogene Maschine (Beschreibung);
- Hilfsantrag V und VI : pendelnde Aufhängung (erteilter Anspruch 14)
- Hilfsantrag VII: Fördereinrichtung zum Transport des Pflanzgutes und Maschine als mehrreihige Maschine ausgeführt (erteilte Ansprüche 31 und 32);
- Hilfsantrag VIII: Zufuhr von Pflanzgut im Schöpfraum (erteilter Anspruch 29),
4.3 Zum einen verfolgen diese Hilfsanträge ganz unterschiedliche Gegenstände, d.h. sie divergieren. Ob sie (nur zum Teil) dabei Merkmale aus bestehenden erteilten Ansprüchen aufnehmen, ist unerheblich. Eben dadurch, dass mehrere unterschiedliche, unvorhersehbare Wege eingeschlagen werden, entsteht ein unzumutbaren Aufwand für die andere Partei und die Kammer, sich damit auseinanderzusetzen.
Zum anderen scheinen diese Merkmale bereits in D1 oder E11 offenbart zu sein, so dass sie auf den ersten Blick nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen können. So ist zum Beispiel ein Vorratsbehälter über dem Lockerungswerkzeug in D1 vorgesehen ("vorraadbunker" 4), pendelnd aufgehängte Räder sowie mehrreihige Maschinen in E11 gezeigt (Räder 2-5, mehrreihige Kreiselegge 35).
4.4 Die Hilfsanträge II, IV bis VIII sind daher nicht eindeutig gewährbar. Somit entschied die Beschwerdekammer in der Ausübung ihres Ermessens gemäß Art 13(3) VOBK diese Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.
4.5 Hilfsantrag IX wurde in einem fortgeschrittenen Stadium der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. In Anspruch 1 wurde im Vergleich zum Hauptantrag ergänzt, dass die Räder nur die gesamte Bearbeitungsbreite der Maschine weitgehend überdecken.
Diese zusätzliche Bestimmung soll aus der Figur 2 sowie aus der ganzen Beschreibung unmittelbar und eindeutig ableitbar sein. Figur 2 zeigt nur eine Vorderansicht der Maschine mit pendelnder Aufhängung der Niederdruckreifen 15. Die Maschine 1 ist sehr schematisch angedeutet ohne weitere Details. Insbesondere sind darin die Bodenbearbeitungswerkzeuge und deren Anordnung über die Breite der Maschine nicht dargestellt. Dadurch kann aus der Figur nicht eindeutig entnommen werden, dass die Reifen 15 sich in der Breite nur über die Gesamtarbeitsbreite und nicht weiter erstrecken. Daher ist auch dieser Hilfsantrag nicht prima facie gewährbar. Somit hat die Beschwerdekammer in der Ausübung ihres Ermessens gemäß Art 13(3) VOBK entschieden, den Hilfsantrag IX nicht zuzulassen.
5. Da keine gewährbare Fassung vorliegt, die als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents dienen könnte, ist das Patent zu widerrufen(Artikel 101(2) und 101(3) (b) EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.