European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T171113.20140429 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 April 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1711/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08161263.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41N 1/12 B41C 1/05 B41N 1/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Druckform für Lacke | ||||||||
Name des Anmelders: | Folex Coating GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Wechsel zu einem nicht recherchierten Gegenstand - (nein) Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat Beschwerde eingelegt gegen die am 11. Februar 2013 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 08 161 263.2 wegen eines Verstoßes gegen die Erfordernisse der Regel 137 (5) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent zu erteilen auf Basis der am 4. November 2009 eingereichten Patentansprüche nach dem Hauptantrag, hilfsweise auf Basis der Patentansprüche wie ursprünglich eingereicht (Hilfsantrag 1) und weiter hilfsweise auf Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Patentansprüche nach dem Hilfsantrag 2.
Zudem beantragt sie hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
III. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D2: EP-B-1 053 106;
D5: DE-A-198 04 671.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Druckform für Druckverfahren mit einer Trägerschicht (1) und einer lackübertragenden, hydrophilen Schicht (2), dadurch gekennzeichnet, dass sich zwischen der Trägerschicht (1) und der lackübertragenden, hydrophilen Schicht (2) eine Füllschicht (3) befindet, wobei die lackübertragende Schicht (2) eine Shore (A) Härte von 40 bis 90 nach DIN 53505 aufweist."
Der Hauptantrag umfasst darüber hinaus noch einen unabhängigen Verwendungsanspruch 7 und einen unabhängigen Verfahrensanspruch 9.
V. In der angefochtenen Entscheidung begründet die Prüfungsabteilung die Zurückweisung der Patentanmeldung mit einem Verstoß der Ansprüche nach dem vorliegenden Hauptantrag gegen die Erfordernisse der Regel 137 (5) EPÜ:
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung des Dokuments D2 durch die Merkmale, dass
(i) die lackübertragende Schicht hydrophil sei und
(ii) die Füllschicht aus Polyethylen, Silikonen, Nitril-Kautschuken, Butyl-Kautschuken, Polypropylen, Polyvinylchlorid oder Mischungen davon bestehe.
Der vorliegende Anspruch 1 unterscheide sich hingegen von der Offenbarung des Dokuments D2 dadurch, dass
(i) die lackübertragende Schicht hydrophil sei und
(iii) die lackübertragende Schicht eine Shore (A) Härte von 40 bis 90 nach DIN 53505 aufweise. Dabei sei das letztgenannte Merkmal (iii) der Beschreibung entnommen.
Das beiden Anspruchsfassungen gemeinsame Unterscheidungsmerkmal (i) sei aus Dokument D5 bekannt und könne keine beiden Anspruchsfassungen gemeinsame erfinderische Idee begründen.
Die Unterscheidungsmerkmale (ii) und (iii) seien verschieden und lösten unterschiedliche Aufgaben, weshalb zwischen dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und dem vorliegenden Anspruch 1 keine Einheitlichkeit der Erfindung gegeben sei. Dabei sei die zweite Erfindung nicht in ihrer gesamten Breite recherchiert worden, da das Unterscheidungsmerkmal (iii) nicht ursprünglich beansprucht gewesen, sondern nachträglich aus der Beschreibung entnommen worden sei. Somit liege ein Verstoß gegen die Erfordernisse von Regel 137 (5) EPÜ vor.
VI. Die Beschwerdeführerin hält dem in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen entgegen, dass das Dokument D2 nicht den nächstkommenden Stand der Technik darstelle, da dort die (mittlere) Schutzschicht nicht entfernt werde wie in der vorliegenden Anmeldung, sondern vielmehr auf der Trägerschicht verbleibe. Daher sei vom Dokument D5 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen. Hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale (ii) und (iii) sei zu berücksichtigen, dass die lackübertragende Schicht erfindungsgemäß dünn sei, sodass ihre Eigenschaften von der darunter liegenden Füllschicht bestimmt werden. Somit zielten beide Merkmale (ii) und (iii) auf die Eigenschaften der Füllschicht ab. In dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und dem vorliegenden Anspruch 1 liege folglich eine einheitliche Erfindung vor, durch die eine Kostenersparnis und Vereinfachung der Handhabung der Druckform bei befriedigender Druckqualität erreicht werde.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag, Wechsel zu einem nicht recherchierten Gegenstand
1.1 Die angefochtene Zurückweisungsentscheidung ist mit einem vermeintlichen Verstoß der Ansprüche nach dem vorliegenden Hauptantrag gegen die Erfordernisse der Regel 137 (5), erster Satz, EPÜ in der derzeit gültigen Fassung begründet worden.
1.2 Hinsichtlich des für die Beschwerdesache anwendbaren Rechts stellt die Kammer zunächst fest, dass für die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anmeldung der europäische Recherchenbericht vor dem 1. April 2010 erstellt wurde. Damit ist dem Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. März 2009 (vgl. ABl. EPA 2009, 299) folgend im vorliegenden Fall die gleichlautende Regel 137 (4) EPÜ in der vom 13. Dezember 2007 bis zum 31. März 2010 gültigen Fassung maßgeblich (im Folgenden bezeichnet als Regel 137 (4) EPÜ, Fassung vor dem 1. April 2010).
1.3 Regel 137 (4) EPÜ, Fassung vor dem 1. April 2010, sieht vor, dass sich geänderte Patentansprüche nicht auf
- nicht recherchierte Gegenstände beziehen dürfen,
- die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind.
Die Regel stimmt damit wörtlich mit der Regel 86 (4) EPÜ 1973 überein, die am 1. Juni 1995 in Kraft trat und in die Ausführungsordnung aufgenommen wurde, um zu verhindern, dass ein Anmelder im Laufe des Prüfungsverfahrens die recherchierten Ansprüche fallen lässt und mit seinem Schutzbegehren auf nicht recherchierte Teile der Anmeldung wechselt, die zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht beansprucht waren (siehe "Travaux Préparatoires" zur Regel 86 (4) EPÜ 1973, veröffentlicht in der Mitteilung vom 1. Juni 1995 über die Änderung der Europäischen Patentübereinkommens, der Ausführungsordnung und der Gebührenordnung, ABl. EPA 1995, 409ff, insbesondere Seiten 420 und 421).
1.4 In der Sache ist die Kammer der Auffassung, dass das Streichen des unter Punkt V.V. genannten Merkmals (ii) und die Aufnahme des Merkmals (iii) einer lackübertragenden Schicht mit einer Shore (A) Härte von 40 bis 90 nach DIN 53505 in den Anspruch 1 keinen Wechsel hin zu einer nicht recherchierten Erfindung bedeutet.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Regel 137 (4) EPÜ, Fassung vor dem 1. April 2010, nicht auf den Wortlaut des Patentansprüche, sondern auf ihren Gegenstand abzielt. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass sich der im Rahmen der vorliegenden Anmeldung recherchierte Gegenstand ausweislich des europäischen Recherchenberichts nicht auf die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 beschränkt, sondern auch die Merkmale der übrigen Ansprüche 2 bis 10 umfasst, insbesondere die ursprünglichen (und nach dem Hauptantrag immer noch gültigen) abhängigen Ansprüche 2 und 3, hinsichtlich derer im europäischen Recherchenbericht relevante Dokumente der Kategorien "X" und "Y" angeführt werden. Damit ist ihr Gegenstand Teil der ursprünglich beanspruchten, recherchierten Erfindung im Sinne der Regel 137 (4) EPÜ, Fassung vor dem 1. April 2010.
Diese recherchierten Ansprüche 2 und 3 betreffen, ebenso wie das streitige Merkmal (iii), das Material der lackübertragenden Schicht. Konkret spezifizieren sie als Ausführungsbeispiele für diese Schicht Materialien wie Polyurethan und Silikon, die hinsichtlich ihrer Shore (A) Härte den im geänderten unabhängigen Anspruch 1 in Merkmal (iii) genannten Härtebereich abdecken. Auch wenn neben den spezifizierten Materialien noch weitere in den nun beanspruchten Härtebereich fallen, betreffen die geänderten Ansprüche doch immer noch den gleichen Gegenstand und folglich die gleiche allgemeine erfinderische Idee wie die Gesamtheit der ursprünglichen, recherchierten Ansprüche. Somit kann die Regel 137 (4) EPÜ, Fassung vor dem 1. April 2010, den vorliegenden, geänderten Patentansprüchen nicht entgegenstehen.
2. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
Da die Zurückweisungsentscheidung nur mit einem vermeintlichen Verstoß gegen die Erfordernisse der Regel 137 EPÜ begründet ist, ist die angefochtene Entscheidung angesichts der obigen Ausführungen aufzuheben. Die Kammer hält es im vorliegenden Fall für geboten, ihr Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ dahingehend auszuüben, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung hinsichtlich der übrigen Erfordernisse des EPÜ an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen und damit einem entsprechenden Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung zu folgen. Da der Beschwerdeführerin kein Rechtsnachteil aus der Entscheidung der Kammer erwächst, ist die Abhaltung der hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht erforderlich (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, 2013, III.C.2.5).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.