European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T231113.20170517 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Mai 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2311/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06100915.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61L 2/18 A01N 31/02 A01N 59/26 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Viruzides Desinfektionsmittel | ||||||||
Name des Anmelders: | B. Braun Medical AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bode Chemie GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag und Hilfsanträge 1-6: erfinderische Tätigkeit (nein) - Verbesserung nicht glaubhaft - umformulierte Aufgabe - naheliegende Lösung Hilfsantrag 7: Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein), Erweiterung des Patentschutzes (nein) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 685 854 in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde, reichten sowohl die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) als auch die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) Beschwerde ein.
II. Anspruch 1 des erteilten Streitpatentes lautet:
"Viruzides Desinfektionsmittel mit Breitbandwirkung umfassend
a) eine oder mehrere saure Phosphorverbindung(en), die ausgewählt ist/ sind aus der Gruppe der Phosphorsäure, Diphosphorsäure, Triphosphorsäure, Polyphosphorsäure der allgemeinen Formel Hn+2PnO3n+1 mit n gleich eine ganze Zahl von 1 bis 17, cyclo-Tri-und Tetrametaphosphorsäure, Polymet-phosphorsäure, Peroxomonophosphorsäure, Peroxodiphosphorsäure, Hypophosphorsäure, Diphosphor(III, IV)-säure, sowie der Salze dieser Säuren, in einer Menge von 0,2 bis 1,5 Gew.-%, bezogen auf das Mittel,
b) als alkoholische Komponente Ethanol und/oder Propan-1-ol und/oder Propan-2-ol, vorzugsweise Mischungen aus Ethanol und Propan-1-ol, in einer Menge von 30 bis 80 Gew.-%, bezogen auf das gesamt Mittel, und
c) einen oder mehrere Polyalkylenglykol(e), der allgemeinen Formel HO-[R-O]n-H, in der R für (CH2)2, CH2CH(CH3), CH2CH(CH2CH3), und/oder für (CH2)4 und n für Werte von 2 bis 200 steht, enthält."
III. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang von der Beschwerdeführerin II wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ) angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurden unter anderem die folgenden Druckschriften herangezogen:
(2) US-A-2004 146 479,
(8) Deutsche Übersetzung von JP-A-2004 189 613 und
(18a) WO-A-2005/051342.
IV. Der angefochtenen Entscheidung lagen als Hauptantrag die erteilten Ansprüche und zwei Hilfsanträge zugrunde. Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass die Erfindung ausführbar sei und Anspruch 1 des Streitpatentes die Priorität der europäischen Anmeldung EP05100562 vom 28. Januar 2005 wirksam in Anspruch nehme. Der Gegenstand des Hauptantrages und des ersten Hilfsantrages sei neu gegenüber u.a. der Druckschrift (18a), jedoch gegenüber den Druckschriften (2) und (8) nicht erfinderisch. Der Gegenstand des zweiten Hilfsantrages erfülle die Erfordernisse der Artikel 84, 123(2) und (3) EPÜ und sei ausgehend von der Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik erfinderisch.
V. Der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages unterschied sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages dadurch, dass die Komponente a) als Phosphorsäure und ein oder mehrere saure Alkalimetallsalze der Phosphorsäure in einer Menge von 0,2 bis 1,5 Gew.-%, bezogen auf das Mittel, definiert worden ist.
VI. Mit der Beschwerdebegründung vom 27. Januar 2014 reichte die Beschwerdeführerin I Hilfsanträge 1 bis 9 und mit Schreiben vom 28. April 2017 Hilfsanträge 10 und 11 ein.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrages.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages nur dadurch, dass der oder die Polyalkylenglykol(e) der Komponente c) in einer Menge von 0,5 bis 8 Gew.-% vorliegt.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 nur dadurch, dass die mittlere relative Molmasse des/der Polyalkylenglykols/Polyalkylenglykole 400 bis 100000 beträgt.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages nur dadurch, dass Ethanol und Propan-1-ol als alkoholische Komponente b) eingesetzt werden.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 5 ist eine Kombination des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 2 und 4.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 6 ist eine Kombination des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 3 und 4.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages nur dadurch, dass die sauren Phosphorverbindungen a) durch die Maßgabe, dass die sauren Phosphorverbindungen Phosphorsäure und ein oder mehrere Alkalimetallsalze der Phosphorsäure umfasst, weiter spezifiziert worden sind.
Da das Patent auf Grundlage des Hilfsantrages 7 aufrechterhalten wird (siehe unten), sind die Gegenstände der Hilfsanträge 8 bis 11 für die vorliegende Entscheidung irrelevant.
VII. Die Beschwerdeführerin I trug vor, dass der Gegenstand aller Anträge erfinderisch sei und argumentierte, dass die Druckschrift (2) nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könne, sondern die Druckschrift (8), da diese für den erfindungsgemäß angestrebten Zweck am geeignetsten sei. Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei, ein Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, das neben einer bakteriziden und fungiziden Wirksamkeit vor allem eine verbesserte und umfassende Wirksamkeit gegen Viren, sowohl behüllte als auch unbehüllte, aufweise und zudem im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich sei. Zum Beleg für die erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe stellte die Beschwerdeführerin I auf die (Vergleichs)beispiele und Absätze [0034] und [0100] der Streitpatentschrift ab, sowie auf den mit ihrem Schreiben vom 16. Januar 2017 eingereichten Prüfbericht. Der Fachmann hätte keine Veranlassung gehabt, die Polyalkylenglykole aus bestimmten Beispielen der Druckschrift (2) herauszupicken, um die erfindungsgemäße Aufgabe zu lösen, geschweige denn in Kombination mit Alkalimetallsalzen der Phosphorsäure, die im zitierten Stand der Technik gar nicht erwähnt würden. Insbesondere hätte er nicht die Lehre des Beispiels 9 der Druckschrift (2) herangezogen, da es Povidonjod enthalte, das aufgrund seiner Aggressivität für den Dauergebrauch in Händedesinfektionsmitteln nicht geeignet sei. Darüber hinaus beschreibe die Druckschrift (2) lediglich eine biozide und nicht explizit eine viruzide Wirkung der darin beschriebenen Desinfektionsmittel.
VIII. Die Beschwerdeführerin II trug in ihrer Beschwerdebegründung vor, dass durch die vorgenommenen Änderungen des Anspruchs 1 gemäß aufrechterhaltenem Hilfsantrag 2, sein Gegenstand sowohl gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ als auch des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ stoße. Darüber hinaus sei sein Gegenstand im Hinblick auf die Druckschrift (18a), die zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ gehöre, nicht neu.
Die Beschwerdeführerin II erhob jedoch keine Einwände unter Artikel 54, 83, 84, 123 (2) oder (3) EPÜ gegen die Gegenstände des Hauptantrages und der mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I vom 27. Januar 2014 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9 und bestritt auch nicht, dass die Gegenstände dieser Anträge die Priorität der europäischen Anmeldung EP05100562 vom 28. Januar 2005 in Anspruch nehmen dürften.
Sie trug jedoch vor, dass der Gegenstand aller Anträge ausgehend von der Druckschrift (2) oder (8) als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch sei. Die von der Beschwerdeführerin I vorgelegten Vergleichsversuche seien nicht geeignet, um eine verbesserte viruzide Wirksamkeit bzw. Hautverträglichkeit zu belegen, da sie nicht so angelegt seien, dass die Wirkung überzeugend und allein auf das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal zwischen Erfindung und nächstliegendem Stand der Technik ursächlich zurückgehe. Darüber hinaus würden die Händedesinfektionsmittel gemäß der Druckschrift (8) bereits als gut hautverträglich beschrieben. Die Druckschrift (2) lehre den Einsatz von Polyalkylenglykolen in Phosphorsäure enthaltenden alkoholischen Händedesinfektionsmitteln von denen erwartet werden könne, dass sie eine hinreichende Hautverträglichkeit aufweisen würden, da sie ansonsten für den vorgesehenen Zweck, nämlich zum Einreiben von Händen, völlig ungeeignet wären.
IX. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, wies die Kammer darauf hin, dass die Beschwerdeführerin II keine Einwände unter Artikeln 54, 83, 84, 123 (2) und (3) EPÜ gegen die Gegenstände des Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 9 zu haben scheine. Somit bliebe der einzige verbleibende Streitpunkt die Frage der erfinderischen Tätigkeit und insbesondere, ob die Druckschrift (2) oder (8) den nächstliegenden Stand der Technik darstelle. Die Kammer wies die Parteien darauf hin, dass sie in der mündlichen Verhandlung darauf vorbereitet sein sollten, über den Offenbarungsgehalt des Beispiels 3 der Druckschrift (8), insbesondere über dessen Gehalt an Phosphorsäure, zu diskutieren.
X. Die Beschwerdeführerin I beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, oder, hilfsweise, das Patent auf Grundlage eines mit Schreiben vom 27. Januar 2014 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9 oder mit Schreiben vom 28. April 2017 eingereichten Hilfsanträge 10 und 11 aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdeführerin II beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
XI. Am 17. Mai 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Abwesenheit der Beschwerdeführerin II statt, die nach ordnungsgemäßer Ladung mit Schreiben vom 17. März 2017 ihre Nichtteilnahme an der Verhandlung mitteilte. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Hilfsantrag 6
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Das Streitpatent betrifft ein viruzides Desinfektionsmittel mit Breitbandwirkung umfassend eine oder mehrere saure Phosphorverbindung(en), eine alkoholische Komponente und einen oder mehreren Polyalkylenglykol(e).
2.1.1 Die Druckschrift (8) offenbart ein Händedesinfektionsmittel, welches nicht nur gegen Bakterien und Pilze, sondern auch gegen behüllte und unbehüllte Viren wirksam und deutlich besser hautverträglich ist als Präparate mit einem sehr hohen Anteil an Alkoholen (siehe Seite 2, Zeilen 12 bis 14, Seite 3, Zeilen 29 bis 30 und Seite 6, Zeilen 15 bis 20). Die Zusammensetzung des Beispiels 3 enthält u.a. 6 Liter Ethanol, 1 Liter 1-Propanol und 200 ml 1-molarer Phosphorsäure. Es wurde nie bestritten, dass die Menge an Alkohol in diesem Beispiel einer Menge von 30 bis 80 Gew.-%, bezogen auf das gesamte Mittel, entspricht. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Menge der Phosphorsäure im Beispiel 3 diskutiert und die Beschwerdeführerin I räumte dabei ein, dass 200 ml 1-molarer Phosphorsäure einer Menge von knapp über 0,2 Gew.-%, bezogen auf das gesamte Mittel, entspreche.
2.1.2 Demzufolge betrachtet die Kammer, im Einklang mit der Beschwerdeführerin I, die Druckschrift (8) als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
2.1.3 In ihrer Beschwerdebegründung argumentierte die Beschwerdegegnerin II, dass sowohl die Druckschrift (8) als auch die Druckschrift (2) als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte. Die Druckschrift (2) betrifft zwar Händedesinfektionsmittel, die Phosphorsäure, Ethanol und Polyethylenglykol enthalten, der Begriff "Desinfektionsmittel" sei jedoch so zu definieren (siehe Absatz [0004]), dass er Germizide, Bakterizide bzw. Fungizide umfasse. Weder wird den beschriebenen Desinfektionsmitteln eine viruzide Wirkung zugeschrieben, noch wird über ihre Hautverträglichkeit berichtet. Somit ist die Aufgabenstellung der Druckschrift (8) der Aufgabenstellung des Streitpatentes (siehe Punkt 2.5 unten) näher als die der Druckschrift (2). Darüber hinaus unterscheidet sich das nächstliegende Beispiel der Druckschrift (2), nämlich Beispiel 9, vom Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages 6 durch zwei Merkmale, nämlich durch die Abwesenheit von Propan-1-ol und die niedrigere Menge an Phosphorsäure, während das nächstliegende Beispiel der Druckschrift (8), nämlich Beispiel 3, auch nur durch ein einziges Merkmal unterscheidet, nämlich durch die Abwesenheit eines Polyalkylenglykols. Somit liegt die Offenbarung der Druckschrift (8) dem Gegenstand des Hilfsantrages 6 auch strukturell näher, als die der Druckschrift (2).
2.2 Ausgehend von der Druckschrift (8) liegt dem Streitpatent, gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin I, die Aufgabe zugrunde, ein Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, das neben einer bakteriziden und fungiziden Wirksamkeit vor allem eine verbesserte und umfassende Wirksamkeit gegen Viren, sowohl behüllte als auch unbehüllte, aufweist und zudem im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich ist.
2.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages 6 vor, welches dadurch gekennzeichnet wird, dass es 0,5 bis 8 Gew.-% eines oder mehreren Polyalkylenglykol(e) der allgemeinen Formel HO-[R-O]n-H, in der R für (CH2)2, CH2CH(CH3), CH2CH(CH2CH3), und/oder für (CH2)4 und n für Werte von 2 bis 200 steht, enthält und wobei die mittlere relative Molmasse des/der Polyalkylenglykols/Polyalkylenglykole 400 bis 100000 beträgt.
2.4 Zwischen der Beschwerdeführerin I und der Beschwerdeführerin II ist nun streitig, ob die technische Aufgabe gemäß obigem Punkt 2.2 durch die vorgeschlagene anspruchsgemäße Lösung erfolgreich gelöst wird, d.h. ob die geltend gemachte Verbesserung der Viruzidie glaubhaft ist.
2.4.1 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe hat die Beschwerdeführerin I auf die Beispiele, insbesondere auf die Beispiele 4 and 5, der Streitpatentschrift abgestellt. Das erfindungsgemäße Beispiel (Beispiel 5) sei innerhalb von 1 Minute gegen Polio, Adeno, Vaccinia und Papova wirksam, während das Vergleichsbeispiel (Beispiel 4) unter den gleichen Prüfbedingungen nicht ausreichend gegen Papova und Adeno Viren wirksam sei.
2.4.2 Gemäß ständiger Rechtssprechung der Beschwerdekammern soll bei Vergleichsversuchen der Vergleich mit dem nächsten Stand der Technik so angelegt sein, dass die Wirkung überzeugend und allein auf das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal zwischen beanspruchter Erfindung und nächstem Stand der Technik ursächlich zurückgeführt werden kann. Hierfür kann es auch erforderlich sein, die Vergleichselemente so abzuwandeln, dass sie nur noch in diesem Unterscheidungsmerkmal von der Erfindung abweichen (siehe T 197/86, ABl. EPA 1989, 371).
2.4.3 Im vorliegenden Fall unterscheiden sich jedoch die Zusammensetzungen der Beispiele 4 und 5 nicht nur durch das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung, nämlich durch die Anwesenheit eines Polyalkylenglykols, sondern auch durch die Menge an Propan-1-ol. Insbesondere enthält das erfindungsgemäße Beispiel Propan-1-ol in einer Menge von 21,0g, während das Vergleichsbeispiel Propan-1-ol lediglich in einer Menge von 10,0 g enthält. Somit ist die Gesamtmenge der aktiven alkoholischen Wirkstoffe im erfindungsgemäßen Beispiel höher.
2.4.4 Die Beispiele 4 and 5 sind daher ungeeignet, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit eines Polyalkylenglykols und einer verbesserten viruziden Wirkung zu belegen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verbesserung auf die höhere Menge der monoalkoholischen Komponente zurückzuführen ist, zumal Propan-1-ol ein bekannter viruzider Wirkstoff ist (siehe Absatz [0004] des Streitpatentes).
2.4.5 Die Beschwerdeführerin I wies auch auf Beispiele 1 bis 3 der Streitpatentschrift hin, die zeigten, dass auch Phosphorsäure für die viruzide Wirkung wichtig sei, und somit das Zusammenspiel der drei Komponenten, nämlich Alkohol, Phosphorsäure und Polyalkylenglykol entscheidend sei. Da jedoch Beispiel 3 des nächsten Standes der Technik bereits Phosphorsäure enthält, können diese Beispiele auch keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen anspruchsgemäßer Lösung und behauptetem Effekt belegen.
2.4.6 Daher sind alle von der Beschwerdeführerin I vorgenommenen Vergleiche ungeeignet, eine Verbesserung der Viruzidie des anspruchsgemäßen Desinfektionsmittels gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik glaubhaft zu machen.
2.5 Folglich ist die objektive Aufgabe dahingehend umzuformulieren, dass sie in der Bereitstellung eines weiteren bakteriziden, fungiziden und viruziden Desinfektionsmittels, das im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich ist, besteht.
2.6 Dass die anspruchsgemäßen Desinfektionsmittel im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich sind, ist Absatz [0100] in Kombination mit den Beispielen 5 und 8 der Streitpatentschrift und der mit Schreiben vom 16. Januar 2017 eingereichten Prüfbericht der Beschwerdeführerin I zu entnehmen. Die Aufgabe kann somit als erfolgreich gelöst angesehen werden.
2.7 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Desinfektionsmittels zu lösen.
2.7.1 Die Druckschrift (2) beschreibt alkoholische biozide Zusammensetzungen (siehe [0040]) und lehrt, dass Polyethylenglykole in Händedesinfektionsmitteln verwendet werden können. Insbesondere wird im Beispiel 9 ein Händedesinfektionsmittel enthaltend 0,1 Gew.-% Phosphorsäure 55,23, Gew.-% Ethanol, 6,00 Gew.-% Polyethylenglykol 400 (PEG 400) und 2,00 Gew.-% Polyethylenglykol 4000 (PEG 4000) offenbart. Auch die Zusammensetzungen der Beispiele 2 und 4 enthalten jeweils ein Polyethylenglykol.
2.7.2 Es liegt also für den Fachmann, der ausgehend von der Zusammensetzung des Beispiels 3 der Druckschrift (8) weitere bakterizide, fungizide und viruzide Desinfektionsmittel, die auch hautverträglich sind, anstrebt, nahe, Polyalkylenglykole aus den Zusammensetzungen der Beispiele der Druckschrift (2) auszuwählen, und zwar welche in der R für (CH2)2 steht, in einer Menge von 8 Gew.-% und mit einer mittleren relativen Molmasse von 400 bzw. 4000. Nachdem kein unerwarteter technischer Effekt für die beanspruchte Kombination von Ethanol, Propan-1-ol, Phosphorsäure und Polyalkylenglykol gegenüber der in der nächstliegenden Druckschrift (8) offenbarten Zusammensetzung enthaltend Ethanol, Propan-1-ol und Phosphorsäure gezeigt worden ist, ist die Auswahl des Polyalkylenglykols weder zielgerichtet noch kritisch, sondern rein willkürlich. Folglich führt die Druckschrift (2) den Fachmann zwanglos zur beanspruchten Zubereitung, ohne dass er erfinderische Anstrengungen unternehmen müsste, um die objektive Aufgabe zu lösen.
2.8 Aus den folgenden Gründen kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin I zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit die Kammer nicht überzeugen.
2.8.1 So wandte die Beschwerdeführerin I ein, dass der Fachmann das Beispiel 9 der Druckschrift (2) nicht herangezogen hätte, um die patentgemäße Aufgabe zu lösen, da die Zusammensetzung dieses Beispiels Povidonjod enthalte, ein Mittel das aufgrund von allergischen Reaktionen, Juckreiz und Bläschenbildung für den Dauergebrauch in Händedesinfektionsmitteln nicht geeignet sei. Darüber hinaus komme in diesem Beispiel Phosphorsäure lediglich in einer Menge von 0,1 Gew.-% vor und der Fachmann hätte keinen Anlass gehabt, aus genau diesem Beispiel Polyethylenglykol herauszupicken.
Wenn jedoch der Fachmann vor die Aufgabe gestellt ist, ausgehend von Druckschrift (8) ein weiteres bakterizides, fungizides und viruzides Desinfektionsmittel bereitzustellen, würde er routinemäßig jegliche Modifizierung des nächstliegenden Standes der Technik in Betracht ziehen, die Erfolg verspricht. Er braucht daher keine besondere Anregung, um das Polyalkylenglykol aus dem Desinfektionsmittel gemäß Beispiel 9 der Druckschrift (2) in ein anderes Händedesinfektionsmittel einzusetzen und die Beschwerdeführerin I brachte keine Argumente, warum die behauptete Aggressivität des Povidonjods und die geringere Menge an Phosphorsäure in der Zusammensetzung des Beispiels 9 der Druckschrift (2) den Fachmann davon abhalten würde. Der Fachmann würde sich sogar am meisten für das Beispiel 9 der Druckschrift (2) interessieren, da wie mehrmals im schriftlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin I selbst behauptet, die viruzide Wirksamkeit von Povidonjod bereits seit längerer Zeit bekannt gewesen sei. Dieses Beispiel wird auch als "Hand Rub", also zum Einreiben der Hände bezeichnet und muss daher eine hinreichende Hautverträglichkeit aufweisen.
2.8.2 Die Beschwerdeführerin I brachte außerdem vor, dass der Fachmann mehrere Auswahlschritte hätte ausführen müssen, um zu den bestimmten Polyalkylenglykolen in der bestimmten Menge des Anspruchs 1 des Hilfsantrages 6 zu gelangen.
Beispiel 9 der Druckschrift (2) offenbart jedoch bereits Zusammensetzungen enthaltend Polyethylenglykole in einer Menge von 8 Gew.-%, die vom beanspruchten Bereich von 0,5 bis 8 Gew.-% umfasst ist, und die eine mittlere relative Molmasse von 400 bzw. 4000 haben, die innerhalb des beanspruchten Bereichs von 400 bis 10000 fallen. Daher kann dieses Argument der Beschwerdeführerin I nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.
2.8.3 Die Beschwerdeführerin I argumentierte weiter, dass gegenüber der Druckschrift (8) die Erfindung Desinfektionsmittel mit einem höheren Alkoholgehalt ermögliche, die dennoch eine gute Hautverträglichkeit aufweisen würden.
Da jedoch alle Beispiele der Streitpatentschrift ungeeignet sind, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit eines Polyalkylenglykols und irgendeiner Wirkung zu belegen (siehe Punkt 2.4 oben), kann diese Argumentation der Beschwerdeführerin I nicht überzeugen.
2.9 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass die Druckschrift (8) in Kombination mit der Druckschrift (2) dem Fachmann konkrete Anregungen gibt, die unter Punkt 2.5 festgelegte patentgemäße Aufgabe durch die Anwendung eines Polyalkylenglykols mit einer mittleren relativen Molmasse von 400 bis 10000 und in einer Menge von 0,5 bis 8 Gew.-% zu lösen, wodurch er zum anspruchsgemäßen Desinfektionsmittel gelangt.
2.10 Der Hilfsantrag 6 ist folglich wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPü nicht gewährbar.
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 5
3. Nachdem der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 5 breitere Ausgestaltungen des Streitpatentes betreffen, welche die Ausführungsform des Hilfsantrages 6 mit umfassen, hat die mangelnde erfinderische Tätigkeit der Ausführungsform des Hilfsantrages 6 zur Folge, dass die Gegenstände der vorangehenden Anträge, die diese naheliegende Ausführungsform einschließen, ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
3.1 Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 5 teilen daher das Schicksal des Hilfsantrages 6, indem sie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ ebenfalls nicht gewährbar sind.
Hilfsantrag 7
4. Der Gegenstand des Hilfsantrages 7 ist im Wesentlichen der gleiche wie der Gegenstand des vor der ersten Instanz aufrechterhaltenen Hilfsantrages 2. Die vorgenommenen Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 gegenüber dem vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrag machen die Einwände der Beschwerdeführerin II unter Artikeln 84, 123 (2) und (3) EPÜ gegenstandslos.
Änderungen
5. Artikel 84 und 123 (2) EPÜ
5.1 Das in den erteilten Anspruch 1 eingeführte Merkmal, dass die sauren Phosphorverbindungen Phosphorsäure und ein oder mehrere Alkalimetallsalze der Phosphorsäure umfasst, findet seine Stütze im Anspruch 2 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Ansprüche 2 bis 25 basieren auf den erteilten Ansprüchen 3 bis 11 bzw. 13 bis 27. Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
5.2 Die Einwände der Beschwerdeführerin II unter Artikeln 84 und 123 (2) EPÜ gegen den Anspruch 1 des aufrechterhaltenem Hilfsantrages bezogen sich darauf, dass der Begriff "saure" direkt vor dem Merkmal "Alkalimetallsalze der Phosphorsäure" (siehe Punkt V oben) eingeführt worden war. Im Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrages 7 ist der Begriff "saure" jedoch nicht mehr direkt vor dem Merkmal "Alkalimetallsalze der Phosphorsäure" eingesetzt, sondern wie im erteilten Anspruch 1, lediglich vor dem Merkmal "Phosphorverbindungen". Somit gelten die Einwände der Beschwerdeführerin II unter Artikeln 84 und 123 (2) EPÜ für den Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrages 7 nicht.
6. Artikel 123 (3) EPÜ
6.1 Anspruch 1 wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 dahingehend geändert, dass die erteilte Definition der Komponente a), nämlich eine oder mehrere saure Phosphorverbindung(en), die ausgewählt ist/ sind aus der Gruppe der Phosphorsäure, Diphosphorsäure, Triphosphorsäure, Polyphosphorsäure der allgemeinen Formel Hn+2PnO3n+1 mit n gleich eine ganze Zahl von 1 bis 17, cyclo-Tri-und Tetrametaphosphorsäure, Polymet-phosphorsäure, Peroxomonophosphorsäure, Peroxodiphosphorsäure, Hypophosphorsäure, Diphosphor(III, IV)-säure, sowie der Salze dieser Säuren, in einer Menge von 0,2 bis 1,5 Gew.-%, bezogen auf das Mittel, durch die Maßgabe, dass die sauren Phosphorverbindungen Phosphorsäure und ein oder mehrere Alkalimetallsalze der Phosphorsäure umfasst, und die Phosphorsäure und die ein oder mehreren Alkalimetallsalze der Phosphorsäure in einer Menge von 0,2 bis 1,5 Gew.-%, bezogen auf das Mittel, vorliegen, eingeschränkt wurde.
6.2 In Bezug auf den Anspruch 1 des aufrechterhaltenen Hilfsantrages verwies die Beschwerdeführerin II u.a. auf die Entscheidung T 2017/07 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA). In diesem Fall wurde bei einem "offenen" Anspruchswortlaut und einer mengenmäßig gleichbleibenden Zusammensetzung eine allgemeine Definition einer Substanzklasse durch eine spezifische Komponente ersetzt. Die Kammer war dabei der Meinung, dass die Anwesenheit weiterer Vertreter der Substanzklasse auch über den angegebenen Maximalgehalt hinaus nicht mehr ausgeschlossen und demnach das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ verletzt sei.
6.3 Im vorliegenden Fall kann jetzt durch die Einführung einer doppelten Bedingung für die Komponente a) in den Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 die Gesamtmenge aller Phosphorverbindungen nicht mehr die in Merkmal a) angegebene Gewichtsbeschränkung überschreiten. Diese doppelte Bedingung stellt auf ähnlicher Weise wie in der Entscheidung T 1360/11 (siehe Punkt 3 der Entscheidungsgründe, nicht veröffentlicht im ABl. EPA) sicher, dass der Schutzbereich nicht erweitert wird.
6.4 Daher beschränkt die Abänderung des erteilten Anspruchs 1 den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Hilfsantrages 7 im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.
7. Neuheit
7.1 Die Beschwerdeführerin II argumentierte in ihrer Beschwerdebegründung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des aufrechterhaltenen Hilfsantrages im Hinblick auf die Druckschrift (18a) nicht neu sei. Es wird nicht bestritten, dass die Druckschrift (18a) zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ gehört.
7.2 Die Druckschrift (18a) offenbart viruzide Händedesinfektionsmittel (siehe Seite 7, Zeilen 13 bis 17 und 22) enthaltend ein Lösungsmittel in einer Menge von 5 bis 50 Gew.-% (Seite 12, Zeilen 16 bis 17), wobei es sich hierbei um Alkohole wie z.B. Ethanol, 1-Propanol oder Polyalkylenglykole wie Tripropylenglykol, und Mischungen hiervon handeln kann (siehe Seite 13, Zeilen 13 bis 22), und ein Mittel zur Einstellung des pH-Wertes in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-% (siehe Seite 13, Zeile 29 bis Seite 14, Zeile 1), wobei u.a. Phosphorsäure, Natrium- und Kaliumphosphate, einschließlich Hydrogen- und Dihydrogenphosphate, als hierfür geeignete Mittel genannt werden (siehe Seite 14, Zeilen 16 bis 18 und 28).
7.3 Um zu der Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrages 7 zu gelangen, muss in der Druckschrift (18a) aus der Liste der möglichen Alkohole sowohl Ethanol und/oder Propan-1-ol als auch ein Polyalkylenglykol, und aus der Liste der Mittel zur Einstellung des pH-Werts Phosphorsäure und ein Salz davon, ausgewählt werden. Darüber hinaus muss auch eine Auswahl hinsichtlich der Menge sowohl des Monoalkohols als auch der Phosphorverbindung getroffen werden.
7.4 Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass sich ein Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 nicht unmittelbar und eindeutig aus der Druckschrift (18a) ableiten lässt. Daher steht die Druckschrift (18a) dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich entgegen.
8. Erfinderische Tätigkeit
8.1 Die Druckschrift (8) wird auch für diesen Antrag als nächstliegender Stand der Technik angesehen, da ihre Aufgabenstellung der Aufgabenstellung des Streitpatentes näher als die der Druckschrift (2) bei ähnlicher struktureller Nähe liegt.
8.2 Ausgehend von der Druckschrift (8) liegt dem Gegenstand des Hilfsantrages 7, gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin I, die gleiche Aufgabe (siehe Punkt 2.2 oben) wie dem Gegenstand der vorangehenden Anträge zugrunde.
8.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 vor, welches dadurch gekennzeichnet wird, dass die sauren Phosphorverbindungen Phosphorsäure und ein oder mehrere Alkalimetallsalze der Phosphorsäure umfasst.
8.4 Ob die Aufgabe der verbesserten viruziden Wirkung erfolgreich gelöst worden ist kann dahinstehen, da auch wenn die Aufgabe als lediglich die Bereitstellung eines weiteren bakteriziden, fungiziden und viruziden Desinfektionsmittels, das im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich ist, angesehen wird, ist die vorgeschlagene Lösung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages 7 erfinderisch.
Dass Zusammensetzungen enthaltend Polyalkylenglykol und Alkalimetallsalze der Phosphorsäure eine viruzide Breitbandwirkung haben und im Dauergebrauch bei Kontakt mit menschlicher Haut gut verträglich sind, entnimmt man den Absätzen [0034] und [0100] in Kombination mit den Beispielen 6 und 7 der Streitpatentschrift. Somit hat die Kammer keine Zweifel daran, dass die weniger ambitionierte Aufgabe durch das beanspruchte Desinfektionsmittel erfolgreich gelöst worden ist.
8.5 Keine der zitierten Druckschriften, die für die erfinderische Tätigkeit herangezogen werden können beschreibt Desinfektionsmittel enthaltend Alkalimetallsalze der Phosphorsäure. Der Fachmann hatte daher keine Veranlassung ein solches Salz der Zusammensetzung gemäß der Druckschrift (8) hinzuzufügen, geschweige denn in Kombination mit einem Polyalkylenglykol, um ein Desinfektionsmittel mit sowohl viruzider Breitbandwirkung als auch guter Hautverträglichkeit bei verlängerter Einwirkzeit zu erhalten.
8.6 Die Beschwerdeführerin II brachte keine Argumente vor, warum der Fachmann überhaupt Alkalimetallsalze der Phosphorsäure in eine Zusammensetzung gemäß der Druckschrift (8) hinzugefügt hätte, geschweige denn in Kombination mit einem Polyalkylenglykol. Vor der ersten Instanz wandte sie jedoch ein, dass Phosphationen abhängig vom pH-Wert in jeder Phosphorsäurelösung vorhanden seien.
Wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung (siehe Punkt 4.5.1.4) festgestellt wurde, heißt dies jedoch nicht, dass zwingend Alkalimetallsalze anwesend sind.
8.7 Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann durch keine der angezogenen Druckschriften, weder einzeln noch in Kombination, nahegelegt wird und damit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ beruht.
8.8 Die unabhängigen Anspruch 15, 21 und 24 betreffen jeweils die Verwendung eines Desinfektionsmittels gemäß Anspruch 1, ein Desinfektionsverfahren umfassend das Applizieren eines Desinfektionsmittels gemäß Anspruch 1, und ein Erzeugnis enthaltend ein Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1, und werden von der Patentfähigkeit des Anspruchs 1 getragen, ebenso wie die abhängigen Ansprüche 2 bis 14, 16 bis 20, 22 und 25.
8.9 Das Patent kann deshalb auf Grundlage des Hilfsantrages 7 aufrechterhalten werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1-25 des 7. Hilfsantrages wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 27. Januar 2014 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.