European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T237813.20220711 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juli 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2378/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08101643.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | G08B 17/06 G08B 17/107 G08B 29/18 G08B 29/24 G08B 17/113 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gefahrenerkennung mit Einbezug einer in einem Mikrocontroller integrierten Temperaturmesseinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Schweiz AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | HEKATRON Vertriebs GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Hauptantrag - zugelassen (ja) Änderungen - Erweiterung des Schutzbereichs (nein) Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. Oktober 2013 über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 091 029 in geändertem Umfang auf der Grundlage des damaligen Hauptantrags.
II. Die folgenden, während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung genannten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D2 : EP 1 253 565 A2E5 : WO 97/14092 A1E6 : DE 600 10 411 T2E7 : WO 98/20615 A2E8 : US 5,691,704E9 : Thomas Net News, "Microcontrollers include internal temperature sensor", (02.03.2005, Fundstelle: http://news.thomasnet./fullstory/, gefunden am 23.09.2011)| |
E11: Wu, Randy, "Digital Fan Control with Tachometer using MSP43O", Application Report SLAA259-November 2005 (10.11.2005, gefunden am 23.09.2011)
E12: Application Note zum 56F83xx Temperatursensor von Freescale Semiconductor
E13: EP 0 654 770 A1| |
III. In einer gemeinsam mit der Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung vor der Kammer versandten Mitteilung vom 19. November 2018 gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt.
IV. Die im Anschluss an die erste mündliche Verhandlung vor der Kammer ergangene Entscheidung, mit der die Angelegenheit an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen wurde, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags vom 1. April 2019 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten, ist von der Beschwerdeführerin mit einem Antrag auf Überprüfung unter Artikel 112a EPÜ angefochten worden.
V. Die Einspruchsabteilung erließ danach, am 13. Februar 2020, unter Hinweis auf die fehlende aufschiebende Wirkung des Überprüfungsantrags nach Artikel 112a EPÜ, eine Zwischenentscheidung, in welcher sie die Parteien über die Fassung informierte, in der das Patent aufrecht erhalten werden soll. Allerdings enthielt diese vorgeschlagene Fassung der Beschreibung keinerlei Anpassungen im Hinblick auf die gestrichenen Verfahrensansprüche.
VI. Am 22. Oktober 2020 erließ die Einspruchsabteilung eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in der von ihr vorgeschlagenen Fassung, d.h. ohne eine Anpassung der Beschreibung im Hinblick auf die gestrichenen Verfahrensansprüche.
VII. Mit Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 15. März 2021 (R 15/19), wurde die Entscheidung der Kammer vom 1. April 2019 aufgehoben und die Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Beschränkungen hinsichtlich des Verfahrensgegenstands angeordnet.
VIII. Die Beschwerdekammer hat die Parteien am 27. April 2022 erneut zu einer mündlichen Verhandlung geladen, die am 11. Juli 2022 stattfand.
IX. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2022 hat die Beschwerdeführerin unter anderem beantragt, "die Beschlüsse, mit denen das Patent EP 2 091 029 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, aufzuheben und das Patent zu widerrufen". Sie hat außerdem ergänzend zu ihren Einwänden vorgetragen.
X. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligte ihre Anträge geändert. Der neue Hauptantrag der Beschwerdegegnerin unterscheidet sich von dem vorherigen Hauptantrag dadurch, dass in dem abhängigen Anspruch 4 der Ausdruck "Gefahrmelder" durch den im geltenden unabhängigen Anspruch 1 und in allen übrigen Ansprüchen verwendeten Ausdruck "Brandmelder" ersetzt wurde. Die Beschwerdeführerin hat ihren Aufhebungsantrag und ihr Beschwerdevorbringen präzisiert und ergänzend zu den von ihr erhobenen Einwänden vorgetragen.
XI. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin zudem klargestellt, auf welche Angriffe ihr schriftsätzliches Vorbringen sich beziehen soll. Außerdem hat sie im Verlauf der Erörterung diverse Angriffe zurückgenommen (Neuheitsangriff basierend auf: E5 oder E13; Angriff gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von: D2 allein; D2 mit E6; D1; E6 mit D2; E6 mit D1). Der Neuheitsangriff basierend auf E6 wurde bereits in der ersten mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurückgenommen.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend,
1. die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom
16. Oktober 2013 aufzuheben und das Patent zu
widerrufen und
2. die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung
vom 13. Februar 2020 und die Entscheidung der
Einspruchsabteilung vom 22. Oktober 2020 für
wirkungslos zu erklären.
Die Beschwerdegegnerin beantragte abschließend,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des neuen Hauptantrags vom 11. Juli 2022, hilfsweise auf der Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags, beide eingereicht mit Schreiben vom 1. März 2019, aufrecht zu erhalten.
XIII. Der unabhängige Anspruch 1 des geltenden Hauptantrags lautet:
"Brandmelder mit
· einer Messeinrichtung (110, 115) zum Erfassen einer physikalischen Messgröße und zum Ausgeben eines Messsignals (270), welche für eine vorgegebene Gefahrensituation indikativ sind,
· einer Temperaturmesseinrichtung (125) zum Erfassen einer Temperatur und zum Ausgeben eines Temperaturmesssignals (280), welches für die erfasste Temperatur indikativ ist, und
· einem Mikrocontroller (120), welcher der Messeinrichtung (110, 115) nachgeschaltet ist und welcher derart zum Auswerten des Messsignals (270) eingerichtet ist, dass bei der Auswertung des Messsignals (270) das Temperaturmesssignal (280) mit berücksichtigt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Temperaturmesseinrichtung (125) in dem Mikrocontroller (120) integriert ist, wobei das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird."
Die Ansprüche 2 bis 7 sind von Anspruch 1 abhängig.
XIV. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags verstoße gegen Artikel 123 (3) EPÜ, da zusätzlich zu dem von dem erteilten Brandmelder geschützten Bereich, bei welchem bei der Auswertung des Messsignals der physikalischen Größe ein Temperaturmesssignal mitberücksichtigt werde, nunmehr auch geschützt sei, dass lediglich aufgrund des Temperaturmesssignals ein Alarm ausgelöst werden könne. Dem entsprechend sei nunmehr das Temperaturmesssignal selbst indikativ für eine Gefahrsituation. Die beiden Merkmale, dass einerseits bei der Auswertung des Messsignals das Temperaturmesssignal mitberücksichtigt werde und andererseits das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet werde, seien im erteilten Anspruch 1 "und-verknüpft", weshalb das Temperatursignal im erteilten Anspruch nicht für eine Gefahrensituation indikativ gewesen sei. Der Brandmelder gemäß Anspruch 1 des neuen Hauptantrags löse demgegenüber auch ganz ohne die Messung eines Rauchsignals aus. Insofern sei der Schutzbereich des Anspruchs 1 in unzulässiger Art und Weise erweitert worden. Die Erweiterung des Schutzbereichs ergebe sich auch aus Absatz [0016] des Patents, wonach der erfindungsgemäße Brandmelder die für Gefahrmelder relevante thermische Norm EN 54-5 nicht erfülle. Hieraus gehe hervor, dass laut dem erteilten Anspruch 1 das Temperaturmesssignal nicht indikativ für eine Gefahrensituation gewesen sei.
Darüber hinaus sei die im Anspruch 1 beanspruchte Erfindung entgegen dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ auch nicht ausführbar, falls der Gegenstand des Anspruchs 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen würde. Werde eine Erfindung als erfinderisch angesehen, so dürfe der Fachmann am Anmeldetag nicht in der Lage gewesen sein, die Erfindung ohne zusätzliche Offenbarungen in der Beschreibung auszuführen. Nur dann, wenn diese zusätzlichen Offenbarungen den Fachmann in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen in die Lage versetzen, die Erfindung auszuführen, sei diese ausreichend offenbart. Vorliegend enthalte die Beschreibung jedoch keine Informationen, die dem Fachmann am Prioritätstag nicht bekannt gewesen wären. Das zu Grunde liegende Prinzip sei, dass die Kenntnisse des Fachmanns für die Anwendung des Artikels 83 EPÜ dieselben sein müssten, wie für die Anwendung des Artikels 56 EPÜ.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei aus der Offenbarung des Dokuments E8 bekannt. Hierbei sei insbesondere der in Dokument E8 offenbarte ASIC als Mikrocontroller im Lichte des Anspruchs 1 anzusehen. Die in Dokument E8 offenbarte Messung des Anstiegs des CO2-Gehalts mittels einer Thermosäule mit optionalem Temperatursensor entspreche der anspruchsgemäßen Temperaturmesseinrichtung. Gemäß dem Brückenabsatz zwischen den Spalten 5 und 6 seien sämtliche in der Figur 2 gezeigten Schaltkreiselemente in dem anwendungsspezifischen Schaltkreis ASIC integriert. Dies betreffe auch die Thermosäule. Folglich offenbare Dokument E8 auch eine in einem Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtung. Ferner sei auch eine Auslösung nur aufgrund des Anstiegs des CO2-Gehalts gemäß der Figur 1 von E8 möglich, so dass auch das letzte Anspruchsmerkmal, dass das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird, aus E8 bekannt sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags lediglich dadurch von der Offenbarung des Dokuments D2, dass die Temperaturmesseinrichtung in den Mikrocontroller integriert sei. Um die Aufgabe zu lösen, Kosten durch Einsparung von Bauteilen zu senken, greife der Fachmann hierbei auf das Dokument E9 zurück, aus welchem hervorgehe, dass Temperatursensoren im Mikrocontroller integriert werden könnten. Beispielsweise offenbare E9, den integrierten Temperatursensor sogar in Heizlüftern zu verwenden. Insofern beruhe der Anspruch 1 ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit dem Dokument E9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch ausgehend von Dokument D2 in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen, dass Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtungen aufweisen könnten, nahegelegt. Das allgemeine Fachwissen sei durch die Dokumente E5, E6, E7, E8, E9, E11 sowie E12 nachgewiesen. Das von der Beschwerdegegnerin behauptete Vorurteil, die Temperaturmesseinrichtung nicht in den Mikrocontroller von Brandmeldern zu integrieren, sei nicht nachgewiesen worden und existiere nicht. Demgegenüber sei es aus dem allgemeinen Fachwissen, z.B. aus E12, Punkt 4.5, bekannt gewesen, mittels eines in einen Mikrocontroller integrierten Temperatursensors die Umgebungstemperatur zu bestimmen. Der Fachmann wende dieses allgemeine Fachwissen auf die Lehre von D2 an und gelange zum Gegenstand des Anspruchs 1, ohne erfinderisch tätig zu werden. Hierbei erkenne der Fachmann auch, dass er das Signal eines in einen Mikrocontroller integrierten Temperatursensors trotz gegebenenfalls höherer Trägheit bei der Temperaturmessung für Brandmelder nutzen und durch die Integration Kosten sparen könne.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung noch vorgetragen, dass auch E13 sämtliche Merkmale des Streitpatents offenbare. Sie hat dazu ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin offenbare E13 insbesondere auch einen Mikrocontroller. Im Unterschied zum von Dokument D2 ausgehenden Angriff mangelnder erfinderischer Tätigkeit enthalte E13 keinerlei Hinweis darauf, die Temperaturmesseinrichtung nicht in den Mikrocontroller zu integrieren. Als Alarmkriterium kämen laut E13 sowohl das Überschreiten eines Rauchpegels, einer bestimmten Temperatur oder eines kombinierten Rauch-Temperaturwertes in Betracht. E13 berücksichtige auch das ASIC-Temp-Signal als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium. Dieses sei gleichwertig zum Signal des NTC-Temperatursensors. Daher definiere der NTC-Sensor nicht den thermischen Pfad, sondern liefere, ebenso wie das ASIC-Temp-Signal nur ein Gefahrenmeldesignal des thermischen Pfades. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin diesen Vortrag dahingehend abgeändert, dass ausgehend von E13 dieselben Unterschiede, wie ausgehend von D2 bestünden, d.h. die Temperaturmesseinrichtung in E13 nicht in den Mikrocontroller integriert sei. Eine in den Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtung sei aber beispielsweise aus Dokument E9 sogar zum Erfassen externer Temperaturen bekannt. E9 offenbare die Verwendung des integrierten Temperatursensors in Heizlüftern. Der Fachmann gelange daher in naheliegender Art und Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Dokument E5 offenbare zwar keinen Brandmelder, jedoch einen Mikrocontroller mit integrierter Temperaturmesseinrichtung. Die Vorrichtung nach E5 erkenne zudem ein Überladen der Batterie anhand des Ladestroms als mögliche Gefahrensituation, da eine überladene Batterie auch einen Brand auslösen könne. Ausgehend von E5 suche der Fachmann auf dem Bereich der Mikrocontroller alternative Anwendungsmöglichkeiten für Mikrocontroller. Da ständig neue Anwendungen für Mikrocontroller gefunden würden, käme der Fachmann in naheliegender Weise dazu, Mikrocontroller mit integrierter Temperaturmesseinrichtung für Brandmelder zu verwenden. Der Fachmann auf dem Gebiet der Brandmelder wisse, dass es sich bei dem Temperaturmesssignal aus dem Merkmal "das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird" um eine klassische Brandgröße handele. Er werde daher das Temperaturmesssignal eines in einen Mikrocontroller integrierten Temperatursensors auch als zusätzlichen Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders verwenden, ohne erfinderisch tätig zu werden. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch ausgehend von Dokument E5 nahegelegt.
XV. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Anspruch 1 des Hauptantrags verstoße nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ, da der Brandmelder einerseits dazu eingerichtet sei, die Temperatur bei der Auswertung des Messesignals mit zu berücksichtigen und andererseits zusätzlich ein zweiter Auslösepfad für das Temperaturmesssignal vorgesehen sei. Durch dieses zusätzliche Merkmal sei der Schutzbereich gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt worden. Ein Patentanspruch müsse zudem keiner Norm entsprechen, sondern stehe für sich. Daher seien aus dem Nichterfüllen einer Norm keine Rückschlüsse auf den Schutzbereich eines Anspruchs möglich.
Im Übrigen seien die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 10. Juni 2022 als verspätet zurückzuweisen.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur mangelnden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ seien lediglich eine juristische Abhandlung der Prüfungsvoraussetzungen für die Anwendung des Artikels 83 EPÜ. In der Sache sei nichts gegen die im Anspruch 1 definierte Erfindung vorgetragen worden. Insofern liege auch kein Verstoß gegen Artikel 83 EPÜ vor. Daher entspreche die beanspruchte Erfindung dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ.
Die im Dokument E8 offenbarte Thermosäule sei nicht in einem Mikrocontroller integriert und auch nicht integrierbar. Einerseits ergebe sich keine Integration in den im Dokument E8 offenbarten ASIC, da eine Thermosäule aufgrund ihres Aufbaus technisch überhaupt nicht in einen ASIC integrierbar sei. Darüber hinaus sei der ASIC gemäß Dokument E8 kein Mikrocontroller im Sinne des Anspruchs. Ein Mikrocontroller umfasse neben einem Mikroprozessor eine minimale Peripherieschaltung. Diese sei jedoch eine unspezifische Peripherie-schaltung, da ein Mikrocontroller stets ein Massenprodukt sei. Der aus Dokument E8 bekannte ASIC sei jedoch ein kundenspezifischer Schaltkreis. Aus der Tatsache dass in der Figur 1 eine Logik 400 offenbart sei, könne nicht gefolgert werden, dass die Logik 400 einen Mikroprozessor darstelle. Darüber hinaus offenbare Dokument E8 keinen zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders. Es werde mit der Thermosäule lediglich der Anstieg des CO2-Gehalts und nicht die Temperatur gemessen. Insofern sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber E8.
Ausgehend von D2 stehe der Fachmann vor der Aufgabe, den Temperatursensor in den Mikrocontroller zu integrieren. Hierbei lehre das Dokument D2 explizit von einer Integration des Temperatursensors in einer integrierten Schaltung weg. Alles andere sei eine ex-post-facto-Betrachtung. Auch das Dokument E9 sei nicht geeignet, die entsprechende Lücke zu schließen, da E9 nicht das Fachgebiet der Brandmelder betreffe. Insofern würde der Fachmann das Dokument E9 überhaupt nicht heranziehen. Die bloße Tatsache, dass in Dokument E9 nicht ausgeschlossen sei, dass der dort offenbarte Mikrocontroller zusammen mit einem Brandmelder verwendet werden könne, bedeute nicht, dass Dokument E9 darauf hinweise, den Mikrocontroller mit einem Brandmelder zu verwenden. Insofern beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber einer Kombination der Dokumente D2 und E9 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Auch eine Kombination des Dokuments D2 mit dem allgemeinen Fachwissen lege den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahe. Zudem sei der Einwand nicht ausreichend substantiiert worden. Der Vortrag im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 2022 zu einer Zusammenschau von D2 mit dem allgemeinen Fachwissen, insbesondere mit E12, sei verspätet und nicht zu berücksichtigen. Ausgehend von D2 hätte der Fachmann zusätzlich das Vorurteil überwinden müssen, die Temperaturmesseinrichtung nicht in den Mikrocontroller zu integrieren, da hierdurch die Temperaturmessung zu träge werde.
Das Vorbringen zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit sei ausgehend von Dokument E13 in Verbindung mit E9 gegenüber dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung neu und nicht zu berücksichtigen. E13 offenbare weder einen anspruchsgemäßen Mikrocontroller, noch dass die Temperaturmesseinrichtung in den Mikrocontroller integriert sei. Die Temperaturmesseinrichtung nach E13 sei lediglich in einen ASIC integriert und nicht in einen Mikrocontroller. Aus E9 kenne der Fachmann zwar Mikrocontroller mit integrierten Temperatursensoren. Er erkenne jedoch, dass diese für eine Anwendung in Brandmeldern zu träge reagierten.
Das Dokument E5 sei kein geeigneter Ausgangspunkt für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit, da E5 keinen Brandmelder offenbare. Selbst wenn der Fachmann ausgehend von E5 alternative Anwendungen für den dort in einer Batterieladeschaltung verwendeten Mikrocontroller suchen würde, gelange er nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1, da die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe durch jede beliebige alternative Anwendung eines Mikrocontrollers gelöst werde. Die vorgebrachte Kombination führe daher nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E5 kombiniert mit allgemeinem Fachwissen sei zudem verspätet.
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Entscheidungsgründe
1. Zulassung des neuen Hauptantrags (Artikel 13 VOBK 2020)
Im abhängigen Anspruch 4 des neuen Hauptantrags hat die Beschwerdegegnerin im Vergleich zum vorhergehenden Hauptantrag lediglich den vormaligen Ausdruck "Gefahrmelder" durch den in im unabhängigen Anspruch 1 verwendeten Ausdruck "Brandmelder" ersetzt, um die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ zu erfüllen. Sie hat dadurch die durch die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe ("Gefahrmelder" einerseits und "Brandmelder" andererseits) in der zuvor eingereichten geänderten Fassung entstandene Unklarheit ausgeräumt.
Die Beschwerdeführerin hat gegen die Zulassung des geänderten Hauptantrags vom 11. Juli 2022 keine Einwände erhoben.
Die Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 7 des neuen Hauptantrags sind identisch mit den Ansprüchen 1 bis 3 und 5 bis 7 des mit Schreiben vom 1. März 2019 eingereichten Hauptantrags, des in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2019 eingereichten Hauptantrags und des der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Hauptantrags.
Die Streichung der Verfahrensansprüche in dem in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2019 eingereichten Hauptantrag stellte eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar (zur hierzu ergangenen Rechtsprechung siehe: Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, V.A.4.2.2.d)). Die Änderung erfolgte, um den Einwand unter Artikel 123 (3) EPÜ gegen den erteilten Anspruch 8 und die von diesem abhängigen bzw. auf diesen rückbezogenen Ansprüche auszuräumen, sie gab keinen Anlass zu neuen Einwänden und diente damit der Verfahrensökonomie. Die Kammer hat den geänderten Hauptantrag vom 1. April 2019 daher in das Beschwerdeverfahren zugelassen als dieser noch anhängig war.
Die Beschwerdekammer hat ihr Ermessen nunmehr dahingehend ausgeübt, auch den neuen, in der letzten mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022 (und damit nach der Ladung zur letzten mündlichen Verhandlung) neu eingereichten Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Artikel 13 (2) VOBK 2020 betrifft Änderungen des Beschwerdevorbringens, die nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgen. Artikel 25 (3) VOBK 2020 sieht vor, dass Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht anzuwenden ist, wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Verfahrensordnung der Beschwerdekammern erfolgte. Im vorliegenden Fall erfolgte die Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung bereits vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020, die Ladung zur letzten mündlichen Verhandlung jedoch erst danach. Ob Artikel 13 (2) VOBK 2020 in einer solchen Konstellation nach Artikel 25 (3) VOBK 2020 unanwendbar ist (vgl. T 950/16, Gründe 3.2.2, T 1156/15, Gründe 2; T 1511/15, Gründe 3.6), kann vorliegend dahinstehen. Die Zulassung des neuen Hauptantrags kann hier nämlich sowohl nach den Kriterien des Artikels 13 (1) VOBK 2020 als auch nach den strengeren Kriterien des Artikels 13 (2) VOBK 2020 erfolgen.
Die Einreichung des Hauptantrags erfolgte schließlich als Reaktion auf einen erstmals während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwand unter Artikel 84 EPÜ und ist geeignet, diesen auszuräumen, ohne Anlass für neue Einwände zu geben. Der neue Hauptantrag ist zudem - wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist - gewährbar. Es liegen daher außergewöhnliche Umstände vor, welche die späte Antragstellung rechtfertigen.
2. Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123 (3) EPÜ)
2.1 Das zusätzliche Merkmal "wobei das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird" führt - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
2.2 Sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 des Patents sind im Anspruch 1 des Hauptantrags noch vorhanden. Das Merkmal des zusätzlichen Gefahrenmeldeeingangs ist dem Anspruch 1 hinzugefügt worden, ohne dass eines der im erteilten Anspruch 1 vorhandenen Merkmale gestrichen worden ist.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags der Brandmelder nunmehr explizit auch ausschließlich aufgrund der Temperatur auslösen könnte, berücksichtigt nicht, dass der Anspruch 1 nach wie vor verlangt, dass der Mikrokontroller derart eingerichtet sein muss, dass bei der Auswertung des Messsignals (möglicherweise basierend auf dem Rauchgasgehalt) das Temperaturmesssignal mitberücksichtigt werden muss, d.h. der Brandmelder muss nunmehr über den erteilten Gegenstand hinaus dazu eingerichtet sein, das Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang zu verwenden.
2.3 Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schriftsatz vom 10. Juni 2022 zusätzlich vorgebracht, aus Absatz [0016] des Patents ergebe sich, dass die in den Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtung die für Gefahrmelder relevante thermische Norm EN 54-5 nicht erfülle und daher nicht geeignet sei, eine Gefahr anzuzeigen. Daher sei laut dem erteilten Anspruch 1 das Temperaturmesssignal nicht indikativ für eine Gefahrensituation gewesen. Der geänderte Anspruch 1 lege jedoch fest, dass das Temperaturmesssignal nunmehr als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang verwendet werde. Diese Änderung in Anspruch 1 stelle somit eine Erweiterung des Schutzbereichs im Sinne des Artikels 123 (3) EPÜ dar.
Die von der Beschwerdegegnerin aufgebrachte Frage, ob dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin wegen Verspätung nicht zuzulassen ist, kann dahinstehen, da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens der Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstößt.
Wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend vorgetragen, muss ein Patentanspruch keinen Normen genügen, sondern steht für sich. Daher kann auch aus einem angeblichen Nichterfüllen einer Norm des Gegenstands eines Patentanspruchs nicht auf dessen Schutzumfang geschlossen werden. Es besteht daher auch keine Veranlassung, einen Patentanspruch im Lichte einer solchen Norm oder einer auf diese Norm bezogenen Passage der Beschreibung einschränkend auszulegen. Auch das zusätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Artikel 123 (3) EPÜ überzeugt die Kammer daher nicht.
2.4 Die Kammer ist folglich zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstößt.
3. Unzureichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist auch - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - im Sinne des Artikels 83 EPÜ ausreichend offenbart.
Hierzu behauptet die Beschwerdeführerin, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, sofern er als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen würde, unzureichend offenbart sei. Lediglich falls der Gegenstand als naheliegend angesehen würde, sei er ausreichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ.
Die Kammer folgt dieser Argumentation der Beschwerdeführerin nicht. Die Frage, ob eine beanspruchte Erfindung ausreichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ ist, hängt von der Gesamtoffenbarung des Patents ab. Ob die beanspruchte Erfindung zusätzlich die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt, ist hierfür unerheblich.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Differenz gegenüber dem Stand der Technik, welche für den Fachmann ausreichend offenbart sein müsse, wird in der Beschwerdebegründung nicht spezifiziert, sondern nur theoretisch abgehandelt. Die Beschwerdebegründung enthält lediglich umfangreiche Ausführungen dazu, was dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt gewesen sein soll.
Aus der Tatsache, dass nicht alle dem Fachmann bekannten Details einer Erfindung im Patent beschrieben werden, kann jedoch nicht auf eine unzureichende Offenbarung geschlossen werden. Der Fachmann berücksichtigt bei dem Versuch, eine beanspruchte Erfindung auszuführen vielmehr auch sein allgemeines Fachwissen. Zudem kann die Kombination bestimmter Merkmale erfinderisch sein, ohne dass dadurch ausgeschlossen wäre, dass die genaue Ausgestaltung dieser Merkmale dann dem allgemeinen Fachwissen entnommen werden kann, und ohne dass es hierzu weiterer Anleitungen in der Beschreibung bedürfte. Die Argumentation der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ist daher ungeeignet, eine unzureichende Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPÜ nachzuweisen.
Ihren weiteren erstinstanzlichen Einwand zur behaupteten Nichtausführbarkeit im Hinblick auf die Temperaturmessung im Mikrocontroller, den die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung unter Ziffer 3.3 zurückgewiesen hat, hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgebracht.
Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ erfüllt.
4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
4.1 Das Dokument E8 offenbart weder einen Mikrocontroller noch eine in diesen integrierte Temperaturmesseinheit, deren Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird.
4.2 Die in E8 offenbarte integrierte Schaltung ist ausweislich Spalte 6, Zeile 3 ein ASIC, also eine anwendungsspezifische integrierte Schaltung und somit kein Mikrocontroller. Auch das Argument der Beschwerdeführerin, der ASIC und die Mikroprozessorsektion in Figur 4 von E8 bildeten zusammen einen Mikrocontroller, überzeugt die Kammer nicht, da ein Mikrocontroller, wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend ausgeführt, stets ein Massenprodukt ist, und daher eine Kombination eines Mikroprozessors mit einem anwendungsspezifischen ASIC nicht als Mikrocontroller anzusehen ist.
Laut Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 4 von E8 sind sämtliche Schaltkreis-Elemente ("circuit elements") mit Ausnahme der Spannungsversorgung und des Lautsprechers in dem ASIC 28 integriert. Dabei bedeutet, wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, eine Integration von Schaltkreis-Elementen nicht, dass auch die Sensoren integriert sind. Wie sich zudem aus Figur 3 unmittelbar ergibt, kann damit jedenfalls nicht die Thermosäule 16 gemeint sein, denn diese ist eindeutig außerhalb des ASIC 28 dargestellt. Dies bedeutet, dass sogar unter der Annahme, die in E8 offenbarte Thermosäule 16 mit optionalem Temperatursensor, welche in E8 zur Messung des CO2-Gehalts dient, sei eine Temperaturmesseinrichtung im Sinne des Anspruchs 1, diese jedenfalls nicht in den ASIC integriert ist, so dass das entsprechende Merkmal des Anspruchs 1 ebenfalls nicht erfüllt ist.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Darstellung in Figur 3 nichts an dem Beschreibungstext ändere und die Darstellung in Figur 3 lediglich der besseren Anschaulichkeit diene, überzeugt nicht. Zum einen ist der Beschreibungstext keineswegs eindeutig, da dort nicht definiert wird, welche Elemente als Schaltkreiselemente eingeordnet werden. Zudem wäre entgegen dem Argument der Beschwerdeführerin, dass die Thermosäule aus abbildungstechnischen Gründen nicht in den ASIC integriert dargestellt sei, die Anschaulichkeit der Figur 3 nicht durch die Darstellung der Thermosäule innerhalb des großdimensioniert gezeichneten ASIC beeinträchtigt worden.
Schließlich spricht - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - auch der Hinweis auf "silicon micro-machined" in E8 (Spalte 5 Zeilen 25f, Spalte 6 Zeile 8 und 10) nicht für eine Integration der Thermosäule in den ASIC. Die Beschwerdegegnerin hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass eine Thermosäule zwar als "silicon micro-machined" angesehen werden kann, jedoch aufgrund ihres Aufbaus technisch überhaupt nicht in einen ASIC integrierbar sei, da die in ihr enthaltene Küvette zur Gasdetektion geheizt werden müsse.
Auch in den übrigen von der Beschwerdeführerin zitierten Beschreibungspassagen und Figuren der E8 wird eine in den Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtung nicht offenbart.
Dokument E8 enthält auch keine Offenbarung dahingehend, das Temperaturmesssignal des optionalen Temperatursensors der Thermosäule als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders zu verwenden. Das Argument der Beschwerdeführerin, die Thermosäule sei eine Temperaturmesseinrichtung, welche nicht nur für die Temperatur, sondern zusätzlich auch für CO2 indikativ sei, überzeugt nicht. Es mag sein, dass die Thermosäule inhärent auch die Temperatur misst. In E8 dient sie jedoch explizit der CO2-Messung. Dabei repräsentiert das Ausgangssignal der Thermosäule die Änderung der CO2-Konzentration. Die Verwendung des Signals des optionalen Temperatursensors der Thermosäule ist in E8 nicht näher erläutert. E8 betrifft einen Brandmelder, welcher lediglich Rauch und CO2 erfasst.
4.3 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E8 ist.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer ist unter Würdigung des gesamten am Schluss der mündlichen Verhandlung noch verfahrensgegenständlichen Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin - einschließlich der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens erfolgten Änderungen des Beschwerdevorbringens - zu dem Schluss gekommen, dass Artikel 56 EPÜ der Gewährbarkeit des Hauptantrags nicht entgegen steht. Vor diesem Hintergrund können die durch die Änderungen bedingten Zulassungsfragen, die auch die Beschwerdegegnerin aufgeworfen hat, dahinstehen.
5.1 Dokument D2 mit E9.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D2 in Zusammenschau mit der Offenbarung des Dokuments E9 nicht nahegelegt.
Unstrittig unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments D2 jedenfalls dadurch, dass "die Temperaturmesseinrichtung (125) in dem Mikrocontroller (120) integriert ist".
Der Fachmann entnimmt Absatz [0016] von D2 insoweit die Lehre, Sensoren nicht in den Mikrocontroller zu integrieren ("..., all the units except the detectors are realized by a one-chip microcomputer"). Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin nicht dahingehend zu, dass gemäß Absatz [0016] von D2 lediglich festgestellt wird, dass der Temperatursensor nicht in dem Mikrocontroller integriert ist. Rein sprachlich betrachtet wäre eine entsprechende Interpretation des Absatzes [0016] zwar nicht ausgeschlossen. D2 richtet sich jedoch an den Fachmann. Der Fachmann, der explizit darauf hingewiesen wird, dass alle Einheiten, mit Ausnahme ("except") der Sensoren im Mikrocontroller zu integrieren sind, wird die nicht integrierte Anordnung der Sensoren nicht lediglich als eine mögliche Ausführungsform unter vielen, sondern als zielgerichteten Hinweis auf eine spezifisch notwendige Gestaltungsform der offenbarten Erfindung ansehen. Der Fachmann entnimmt D2 daher die Aussage, den Temperatursensor gerade nicht in den Mikrocontroller zu integrieren. Vor dem Hintergrund dieser Lehre, kommt es nicht darauf an, ob diese Lehre zugleich einem allgemein geltenden Vorurteil entsprach, was zwischen den Beteiligten streitig ist.
Ausgehend von D2 ist unter den Parteien zudem streitig, welche objektive technische Aufgabe zu lösen ist. Die Beschwerdeführerin sieht eine Reduktion der Kosten als Aufgabe, die Beschwerdegegnerin hingegen die Schaffung eines kompakten und fehlalarmsicheren Brandmelders. Vor dem Hintergrund, dass auch in Dokument E9 nicht alle Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gegenüber D2 offenbart sind, kann die exakte Formulierung der Aufgabe jedoch dahinstehen, da sogar eine Kombination der Lehren der Dokumente D2 und E9 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führt.
Selbst wenn der Fachmann diesen Aspekt der Lehre von D2 nicht grundsätzlich als Ausschlusskriterium für eine Integration des Temperatursensors in den Mikrocontroller ansehen würde, bedürfte es nämlich im Hinblick auf die Aussage in D2 jedenfalls eines spezifischen Hinweises darauf, dass gerade auch die Integration eines Temperatursensors, dessen Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium in einem Brandmelder verwendet wird, in einen Mikrocontroller sinnvoll ist. Einen solchen Hinweis gibt E9 indes nicht.
Wie die Kammer bereits in ihrer die erste mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung ausgeführt hat, ist sie der Ansicht, dass das Merkmal, dass die anspruchsgemäße Temperaturmesseinrichtung in den Mikrocontroller integriert ist, in Zusammenhang mit dem Merkmal, dass das Temperaturmesssignal dieser Temperaturmesseinrichtung als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium verwendet wird, zu sehen ist, sodass die bloße Offenbarung eines in einen Mikrocontroller integrierten Temperatursensors nicht ausreicht, um das Merkmal vorwegzunehmen.
Das Dokument E9 offenbart zwar Mikrocontroller, die zur Berücksichtigung der Systemtemperatur einen Temperatursensor integriert haben. Was die Systemtemperatur sein soll, offenbart E9 indes nicht. Als Anwendungsgebiete der Mikrocontroller gibt E9 Batterieladegeräte, Sensorendpunkte oder einfache Motorsteuerungen an. Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, Sensorendpunkte könnten auch Brandmelder sein. Dies mag zutreffen, als Nachweis dafür, dass in E9 die Anwendung auf Brandmelder eindeutig und unmittelbar offenbart ist, ist der Vortrag jedoch nicht geeignet. Sogar wenn Brandmelder eine besondere Ausgestaltung von Sensorendpunkten wären, bedeutet dies nicht, dass die Anwendung in Brandmeldern durch den Oberbegriff Sensorendpunkte offenbart wäre. E9 enthält auch keine Offenbarung dahingehend, dass der Temperatursensor in dem Mikrocontroller die Temperatur des Batterieladegeräts, des Sensorendpunkts oder der Motorsteuerung misst, sondern nur, dass die Mikrocontroller gemäß E9 zum Einsatz in Batterieladegeräten, Sensorendpunkten oder Motorsteuerungen geeignet sind.
Eine explizite Offenbarung, wozu der Temperatursensor nach E9 dient, enthält E9 hingegen abgesehen vom Messen der "Systemtemperatur" nicht. Dass der Mikrocontroller die Temperatur der Batterie, des Sensorendpunkts bzw. des Motors messen soll, erscheint der Kammer nicht plausibel. Nur weil der Mikrocontroller nach E9 für den Einsatz bei Batterieladegeräten, Sensorendpunkten oder Motorsteuerungen gedacht ist, wird dadurch nicht zwingend ein entsprechender Temperatursensor ersetzt. Laut E9 dient der interne Temperatursensor zur Temperaturkompensation von Systemparametern ("a temperature sensor allowing temperature calibration of system parameters"), also einer internen Temperatur. Auch die Information in E9, dass durch den Sensor externe Beschaltung entfallen kann, ist explizit auf die Überwachung der Systemtemperatur gerichtet ("The on-chip temperature sensor ... eliminates the external circuitry required for any control application where system temperature being monitored...") und steht daher in Zusammenhang mit der oben erwähnten Temperaturkompensation. Am plausibelsten misst der Temperatursensor nach E9 folglich die Systemtemperatur des Mikrocontrollers. Auch die Information in E9, durch den internen Temperatursensor könnten Kühl- oder Heizlüfter intelligenter gestaltet werden, legt nicht nahe, den Temperatursensor als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium in einem Brandmelder zu verwenden. Daher ist aus E9 auch nicht nahegelegt, den Temperatursensor des Brandmelders nach D2 durch jenen in dem Mikrocontroller gemäß E9 zu ersetzen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist folglich auch aus einer Zusammenschau des Dokuments D2 mit E9 nicht nahegelegt.
5.2 D2 mit Fachwissen
Nichts anderes ergibt sich ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, zu dessen Beleg die Beschwerdeführerin die Dokumente E5, E6, E7, E8, E9, E11 und E12 vorgelegt hat. Die Frage, ob das Vorbringen zu diesem Angriff, wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, ursprünglich nicht hinreichend substantiiert war und ob die zusätzlichen Ausführungen im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 2022 wegen Verspätung nicht zugelassen werden sollten, kann dahinstehen, da die Kammer, wie bereits dargelegt, zu dem Schluss gekommen ist, dass die Erfindung auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht nahegelegt wird. Auch die Frage, ob die vorgelegten Dokumente, bei denen es sich teilweise um Patente handelt, überhaupt geeignet sind, als Beleg für allgemeines Fachwissen zu dienen, kann offen bleiben. Entscheidend ist nämlich, dass keines dieser Dokumente die Verwendung des Temperaturmesssignals einer in einen Mikrocontroller integrierten Temperaturmesseinrichtung als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders offenbart oder nahelegt, wie die Kammer bereits in ihrer die erste mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung ausgeführt hat. Folglich reicht die bloße Offenbarung eines in einen Mikrocontroller integrierten Temperatursensors nicht aus, um das Merkmal vorwegzunehmen.
Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass der Fachmann ohne weiteres erkennen würde, dass er die Temperaturmesseinrichtung, die als Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders verwendet werden soll, trotz eventueller größerer Trägheit bei der Temperaturmessung in den Mikrocontroller integrieren könnte. Hierzu gibt keines der von der Beschwerdeführerin genannten Dokumente einen Hinweis.
Die von der Beschwerdeführerin als Nachweis des allgemeinen Stands der Technik genannten Dokumente E5 bis E7, E9, E11 und E12 offenbaren zwar in einen Mikrocontroller integrierte Temperatursensoren. Jedoch dient keiner dieser integrierten Temperatursensoren dazu, als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders verwendet zu werden und es gibt auch keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung, die eine solche Anwendung nahelegen würde.
E5 betrifft ein Batterieladegerät, und offenbart nicht die Anwendung von Mikrocontrollern für Brandmelder, siehe unten unter Punkt 5.4.
In E6 dient das Signal des Temperatursensors dazu, das Steuersignal einer IRED hinsichtlich der Temperatur zu kompensieren, d.h. der Temperatursensor erfasst die Temperatur des ASIC, siehe Figur 1 und Absatz [0033], welcher das Steuersignal erzeugt. Absatz [0033] beschreibt die Temperaturkompensation dabei lediglich im Rahmen einer "Einschalt-Rücksetzschaltung". Das Argument der Beschwerdeführerin, die integrierte Temperaturmesseinrichtung der E6 sei in der Lage, eine Temperatur in der Umgebung des ASICs zu erfassen, überzeugt die Kammer daher nicht. Auch enthält E6 nichts darüber, das Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahreneingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders zu verwenden.
E7 offenbart ganz allgemein ein Smart Sensor-Modul mit einem ASIC und einem integrierten Temperatursensor, der dazu verwendet wird, Temperaturgänge von Sensoren zu kompensieren. E7 hat jedoch ebenfalls keinerlei Bezug zu Brandmeldern und offenbart nichts hinsichtlich der Erfassung der Temperatur, die als Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium verwendet wird, mittels eines integrierten Temperatursensors.
Der Temperatursensor nach E8 ist nicht integriert, siehe die obigen Ausführungen unter Punkt 4. zur Neuheit gegenüber E8.
Auch das Signal des Temperatursensors nach E9 dient nicht als zusätzlicher Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders, siehe oben unter Punkt 5.1.
Laut E11 wird zur Steuerung von Lüftern ein in einen Mikrocontroller integrierter Temperatursensor verwendet, allerdings ausschließlich zur Überwachung des Chips. E11 offenbart somit nichts hinsichtlich der Verwendung des Temperaturmesssignals integrierter Temperatursensoren als Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium in einem Brandmelder.
Das Dokument E12 offenbart zwar unter Punkt 4.5 eine Veränderung der Temperatur in Abhängigkeit von der Betriebsdauer eines Mikrocontrollers und unter Punkt 4.2 den Zusammenhang zwischen Leistungsaufnahme und Temperaturunterschied zwischen Umgebung und Chip. Dies dient jedoch entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht dazu, die Umgebungstemperatur zu messen und als Grundlage für ein Alarmkriterium in einem Brandmelder zu verwenden, sondern dazu, die Erwärmung des Mikrocontrollers voraussagen zu können ("... the device can then be expected to have a junction-to-ambient temperature difference of ...").
Somit ist auch aus dem allgemeinen Stand der Technik nicht bekannt oder nahegelegt, einen das Temperaturmesssignal einer in einem Mikrocontroller integrierten Temperaturmesseinrichtung als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders zu verwenden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist folglich auch aus einer Zusammenschau des Dokuments D2 mit dem von der Beschwerdeführerin als Beleg für das allgemeine Fachwissen zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt.
5.3 Dokument E13 als nächstliegender Stand der Technik
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur angeblichen mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument E13 allein überzeugen die Kammer ebenfalls nicht. In der Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin noch vorgetragen, dass alle erfindungsgemäßen Merkmale durch E13 offenbart würden und E13 daher neuheitsschädlich sei. In der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022 hat die Beschwerdeführerin ihren Neuheitsangriff basierend auf E13 zurückgenommen und stattdessen vorgetragen, dass sich ausgehend von Dokument E13 dieselben Unterschiede ergeben würden, wie ausgehend von Dokument D2, aber ohne einen Hinweis, dass der Temperatursensor nicht in den Mikrocontroller zu integrieren sei, sodass nun keinerlei Hindernis für den Fachmann mehr bestehe, den Temperatursensor nicht in einem Mikrocontroller zu integrieren.
Die zu lösende Aufgabe ist hierbei unter den Parteien streitig. Es kommt jedoch vorliegend nicht auf die zu lösende Aufgabe an. Auch wenn unterstellt würde, der Fachmann würde ausgehend von E13 das Dokument E9 heranziehen und von der durch die Beschwerdeführerin (Kostensenkung durch Einsparung von Bauteilen) oder von der durch die Beschwerdegegnerin (Schaffung eines kompakten und fehlalarmsicheren Brandmelders) formulierten Aufgabe ausgehen, führt eine Kombination der Lehren der Dokumente E13 und E9 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Zur Senkung von Kosten oder zur Schaffung eines kompakten Brandmelders hat der Fachmann nämlich eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, sodass sich kein spezifischer Hinweis ergibt, ausgehend von E13 gerade die Integration der Temperaturmesseinrichtung in den Mikrocontroller nach E9 auszuwählen, deren Eignung als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders sich zudem nicht aus E9 ergibt. Zu einer fehlalarmsicheren Gestaltung von Brandmeldern enthält E9 ebenfalls keinerlei Hinweis. Es kann daher, wie bereits dargelegt, auch insoweit dahinstehen, ob das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin wegen Verspätung nicht zugelassen werden sollte.
Wie oben bereits zu D2 ausgeführt, ist die Kammer daher der Auffassung, dass auch wenn der Hinweis in D2, die Temperaturmesseinrichtung nicht zu integrieren, ignoriert würde, der Fachmann unter Berücksichtigung des Dokuments E9 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde, ohne erfinderisch tätig zu werden. Im Hinblick auf die vielfältigen Modifikationsmöglichkeiten zur Kosteneinsparung oder kompakteren Bauweise bedürfte es hierfür eines spezifischen Hinweises in E9, eine integrierte Temperaturmesseinrichtung als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium eines Brandmelders zu verwenden. E9 enthält jedoch weder einen spezifischen Hinweis auf Brandmelder noch eine allgemeine Lehre, die den Fachmann veranlassen würde, eine Temperaturmesseinrichtung in einen Mikrocontroller zu integrieren und deren Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium zu nutzen (siehe oben unter Punkt 5.1).
Dabei kann auch die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage dahinstehen, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin, ausgehend von E13 würde der Fachmann aus E9 wissen, dass Temperaturmesseinrichtungen in Mikrocontroller integriert werden könnten, nicht zugelassen werden sollte. Auch dieser Einwand ist nämlich nicht geeignet nachzuweisen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt ist.
Die Integration einer Temperaturmesseinrichtung in einen Mikrocontroller ist nicht gleichbedeutend mit der Nutzung des Temperaturmesssignals der integrierten Temperaturmesseinrichtung als zusätzlichen Gefahrmeldeeingang für das Alarmkriterium eines Brandmelders. Zudem hat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass E13 keinen Hinweis darauf gibt, den darin zur Erfassung der Temperatur verwendeten externen NTC-Sensor wegzulassen. Die gegenteiligen Ausführungen der Beschwerdeführerin überzeugen nicht. Vielmehr hat die Beschwerdegegnerin insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass E13 in Spalte 5, Zeilen 25 bis 33 eindeutig lediglich die Temperaturkompensation der optoelektronischen Bauteile anhand des in den Mikrocontroller integrierten Temperatursensors lehrt.
5.4 Dokument E5 als nächstliegender Stand der Technik
Die Beschwerdegegnerin hat eingewendet, dass der neue Vortrag der Beschwerdeführerin, der nicht mehr auf E5 alleine (wie in der Beschwerdebegründung vorgetragen), sondern auf eine Kombination der E5 mit dem allgemeinen Fachwissen gestützt ist, wegen Verspätung nicht zugelassen werden sollte. Diese Frage kann jedoch, wie bereits dargelegt, dahinstehen, ebenso wie die Frage, ob der der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht zugrundeliegende Einwand gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 (Artikel 25 (2) VOBK 2020) vom Verfahren ausgeschlossen werden sollte. Die Kammer ist nämlich zu dem Schluss gelangt, dass der auf Dokument E5 basierende Einwand der Beschwerdeführerin gegen die erfinderische Tätigkeit insgesamt, nicht geeignet ist, den Gegenstand des Anspruchs 1 nahezulegen.
Unstrittig offenbart das Dokument E5 nicht die Anwendung von Mikrocontrollern für Brandmelder, sondern eine Batterieladeschaltung. Schon aus diesem Grund stellt E5 nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar und ist daher kein geeigneter Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit. Für das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann auf dem Gebiet der Mikrocontroller ständig nach neuen Anwendungen für Mikrocontroller suche und daher quasi automatisch auf die Anwendung von Mikrocontrollern in Brandmeldern komme, ist eine Grundlage nicht erkennbar. Der maßgebliche Fachmann ist ausgehend von Gegenstand und Aufgabe der beanspruchten Erfindung und nicht ausgehend von dem erfindungsgemäßen Unterscheidungsmerkmal zu bestimmen, um eine rückschauende Betrachtung zu vermeiden.Als nächstliegender Stand der Technik kommen nach ständiger Rechtsprechung zudem in der Regel nur solche Dokumente in Betracht, die zum gleichen Zweck oder mit dem gleichen Ziel entwickelt wurden bzw. auf dieselbe Wirkung gerichtet sind, wie die beanspruchte Erfindung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, I.D.3.1, 3.2. m.w.N.), was im Hinblick auf E5 nicht zutrifft.
5.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist durch keines der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Dokumente nahegelegt. Die Kammer ist somit zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
6. Zusammenfassung
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände stehen somit der Gewährbarkeit des neuen Hauptantrags vom 11. Juli 2022 nicht entgegen. Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Widerruf des Patents kann folglich nicht stattgegeben werden, sondern die Angelegenheit ist an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022, und einer an diese Ansprüche anzupassenden Beschreibung. Die Notwendigkeit der Anpassung der Beschreibung ergibt sich unter anderem aus der Streichung der erteilten Verfahrensansprüche (zur Notwendigkeit der Anpassung einer Beschreibung vgl. T 1024/18, Gründe 3, m.w.N.).
7. Wirkungslosigkeit der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Februar 2020 und der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Oktober 2020.
7.1 Die Beschwerdeführerin hat in dem vor der Beschwerdekammer wiederaufgenommenen Beschwerdeverfahren in der letzten mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022 abschließend auch beantragt, die Entscheidungen der Einspruchsabteilung vom 13. Februar 2020 und vom 22. Oktober 2020 für wirkungslos zu erklären. Dieser Antrag der Beschwerdeführerin, ist statthaft und begründet.
7.2 Die Entscheidungen der Einspruchsabteilung vom 13. Februar 2020 und vom 22. Oktober 2020 stehen nicht im Einklang mit der abschließenden Entscheidung der Beschwerdekammer in dem wiederaufgenommenen Beschwerdeverfahren, da sie die Aufrechterhaltung des Streitpatents in einer anderen als der nunmehr für gewährbar erachteten Fassung betreffen.
7.3 Entscheidungen der Beschwerdekammern werden mit ihrem Erlass rechtskräftig, denn gegen die Entscheidungen der Beschwerdekammern gibt es kein ordentliches Rechtsmittel und die Einreichung eines Überprüfungsantrags hat keine aufschiebende Wirkung (Artikel 112a (3) EPÜ). Die Einspruchsabteilung hat dies zum Anlass genommen, das Einspruchsverfahren trotz des anhängigen Überprüfungsverfahrens fortzusetzen und die Entscheidungen vom 13. Februar 2020 und vom 22. Oktober 2020 während des noch anhängigen Überprüfungsverfahrens zu erlassen. Die beiden Entscheidungen der Einspruchsabteilung wurden im schriftlichen Verfahren erlassen und sind daher mit ihrer Zustellung wirksam geworden (vgl. zur Wirksamkeit von Entscheidungen, die im schriftlichen Verfahren ergehen: G 12/91, Gründe 2), bevor die Große Beschwerdekammer abschließend über den anhängigen Überprüfungsantrag mündlich verhandelt und entschieden hat.
Die von der Großen Beschwerdekammer erlassene Entscheidung im Überprüfungsverfahren vom 15. März 2021 erwähnt die beiden Entscheidungen der Einspruchsabteilung oder die Frage ihrer Wirksamkeit weder im Sachverhalt noch in der Begründung oder in der Entscheidungsformel. Auch Artikel 112a (5), (1) EPÜ und Regel 108 (3) EPÜ enthalten ausdrücklich lediglich Regelungen für die Aufhebung der Beschwerdekammerentscheidung, ohne zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen der Einspruchsabteilung zu erwähnen. Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin im Überprüfungsverfahren auch noch keinen Antrag gestellt, der darauf abzielte, die betreffenden Entscheidungen der Einspruchsabteilung aufzuheben oder für wirkungslos zu erklären.
7.4 Das EPÜ enthält weder in Artikel 112a noch in Regel 108 oder in seinen übrigen Vorschriften eine ausdrückliche Aussage dazu, ob Entscheidungen der Einspruchsabteilung, die in dem Zeitraum zwischen Erlass der Beschwerdekammerentscheidung und dem Erlass der Überprüfungsentscheidung der Großen Beschwerdekammer wirksam wurden, ohne Weiteres infolge der Aufhebung der Beschwerdekammerentscheidung und der Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens wirkungslos werden oder ob es hierzu einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Entscheidungen bedarf. Im Rahmen des eingeführten Überprüfungsverfahrens ist es jedoch geboten, die bestehenden Verfahrensregelungen dahingehend auszulegen, dass ein Antrag statthaft ist, der darauf abzielt, die Wirkung bzw. den Rechtsschein einer bereits ergangenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zu beseitigen, die nicht im Einklang mit der abschließenden Entscheidung der Beschwerdekammer nach der Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens steht. Es würde nämlich dem Grundgedanken eines Überprüfungsverfahrens und der Rechtssicherheit widersprechen, wenn Entscheidungen der Einspruchsabteilung, die in dem Zeitraum zwischen Erlass der ersten Beschwerdekammerentscheidung und dem Erlass der Überprüfungsentscheidung der Großen Beschwerdekammer wirksam wurden und nicht im Einklang mit der abschließenden Beschwerdekammerentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren stehen, tatsächlich oder auch nur dem Rechtsschein nach wirksam wären. Sinn und Zweck des Überprüfungsverfahrens ist es schließlich, einen wirkungsvollen Rechtsschutz und ein faires Verfahren zu gewährleisten. Dies kann nur erfolgen, wenn es keine auf Grundlage der aufgehobenen Beschwerdekammerentscheidung ergangenen Entscheidungen der Einspruchsabteilung gibt, die das Verfahrensergebnis vor der Durchführung des Überprüfungsverfahrens perpetuieren oder zumindest geeignet sein könnten, einen entsprechenden Rechtsschein zu erwecken.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. Oktober 2013 wird aufgehoben.
2. Die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Februar 2020 und die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Oktober 2020 sind wirkungslos.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022, und einer an diese Ansprüche anzupassenden Beschreibung.