T 2067/13 (Hinterohr-Hörgerät/SONOVA) of 19.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T206713.20180619
Datum der Entscheidung: 19 Juni 2018
Aktenzeichen: T 2067/13
Anmeldenummer: 99924637.4
IPC-Klasse: H04R 25/02
H04R 1/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hinterohr-Hörgerät
Name des Anmelders: Sonova AG
Name des Einsprechenden: Sivantos Pte. Ltd.
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. Juli 2013 über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 183 907 in geändertem Umfang auf der Grundlage eines während der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2013 eingereichten Hilfsantrags legte die Einsprechende Beschwerde ein. Sie beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, u.a. wegen mangelnder erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber Dokument D2 (siehe unten) unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens (Beschwerdebegründung, Punkt 3.2).

II. In ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patent in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag vom 4. Juli 2013, d.h. die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen, und hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

III. Die Einsprechende nahm mit einem weiteren Schreiben vom 13. August 2014 zur Erwiderung der Patentinhaberin Stellung.

IV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vom 4. Juli 2013 lautet wie folgt:

"Hinterohr-Hörgerät mit einem hakenförmig gebogenen Gerätekörper, im wesentlichen entlang einer ebenso gebogenen Gerätelängsachse (A), worin ein akustisch/elektrische Wandler (17), ein elektrisch/akustische Wandler (15) und eine Elektronikeinheit (27) eingebaut sind, wobei der elektrisch/akustische Wandler (15) mindestens einen in einem Lautsprechergehäuse (53) eingebauten Lautsprecher mit Membran (54) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der elektrisch/akustische Wandler (15) eine Kapselung (59) umfasst und als Baueinheit ausgeführt ist, und das Lautsprechergehäuse (53) federnd in der Kapselung (59) gelagert ist, welche mit dem Lautsprechergehäuse (53) einen Zwischenraum (U53) definiert, wobei ein erster Raum im Lautsprechergehäuse (53) auf der einen Seite der Membran (54) mit dem akustischen Ausgang (5) des Hörgerätes gekoppelt ist, und ein zweiter Raum im Gehäuse (53) auf der anderen Seite der Membran (54) mit dem Zwischenraum (U53) gekoppelt ist."

V. Die folgenden Dokumente, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wurde, sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1: US 4 620 605 A; und

D2: US 3 257 516 A.

VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm die Kammer zum Sachverhalt vorläufig Stellung und erörterte unter anderem die erfinderische Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs 1 des Antrags.

Die Kammer machte darin folgende Vorbemerkungen zum Gegenstand des Anspruchs 1 (siehe Mitteilung, Punkt 4):

"Das beanspruchte Hörgerät weist eine Kapselung auf, in der federnd ein Lautsprechergehäuse gelagert ist, wobei zwischen den beiden ein Zwischenraum definiert ist. Im Lautsprechergehäuse ist eine Membran eines Lautsprechers angeordnet. Ein erster Raum auf einer Seite der Membran (Vorderseite) ist mit dem akustischen Ausgang des Hörgeräts gekoppelt, ein zweiter Raum auf der anderen Seite der Membran (Rückseite) ist mit dem Zwischenraum zwischen dem Lautsprechergehäuse und der Kapselung gekoppelt.

Das Patent nennt als Vorteile der Kopplung zwischen dem membranrückseitigen Raum und dem vorgenannten Zwischenraum, dass der akustisch wirksame membranrückseitige Raum um ein Mehrfaches vergrößert wird (Absätze [0004] und [0029]). Als Beispiel für eine solche Kopplung nennt das Patent Kopplungsöffnungen (Absatz [0028]), jedoch ohne nähere Angabe zu deren Größe. Um ihren Zweck der akustischen Kopplung zu erfüllen, dürfen sie nach vorläufiger Ansicht der Kammer allerdings nicht zu klein sein, um den Durchtritt von Schall nicht zu stark zu behindern. Nach oben scheint es keine akustischen Gründe für eine Begrenzung der Größe der Öffnungen zu geben."

Bezüglich der Frage nach einer erfinderischen Tätigkeit äußerte die Kammer die folgende vorläufige Einschätzung (Mitteilung, Punkt 5):

"D2 offenbart als drittes Ausführungsbeispiel (siehe Figuren 22 bis 24, Spalte 10, Zeile 68 bis Spalte 11, Zeile 71), unter Verwendung der Sprache des Patents, einen elektrisch/akustischen Wandler ("transducer cartridge", Spalte 11, Zeilen 15 bis 17) mit einer Kapselung ("magnetic case 334", Spalte 11, Zeilen 38 bis 42), in der ein Lautsprecher ("transducer", Spalte 11, Zeilen 18 und 19) mit einer von einem Motor angetriebenen Membran ("diaphragm 308", Spalte 11, Zeilen 19 bis 22 ) angeordnet ist, wobei der Lautsprecher federnd in der Kapselung gelagert ist (Spalte 11, Zeilen 37 bis 41). Der Wandler umfasst einen Deckel ("lid 300 ", Spalte 11, Zeilen 18 bis 22), der mit der Membran einen ersten Raum definiert (Fig. 24), der mit einem akustischen Ausgang gekoppelt ist ("central port 302", Fig. 24). An dem Deckel ist mittels einer Platte ("plate 306") ein Joch ("yoke 310") befestigt, an dem der Motor zum Antrieb der Membran befestigt ist (Spalte 11, Zeilen 19 bis 27). Ein zweiter Raum auf der anderen Seite der Membran ist mit dem Zwischenraum zwischen dem Lautsprecher und der Kapselung gekoppelt (Fig. 22, Spalte 11, Zeilen 41 bis 45, "The case itself has a volume and hence the available space for a back cavity is slightly less than that shown in the second embodiment of this invention because the walls of the hearing aid cavity do not participate in the acoustic function"). Der Wandler ist auch als Baueinheit ausgeführt (Spalte 11, Zeilen 13 und 14, "This enables the transducer manufacturer to sell a sealed transducer which he can garantee"). Als Einsatzgebiet des Wandlers nennt die D2 unter anderem Hörgeräte (Spalte 1, Zeilen 16 bis 19).

In Bezug auf die Frage, ob der Lautsprecher in diesem Ausführungsbeispiel ein einen membranrückseitigen Raum umschließendes Gehäuse umfasst, argumentiert die Einsprechende, dass dieses vom Joch 310 und dem Deckel 300 gebildet wird.

Die Patentinhaberin macht in dieser Frage hingegen geltend, dass der Fachmann unter dem zweiten Raum das rückseitige Volumen ("back cavity") eines Lautsprechers versteht und dass dieses in diesem Ausführungsbeispiel fehlt und verweist auf eine Textstelle auf Spalte 11, Zeilen 29 bis 33: "This electroacoustic transducer is complete insofar as it possesses a front cavity 332, but as can be seen in FIGURE 22, there is no back cavity because the working components of the motor are completely exposed".

In Bezug auf das Argument der Patentinhaberin verweist die Kammer auf die hier weiter oben wiedergegebene Textstelle auf Seite 11, Spalten 41 bis 45 ("The case itself ..."), aus der hervorgeht, dass ein rückseitiges Volumen vorhanden ist und es vom Volumen der Kapselung ("case 334") gebildet wird.

Das Streitpatent scheint keine weiteren Angaben zum Lautsprechergehäuse zu machen außer dass es den Durchtritt von Schall insbesondere mit Hilfe von Kopplungsöffnungen ermöglicht.

Die Kammer merkt an, dass der Begriff Gehäuse sehr allgemein ist und auch Hüllen mit Öffnungen umfasst. Der Punkt, ab dem Öffnungen in einem Gehäuse so groß sind, dass man nicht mehr von einem Gehäuse sprechen kann, erscheint der Kammer von der jeweiligen Anwendung des Gehäuses abhängig zu sein. Da in diesem Fall gerade eine akustische Verbindung zwischen dem Raum hinter der Membran und dem Zwischenraum zwischen Lautsprechergehäuse und Kapselung gewünscht ist und diese akustische Verbindung mit zunehmender Größe der Öffnungen besser wird, scheint es keinen akustischen Grund zu geben, die Größe der Öffnungen nach oben zu beschränken. Das Streitpatent scheint auch keine Funktionen des Lautsprechergehäuses oder des membranrückseitigen Volumens innerhalb des Lautsprechergehäuseszu offenbaren, die bei zu großen Öffnungen und insbesondere Öffnungen wie im oben beschriebenen Ausführungsbeispiel der D2 nicht mehr erfüllt werden könnten und Anlass geben könnten, die Größe der Öffnungen nach oben zu beschränken.

Die Kammer neigt daher zur vorläufigen Ansicht, dass das Joch 310 und der Deckel 300 zusammen ein Gehäuse bilden.

In Bezug auf das Merkmal des Anspruchs 1, dass es sich um ein Hinterohrhörgerät handelt, verweist die Kammer auf D1 (Zusammenfassung) und darauf, dass solche Hörgeräte zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents dem Fachmann allgemein bekannt waren. Es ist kein Vorurteil ersichtlich, warum der Transducer von D2 nicht auch in einem Hinterohrhörgerät wie D1 zum Einsatz kommen sollte."

VII. Mit Schreiben vom 7. Mai 2018 teilte die Patentinhaberin mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Zu der Mitteilung der Kammer nahm sie inhaltlich keine Stellung.

VIII. Am 19. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Abwesenheit der Patentinhaberin statt.

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hatte schriftlich die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK bereits detailliert die vorläufige Ansicht geäußert (s. oben, Punkt VI), dass die Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 mit der Ausnahme, dass es sich um ein Hinterohrhörgerät handelt, aus D2 bekannt waren, dass, unter Verweis auf D1, Hinterohrhörgeräte allgemein bekannt waren, und dass kein Vorurteil ersichtlich war, den aus D2 bekannten Transducer nicht auch in einem Hinterohrhörgerät wie in D1 zu verwenden.

Diese Einschätzung ist von der Patentinhaberin unwidersprochen geblieben.

2. Nach einer erneuten Überprüfung dieses in ihrer vorgenannten Mitteilung erhobenen Einwands, sieht die Kammer keinen Anlass, ihre Meinung zu ändern. Sie kommt demzufolge zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 für den von D2 ausgehenden Fachmann unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens naheliegend war (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

3. Da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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