T 0079/14 (Antennenmodul / CONTINENTAL) of 8.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T007914.20191108
Datum der Entscheidung: 08 November 2019
Aktenzeichen: T 0079/14
Anmeldenummer: 07010730.5
IPC-Klasse: H01Q 1/08
H01Q 1/12
H01Q 1/32
H01Q 1/42
H01Q 21/28
H01Q 23/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antennenmodul, insbesondere als zentrales Sende- und/oder Empfangsmodul für ein Fahrzeug, mit mehreren Antennen
Name des Anmelders: Continental Automotive GmbH
Name des Einsprechenden: Peiker acustic GmbH & Co. KG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchabteilung, wonach das europäische Patent Nr. 1 863 119 in geänderter Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genügt, legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde ein.

II. In der Beschwerdebegründung brachte die Einsprechende u.a. vor, das beanspruchte Antennenmodul beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Druckschriften

E5: DE 295 00 961.6 U1 und

E6: GB 2 298 998 A.

III. In einer Mitteilung, die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erging, nahm die Kammer in der Sache vorläufig Stellung.

IV. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zwei Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 ein.

V. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen sowie die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zuzulassen.

VI. Die Beschwerdegegnerin beantragte in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage eines der beiden Hilfsanträge aufrechtzuerhalten. Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin auch die Zulässigkeit der Beschwerde in Frage gestellt.

VII. Anspruch 1 wie in der angefochtenen Entscheidung als gewährbar erachtet lautet:

Antennenmodul, insbesondere als zentrales Sende- und/oder Empfangsmodul für ein Fahrzeug, wobei das Antennenmodul einen oberen und einen unteren Teil mit jeweils mehreren Antennen (8,13) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der obere und der untere Teil (1, 3) durch einen Bereich der Karosserie (5) des Fahrzeuges getrennt sind, wobei der obere und untere Teil (1, 3) mechanisch durch den Bereich der Karosserie hindurch miteinander verbunden sind, und

dass der obere und der untere Teil (1, 3) aus einer Grundplatte (17, 17', 19) und/oder einer Platine (7, 15) bestehen, wobei jeweils die Platine (15) und/oder die Grundplatte (17, 17') des oberen Teils (1) mit der Platine (7) und/oder der Grundplatte (19) des unteren Teils (3) im montierten Zustand mechanisch miteinander verbunden ist.

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthält das weitere Merkmal

und dass das Antennenmodul eine fahrzeuginterne Leiterplatte (7) und eine fahrzeugexterne Leiterplatte (5) aufweist, welche im montierten Zustand eine elektrisch, insbesondere hochfrequenztechnisch, verbundene Massefläche bilden.

IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthält stattdessen das weitere Merkmal

und dass die mechanische Verbindung als Einrast-oder Einclipsverbindung ausgebildet ist.

Entscheidungsgründe

Beschwerde - Zulässigkeit

1. In der Beschwerdeschrift wurde lediglich der Name, nicht jedoch die Adresse des Beschwerdeführers angegeben. Somit liegt gemäß der Regel 99(1)a) EPÜ ein Mangel vor, welcher erst in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht wurde. Der Mangel steht der Zulässigkeit der Beschwerde jedoch nicht entgegen, da die Beschwerdeführerin die einzige Einsprechende war und, wie der Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigte, die Adresse der Beschwerdeführerin, wie sie der Kammer aus dem Einspruchsverfahren bekannt ist, unverändert geblieben ist. Durch diese Bestätigung des Vertreters ist der festgestellte Mangel im Sinne der Regel 101(2) EPÜ behoben worden.

2. Die Beschwerde ist somit zulässig.

Das Streitpatent

3. Das Streitpatent betrifft ein Antennenmodul für ein Fahrzeug.

Antennen dienen allgemein zum Empfangen oder Aussenden von elektromagnetischen Signalen. In Fahrzeugen sind Antennen zur Bereitstellung von Funkdiensten vorgesehen. Beispielsweise waren der Rundfunkempfang mittels einem Autoradio oder die Möglichkeit, ein Autotelefon im Fahrzeug zu installieren, lange Zeit vor dem Prioritätsdatum des angefochtenen Patents bekannt.

Während es relativ einfach erscheint, eine einzelne Antenne für einen einzelnen Dienst in geeigneter Weise am Fahrzeug zu montieren und zur Bereitstellung des Funkdienstes anzuschließen, kann der Montage- und Installationsaufwand beträchtlich ansteigen, wenn mehrere unterschiedliche Funkdienste wie Mobilfunk, GPS oder eine Funksteuerung für die Fahrzeugverriegelung vorgesehen sind.

Durch die Erfindung soll, wie in Absatz 9 der Patentschrift dargelegt, der Verkabelungs- und Montageaufwand gering gehalten werden.

Erfinderische Tätigkeit

4. E5 offenbart ein Antennenmodul mit zwei Antennen, durch welches voneinander verschiedene Radiosignale. z.B. ein terrestrisches Mobilfunksignal und das Signal eines Satellitenfunkdienstes (Seite 1, Zeilen 33 bis 37) empfangen werden können. Das Antennenmodul ermöglicht einen geringen Montageaufwand, da für die beiden Antennen nicht mehrere Montageorte notwendig sind (Seite 1, Zeilen 22 bis 31). Das bekannte Modul ist in der Figur 1 von E5 wie folgt dargestellt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Es umfasst einen oberen Teil mit einem Antennengehäuse 6, den beiden Antennen (Linearantenne 2, Streifenleiterantenne 3), zwei Kabeln 20, 21, zwei Buchsen 27, 28 und einer Grundplatte 7 sowie einen als Elektronikgehäuse ausgeführten unteren Teil 5 mit zwei Steckern 29, 30 und einer Platine 26 (vgl. Seite 4, Zeilen 4 bis Seite 5, Zeile 6). Die beiden Teile sind wie aus der Figur ersichtlich durch einen Bereich der Karosserie 4 getrennt. Der obere Teil ist an der Karosserie durch einen Gewindebolzen 8 und eine Sechskantmutter 38 befestigt (Seite 4, Zeilen 16 bis 19). Im montierten Zustand sind die Stecker 29, 30 auf die Buchsen 27, 28 gesteckt. Dadurch ist das Elektronikgehäuse und somit auch die darin angeordnete Platine mit dem Antennengehäuse bzw. dessen Grundplatte mechanisch verbunden. Dieser Zustand ist in der Figur dargestellt. In dem bekannten Antennenmodul stehen somit die an den Antennen 2, 3 empfangenen Signale an den Steckern 29, 30 zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung, bzw. von der Elektronikbox ausgehende Signale werden in umgekehrter Richtung zu der jeweiligen Antenne geleitet.

5. Das Antennenmodul gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in E5 offenbarten Antennenmodul dadurch, dass der untere Teil des Moduls mehrere Antennen aufweist.

6. Soweit ist die Einschätzung in der angefochtenen Entscheidung, was die Offenbarung von E5 sowie dem Unterschied des beanspruchten Antennenmoduls betrifft (Punkt 14.6.1 der Entscheidungsgründe), unstrittig.

7. Jedoch greift die in der angefochtenen Entscheidung angegebene Aufgabenbeschreibung, wonach ausgehend von E5 der Verkabelungsaufwand für die Anbindung mehrerer in einem Fahrzeug anfallender Dienste an das Antennenmodul reduziert werden soll, zu kurz. In E5 wird ein erhöhter Verkabelungsaufwand mit einer Anordnung mehrerer Antennen an mehreren Montageorten deshalb gleichgesetzt, weil dann mehrere Kabelverbindungen zu mehreren Stellen im Fahrzeug erforderlich sind (vgl. Seite 1, Zeilen 22 bis 28). Das technische Problem, diesen erhöhten Verkabelungsaufwand zu reduzieren, löst das in E5 offenbarte Antennenmodul bereits dadurch, dass zwei Antennen in einem gemeinsamen Modul und damit an der gleichen Stelle im Fahrzeug angeordnet sind, so dass nur ein einziger Kabelweg zu einer einzigen Stelle im Fahrzeug erforderlich ist. Die bloße Anordnung weiterer Antennen im unteren Teil des Moduls trägt daher nicht zu einer weiteren Reduzierung des Verkabelungsaufwands bei. Vielmehr tragen die im Innenbereich angeordneten Antennen zunächst nur dazu bei, dass im Innenbereich der Karosserie eine bessere Funkversorgung möglich ist.

8. Daher stellt sich ausgehend von E5 und unter Berücksichtigung des unterscheidenden Merkmals und dessen Wirkung dem Fachmann die technische Aufgabe, die Funkversorgung im Innern des Fahrzeugs zu verbessern.

9. Der Fachmann würde zur Lösung dieser Aufgabe auch die Druckschrift E6 heranziehen. E6 offenbart eine Antennenanlage für ein Fahrzeug, mit der der Funkempfang eines sich im Innern des Fahrzeugs befindenden Mobilfunkgeräts dadurch verbessert wird, dass zu einer auf dem Fahrzeugdach montierten Außenantenne 14 eine korrespondierende Innenantenne 16 vorhanden ist und zur Verstärkung der zwischen beiden Antennen ausgetauschten Signale ein Transceiver 15 vorgesehen ist. Der Fachmann würde daher in naheliegender Weise erwägen, das Antennemodul von E5 zusätzlich um eine Antenne im unteren Teil des Moduls zu erweitern, um den Empfang eines Mobilfunksignals von einem Mobilfunkgerät im Innenbereich des Fahrzeugs zu verbessern. Der Fachmann würde erwägen, bei mehreren über jeweils separate Außenantennen bereitgestellten Funkdiensten für jeden Funkdienst jeweils eine eigene Innenantenne und somit mehrere Antennen in gleicher Weise im Innenbereich vorzusehen. Der Fachmann würde somit in naheliegender Weise zu dem beanspruchten Antennenmodul gelangen.

10. Die Beschwerdegegnerin argumentierte zur Stützung ihres Vorbringens wie folgt:

(a) Ausgehend von E5 stelle sich die genannte Aufgabe nicht, da die empfangenen Signale dem Elektronikgehäuse zur Verfügung gestellt werden und eine Weiterleitung als drahtloses Signal in E5 nicht beabsichtigt sei.

(b) Die im unteren Teil des beanspruchten Antennenmoduls vorgesehenen Antennen ermöglichen es, bestimmte Funkdienste nur im Innenbereich des Fahrzeugs bereitzustellen. Diese Möglichkeit sei in E5 überhaupt nicht vorgesehen.

(c) Selbst wenn der Fachmann eine Weiterleitung der an den Antennen in E5 empfangenen Signale an jeweils zugehörige Endgeräten betrachtet würde, würden hierfür mehrere Möglichkeiten in Betracht kommen, beispielsweise eine leitungsgebundene Weiterleitung über eine oder mehrere Leitungen oder eine drahtlose Weiterleitung über eine einzelne Antenne. Jedenfalls würde der Fachmann ausgehend von E5 durch den Stand der Technik nicht dazu angeleitet, eine Mehrzahl von Antennen im unteren Bereich vorzusehen, insbesondere da das Elektronikgehäuse nicht zur Aufnahme von Antennen konzipiert sei.

(d) Insbesondere würde der Fachmann durch den Stand der Technik nicht dazu angeleitet, auch für das in E5 empfangene Satellitensignal einen Transceiver ("Boosterlösung") mit einer Innenantenne vorzusehen, da eine solche Lösung für Satellitensignale technisch nicht trivial sei.

11. Diese Argumente sind nicht stichhaltig.

(a) In E5 ist die weitere Behandlung der an den Steckern 29, 30 bereitstehenden Signale nicht festgelegt, sondern es bleibt offen, wie diese Signale weiterverarbeitet werden sollen. Der Fachmann würde daher für die weitere Behandlung dieser Signale die Art und Weise, wie das zur Bereitstellung eines jeweiligen Funkdiensts vorgesehene Endgerät das Funkdienstsignal erhalten muss, berücksichtigen und würde daher für den jeweiligen Funkdienst eine jeweilige Innenantenne, wie sie durch E6 nahegelegt ist, vorsehen.

(b) Das beanspruchte Modul ist nicht auf die Bereitstellung bestimmter Funkdienste nur im Innenraum des Fahrzeugs beschränkt. Es ist daher für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohne Belang, für welche Funkdienste die im unteren Teil des Antennenmoduls angeordneten Antennen vorgesehen sind.

(c) Es ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich, ob der Fachmann andere Möglichkeiten, ein Signal weiterzuleiten, in Betracht ziehen würde. Jedenfalls hält ihn das Vorhandensein anderer Möglichkeiten nicht davon ab, zu erwägen, das von einer Außenantenne empfangene Signal wie insbesondere in E6 vorgeschlagen als Funksignal im Innenraum des Fahrzeugs bereitzustellen, indem eine der jeweiligen Außenantenne zugeordnete Innenantenne im unteren Teil des Antennenmoduls vorgesehen wird. Es ist weiterhin unerheblich, dass das Elektronikgehäuse in E5 selbst keine Antenne aufweist. In E5 findet sich kein Anhaltspunkt, aufgrund dessen es ausgeschlossen wäre, eine Antenne im Elektronikgehäuse vorzusehen.

(d) Es ist weiterhin für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohne Belang, ob die Realisierung einer "Boosterlösung" für ein Satellitensignal möglicherweise nicht-trivial ist. Ein Grad an zu erwartender Schwierigkeit bei der Realisierung eines bestimmten Konzepts hält den Fachmann nicht davon ab, das Konzept grundsätzlich und damit in naheliegender Weise als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Hilfsanträge - Nichtzulassung in das Verfahren

12. Die Hilfsanträge wurden in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung eingereicht.

13. Die Einschränkung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auf die Ausgestaltung von Masseflächen des Antennenmoduls ("elektrisch, insbesondere hochfrequenztechnisch, verbundene Massefläche") fördert die genannte Zielsetzung, den Verkabelungsaufwand gering zu halten, nicht in erkennbarer Weise. Zudem muss der Anspruch von Grund auf neu dahingehend ausgelegt werden, in welchem Verhältnis die genannten Leiterplatten zu den Platinen, die zusätzlich oder alternativ zu den Grundplatten vorgesehen sind, stehen.

14. Die Einschränkung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ("Einrast- oder Einclipsverbindung") betrifft die Ausgestaltung der mechanischen Verbindung der oberen und unteren Teile des Antennemoduls. Auch für diese Einschränkung ist nicht erkennbar, dass sie zur Lösung der Aufgabenstellung, den Verkabelungsaufwand gering zu halten, beiträgt. Auch dieser Anspruch muss von Grund auf neu dahingehend ausgelegt werden, wie aufgrund des kombinierten oder alternativen Vorhandenseins von Grundplatten und Platinen im oberen und im unteren Teil die Ausgestaltung der mechanischen Verbindung zu verstehen ist.

15. Die mit den Hilfsanträgen vorgelegten Änderungen erfordern daher nicht lediglich zusätzliche Schritte zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, sondern machen eine zusätzliche Erörterung zum Verständnis des geänderten Patentbegehrens notwendig. Unter diesen Umständen wäre es angebracht gewesen, der Kammer Gelegenheit zu geben, schon in der Mitteilung, die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erging, eine vorläufige Stellungnahme zu den zu erörternden Fragen abzugeben, und daher diese Anträge bereits vor dem Zeitpunkt, zu dem die Mitteilung der Kammer erging, vorzulegen.

16. Daher machte die Kammer von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK 2007 Gebrauch und ließ die Hilfsanträge nicht in das Verfahren zu.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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