European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T205613.20180222 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Februar 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2056/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05799748.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01H 4/02 D01H 1/115 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | LUFTDÜSENSPINNMASCHINE | ||||||||
Name des Anmelders: | MASCHINENFABRIK RIETER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Saurer Germany GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Stand der Technik Neuheit - Vorveröffentlichung Neuheit - Handbuch Neuheit - Geheimhaltungsverpflichtung (nein) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag (nein) Mündliche Verhandlung - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 1 802 792 widerrufen wurde.
II. Begründet hat die Einspruchsabteilung den Widerruf des Patents damit, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Patents sowie der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu gegenüber dem aus
E1: No. 851, Murata Vortex Spinner, Instruction Manual, datiert Oktober 1998, Deckblatt sowie Seiten B1-1, B1-4, B1-6, B1-12, B1-13, B1-16, B1-30, B1-31, D1-11 und G-35
bekannten Stand der Technik sei.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags. Mit seiner Beschwerdebegründung reichte sie die Seite A der E1 mit einem Copyright-Vermerk ein.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte im schriftlichen Verfahren die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) wurde ihnen die vorläufige Auffassung der Kammer zur Sache mitgeteilt, wonach E1 zum Stand der Technik gehöre und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- sowie des Hilfsantrags nicht neu zu sein scheine.
VI. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Mit Schreiben vom 7. Februar 2018 teilte auch die Beschwerdegegnerin mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 22. Februar 2018 in Abwesenheit der Parteien statt.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (wie erteilt) hat folgenden Wortlaut:
"1. Luftdüsenspinnmaschine zum Herstellen gesponnener Fäden (3) aus Stapelfaserverbänden (4), mit einer Vielzahl von Spinnstellen (1, 2...), denen jeweils Druckluftdüsen (9) zum Erzeugen eines Spinndralles zugeordnet sind, sowie mit einem diesen Spinnstellen (1,2 ...) vorgeschalteten, einen Drucksensor (12) und ein Regelgerät (13) enthaltenden gemeinsamen Druckluftregler zum Anpassen des statischen Druckes (ps), dadurch gekennzeichnet, dass der Druckluftregler (12,13) auf einen Referenzdruck (pR) einstellbar ist, der dem ungeregelten statischen Druck (pU) entspricht, wenn alle Spinnstellen (1,2 ...) in Betrieb sind, und dass der Druckluftregler (12,13) bei einer Veränderung des statischen Druckes (ps) den Referenzdruck (pR) einregeln, kann."
IX. In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde, verglichen mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt:
"der gewählte Referenzdruck (pR) kleiner ist als der ungeregelte statische Druck (pU), wenn alle Spinnstellen (1,2 ...) in Betrieb sind".
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Stand der Technik
Der Copyright-Vermerk im Handbuch zeige, dass das gesamte Handbuch einer expliziten Geheimhaltungsverpflichtung unterliege, die auch das Verbot umfasse, das Handbuch bzw. Teile daraus Dritten ohne ausdrückliche Genehmigung der Firma Murata zugänglich zu machen. Die E1 gehöre daher nicht zum Stand der Technik gemäß Art. 54 (2) EPÜ.
Es wurde nicht bestritten, dass die Merkmale des Anspruchs 1 in E1 offenbart sind.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 sei neu. Anspruch 1 beanspruche nicht generell, die Einstellbarkeit des Drucks oder die Eignung des Druckluftreglers einen bestimmten Referenzdruck einzustellen. Anspruch 1 fordere, dass der Referenzdruck so gewählt wird, dass er kleiner als der ungeregelte statische Druck sei.
E1 enthalte hingegen keine Angaben darüber, dass ein solcher Referenzdruck tatsächlich eingestellt wird. Der Fachmann würde einen möglichst hohen Referenzdruck wählen, um den Luftvolumenstrom innerhalb der Spinndüsen und damit auch die Liefergeschwindigkeit bzw. die Produktivität der Luftdüsenspinnmaschine zu maximieren. Das Merkmal, dass der Referenzdruck so zu wählen ist, dass er kleiner als der ungeregelte statische Druck ist, wenn alle Spinnstellen in Betrieb sind, sei somit nicht offenbart. Die Tabelle unter 4-2-1 auf Seite D1-11 der E1 enthalte auch keinen Hinweis, dass der am "Regulator 1" einzustellende Referenzdruck der Spinnstellen kleiner zu wählen sei als der Druck, der vorherrscht, wenn alle Spinnstellen in Betrieb sind. Die Tabelle liefere lediglich Grenzwerte für die Notabschaltung, die bei einem bestimmten Referenzwert zu wählen sind.
XI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Stand der Technik
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Textstelle der E1 sei nichts anderes als der in jedem Buch übliche Urheberrechtshinweis. Er stelle keine Geheimhaltungsverpflichtung der Information an sich dar, sondern beziehe sich auf das Verbot der Vervielfältigung und Übermittlung des Dokumentes oder Teilen davon. Im vorletzten Absatz vor dem Copyright-Vermerk sei auch ein Verkauf der Maschine und eine Weitergabe des Handbuchs ausdrücklich vorgesehen.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Das hinzugefügte Merkmal beschreibt die Einstellung eines bestimmten Wertes ("kleiner als") am Druckluftregler, was lediglich eine bestimmte Verwendung der bekannten Vorrichtung sei. Da es sich bei dem Anspruch um einen Vorrichtungsanspruch handle, sei die Angabe eines bestimmten Verwendungszwecks dahingehend zu interpretieren, dass die Vorrichtung lediglich für den angegebenen Zweck geeignet sei. Diese Eignung zur Regelung sei durch das vorhandene Handrad gegeben.
E1 offenbare zudem einen Referenzdruck kleiner als der ungeregelte statische Druck.
Entscheidungsgründe
1. Stand der Technik
1.1 Das Handbuch E1 betrifft eine Bedienungsanleitung für eine Luftdüsenspinnmaschine der Firma Murata aus dem Jahr 1998, d.h. vor dem Prioritätstag vom 21. Oktober 2004. Dieses Handbuch weist im Einleitungsteil auf Seite A einen Copyright-Vermerk auf.
Dem Argument, wonach der Copyright-Vermerk darauf hindeute, dass das gesamte Handbuch einer Geheimhaltungsverpflichtung unterliege, die auch das Verbot umfasse, das Handbuch bzw. Teile daraus Dritten ohne ausdrückliche Genehmigung der Firma Murata zugänglich zu machen, kann die Kammer nicht beipflichten.
Denn Copyright-Vermerke implizieren grundsätzlich keine Geheimhaltungsverpflichtung, sondern beziehen sich auf das Verbot der Vervielfältigung und der Verbreitung unrechtmäßig hergestellter Exemplare des Werks oder von Auszügen desselben. Dass mit dem Vermerk keine Verpflichtung zur Geheimhaltung verbunden ist, ergibt sich im Übrigen auch aus dem vorletzten Absatz der Seite A der E1, wo die Möglichkeit des Weiterverkaufs und der Weitergabe des Handbuchs erwähnt ist.
1.2 Da die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, wonach die E1 zum Stand der Technik gehöre, lediglich mit dem Hinweis auf den Copyright-Vermerk bestritten wurde, und die Beschwerdekammer - wie oben ausgeführt - dieser Argumentation nicht folgt, besteht für die Beschwerdekammer kein Grund von der Auffassung der Einspruchsabteilung abzuweichen. Die E1 gehört daher zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ.
2. Hauptantrag - Neuheit
2.1 Die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der E1 nicht neu ist, wurde im Rahmen der Beschwerde inhaltlich nicht in Frage gestellt. Auf diesen Umstand hat die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK aufmerksam gemacht und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie vorläufig der Auffassung der Einspruchsabteilung folgt. Da die Patentinhaberin in der Folge diesbezüglich nichts weiter vorgebracht hat, sieht die Kammer keinen Anlass, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen.
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber der E1 nicht neu (Artikel 54 EPÜ). Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1 - Neuheit
3.1 Die vorläufige Meinung der Kammer, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei, wurde den Parteien bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK mitgeteilt.
3.2 Keine der Parteien bestreitet, dass die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aus der E1 bekannt sind. Lediglich die Offenbarung des hinzugefügten Merkmals
"der gewählte Referenzdruck (pR) kleiner ist als der ungeregelte statische Druck (pU), wenn alle Spinnstellen (1,2 ...) in Betrieb sind"
wird bestritten.
3.3 Das hinzugefügte Merkmal beinhaltet eine Wahleinstellung (gewählter Referenzdruck kleiner als ungeregelter statischer Druck) des Druckreglers und folglich der beanspruchten Luftdüsenspinnmaschine. Es handelt sich somit nicht um ein strukturelles Merkmal der Luftdüsenspinnmaschine, sondern ist nur dahingehend zu verstehen, dass der Druckregler für die vorgenannte Wahleinstellung geeignet sein muss.
E1 offenbart auf Seite G-35 im Punkt 4-2-3 einen derartigen Druckregler in Form eines drehbaren Handrads, das den Referenzdruck senken oder erhöhen kann. Dieses Handrad ist somit geeignet, einen Referenzdruck kleiner als den ungeregelten statischen Druck zu wählen. Dieses Merkmal ist daher als in E1 offenbart anzusehen.
3.4 Da die Parteien keine weiteren Ausführungen bezüglich der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemacht haben, sieht die Kammer keinen Anlass, von der in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK geäußerten, vorläufigen Meinung abzuweichen, wonach E1 auch einen Referenzdruck kleiner als den ungeregelten statischen Druck offenbart.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass der Referenzdruck möglichst hoch und gleichzeitig nicht höher sein soll als der ungeregelte statische Druck. Somit wäre ein kleinerer Wert nicht offenbart. Mit einem Handrad gemäß 4-2-3 ist der Druck aber unmöglich zu regeln, ohne die Maschine zumindest für eine bestimmte Zeit unter dem ungeregelten statischen Druck zu betreiben.
Wie oben erwähnt, offenbart E1 im Punkt 4-2-3 einen Druckregler in Form eines drehbaren Handrads, das den Referenzdruck senken oder erhöhen kann. Zudem bestätigen die Absätze [0008] und [0019] der Patentschrift, dass der Referenzdruck nicht größer als der ungeregelte statische Druck, wenn sämtliche Spinnstellen einer Luftdüsenspinnmaschine in Betrieb sind, sein kann. Hätte man keinen Druckregler, würde somit die Maschine immer mit dem ungeregelten statischen Druck laufen. Das Handrad der E1 dient somit nur um Referenzdruckwerte zu bestimmen, die kleiner oder gleich dem ungeregelten statischen Druck sind, wenn alle Spinnstellen im Betrieb sind, was im Normalbetrieb der Fall ist und der Fachmann in E1 mitliest.
Unter diesen Umständen, und wie im Punkt 4-2-3 der E1 vorgesehen ist, kann somit das Handrad im Normalbetrieb den Druck nur erhöhen, wenn der Druck in diesem Zeitpunkt kleiner als der ungeregelte statische Druck ist.
Die Tabelle 4-2-1 offenbart für den Referenzdruck verschiedene Werte von 6, 5, 4, 3 und 2 bar. Unter der Annahme, dass der Betriebsdruck konstant ist und die Betriebsumstände im Rahmen dieser Tabelle gleich bleiben und dem Normalbetrieb entsprechen, kann nur der größte Wert 6 bar dem ungeregelten Betriebsdruck entsprechen. Alle anderen Werte liegen darunter.
3.5 Der Gegenstand des einzigen Anspruchs des Hilfsantrags 1 ist daher nicht neu (Artikel 54 EPÜ) und somit nicht gewährbar. In Ermangelung eines gewährbaren Antrags der Beschwerdeführerin ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.| | |