European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T237813.20190401 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 April 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2378/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08101643.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | G08B17/06 G08B17/107 G08B29/18 G08B29/24 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gefahrenerkennung mit Einbezug einer in einem Mikrocontroller integrierten Temperaturmesseinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Schweiz AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | HEKATRON Vertriebs GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Hauptantrag - zugelassen (ja) Änderungen - zulässig (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 091 029 in geändertem Umfang auf der Grundlage des damaligen Hauptantrags.
II. Die folgenden, während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung genannten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D2 : EP 1 253 565 A2E5 : WO 97/14092 A1E6 : DE 600 10 411 T2E8 : US 5,691,704E9 : Thomas Net News, "Microcontrollers include internal temperature sensor", (02.03.2005, Fundstelle: http://news.thomasnet./fullstory/, gefunden am 23.09.2011)| |
E13: EP 0 654 770 A1| |
III. In einer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach der Gegenstand des Anspruchs 1 des vormaligen Hauptantrags nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoße, ausreichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ sei, dass kein neuheitsschädliches Dokument vorliege sowie dass die Argumentation der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit nicht den Aufgabe-Lösungs-Ansatz verwende. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass der Schutzbereich des Patentanspruchs 8 erweitert worden sein dürfte.
IV. Mit Schreiben vom 1. März 2019 wiederholte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ihren Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, und reichte einen ersten und einen zweiten Hilfsantrag ein.
V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 1. April 2019 statt.
VI. In der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag ein, der sich von dem bisherigen Hauptantrag nur durch die Streichung der Patentansprüche 8 bis 14 unterscheidet.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des neuen Hauptantrags vom 1. April 2019, hilfsweise auf der Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags, beide eingereicht mit Schreiben vom 1. März 2019, aufrecht zu erhalten.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des neuen Hauptantrags lautet:
"Brandmelder mit
. einer Messeinrichtung (110, 115) zum Erfassen einer physikalischen Messgröße und zum Ausgeben eines Messsignals (270), welche für eine vorgegebene Gefahrensituation indikativ sind,
. einer Temperaturmesseinrichtung (125) zum Erfassen einer Temperatur und zum Ausgeben eines Temperaturmesssignals (280), welches für die erfasste Temperatur indikativ ist, und
. einem Mikrocontroller (120), welcher der Messeinrichtung (110, 115) nachgeschaltet ist und welcher derart zum Auswerten des Messsignals (270) eingerichtet ist, dass bei der Auswertung des Messsignals (270) das Temperaturmesssignal (280) mit berücksichtigt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Temperaturmesseinrichtung (125) in dem Mikrocontroller (120) integriert ist, wobei das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird."
Die Ansprüche 2 bis 7 sind von Anspruch 1 abhängig.
X. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der neue Hauptantrag der Beschwerdegegnerin sei verspätet und daher nicht zuzulassen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags verstoße gegen Artikel 123 (3) EPÜ, da zusätzlich zudem von dem erteilten Brandmelder geschützten Bereich, bei welchem bei der Auswertung des Messsignals der physikalischen Größe ein Temperaturmesssignal mitberücksichtigt werde, nunmehr auch geschützt sei, dass lediglich aufgrund des Temperaturmesssignals ein Alarm ausgelöst werden könne. Die beiden Merkmale, dass einerseits bei der Auswertung des Messsignals das Temperaturmesssignal mitberücksichtigt werde und andererseits das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelder verwendet werde, seien "und-verknüpft". Der Brandmelder gemäß Anspruch 1 des neuen Hauptantrags löse demgegenüber auch ganz ohne die Messung eines Rauchsignals aus. Insofern sei der Schutzbereich des Anspruchs 1 in unzulässiger Art und Weise erweitert worden.
Darüber hinaus sei die im Anspruch 1 beanspruchte Erfindung entgegen den Erfordernissen des Artikels 83 auch nicht ausführbar, falls der Gegenstand des Anspruchs 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen würde. Werde eine Erfindung als erfinderisch angesehen, so dürfe der Fachmann am Anmeldetag nicht in der Lage gewesen sein, die Erfindung auszuführen. Das zu Grunde liegende Prinzip sei, dass die Kenntnisse des Fachmanns für die Anwendung des Artikels 83 EPÜ dieselben sein müssten, wie für die Anwendung des Artikels 56 EPÜ.
Ausschließlich schriftsätzlich hatte die Beschwerdeführerin zudem vorgetragen, dass der für Batterielade- und Überwachungsanwendungen vorgesehene Mikrocontroller gemäß dem Dokument E5 neuheitsschädlich sei. Zusätzlich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch aus der Offenbarung des Dokuments E8 bekannt. Hierbei sei insbesondere der in Dokument E8 offenbarte ASIC als Mikrocontroller im Lichte des Anspruchs 1 anzusehen. Die in Dokument E8 offenbarte Messung des Anstiegs des CO2-Gehalts mittels einer Thermosäule mit optionalem Temperatursensor entspreche der anspruchsgemäßen Temperaturmesseinrichtung. Gemäß dem Brückenabsatz zwischen den Spalten 5 und 6 seien sämtliche in der Figur 2 gezeigten Schaltkreiselemente in dem anwendungsspezifischen Schaltkreis ASIC integriert. Folglich offenbare Dokument E8 auch eine in einem Mikrocontroller integrierte Temperaturmesseinrichtung. Ferner sei auch eine Auslösung nur aufgrund des Anstiegs des CO2-Gehalts gemäß der Figur 1 von E8 möglich, so dass auch das letzte Anspruchsmerkmal, dass das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelder verwendet wird, aus E8 bekannt sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von Dokument E6 seien sämtliche Merkmale, mit Ausnahme des letzten Anspruchsmerkmals, aufgrund dessen das Temperaturmesssignal alleine als Alarmkriterium verwendet werden könne, aus E6 bekannt. Insbesondere offenbare Dokument E6 in der Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung eine Temperaturkompensation der Infrarotdiode IRED. Diese Temperaturkompensation führe dazu, dass bei ansteigender Temperatur die Leuchtstärke der IRED stets konstant bleibe, und nicht wie aufgrund der Eigenschaften der IRED mit steigender Temperatur absinke. Hierdurch habe das temperaturkompensierte Steuersignal der IRED auch eine Auswirkung auf das von der Fotodiode ausgegebene Signal. Dokument E6 offenbare zwar lediglich, die Schaltung als anwendungsspezifische integrierte Schaltung (ASIC) auszubilden, diese entspreche jedoch einem Mikrocontroller. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass E6 eine Logik 2 beschreibe. Schließlich stelle das letzte Merkmal des Anspruchs 1 nichts anderes dar, als eine Temperaturkompensation. Das Dokument E6 offenbare insofern eine gleichwirkende technische Lehre. Dass der Fachmann das Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium verwenden könne, sei zum Anmeldezeitpunkt des Patents Fachwissen gewesen.
Darüber hinaus sei auch aus dem Dokument D2 bereits bekannt, dass zusätzlich zum Rauchsignal ein Temperatursignal zur Auslösung eines Alarms verwendet werde. In D2 sei lediglich nicht offenbart, dass der Temperatursensor in dem Mikrocontroller integriert sei.
Ausgehend von Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags lediglich dadurch von der Offenbarung des Dokuments D2, dass die Temperaturmesseinrichtung in dem Mikrocontroller integriert sei. Um die Aufgabe zu lösen, Kosten zu sparen, greife der Fachmann hierbei auf das Dokument E9 zurück, aus welchem hervorgehe, dass Temperatursensoren im Mikrocontroller integriert werden könnten. Insofern beruhe der Anspruch 1 auch ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit dem Dokument E9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XI. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der neue Hauptantrag sei zuzulassen, da lediglich die Ansprüche 8 bis 14 des vormaligen Hauptantrags gestrichen wurden.
Der Anspruch 1 des Hauptantrags verstoße nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ, da der Brandmelder einerseits dazu eingerichtet sei, die Temperatur bei der Auswertung des Messesignals mit zu berücksichtigen und andererseits zusätzlich ein zweiter Auslösepfad für das Temperaturmesssignal vorgesehen sei. Durch dieses zusätzliche Merkmal sei der Schutzbereich gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt worden.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur mangelnden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ seien lediglich eine juristische Abhandlung der Prüfungsvoraussetzungen für die Anwendung des Artikels 83 EPÜ. In der Sache sei nichts gegen die im Anspruch 1 definierte Erfindung vorgetragen worden. Insofern liege auch kein Verstoß gegen Artikel 83 EPÜ vor. Daher entspreche die im Anspruch 1 beanspruchte Erfindung dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ.
Die im Dokument E8 offenbarte Thermosäule sei nicht in einem Mikrocontroller integriert. Einerseits ergebe sich keine Integration in den im Dokument E8 offenbarten ASIC, da eine Thermosäule aufgrund ihres Aufbaus technisch überhaupt nicht in einen ASIC integrierbar sei. Darüber hinaus sei der ASIC gemäß Dokument E8 eben kein Mikrocontroller im Sinne des Anspruchs. Ein Mikrocontroller umfasse neben einem Mikroprozessor eine minimale Peripherieschaltung. Dies sei jedoch eine unspezifische Peripherieschaltung, da ein Mikrocontroller stets ein Massenprodukt sei. Der aus Dokument E8 bekannte ASIC sei jedoch ein kundenspezifischer Schaltkreis. Aus der Tatsache dass in der Figur 1 eine Logik 400 offenbart sei, könne nicht gefolgert werden, dass die Logik 400 einen Mikroprozessor darstelle. Darüber hinaus offenbare Dokument E8 keinen zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium. Es werde lediglich der Anstieg des CO2-Gehalts und nicht die Temperatur gemessen. Insofern sei der Anspruch 1 neu gegenüber E8.
Der Anspruch 1 unterscheide sich durch sämtliche im Kennzeichen genannten Merkmale von der Offenbarung des Dokuments E6. Die in E6 offenbarte Temperaturkompensation sorge dafür, dass sich das Messerverhalten der Infrarotdiode IRED nicht verändere, auch wenn die Temperatur ansteige. Somit werde die Temperatur explizit nicht berücksichtigt. Darüber hinaus sei gemäß E6 keine Temperaturmesseinrichtung in einen Mikrocontroller integriert. E6 offenbare überhaupt keinen Mikrocontroller. Zudem sei auch kein zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium auf Basis des Temperaturmesssignals aus Dokument E6 bekannt. Es sei dem Fachmann auch nicht bekannt gewesen, einen solchen zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang vorzusehen. Die zu lösende objektive Aufgabe enthalte zwar auch Aspekte, den Brandmelder empfindlicher und weniger anfällig für Fehlalarme zu machen, der Hauptaspekt sei es jedoch, einen Brandmelder mit weniger Bauelementen versehen zu können, insbesondere solle laut dem Patent der NTC eingespart werden. Hierzu fänden sich weder in Dokument E6 noch im allgemeinen Fachwissen irgendwelche Anregungen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument E6 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen. Daran ändere auch die Offenbarung des Dokuments D2 nichts, da auch dort keine Integration der Temperaturmesseinrichtung in einem Mikrocontroller offenbart sei. Offensichtlich hätten für den Fachmann Schwierigkeiten bestanden, eine derartige Integration vorzusehen, da im Bereich der Brandmelder spezifische Sensoren verwendet würden, deren Integration in einem Mikrocontroller schwierig sei.
Ausgehend von D2 stünde der Fachmann vor der Aufgabe, den Temperatursensor in den Mikrocontroller zu integrieren. Hierbei lehre das Dokument D2 explizit von einer Integration des Temperatursensors in einer integrierten Schaltung weg. Alles andere sei eine ex-post-facto-Betrachtung. Auch das Dokument E9 sei nicht geeignet, die entsprechende Lücke zu schließen, da E9 nicht das Fachgebiet der Brandmelder betreffe. Insofern würde der Fachmann das Dokument E9 überhaupt nicht heranziehen. Die bloße Tatsache, dass in Dokument E9 nicht ausgeschlossen sei, dass der dort offenbarte Mikrocontroller zusammen mit einem Brandmelder verwendet werden könne, bedeute nicht, dass Dokument E9 darauf hinweise, den Mikrocontroller mit einem Brandmelder zu verwenden. Insofern beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber einer Kombination der Dokumente D2 und E9 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit
1.1 Zulässigkeit der Beschwerde (Regel 99 EPÜ)
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ist folglich zulässig.
1.2 Zulassung des neuen Hauptantrags (Artikel 13 (1) VOBK)
Die Ansprüche 1 bis 7 des neuen Hauptantrags sind mit den Ansprüchen 1 bis 7 des mit Schreiben vom 1. März 2019 formulierten vormaligen Hauptantrags der Beschwerdegegnerin identisch. Es wurden lediglich die Ansprüche 8 bis 14 des vormaligen Hauptantrags gestrichen.
Der zu diskutierende Gegenstand des Hauptantrags ist daher bezüglich der verbliebenen Ansprüche 1 bis 7 völlig identisch mit jenem des vormaligen Hauptantrags, der schon der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag und dessen Nichtzulassung von der Beschwerdeführerin dementsprechend auch nicht begehrt wurde.
Daher übte die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
2. Änderungen (Artikel 123 (3) EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerin hatte schriftlich vorgebracht, dass das nachfolgend wiedergegebene Teilmerkmal des erteilten Anspruchs 1 gestrichen worden sei:
"der Mikrocontroller derart eingerichtet ist, dass bei der Auswertung des Messsignals das Temperaturmesssignal mit berücksichtigt wird"
Aufgrund dieser Streichung sei laut der Beschwerdeführerin der Schutzbereich des Patents erweitert worden, da nunmehr das Temperaturmesssignal alleine als Alarmkriterium herangezogen würde, anstatt wie erteilt gemeinsam mit dem Messsignal.
Die angebliche Streichung hat jedoch, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, nicht stattgefunden. Das strittige Merkmal wurde lediglich in den Oberbegriff des Anspruchs 1 verschoben. Das letztgenannte Merkmal des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in der der Zwischenentscheidung zugrundeliegenden Fassung lautet:
"einem Mikrocontroller (120), welcher der Messeinrichtung (110, 115) nachgeschaltet ist und welcher derart zum Auswerten des Messsignals (270) eingerichtet ist, dass bei der Auswertung des Messsignals (270) das Temperaturmesssignal (280) mit berücksichtigt wird."
Folglich hat die angebliche Streichung nicht stattgefunden.
2.2 Andererseits ist strittig, ob das zusätzliche Merkmal "wobei das Temperaturmesssignal als zusätzlicher Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders verwendet wird" zu einem Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ führt.
Sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 des Patents sind im Anspruch 1 des Hauptantrags noch vorhanden. Das Merkmal des zusätzlichen Gefahrenmeldeeingangs ist dem Anspruch 1 hinzugefügt worden, ohne dass eines der im erteilten Anspruch 1 vorhandenen Merkmale gestrichen worden ist.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags der Brandmelder nunmehr explizit auch ausschließlich aufgrund der Temperatur auslösen könnte, ändert nichts an der Tatsache, dass der Anspruch 1 nach wie vor verlangt, dass der Mikrokontroller derart eingerichtet sein muss, dass bei der Auswertung des Messsignals (möglicherweise basierend auf dem Rauchgasgehalt) das Temperaturmesssignal mit berücksichtigt werden muss, d.h. der Brandmelder muss nunmehr über den erteilten Gegenstand hinaus dazu eingerichtet sein, das Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang zu verwenden.
Eine Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber dem erteilten Anspruch 1 liegt folglich nicht vor.
2.3 Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstößt.
3. Unzureichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Es ist ferner strittig, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 im Sinne des Artikels 83 EPÜ ausreichend offenbart ist.
Hierzu behauptet die Beschwerdeführerin, insofern der Gegenstand des Anspruchs 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen würde, sei dieser unzureichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ. Lediglich falls der Gegenstand als naheliegend angesehen würde, sei er ausreichend offenbart.
Die Kammer vermag dieser Argumentation der Beschwerdeführerin nicht zu folgen. Die Frage, ob eine beanspruchte Erfindung ausreichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ ist, hängt von der Gesamtoffenbarung des Patents ab. Ob die beanspruchte Erfindung zusätzlich die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt, ist hierfür unerheblich.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Differenz gegenüber dem Stand der Technik, welche für den Fachmann ausreichend offenbart sein müsse, wird in der Beschwerdebegründung nicht spezifiziert, sondern nur theoretisch abgehandelt. Die Beschwerdebegründung enthält lediglich umfangreiche Ausführungen dazu, was dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt gewesen sein soll.
Aus der Tatsache, dass nicht alle dem Fachmann bekannten Details einer Erfindung im Patent beschrieben sind, kann jedoch nicht auf eine unzureichende Offenbarung geschlossen werden. Der Fachmann berücksichtigt bei dem Versuch, eine beanspruchte Erfindung auszuführen vielmehr auch sein allgemeines Fachwissen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist daher ungeeignet, eine unzureichende Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPÜ nachzuweisen.
Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ erfüllt.
4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
4.1 Das Dokument E5 betrifft ausweislich des Titels einen Mikrocontroller für eine Batterieladung und Batterieüberwachung. Ein Brandmelder ist in Dokument E5 nicht offenbart.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E5.
4.2 Das Dokument E8 offenbart weder einen Mikrokontroller noch eine in diesen integrierte Temperaturmesseinheit noch die Verwendung des Temperaturmesssignals als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang als Alarmkriterium des Brandmelders. Die in E8 offenbarte integrierte Schaltung ist ausweislich Spalte 6, Zeile 3 ein ASIC, also eine anwendungsspezifische integrierte Schaltung. Die Laut E8 in dem ASIC realisierte Schaltung gemäß Figur 2 enthält lediglich allgemein bekannte Logikbausteine, jedoch keinen Mikroprozessor. Ein Mikrocontroller enthält jedoch stets einen Mikroprozessor. Laut Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 4 sind sämtliche Schaltkreis-Elemente ("circuit elements") mit Ausnahme der Spannungsversorgung in dem ASIC 28 integriert. Wie sich aus Figur 3 unmittelbar ergibt kann damit jedoch nicht die Thermosäule 16 gemeint sein, denn diese ist eindeutig außerhalb des ASIC 28 dargestellt. Dies bedeutet, dass sogar unter der Annahme die in E8 offenbarte Thermosäule 16 mit optionalem Temperatursensor, welche in E8 zur Messung des CO2-Gehalts dient, sei eine Temperaturmesseinrichtung im Sinne des Anspruchs 1, diese jedenfalls nicht in dem ASIC integriert ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ auch neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E8.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
5.1 Mit der Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin eine Vielzahl von unterschiedlichen Argumentationen gegen die erfinderische Tätigkeit des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 eingereicht, der dem Anspruch 1 des gültigen Hauptantrags entspricht. Allerdings basiert keine dieser Argumentationen auf dem allgemein anerkannten Aufgabe-Lösungs-Ansatz zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Die schriftlich vorgebrachten Angriffe der Beschwerdeführerin bezüglich der erfinderischen Tätigkeit finden folglich in dieser Entscheidung keine Beachtung.
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin Angriffe unter Verwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes vorgebracht, die die Kammer gewürdigt hat.
5.2 Dokument E6 und allgemeines Fachwissen oder D2
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ausgehend von der Offenbarung des Dokuments E6 weder in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen noch in Zusammenschau mit der Offenbarung des Dokuments D2 nahegelegt.
Die Kammer schließt sich der Beschwerdeführerin nicht dahingehend an, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich durch die Verwendung des Temperaturmesssignals als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders von der Offenbarung des Dokuments E6 unterscheide.
Dokument E6 offenbart bereits nicht das Merkmal des Oberbegriffs des Anspruchs 1, dass der Brandmelder mit "einem Mikrocontroller" versehen ist, welcher "derart zum Auswerten des Messsignals (270) eingerichtet ist, dass bei der Auswertung des Messsignals (270) das Temperaturmesssignal (280) mit berücksichtigt wird".
Wie bereits oben zur Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments E8 erläutert, sieht die Kammer entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin einen ASIC nicht als äquivalent zu einem Mikrocontroller an. Es mag zwar stimmen, dass ein ASIC ebenso wie ein Mikrocontroller mit einem Mikroprozessor versehen sein kann. Für die meisten ASICs dürfte dies jedoch nicht zutreffen. Die meisten ASICs sind, wie auch jener nach Dokument E6, anwendungsspezifische integrierte Logikschaltungen, die ohne einen Mikroprozessor auskommen. Auch E6 offenbart in dem ASIC gemäß Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung lediglich eine Logikschaltung 2 als Bestandteil des ASIC. Einen Mikrocontroller offenbart E6 daher nicht.
Zwar mag der ASIC nach E6 eine Temperaturmesseinrichtung integriert haben. Mit dieser wird jedoch lediglich das Verhalten der Infrarotdiode IRED temperaturkompensiert. Dies bewirkt, dass das Messverhalten der IRED temperaturunabhängig ist, also keinerlei temperaturbedingte Schwankungen in der von der IRED abgegebenen Strahlung enthalten sein sollen. Daher kann auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Berücksichtigung der gemessenen Temperatur durch die von der Photodiode empfangene Infrarotstrahlung nicht vorliegen. Gemäß E6 wird bei der Auswertung des Messsignals, also der von der Photodiode empfangenen Strahlung, das Temperaturmesssignal überhaupt nicht berücksichtigt.
Da E6 bereits keinen Mikrocontroller offenbart und obendrein Temperaturschwankungen gemäß E6 gerade keine Auswirkung auf die Erfassung von Rauchgas haben sollen, offenbart E6 auch nicht, das Temperaturmesssignal als zusätzlichen Gefahrenmeldeeingang für ein Alarmkriterium des Brandmelders zu verwenden.
Ebenso verbietet sich eine Kombination des Dokuments E6 mit einer technischen Lehre, nach welcher das Temperaturmesssignal entgegen der Lehre von E6 doch für den in Anspruch 1 angegebenen Zweck verwendet wird. Dies wäre ein reines ex-post-facto Argument.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Fachmann weder das von der Beschwerdeführerin behauptete allgemeine Fachwissen, noch die Lehre des Dokuments D2, wonach das Temperaturmesssignal eines externen Temperatursensors als Alarmkriterium verwendet wird, mit der Lehre des Dokuments E6 kombinieren würde.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher ausgehend von Dokument E6 nicht nahegelegt.
5.3 Dokument D2 mit E9.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auch ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D2 in Zusammenschau mit der Offenbarung des Dokuments E9 nicht nahegelegt.
Unstrittig unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments D2 lediglich dadurch, dass "die Temperaturmesseinrichtung (125) in dem Mikrocontroller (120) integriert ist".
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin jedoch nicht dahingehend zu, dass gemäß Absatz [0016] von D2 lediglich festgestellt wird, dass der Temperatursensor nicht in dem Mikrocontroller integriert ist. D2 lehrt explizit, den Temperatursensor nicht in dem Mikrocontroller zu integrieren("all the units except the detectors"). Diese Aussage in D2 deckt sich mit der Tatsache, dass die in Brandmeldern verwendeten Sensoren keine Standard-Sensoren sind und folglich ihre Integration in einen Mikrocontroller den Fachmann vor Schwierigkeiten stellen würde.
Sogar wenn der Fachmann diesen Aspekt der Lehre von D2 ignorieren würde, würde er nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Das Dokument E9 offenbart Mikrocontroller, die zur Berücksichtigung der Systemtemperatur einen Temperatursensor integriert haben. Was die Systemtemperatur sein soll, offenbart E9 nicht. Als Anwendungsgebiete der Mikrocontroller gibt E9 Batterieladegeräte oder einfache Motorsteuerungen an.
Eine Offenbarung, wozu der Temperatursensor nach E9 dient, enthält E9 nicht. Dass der Mikrocontroller die Temperatur der Batterie bzw. des Motors messen soll, erscheint der Kammer nicht plausibel. Am plausibelsten misst der Temperatursensor nach E9 daher die Systemtemperatur des Mikrocontrollers. Daher ist aus E9 auch nicht nahegelegt, den für Brandmelder angepassten Temperatursensor eines Brandmelders nach D2 durch jenen in dem Mikrocontroller gemäß E9 zu ersetzen.
5.4 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass keine der von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumentationen bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 zutrifft.
6. Schlussfolgerung
Die Kammer kann dem Antrag der Beschwerdeführerin folglich nicht stattgeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche des neuen Hauptantrags vom 1. April 2019 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.