T 1682/13 () of 16.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T168213.20150616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2015
Aktenzeichen: T 1682/13
Anmeldenummer: 04000312.1
IPC-Klasse: E05B 47/00
E05B 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ansteuerung für einen mit Gleichstrom betriebenen Türöffner
Name des Anmelders: DORMA Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: GEZE GmbH
ASSA ABLOY Sicherheitstechnik GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 99(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0115/82
T 0244/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der am 4. Juli 2013 zur Post gegebenen Zwischen­entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das Europäische Patent Nr. 1437463 in der Fassung gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 2A, das heißt unter Berücksichtigung der von der Patent­inhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen sowie die Erfindung, die das Patent zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Gegen diese Zwischenentscheidung haben die Beschwerde­führerin 1 (Patentinhaberin) und die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 1) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 16. Juni 2015 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin 1 beantragte, die angefochtene Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 13. Mai 2015 aufrechtzuerhalten.

V. Die Beschwerdeführerin 2 beantragte, die angefochtene Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Diesen Anträgen schloss sich die weitere Verfahrens­beteiligte (Einsprechende 2) an.

VI. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Ansteuerelektronik für einen mit Gleichstrom betriebenen Türöffner (TÖ), aufweisend eine Bestromungs­vorrichtung, die im Betrieb eine an den Türöffner (TÖ) angelegte Gleichspannung (UBT) zumindest während eines bestimmten Zeitabschnittes einer Bestromung des Türöffners (TÖ) pulst, dadurch gekennzeichnet, dass die Bestromungsvorrichtung die zugeführte Gleichspannung (UBT) für den Türöffner (TÖ) während des bestimmten Zeitabschnitts gepulst und sonst unverändert an den Türöffner (TÖ) weiterleitet."

Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

"Mit Gleichstrom betriebenen Türöffner (TÖ), umfassend eine Ansteuerelektronik, aufweisend eine Bestromungs­vorrichtung, die im Betrieb eine an den Türöffner (TÖ) angelegte Gleichspannung (UBT) zumindest während eines bestimmten Zeitabschnittes einer Bestromung des Tür­öffners (TÖ) pulst, dadurch gekennzeichnet, dass

die Bestromungsvorrichtung die zugeführte Gleich­spannung (UBT) für den Türöffner (TÖ) während des bestimmten Zeitabschnitts gepulst und sonst unverändert an den Türöffner (TÖ) weiterleitet."

Der Hilfsantrag 2 entspricht dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 2A, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Ansteuerelektronik für einen mit Gleichstrom betriebenen Türöffner (TÖ), aufweisend eine Bestromungs­vorrichtung, die im Betrieb eine an den Türöffner (TÖ) angelegte Gleichspannung (UBT) zumindest während eines bestimmten Zeitabschnittes einer Bestromung des Türöffners (TÖ) pulst, dadurch gekennzeichnet,

- dass ein Netzteil (1) über eine Verbindung (5) ein Zeitglied (2) bestromt, das den Anfang und die Dauer des bestimmten Zeitabschnittes bestimmt und dessen Ausgangssignale über eine Verbindung (6) an einen Oszillator (3) übergeben wird,

- dass der Oszillator (3) über eine Verbindung eine Endstufe (4) ansteuert,

- dass ein Ausgangssignal der Endstufe (4) über eine Verbindung (9) an den Turöffner (TÖ) übergeben wird, und

- dass eine Verbindung (8) die Endstufe (4) mit dem Zeitglied (2) verbindet und somit eine Rückkopplung schaltet,

- wobei die Bestromungsvorrichtung die zugeführte Gleichspannung (UBT) für den Türöffner (TÖ) während des bestimmten Zeitabschnitts gepulst und sonst unverändert an den Türöffner (TÖ) weiterleitet."

Der Hilfsantrag 3 ist für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.

VII. Folgende Dokumente haben für diese Entscheidung eine Rolle gespielt:

O1-D1: WO -A- 99/34079;

O1-D2: DE -A- 36 18 645;

O1-D3: DE -A- 37 41 619;

O1-D16: Lineartüröffnersystem 185 Bedienungsanleitung;

O1-D18: Brief von Herrn K. Isken (19.12.2000);

O1-D19: Bestellung der Firma KFV Nr. 4/39142/320;

O2-D2: DE -A- 231025; und

O2-D9: DE -A- 37 19 298.

VIII. Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin und des Hauptantrags

Es sei zwar richtig, dass der einzige Antrag, der mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sei, nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen sei. Diese Tatsache stehe jedoch der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, weil es möglich sei, im Beschwerdeverfahren neue Anträge einzureichen. Da die Beschwerdebegründung darlege, warum dieser Antrag patentfähig sei, sei die Beschwerde zulässig. Dabei könne es keine Rolle spielen, ob dieser Antrag in das Verfahren eingeführt werde oder nicht.

Dass dieser Antrag, der den jetzigen Hauptantrag darstelle, während des Einspruchsverfahrens zurück­genommen worden sei, heiße nicht, dass auf seinen Gegenstand verzichtet worden sei. Da sein Gegenstand ferner patenfähig sei, sei er zum Verfahren zuzulassen.

Offenkundigkeit des in der O1-D16 gezeigten Türöffners

Im Fall einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung habe der Einsprechende die Vorbenutzung lückenlos nachzuweisen. Für den Türöffner der O1-D16 sei dies jedoch nicht erfolgt. Es gebe keinen Beweis, dass O1-D16 selbst zum Stand der Technik gehöre. Dass der in O1-D16 gezeigte Gegenstand vor dem Prioritätsdatum geliefert worden sei, oder dass seine Funktionsweise offenkundig gemacht worden sei, sei ebenso nicht bewiesen worden. O1-D19 könne nämlich weder beweisen, dass die dort gelisteten Teile tatsächlich geliefert worden sind, noch dass sie - insbesondere die Ansteuerelektronik - den Elementen des Türöffners der O1-D16 entsprechen. Somit gehöre der Türöffner der O1-D16 nicht zum Stand der Technik.

Hilfsantrag 1 - Patentfähigkeit

Da O1-D16 kein Stand der Technik sei, könne die erfinderische Tätigkeit ausgehend von dieser Druckschrift nicht in Frage gestellt werden. Zudem habe der Fachmann keinen Anlass gehabt, den Wechselstrom des Türöffners der O1-D16 durch Pulsstrom zu ersetzen.

Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber O1-D1 und O2-D2 und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von O2-D2.

Hilfsantrag 2 - Artikel 84 EPÜ

Im Anspruch 1 werden die Komponenten der Elektronik klar definiert, so dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt seien.

Hilfsantrag 2 -Artikel 83 EPÜ

Rückkopplungen seien vor dem Prioritätstag bekannt gewesen, so dass der Fachmann ohne Schwierigkeiten die beanspruchte Erfindung ausführen könne. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien somit erfüllt.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Eine Rückkopplung zwischen der Endstufe und dem Zeitglied sei vom Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt worden. Somit bestehe für den Fachmann kein Anlass, mit ihr die Aufgabe zu lösen, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdeführerin 2 und die weitere Verfahrens­beteiligte argumentierten im Wesentlichen wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin und des Hauptantrags

Der vorliegende Hauptantrag sei der einzige Antrag, der mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sei. Ein derartiger Antrag sei jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen. Die Beschwerde­begründung befasse sich deshalb nicht mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, so dass die Beschwerde unzulässig sei.

Darüber hinaus sei dieser Antrag während des Einspruchsverfahrens zurückgezogen worden und somit nicht zulässig.

Offenkundigkeit des in der O1-D16 gezeigten Türöffners

Die Bedienungsanleitung O1-D16 sei von der Firma KFV auf der Grundlage der Informationen verfasst worden, die ihr die Firma effeff - die Herstellerin des Lineartüröffnersystems 185 - zur Verfügung gestellt habe. Dass diese Informationen ohne Geheimhaltungs­verpflichtungen übertragen worden seien, sei sowohl aus O1-D16 selbst, die die Montageanleitungen der Firma effeff erwähne, als auch aus dem Bestellschein O1-D19 ersichtlich. Dies sei auch mit dem Brief O1-D18 konsistent. Der in O1-D19 bestellte Türöffner sei derselbe Türöffner 185, der in O1-D16 beschrieben worden sei. Ein Hauptschloss brauchte in O1-D19 nicht bestellt werden, weil das System 185 mit einem vorhandenen E-Öffner verwendbar sei. Deshalb gehöre der in O1-D16 beschriebene Lineartüröffner zum Stand der Technik.

Hilfsantrag 1 - Patentfähigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom Türöffner der O1-D16 lediglich dadurch, dass während des bestimmten Zeitabschnitts die Gleichspannung gepulst werde, während in O1-D16 Wechselstrom verwendet werde.

Pulsstrom und Wechselstrom seien jedoch bekannte Alternativen, wie es z.B. aus O1-D2 hervorgehe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber O1-D1 und O2-D2 und beruhe ausgehend von O2-D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 2 - Artikel 84 EPÜ

Anspruch 1 definiere nicht, wozu die Verbindung der Endstufe mit dem Zeitglied diene. Deshalb sei die Funktionalität der Rückkopplung unklar. Folglich seien die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.

Hilfsantrag 2 - Artikel 83 EPÜ

Aus diesem Grund seien auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt, weil der Fachmann nicht wisse, welche Art von Rückkopplung anzuwenden sei, um die Erfindung auszuführen.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Sowohl ausgehend von O1-D16 als auch ausgehend von O2-D2 sei es für den Fachmann naheliegend, die Funktionsweise des Türöffners mittels Netzteil, Zeitglied, Oszillator und Endstufe herzustellen.

Ferner seien Rückkopplungen und ihre Vorteile dem Fachmann allgemein bekannt. Somit könne die Verwendung einer Rückkopplung gemäß Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit begründen. Darüber hinaus sei eine derartige Rückkopplung und ihre Wirkung aus O2-D9 bekannt.

Der Gegenstand des Anspruch 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 1

Die Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) wurde von der Beschwerdeführerin 2 und der weiteren Verfahrensbeteiligten mit der Begründung in Frage gestellt, der einzige mit der Beschwerdebegründung geltend gemachte Anspruch, sei nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen.

Diese Feststellung ist zwar zutreffend, denn die Beschwerdeführerin 1 hat in ihrer Beschwerdebegründung lediglich die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung beantragt, während sie vor der Einspruchsabteilung einen davon abweichenden neuen Hauptantrag sowie weitere Hilfsanträge geltend gemacht hat. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde.

Nach Artikel 107(1) EPÜ ist jeder Verfahrensbeteiligte, der durch die Entscheidung beschwert ist, dazu berechtigt, Beschwerde einzulegen. Dabei ist eine Beschwer eines Verfahrensbeteiligten immer dann gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung hinter seinem Begehren in erster Instanz zurückbleibt; ihm also weniger zugesprochen wurde, als er beantragt hatte. Maßgeblich ist ein Vergleich seines erstinstanzlichen Antrags mit der Entscheidungsformel (vgl.: T 244/85 vom 23. Januar 1987, ABl. 1988, 216, Ziffer 3; T 115/82 vom 1. März 1983, ABl. 1983, 323 Ziffer 1 sowie Joos/Schmitz, in: Singer/Stauder, EPÜ, 6. Aufl., Art 107 Rdn 17). Wird nur einem Hilfsantrag, nicht aber dem Hauptantrag eines Verfahrensbeteiligten stattgegeben, ist dieser daher beschwert im Sinne von Artikel 107(1) EPÜ (so ausdrücklich: Singer/Stauder, a.a.O., Rdn 21).

Diese Situation liegt hier vor. Denn die Einspruchs­abteilung hat den von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag, sowie den ersten Hilfsantrag wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ und den zweiten Hilfsantrag wegen Verstoßes gegen Artikel 123(2) EPÜ zurückgewiesen und das Patent lediglich im Umfang des Hilfsantrags 2A aufrecht erhalten.

Im Übrigen sind Beschwerdekammern durch die Vorschriften des EPÜ nicht auf die Prüfung solcher Gegenstände beschränkt, über die erstinstanzlich bereits entschieden wurde. Vielmehr können im Beschwerdeverfahren, unter Berücksichtigung des Artikels 114(1) EPÜ, neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht und neue Anträge gestellt werden. Artikel 12 VOBK erlaubt ausdrücklich die Zulassung neuer Anträge im Beschwerdeverfahren. Dabei setzt die Entscheidung, einen neuen Antrag in das Verfahren einzuführen oder nicht, eine zulässige Beschwerde voraus.

Auch schreibt Regel 99(2) EPÜ, die die Erfordernisse für den Inhalt der Beschwerdebegründung festlegt, nicht vor, dass die Beschwerde­begründung die Gewährbarkeit der der angefochtenen Entscheidung zugrunde­liegenden Anträgen erörtern muss, wenn diese Anträge nicht weiter verfolgt werden. Vielmehr erfordert diese Vorschrift, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darlegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.

Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass die Beschwerdebegründung die rechtlichen und materiellen Gründe angibt, aus denen nach Ansicht der Beschwerde­führerin 1 die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten ist. Sie erfüllt deshalb die Erfordernisse der Regel 99(2) EPÜ.

Folglich ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 zulässig.

2. Einführung des Hauptantrags in das Verfahren

Von der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ist die weitere Frage zu trennen, ob der nunmehr als Haupt­antrag gestellte Antrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, in das Beschwerde­verfahren eingeführt werden kann. Diese Entscheidung steht nach Artikel 12(4) VOBK im Ermessen der Kammer.

Die Patentinhaberin hat verhindert, dass eine Entscheidung der Einspruchsabteilung über diesen Antrag ergehen konnte. Den Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt hat sie nämlich während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung durch einen neuen, auf einen Türöffner gerichteten Hauptantrag ersetzt (Nieder­schrift der mündlichen Verhandlung, Punkt 3).

Die Beschwerdekammer hat jedoch in erster Linie die Rolle einer Über­prüfungsinstanz. Diesbezüglich werden Anträge, die im erstinstanzlichen Verfahren zurück­genommen wurden, generell nicht in das Beschwerde­verfahren eingeführt (siehe hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA, 7. Auflage 2013, IV.E.4..3.2c)). Da im vorliegenden Fall keine Umstände vorliegen, die ein Abweichen von dieser Praxis rechtfertigen könnten, hat die Kammer entschieden der Hauptantrag nicht in das Verfahren einzuführen.

3. Einführung der Hilfsanträge 1 und 2 in das Verfahren

Der Hilfsantrag 1 wurde nach der Beschwerdebegründung eingereicht. Es steht daher im Ermessen der Kammer, ihn zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 13(1) VOBK).

Der Hilfsantrag 1 war schon Gegenstand der angefochtenen Entscheidung (als Hauptantrag), so dass seine Einführung in das Verfahren keine komplexen neuen Frage aufwirft. Die Kammer hat daher entschieden den Hilfsantrag 1 in das Beschwerdeverfahren einzuführen.

Der Hilfsantrag 2 entspricht dem Antrag in dem das Patent von der Einspruchs­abteilung aufrechterhalten wurde. Ein derartiger Antrag ist daher immer zu berücksichtigen.

4. Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ

Die Beschwerdeführerin 2 und die weitere Verfahrens­beteiligte bestreiten die erfinderische Tätigkeit mit einer offenkundigen Offenbarung des Inhalts der O1-D16.

4.1 Offenkundigkeit des Inhalts der O1-D16

O1-D16 ist eine Bedienungsanleitung für das Linear­türöffnersystem 185, die von der Firma KFV verfasst wurde. Das System selbst wird jedoch nicht von der Firma KFV, sondern von der Firma effeff produziert.

Komponenten für dieses System, darunter auch 500 Stücke der Ansteuerelektronik, hat KFV bei der Firma effeff am 3. Juli 2001 bestellt (siehe O1-D19). Seitens der Beschwerdeführerin 1 wurde angezweifelt, dass es sich dabei um dieselbe Ansteuerelektronik handelte, deren Funktionsweise in O1-D16 beschrieben wird. Die Kammer teilt diese Zweifel jedoch nicht. Denn gemäß O1-D19 ist die bestellte Ansteuerelektronik Teil eines Lineartür­öffnersystems 185, dessen Teile mit Ausnahme des Hauptschlosses den in der "Beschreibung" der O1-D16 aufgelisteten Teilen entsprechen. Wie die Beschwerde­führerin 2 überzeugend dargelegt hat, ist es bei Nachrüstungen von Türen mit dem Lineartüröffner 185 meistens nicht nötig ein neues Hauptschloss einzubauen, da hierfür das vorhandene Hauptschloss genutzt werden kann.

O1-D16 bezieht sich ausdrücklich auf "Montage- und Installationsanleitung eff-eff" (siehe O1-D16, "Beschreibung"). Somit ist klar, dass die Ansteuer­elektronik und ihre Funktionsweise - insbesondere die Funktionsweise die in in O1-D16 unter "Die elektrische Dauerentriegelung" beschrieben wird - nicht von der KFV firmenintern entwickelt wurden. Vielmehr wurden die Informationen, die in O1-D16 wiedergegeben werden, der Firma KFV von effeff zur Verfügung gestellt.

Diese Informationen wurden ohne Geheimhaltungs­verpflichtung zugänglich gemacht. Das ist nicht nur aus D19 - einer üblichen kommerziellen Bestellung - ersichtlich, sondern wird vor allem dadurch belegt, dass die Informationen in O1-D16, die als Bedienungs­anleitung für ein breites Publikum gedacht ist, enthalten sind. Da die in O1-D16 wieder­gegebenen Informationen der Firma KFV ohne Geheim­haltungs­verpflichtung zugänglich gemacht wurden, stellt diese Zugänglichmachung eine offenkundige Offenbarung dar.

O1-D16 trägt den Vermerk "Stand Juli/2001". Die Informationen der O1-D16 werden deshalb spätestens in Juli 2011, d.h. deutlich vor dem Prioritätsdatum offenbart. Der Inhalt der O1-D16 gehört daher zum Stand der Technik.

4.2 Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf O1-D16

O1-D16 beschreibt unstreitig einen mit Gleichstrom betriebenen Türöffner, umfassend eine Ansteuer­elektronik, aufweisend eine Bestromungsvorrichtung, die im Betrieb dem Türöffner zumindest während eines bestimmten Zeitabschnittes Wechselstrom liefert, wobei die Bestromungsvorrichtung die zugeführte Spannung während des bestimmten Zeit­abschnitts als Wechselstrom und sonst als Gleich­spannung an den Türöffner weiterleitet.

Somit unterscheidet sich der Türöffner des Anspruchs 1 vom Türöffner der O1-D16 lediglich dadurch, dass statt eines Wechselstroms eine pulsierte Gleichspannung verwendet wird.

Aus dem Patent ist keinerlei Vorteil aus diesem Unterschied abzuleiten. Die von der beanspruchten Erfindung zu lösende Aufgabe besteht deshalb lediglich darin, eine Alternative zum Türöffner der O1-D16 bereitzustellen.

Dem Fachmann ist jedoch bekannt, dass eine pulsierte Gleichspannung als Alternative zum Wechselstrom verwendet werden kann. Dies ist nicht nur Teil des allgemeinen Wissens des Fachmanns, sondern es wird auch in O1-D2 offenbart, die sich auch mit Türöffnern befasst (Spalte 3, Zeilen 56-61). Es war daher naheliegend, ausgehend vom in O1-D16 beschriebenen Türöffner die o.g. Aufgabe gemäß Anspruch 1 zu lösen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsantrag 2 - Artikel 84 EPÜ

Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 verbindet eine Verbindung die Endstufe mit dem Zeitglied und schaltet somit eine Rückkopplung. Die Bedeutung des Begriffs "Rückkopplung" - ein Mechanismus in signalverstärkenden oder informationsverarbeitenden Systemen, bei dem ein Teil der Ausgangsgröße direkt oder in modifizierter Form auf den Eingang des Systems zurückgeführt wird - ist dem Fachmann bekannt. Somit ist der Anspruch für den Fachmann deutlich, auch wenn verschiedene Funktions­weisen der Rückkopplung möglich sind. Folglich sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

6. Hilfsantrag 2 - Artikel 83 EPÜ

Es ist zwar richtig, dass verschiedene Arten der Rückkopplung möglich sind. Es wurde jedoch weder behauptet noch bewiesen, dass diese mögliche Rückkopplungen nicht verwirklicht werden können. In anderen Worten wurde kein Beweis erbracht, dass die Erfindung nicht ausführbar ist. Folglich ist der Hilfsantrag 2 auch hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht zu beanstanden.

7. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

7.1 Ausgehend vom Türöffner der O1-D16 besteht die der Erfindung gemäß dem Hilfsantrag 2 zugrundeliegende Aufgabe darin, die Betriebssicherheit zu erhöhen.

Diese Aufgabe wird durch den Türöffner des Anspruchs 1 gelöst, der diverse Komponenten aufweist, wobei u.a. eine Verbindung die Endstufe mit dem Zeitglied verbindet und somit eine Rückkopplung schaltet.

Aus O1-D16 ist nicht entnehmbar, dass die Betrieb­sicherheit des dort beschrienen Türöffners verbesserungs­würdig wäre. Der Fachmann hatte somit keinen Anlass eine Rückkopplung in der Ansteuer­elektronik vorzusehen, geschweige denn eine Rück­kopplung, die mittels einer Verbindung der Endstufe mit dem Zeitglied geschaltet wird.

Auch hinsichtlich des übrigen Stands der Technik bestand ein derartiger Anlass nicht. Außerdem ist daraus keine Anregung für eine erfindungsgemäße Rückkopplung zu entnehmen. Dies trifft entgegen der Meinung der Einsprechenden auch für O2-D9 zu. Denn diese Druckschrift offenbart nicht die Verwendung einer Rück­kopplung in einer gattungsgemäßen Elektronik, sondern zum Lösen der Kontakte eines klebenden Relais.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher ausgehend vom Türöffner der O1-D16 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

7.2 O2-D2 ist weniger relevant als O1-D16, da der dort beschriebene Türöffner gar keine Ansteuerelektronik aufweist. Deshalb beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch ausgehend von O2-D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

8. Da das Patent somit in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuerhalten ist, sind beide Beschwerden zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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