T 0257/14 () of 20.3.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T025714.20190320
Datum der Entscheidung: 20 März 2019
Aktenzeichen: T 0257/14
Anmeldenummer: 06011230.7
IPC-Klasse: H02G 3/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Befestigungsvorrichtung für eine Leitung
Name des Anmelders: Illinois Tool Works Inc.
Name des Einsprechenden: A. RAYMOND ET CIE
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit (verneint)
Neuheit - "product-by-process claim"
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Unzulässige Erweiterung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0536/88
T 0541/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1729387 in geändertem Umfang.

II. Die folgenden Dokumente des Standes der Technik sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1|DE 198 57 853 C2|

D3|DE 89 00 984 U1.|

III. Am 20. März 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die endgültigen Anträge der Verfahrensbeteiligten waren wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags II oder des in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2019 eingereichten geänderten Hilfsantrags IV oder des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags I in der hier angegebenen Reihenfolge aufrecht zu erhalten.

IV. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags, der mit dem erteilten Anspruch 1 identisch ist, ist wie folgt, wobei die Merkmalsgliederung im Folgenden durch die Kammer hinzugefügt wurde:

(a)|"Befestigungsvorrichtung für wenigstens eine Leitung, |

(b)|mit einem Verstärkungsteil (12) |

(c)|und einer Kunststoffschicht (14), |

(d)|wobei das Verstärkungsteil (12) einen Befestigungsabschnitt (22) aufweist, |

|dadurch gekennzeichnet, daß [sic] |

(e)|die Kunststoffschicht (14) das Verstärkungsteil (12) bis auf den Befestigungsabschnitt (22) und diejenigen Bereiche, in denen das Verstärkungsteil (12) in einem Spritzwerkzeug gehalten wurde, vollständig umgibt."|

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II hat zusätzlich zu den Merkmalen (a) bis (e) des erteilten Anspruchs 1 am Ende des Anspruchs das Merkmal

(f)|"wobei mehrere zylinderförmige Aussparungen (31) vorgesehen sind und die Kunststoffschicht (14) an den durch die Achsen der zylinderförmigen Aussparungen (31) definierten Stirnseiten der Befestigungsvorrichtung eine zusammenhängende Wand bildet."|

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV hat die Merkmale (a) bis (e) wie erteilt, Merkmal (f) gemäß Hilfsantrag II und zusätzlich am Ende des Anspruchs das Merkmal

(g)|"das Verstärkungsteil (12) aus Metall ist und wenigstens einen im Querschnitt gesehenen C-förmigen Abschnitt (18, 20) aufweist, der die Leitung beabstandet umgibt." |

wobei in Merkmal (f) das zweite Bezugszeichen "(31)" durch "(51)" ersetzt war.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt

|"Verfahren zur Herstellung einer Befestigungsvorrichtung für wenigstens eine Leitung, mit einem Verstärkungsteil (12) und einer Kunststoffschicht (14), wobei das Verstärkungsteil (12) einen Befestigungsabschnitt (22) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß [sic] das Verstärkungsteil (12) in einem Spritzwerkzeug gehalten wird und dass das Verstärkungsteil (12) bis auf den Befestigungsabschnitt (22) und diejenigen Bereiche, in denen das Verstärkungsteil (12) in einem Spritzwerkzeug gehalten wurde, vollständig mit einer Kunststoffschicht (14) umgeben wird."|

V. Das für die Entscheidung wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit - Hauptantrag

D1 offenbare eine Befestigungsvorrichtung für Kabel. Der Hauptkörper (1) mit äußeren Schale (10, 20) aus hartem Material stelle ein Verstärkungsteil dar, die inneren Schalen (10', 20') aus weichem Material stellten die Kunststoffschicht dar. D1 offenbare die Herstellung durch Zweikomponenten-Spritzguss. Dabei müsse das Spritzwerkzeug zwangsweise so ausgestaltet sein, dass die inneren Schalen räumlich begrenzt werden und auch die Stirnflächen des Hauptkörpers durch das Spritzwerkzeug vorgegeben würden. Daher werden die Bereiche der Stirnflächen des Hauptkörpers dadurch von der Kunststoffschicht frei gehalten, dass sie im Spritzwerkzeug gehalten werden. Ohnehin handele es sich bei Merkmal (e) von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag um ein "product-by-process" Merkmal. Anspruch 1 wie erteilt sei daher auf eine Befestigungsvorrichtung als solche gerichtet, ungeachtet des Herstellungsprozesses. Die Lage, Größe und Anzahl der Bereiche, die aufgrund des Haltens im Spritzwerkzeug von der Kunststoffschicht unbedeckt blieben, seien in Anspruch 1 nicht weiter eingeschränkt, insbesondere auch nicht durch den Begriff "vollständig umgibt" in Merkmal (e). Damit definiere Anspruch 1 lediglich, dass das Verstärkungsteil mit einer Kunststoffschicht bedeckt sei, die aber den Befestigungsabschnitt und weitere Bereiche unbedeckt lasse. Dies sei auch bei der Vorrichtung gemäß D1 verwirklicht. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei daher gegenüber D1 nicht neu.

b) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II

In Bezug auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II seien die Unterscheidungsmerkmale in Hinblick auf Dokument D1 darin zu sehen, dass die Kunststoffschicht an den Stirnseiten keine zusammenhängende Wand bilde. Das hierdurch gelöste Problem sei darin zu sehen, einen Schieber im Spritzwerkzeug einfacher auszugestalten. Gestalte man den Schieber so, dass der innere Kern 15 nicht gegenüber den äußeren Schalen (10', 20') zurückgesetzt sei, dann ergebe sich auf den Stirnseiten eine zusammenhängende Wand gebildet aus der Kunststoffschicht. Das Merkmal (d), einen Befestigungsabschnitt des Verstärkungsteils, könne man im Spreizzapfen (16) oder in dem Bereich (24) des Hauptkörpers (1), den die Klemmen (48, 49) des Bolzens (5) hintergreifen, oder auch in der Innenseite des Hauptkörpers in der Öffnung (28), in der der Bolzen (5) geführt werde, erkennen. Die genannten Befestigungsbereiche seien nicht von der Kunststoffschicht bedeckt, so dass auch Merkmal (e) verwirklicht werde. Daher liege der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ausgehend von D1 nahe.

c) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag IV

In Bezug auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV sei es in D1 bereits gezeigt, dass die Bereiche (10, 20) der äußeren Schalen C-förmig seien, und von einer eingelegten Leitung beabstandet seien. Der einzige zusätzliche Unterschied zum Hilfsantrag II ergebe sich daraus, dass das Verstärkungsteil aus Metall sei. Dies bewirke aber keinen technischen Effekt, sondern stelle lediglich eine alternative Materialauswahl dar. D1 lehre auf abstraktem Niveau, dass die äußere Schale aus einem harten Material bestehen solle, wobei Kunststoff nur eine Möglichkeit darstelle. Anstelle dessen Metall als Alternative einzusetzen, sei naheliegend.

d) Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag I

Beim Hilfsantrag I sei die Kategorie des unabhängigen Anspruches 1 von einer Vorrichtung auf das Herstellungsverfahren geändert worden. Das Herstellungsverfahren sei in den Absätzen [0020] und [0027] der A2-Veröffentlichung beschrieben. In Absatz [0020] wird eine beim Spritzen fertigungstechnisch notwendige Öffnung 26 genannt. In Absatz [0027] wird beim Spritzen eine automatische Zuführung des Verstärkungsteils in das Spritzwerkzeug offenbart. Da der nun auf das Verfahren der Herstellung gerichtete Anspruch diese Merkmale nicht aufweise, stelle er eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

VI. Das für die Entscheidung wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit - Hauptantrag

Gemäß D1 werde das Zweikomponenten-Spritzgussverfahren verwendet, bei dem sich die Form der Befestigungsvorrichtung allein durch die Einspritzdüsen ergebe. Die freiliegenden Bereiche hätten nicht die Funktion der Haltebereiche gemäß Streitpatent, denn beim Zweikomponenten-Spritzguss sei es nicht nötig ein Verstärkungsteil im Spritzwerkzeug zu halten. Im Gegensatz dazu müsse anspruchsgemäß ein vorgefertigtes Verstärkungsteil in das Spritzwerkzeug gelegt werden und dieses müsse dann geeignet gehalten werden. Der Anspruch definiere, dass die Kunststoffschicht das Verstärkungsteil im Wesentlichen vollständig umgebe und mithin das Verstärkungsteil innen liege und die Kunststoffschicht außen. Bei D1 hingegen sei das Verstärkungsteil außen und rage deutlich über die Kunststoffschicht, welche durch die inneren Schalen (10', 20') gebildet werde. Auch die Grenzfläche zwischen Kunststoffschicht und Verstärkungsteil werden bei D1 aufgrund des anderen Herstellungsverfahrens ganz anders als bei einer anspruchsgemäßen Vorrichtung sein. Daraus ergäben sich die Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 wie erteilt gegenüber D1 dadurch, dass die Kunststoffschicht das Verstärkungsteil im Wesentlichen vollständig umgebe und dass freiliegende Bereiche in der Kunststoffschicht vorhanden seien, die durch das Halten im Spritzwerkzeug entstanden sein, und dass ein vorgefertigtes Verstärkungsteil vorliegen müsse.

b) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II

D1 zeige keine durch die Kunststoffschicht gebildete zusammenhängende Wand. Die Kunststoffschicht müsse anspruchsgemäß das Verstärkungsteil im Wesentlichen vollständig umgeben und daher außen liegen. Daher könnten nur die inneren Schalen (10', 20') aus dem weichen Material der D1 als Verstärkungsteil gesehen werden und der Hauptkörper (1; 10, 20, 30) aus hartem Material als die umgebene Kunststoffschicht. Diese umgebe aber das Verstärkungsteil nicht, schon gar nicht im Wesentlichen vollständig. Es sei auch in den Figuren 2, 5 und 6 der D1 zu erkennen, dass das Verstärkungsteil, also die inneren Schalen (10', 20') an den Stirnseiten über die Kunststoffschicht, also den Hauptkörper (1), hinausragten. Daher werde die Stirnseite gemäß D1 ausschließlich von dem Verstärkungsteil gebildet. Die anspruchsgemäß im Wesentlichen vollständig bedeckende Kunststoffschicht mit einer zusammenhängenden Wand an der Stirnseite löse das Problem, Verletzungen des Monteurs durch die Kanten des Verstärkungsteil zu vermeiden. Ausgehend von D1 stelle sich dieses Problem jedoch gar nicht, da nur Kunststoff ohne scharfe Kanten verwendet würde. Außerdem würde man, selbst bei der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Lesart, bei dem der Hauptkörper (1) und der innere Kern (15) an den Stirnflächen mit den inneren Schalen (10', 20') bündig abschließt, nicht den Anspruchswortlaut verwirklichen. Denn der Hauptkörper (1), der die Kunststoffschicht bilde, wäre immer noch vom inneren Kern unterbrochen und deshalb gerade nicht eine zusammenhängende Wand. Der innere Kern ist wesentlich für den Erfolg der Lehre der D1, nämlich für die Dämpfung und würde daher vom Fachmann nicht fortgelassen werden. Außerdem gehe aus dem Anspruchswortlaut klar hervor, dass das Verstärkungsstück hart sei und die Kunststoffschicht weich. Somit müsste man auch in diesem Punkt noch die Lehre der D1 komplett umkehren und den Hauptkörper entgegen der Lehre der D1 aus weichem und die inneren Schalen aus hartem Material formen, was auch die Dämpfung, die D1 erreichen wolle, zunichte machen würde.

c) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag IV

Der Aufbau der Befestigungsvorrichtung von D1 verfolge den Zweck einer Dicht- und Dämpfwirkung. Wollte man, wie anspruchsgemäß gefordert, das Verstärkungsteil aus Metall formen, würden die von der D1 verfolgten Ziele nicht erreicht. Die in D3 gelehrte Gleichwertigkeit von Stahlblech, Aluminiumblech und Kunststoff würden nur für das Verstärkungsteil der D3 gelten. Bei D1 hingegen müsse man nach der Interpretation der Beschwerdeführerin den Hauptkörper aus Metall formen. Damit wäre die äußerste Schicht aus Metall, und es bestünde eine hohe Verletzungsgefahr. Anspruchsgemäß müsse sowieso die harte Komponente innen liegen. Außerdem stelle die Lehre der D1, siehe zum Beispiel Anspruch 1, darauf ab, die Befestigungsvorrichtung aus Kunststoff herzustellen. Nur so würde der Erfolg der Lehre der D1 erreicht werden. Der Fachmann würde hiervon also nicht in naheliegender Weise abweichen.

d) Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag I

Das Verfahren gemäß geändertem Anspruch 1 richtet sich auf den gleichen Abstraktionsgrad wie der erteilte Vorrichtungsanspruch. Daher sei eine weitere Detaillierung nicht nötig, auch weil Spritzguss dem Fachmann mit seinen Implementierungsdetails bekannt sei. Selbst in D1 sei das deutlich kompliziertere Zweikomponenten-Spritzgussverfahren nicht weiter im Detail angegeben. Dies sei daher auch nicht beim vorliegenden Anspruch nötig.

VII. Beide Verfahrensbeteiligte trugen auch zur ausreichenden Offenbarung aller Anträge, zu der Zulässigkeit von Hilfsantrag IV und jener eines weiteren Dokuments, so wie zu weiteren Einwänden der Beschwerdeführerin gegen einige der Hilfsanträge vor. Dieses Vorbringen ist für den Tenor dieser Entscheidung nicht relevant, weshalb diesbezügliche Details nicht wiedergegeben werden. Es bestand weiterhin Einigkeit zwischen den Parteien, dass sich das Dokument D3 im Verfahren befindet, da es im Streitpatent zitiert war, vergleiche die Entscheidungen T 0536/88 oder T 0541/98.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Mangelnde Neuheit - Hauptantrag

2.1 Es ist im vorliegenden Fall von Belang, einige Betrachtungen über die einschränkende Wirkung des Anspruchs 1, insbesondere des Merkmals (e) der Neuheitsprüfung voranzustellen.

Anspruch 1 enthält mit dem Teil des Merkmals (e) "wobei die Kunststoffschicht (14) das Verstärkungsteil bis auf [...] diejenigen Bereiche, in denen das Verstärkungsteil (12) in einem Spritzwerkzeug gehalten wurde, vollständig umgibt" eine Definition eines Gegenstandes anhand seines Herstellungsprozesses durch den Verweis auf das Halten im Spritzwerkzeug. Ansprüche dieses Typs sind nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts auf den Gegenstand als solchen gerichtet und daher auch nur gewährbar, wenn der Gegenstand als solches die Kriterien der Patentierbarkeit, insbesondere der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, erfüllt, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 8. Auflage 2016, II.A.7.1.

Daher ist der erteilte Anspruch 1 auf eine Befestigungsvorrichtung unabhängig von ihrem Herstellungsprozess gerichtet, bei der eine Kunststoffschicht ein Verstärkungsteil vollständig umgibt, außer im Befestigungsbereich und in weiteren freiliegenden Bereichen. Über die Anordnung der Bereiche, ihre Form, ihre Anzahl oder ihre Abmessung sind dem erteilten Anspruch 1 keinerlei Einschränkungen zu entnehmen. Auch das Adjektiv "vollständig" in Merkmal (e) vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen, denn die Kunststoffschicht umgibt das Verstärkungsteil lediglich außerhalb des Befestigungsbereichs und der "Haltebereiche" vollständig. Auch aus dem Verb "umgeben" lässt sich in greifbarer Deutlichkeit kein Grad der Bedeckung ableiten. Anspruch 1 lässt zu, dass die "Haltebereiche" einen Großteil der Oberfläche des Verstärkungsteils frei von Kunststoff lassen.

2.2 Die Befestigungsvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist nicht neu im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 gegenüber der aus Dokument D1 bekannten Befestigungsvorrichtung.

Dokument D1 offenbart nämlich eine Befestigungsvorrichtung für wenigstens eine Leitung (Spalte 1, Zeilen 3 bis 4 und 51 bis 52),

mit einem Verstärkungsteil (Hauptkörper 1 und äußere Schalen 10, 20, siehe Spalte 2, Zeile 51 bis 53) und einer Kunststoffschicht (innere Schalen 10', 20', siehe Spalte 2, Zeile 55 bis 56, sowie Figuren 1, 2 und 5; Kunststoff folgt implizit aus Spritzverfahren),

wobei das Verstärkungsteil (Hauptkörper 1; 10; 20) einen Befestigungsabschnitt (Spreizzapfen 16) aufweist, wobei die Kunststoffschicht (10'; 20') das Verstärkungsteil (1; 10; 20) bis auf den Befestigungsabschnitt (16) und weitere Bereiche, in denen die Befestigungsvorrichtung in einem Spritzwerkzeug gehalten wurde, vollständig umgibt. (Stirnflächen und Oberfläche des Hauptkörpers, siehe Figuren 1, 5 und 6)

2.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat in Bezug auf die Hilfsanträge vorgetragen, dass die inneren Schalen (10',20') nicht mit der Kunststoffschicht und die äußeren Schalen (10, 20) nicht mit dem Verstärkungsteil identifiziert werden könnten, sondern nur umgekehrt. Da die Identifizierung der Merkmale für alle Anträge konsistent sein sollte, muss sich die Kammer schon an dieser Stelle mit diesem Argument auseinandersetzen, obwohl es nicht im Zusammenhang mit dem Hauptantrag vorgetragen wurde.

Da in D1 die äußeren Schalen aus einem harten Material sind und die inneren Schalen aus einem weichen Material, siehe D1, Spalte 2, Zeilen 55 bis 56, verstärkt die äußere Schale die Befestigungs- vorrichtung. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Entsprechung der Merkmale ist also funktional nicht möglich. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Identifizierung der Merkmale ist nicht zum Anspruchswortlaut widersprüchlich. Erstens lässt sich aus dem Anspruchswortlaut überhaupt keine Einschränkung bezüglich des Bedeckungsgrades der Kunststoffschicht ableiten, wie schon weiter oben dargelegt. Daher ist es mit dem Anspruchswortlaut vereinbar, dass die äußeren Schalen (10,20) in weiten Bereichen freiliegen. Zweitens ist aus dem Begriff "umgeben" kein Unterschied zu erkennen. Dieser Begriff bedeutet nur, dass sich die Kunststoffschicht auf der Oberfläche des Verstärkungsteils befindet, was in D1 zweifelsohne der Fall ist. Dass in D1 weite Teile des Hauptkörpers unbedeckt bleiben, steht zum Anspruchswortlaut nicht im Widerspruch. Daher identifiziert die Kammer für alle Anträge die inneren Schalen (10', 20') mit der Kunststoffschicht (14) und den Hauptkörper (1) mit den äußeren Schalen (10, 20) mit dem Verstärkungsteil (12).

Anspruch 1 ist nicht auf die Herstellung durch Spritzguss eingeschränkt und schließt schon gar nicht Zweikomponenten-Spritzguss aus, weswegen in den Grenzflächen zwischen Anspruch 1 und D1 kein Unterschied gesehen werden kann. Anspruch 1 ist auch nicht auf ein vorgefertigtes Verstärkungsteil eingeschränkt. Auch hieraus kann kein Unterscheidungsmerkmal folgen.

2.2.2 Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin in Bezug auf die Hilfsanträge mehrere Bereiche des Hauptkörpers 1 der D1 identifiziert, die als ein Befestigungsabschnitt angesehen werden können. Zum Einen sei in der Öffnung (28) des Hauptkörpers (1) der D1, in der der Bolzen (5) geführt wird, ein Befestigungsabschnitt zu sehen, zum Anderen auch in der Verriegelung des Bolzens (45) mit den Hakenelementen (48, 49), bzw. dem Gegenstück des Hauptkörpers (1), das von den Hakenelementen im befestigten Zustand des Bolzens hintergriffen wird. Ebenso sei im Spreizzapfen (16) ein Befestigungs-abschnitt zu sehen.

Die Kammer hatte die Parteien in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es problematisch sein könnte, den Spreizzapfen mit dem anspruchsgemäßen Befestigungsabschnitt zu identifizieren. In ihrer Stellungnahme wurde von der Beschwerdegegnerin gegen diese Identifizierung aber kein Einwand vorgetragen. Der Spreizzapfen mag aus demselben Material wie die inneren Schalen gefertigt sein. Allerdings erfüllt er funktional eine anderen Aufgabe und ist auch strukturell deutlich von den inneren Schalen zu unterscheiden. Weiterhin ist er fest mit dem Hauptkörper verbunden. Der Spreizzapfen kann daher als ein Befestigungsabschnitt des Hauptkörpers, der nicht von der Kunststoffschicht umgeben ist, angesehen werden. Die Kammer kann sich insofern in Abwesenheit eines diesbezüglichen Einwandes der Beschwerdegegnerin die Interpretation der Beschwerdeführerin zu eigen machen.

2.2.3 Da die Definition anhand des Herstellungsprozesses für die Bewertung der Neuheit keine Rolle spielt, wird Merkmal (e) in D1 ohnehin verwirklicht. Es ist aber erwähnenswert, dass auch die Befestigungsvorrichtung gemäß D1 im Spritzgussverfahren hergestellt wird, siehe Spalte 2, Zeilen 60 bis 62. Daher muss das Spritzwerkzeug so ausgestaltet sein, dass die Kunststoffschicht (10', 20') auf ihre endgültige Form eingeschränkt wird. Hierzu wird das Spritzwerkzeug aufgrund seiner Formgebung das Fließen der Kunststoffschicht auf die Konturen der Bereiche (10', 20') begrenzen. Damit bleiben aber die Bereiche frei, in denen der Hauptkörper 1 gehalten wurde. Auch dessen Form, vor allem die plane Form an den Stirnflächen wird vom Spritzwerkzeug vorgegeben. Daher sorgt das Spritzwerkzeug dafür, dass der Hauptkörper gehalten wird und der Kunststoff der Kunststoffschicht nicht in diese Bereiche gelangt. Daher sind selbst alle außer Acht zu lassenden Merkmale des erteilten Anspruchs 1 in D1 verwirklicht.

2.3 Im Ergebnis ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 nicht neu gegenüber der aus D1 bekannten Befestigungsvorrichtung. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin ist daher nicht gewährbar.

3. Mangelnde erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II

3.1 Gegenüber der Befestigungsvorrichtung von D1 ergibt sich als Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 dieses Antrags, dass die Kunststoffschicht an der durch die Achsen der Ausnehmungen definierten Stirnseite eine zusammenhängende Wand bildet. Die inneren Schalen (10',20') sind in D1 an der Stirnseite räumlich voneinander beabstandet. Der dazwischen liegende innere Kern 15 gehört zum Spreizzapfen (16), siehe Figur 2, und damit nicht zur Kunststoffschicht.

Die Beschwerdeführerin hat auf das Ausführungsbeispiel des Streitpatents, insbesondere die Figuren 2 und 4, verwiesen und bemängelt, dass dort keine zusammenhängende Wand gezeigt sei. Diese sei nämlich durch die Haltebereiche (12) unterbrochen. Daher müsse Anspruch 1 im Lichte des Ausführungsbeispiels dahingehend verstanden werden, dass er mehrere Wände, die jeweils für sich genommen zusammenhängen, definiert. Die Kammer erkennt an, dass es nicht unmittelbar klar ist, ob und inwieweit das Ausführungsbeispiel unter den Anspruchswortlaut gemäß Hilfsantrag II fällt. Allerdings scheint der Kammer der Anspruchswortlaut selbst klar. Würde man den Satz "die Kunststoffschicht bildet an der Stirnseite eine zusammenhängende Wand" in der Art der Beschwerdeführerin verstehen, so wäre das Adjektiv "zusammenhängend" de facto bedeutungslos. Denn dann könnte eine beliebige Anzahl an Wänden vorgesehen werden, die alle nicht miteinander verbunden sind. Daher muss der Anspruch so verstanden werden, dass seine Worte gemäß des natürlichen Sprachgebrauchs verwendet werden. Gegebenenfalls könnte folgen, dass das einzige Ausführungsbeispiel nicht unter den Anspruchswortlaut fällt, allerdings muss dies im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.

3.2 Eine aus der Kunststoffschicht gebildete zusammenhängende Wand an der Stirnseite der Befestigungsvorrichtung bewirkt keinen besonderen technischen Effekt. Die Aufgabe ist somit die Bereitstellung einer Alternative.

3.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat ausgeführt, dass dadurch, dass die Kunststoffschicht einerseits das Verstärkungsteil im Wesentlichen vollständig umgebe, das Verstärkungsteil in sie eingebettet sei und somit durch die scharfen Kanten eines metallischen Verstärkungsteils keine Verletzungsgefahr für einen Monteur drohe. Da sich die scharfen Kanten des Verstärkungsteils gerade an den Stirnseiten befänden, würde durch die Ausgestaltung der Kunststoffschicht als zusammenhängende Wand an den Stirnseiten, die Verletzungsgefahr weiter herabgesetzt.

Die Kammer kann diese Argumentation nicht akzeptieren. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II definiert weder die Form des Verstärkungsteils, insbesondere nicht wie das Verstärkungsteil im Bereich der Stirnseiten ausgestaltet ist, noch dessen Material, noch den Bedeckungsgrad der Kunststoffschicht, siehe weiter oben. Die von der Beschwerdegegnerin angegebene Wirkung lässt sich daher nicht von den tatsächlichen Einschränkungen des Anspruchs ableiten.

3.2.2 Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, dass im Spritzwerkzeug der D1 ein Schieber vorhanden sein müsse, der den inneren Schalen (10', 20') ihre voneinander getrennte Form verleihe, indem er zwischen den Spritzgängen von Hauptkörper und inneren Schalen im Spritzwerkzeug bewegt würde. Dieser Schieber könne einfacher ausgestaltet werden, wenn er aufgrund seiner Form zuließe, dass die inneren Schalen eine zusammenhängende Wand an den Stirnseiten bildeten.

Die Kammer kann nicht erkennen, dass der Schieber hierdurch einfacher würde.

Da sich insgesamt keine technische Wirkung am Anspruchswortlaut festmachen lässt, muss die technische Aufgabe in der Bereitstellung einer Alternative gesehen werden.

3.3 Diese Alternative beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wenngleich die Ausführungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des technischen Effektes insofern nicht überzeugt haben, dass sich der Herstellungsprozess vereinfachen würde, so zeigen sie doch, dass bei der Alternative dem Fachmann nichts abverlangt würde, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.

3.4 Der Hilfsantrag II ist daher nicht gewährbar, da der Gegenstand seines Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 beruht.

4. Mangelnde erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag IV

4.1 Die Befestigungsvorrichtung gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag IV unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Befestigungsvorrichtung dadurch, dass

- die Kunststoffschicht an den Stirnseiten eine zusammenhängende Wand bildet und

- das Verstärkungsteil aus Metall ist.

Die Beschwerdeführerin hat korrekt vorgetragen, dass die Form der äußeren Schalen (10, 20) in D1 C-förmig ist und diese damit einen C-förmigen Abschnitt des Hauptkörpers (1) bilden, welcher eine eingelegte Leitung beabstandet umgibt. Dieser Teil des hinzugefügten Merkmals (g) stellt somit keinen Unterschied dar.

4.2 Die Unterscheidungsmerkmale bewirken keinen technischen Effekt. Die technische Aufgabe ist auch bei der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag IV die Bereitstellung einer Alternative.

Die Beschwerdegegnerin hat bezüglich der technischen Wirkung nichts über ihren Vortrag zu Hilfsantrag II Hinausgehendes vorgetragen. Die Kammer kann akzeptieren, dass Stahlbleche scharfe Kanten aufweisen können, von denen eine Verletzungsgefahr ausgeht. Allerdings ist der vorliegende Anspruch immer noch weder auf eine bestimmte Form des Verstärkungsteils, noch darauf, dass die Kunststoffschicht irgendwelche Kanten oder scharfen Bereiche überdeckt, eingeschränkt. Der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte technische Effekt kann daher auch nicht an einem metallenen Verstärkungskörper festgemacht werden. Es ist auch ansonsten kein anderer technischer Effekt vorgetragen worden oder zu erkennen. Daher ist die Aufgabe ausgehend von D1 die Bereitstellung einer Alternative.

4.3 Die vorgeschlagene Alternative beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.3.1 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass die Lehre der D1 nicht auf harten und weichen Kunststoff eingeschränkt sei, sondern ganz allgemein auf eine harte und eine weiche Materialkomponente, siehe Anspruch 1 oder Spalte 2, Zeilen 51 bis 56. Einen harten Kunststoff durch ein Metall zu ersetzen, sei dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse ohne erfinderisches Zutun möglich. Darüber hinaus sei in D3 im Rahmen einer gattungsgemäßen Befestigungsvorrichtung auf der handschriftlich nummerierten Seite 3, Absatz 2 die äquivalente Ersetzbarkeit des Material des Verstärkungskörpers offenbart, da dort offenbart werde "Stabilisierungskörper - bei dem es sich um ein Stahlblech, Aluminiumblech oder Kunststoff handeln kann". Auch ausgehend von D1 im Hinblick auf D3 liege der Anspruchsgegenstand daher nahe.

4.3.2 Die Beschwerdegegnerin entgegnete, dass die Materialwahl in D1 entscheidend sei. Anspruch 1 der D1 sei auf eine Befestigungsvorrichtung aus Kunststoff gerichtet. Die D1 verfolge den Zweck, mit der Befestigungsvorrichtung eine Dämpf- und Dichtungswirkung zu erzielen. Der Einsatz von Metall anstelle von Kunststoff für den Hauptkörper würde aber beide Wirkungen zunichte machen und sei daher ausgehend von D1 nicht naheliegend. Außerdem fordere Anspruch 1 des Hilfsantrages IV, dass der metallene Teil innen liege und der Kunststoff außen. Stelle man in D1 den Hauptkörper aus Metall her, läge die Metallschicht außen und nicht innen. Man müsste daher den kompletten Aufbau der D1 aufgeben und umkehren. Dies sei nicht naheliegend. Die Lehre der D3 sei nicht für die D1 gültig, sondern gelte nur für die in D3 gezeigten Verstärkungskörper. Folge man dieser Lehre müsste man den Hauptkörper der D1 aus Stahlblech bilden, was nicht möglich sei.

4.3.3 Die Kammer hat bereits bei der Prüfung des Hauptantrages klargestellt, dass Anspruch 1 aufgrund seiner Wortwahl nicht darauf eingeschränkt ist, dass das Verstärkungsteil irgendwie in eine Kunststoffmasse eingebettet ist. Dasselbe gilt auch für den vorliegenden Hilfsantrag, da sich die entsprechende Wortwahl nicht geändert hat. Die Kunststoffschicht muss Bereiche der Oberfläche umgeben und andere Bereiche freilassen. Mehr ist nicht gefordert. Daher greift die diesbezügliche Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht. Die Dichtwirkung in der D1 betrifft den Spreizzapfen. Dieser soll eine Trägeröffnung, in die er eingeführt werden soll, abdichten, siehe Spalte 3, Zeilen 1 bis 9. Das Material des Hauptkörpers ist hierfür irrelevant. Was die Dämpfwirkung angeht, so wird diese durch die Wahl eines weichen Kunststoffes für die inneren Schalen (10', 20') und den inneren Kern (15) erreicht, siehe D1, Spalte 1, Zeilen 61 bis 66. Auch sie ist vom Material des Hauptkörpers unbeeinflusst. Daher gefährdet die alternative Materialwahl nicht den Erfolg der Lehre der D1.

Die Kammer kann in Abwesenheit anderer Argumente auch nicht erkennen, wieso die Ersetzung von Kunststoff durch Metall in irgendeiner Weise auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen sollte. Für diese Beurteilung ist kein Rückgriff auf D3 vonnöten. Sämtliche denkbaren Nachteile, die bei der entsprechenden Modifikation der Befestigungsvorrichtung von D1 auftreten würden, würden gleichermaßen und ohne dass sie von einem anderen Vorteil kompensiert würden auch bei der anspruchsgemäßen Befestigungsvorrichtung in Kauf genommen werden.

4.4 Daher ist auch der Hilfsantrag IV nicht gewährbar, weil der Gegenstand seines Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 beruht.

5. Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag I

5.1 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass sich die einzigen Stellen der Patentanmeldung, die das Herstellungsverfahren offenbarten, die Spalte 3, Zeilen 24 bis 32 und die Spalte 4, Zeilen 28 bis 35 der A2-Veröffentlichung seien. In der erstgenannten Passage werde nur Spritzguss und eine hierfür fertigungstechnisch notwendige Öffnung (26) offenbart. In der zweitgenannten Passage werde eine automatische Zuführung in die Spritzform offenbart. Da der geänderte Anspruch nicht auf diese Merkmale eingeschränkt sei, sei er unzulässig erweitert.

5.2 Die Beschwerdegegnerin hat entgegnet, dass der geänderte Anspruch sich nur durch einen Wechsel der Kategorie vom erteilten Anspruch 1 unterscheide. Daher seien beide Ansprüche auf denselben Grad an Abstraktion gerichtet. Die Angabe weiterer Details, wie von der Beschwerdeführerin gefordert, sei nicht nötig, denn Spritzguss sei dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens hinlänglich bekannt. Weitere Details seien nicht einmal in D1 angegeben, obwohl dort der noch kompliziertere Zweikomponenten-Spritzguss offenbart sei.

5.3 Der erteilte Anspruch war auf eine Vorrichtung als solche und ungeachtet ihres Herstellungsverfahrens gerichtet, da eine "product-by-process" Formulierung gewählt wurde. Daher ist es verständlich, dass Details eines bestimmten Herstellungsverfahrens nicht näher genannt waren. Mit der Änderung gemäß Hilfsantrag I hat die Beschwerdegegnerin nun aber den Anspruch gerade auf das Herstellungsverfahren gerichtet. Das Herstellungsverfahren bedarf einer Ursprungsoffenbarung. Die Kammer wurde von den Argumenten der Beschwerdeführerin überzeugt. Das einzig offenbarte Herstellungsverfahren betrifft den Spritzguss. Es wird dem Fachmann gelehrt, dass in diesem Fall eine zweite Öffnung (26) fertigungs-technisch notwendig ist, siehe Spalte 3, Zeilen 29 bis 32 der A2-Veröffentlichung. Diese Passage verweist offensichtlich auf die in den Figuren 1 und 3 dargestellte Befestigungsvorrichtung, die eine Vielzahl von Details insbesondere bezüglich der Ausgestaltung der Haltebereiche zeigt, auf die der geänderte Anspruch nicht eingeschränkt ist. Es ist richtig, dass auch der geänderte Anspruch auf das Vorhandensein von Bereichen, in denen der Verstärkungsteil im Spritzwerkzeug gehalten wurde, eingeschränkt ist. Aber diese Bereiche sind nicht näher definiert, und es ist weder erkennbar, noch wurde es von der Beschwerdegegnerin dargelegt, warum eine derartige Verallgemeinerung im vorliegenden Fall statthaft sei. Auch auf eine automatische Zuführung ist der Anspruch nicht eingeschränkt, ohne dass überzeugend dargelegt wurde, warum diese Abstraktion im Rahmen eines Verfahrensanspruchs den Anspruchsgegenstand nicht erweitere. Dass Spritzguss an sich bekannt ist und auch dass in D1 weitere Details des Spritzgussverfahrens näher angegebenen sind, ersetzt nicht die Notwendigkeit einer Ursprungs-offenbarung. Daher ist der geänderte Anspruchs-gegenstand den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht eindeutig und direkt entnehmbar.

5.4 Da Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I derart geändert wurde, dass neue Sachverhalte entstanden sind, erfüllt der Anspruch nicht die Kriterien des Artikels 123 (2) EPÜ 1973. Daher ist auch der Hilfsantrag I nicht gewährbar.

6. Da auch unter Berücksichtigung der Änderungen das Streitpatent nicht den Erfordernissen des EPÜ genügt, gibt die Kammer dem Antrag der Beschwerdeführerin statt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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