European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T080913.20190314 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 14 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0809/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07114400.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61N 5/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Strahlentherapieanlage, Verfahren zur Anpassung eines Bestrahlungsfeldes für einen Bestrahlungsvorgang eines zu bestrahlenden Zielvolumens eines Patienten | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Healthcare GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ION BEAM APPLICATIONS S.A. | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Beweislast Ausreichende Offenbarung - Nacharbeitbarkeit (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. EP-B-1 900 392 zurückzuweisen.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und war auf die Gründe gemäß Artikel 100 a) (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Ausschluss der Patentierbarkeit unter Artikel 53 c) EPÜ), und 100 b) EPÜ gestützt.
III. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass die Erfindung deutlich und vollständig offenbart sei, sodass das Patent die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfülle. Insbesondere könne der Fachmann für Bestrahlungen "mit Hilfe der Scanning-Technik ... bei der ein Partikelstrahl über das Zielvolumen punktweise gescannt wird" das "Anpassen des Bestrahlungsfeldes aus der Planungsphase" gemäß den Ansprüchen 1 und 8 durchaus ausführen.
Die Einspruchsabteilung folgte in ihrer Einschätzung bezüglich Artikel 100 b) EPÜ dem Einwand der Einsprechenden nicht, wonach es in der Patentschrift an jeglichem Hinweis fehlen würde, wie die Transformation ermittelt werden sollte. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung machte die Patentschrift deutlich, dass diese Transformation der Registrierung der 3D-Bilddatensätze entspreche. Die Einspruchsabteilung hielt weiter fest, dass die Algorithmen zur Registrierung von 3D-Bildern eines Zielvolumens und zur Gewinnung einer entsprechender Transformation für den Fachmann der Bildgebung geläufig seien.
Darüber hinaus sei das beanspruchte Verfahren technischer Natur, indem es durchaus technische Wirkung habe (Artikel 52 (2) c) EPÜ) und stelle keine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers dar, das von der Patentierbarkeit ausgeschlossen wäre.
Das beanspruchte Verfahren und die beanspruchte Strahlentherapieanlage seien auch neu und erfinderisch im Sinne der Artikel 54 und 56 EPÜ im Hinblick auf die von der Einsprechenden zitierten Druckschriften.
IV. Mit der Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihre erstinstanzlich vorgebrachten Einwände.
Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. In ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerde beantragte die Beschwerdegegnerin Siemens Healthcare GmbH (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents im beschränkten Umfang gemäß einem Satz von Ansprüchen nach einem der in erster Instanz eingereichten und im Beschwerdeverfahren erneuerten fünf Hilfsanträge.
Zum Einwand der nicht hinreichenden Offenbarung der Erfindung unter Artikel 100 b) und 83 EPÜ wies die Beschwerdeführerin auf das ihres Erachtens unsubstantiierte Vorbringen der Einsprechenden hin. Der Vortrag der Einsprechenden erschöpfe sich im Grunde in der Feststellung, dass es nicht ersichtlich sei, wie genau die Transformation für die Transformation der Dosen zu verwenden sei. Somit komme die Einsprechende mit ihrem "im Endeffekt einfachen Bestreiten der Nacharbeitbarkeit ihrer Beweislast aber nicht nach".
VI. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Zustellung der Ladungen an beide Parteien ist durch Rückscheine vom 10. September 2018 ausgewiesen.
VII. In einer Mitteilung der Kammer vom 10. Oktober 2018 gemäß Artikel 15(1) VOBK wurden die Parteien über die vorläufige, unverbindliche Auffassung der Kammer unterrichtet.
Aus der Sicht der Kammer gäben die Ausführungen der Beschwerdeführerin durchaus Anlass, an der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung zu zweifeln.
Im Gegensatz zur Auffassung der Einspruchsabteilung in dieser Hinsicht erschiene es in der Tat fraglich, ob der Anspruchswortlaut der unabhängigen Ansprüche selbst die notwendige Information zur Durchführung der Erfindung liefere. Die Kammer äußerte sich nicht überzeugt von der Begründung der Einspruchsabteilung, nämlich: "Die Algorithmen zur Registrierung von 3D Bildern eines Zielvolumens und zur Gewinnung einer entsprechenden Transformation sind für den Fachmann der Bildgebung geläufig".
Die Beantwortung der Frage der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindungen scheine darüber hinaus noch weitere Fragen aufzuwerfen. Als Erstes stelle sich die Frage, durch welche Parameter die Transformation, von der die Rede ist, eigentlich definiert werde. Als Zweites sollte bestimmt werden, ob die Patentschrift unter ggf. Heranziehen des allgemeinen Fachwissens genügend Information zur Bestimmung dieser notwendigen Parameter enthalte. Als Letztes sollte dann bestimmt werden, wie die erworbene Transformation auf die einzelnen Volumenelemente angewandt werde.
Die Kammer konnte sich der Argumentation der Einspruchsabteilung nur insofern anschließen, als sich die 3D-Bilder auf feste Zielvolumen beziehen. Laut Beschreibung könnten die einzelnen Zielvolumen jedoch nicht nur ihre Lage, sondern auch ihre Größe und Form ändern (vgl. Absätze [0010]-[0016], [0021] der veröffentlichten Anmeldung).
Die Kammer äußerte sich dagegen nicht überzeugt von den Argumenten der Beschwerdeführerin, was eine fehlende technische Wirkung der Erfindung betraf, und von der Behauptung, das Verfahren stelle eine Therapeutische Behandlung im Sinne des Artikels 53 c) EPÜ dar.
Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde auf die Relevanz von verschiedenen Druckschriften hingewiesen, die der Fachmann durchaus als realistische Ausgangspunkte hätte berücksichtigen können.
VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 14. März 2019. Vertreten war lediglich die Beschwerdeführerin.
Für die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), nach Aktenlage nach wie vor die Siemens Healthcare GmbH, war niemand erschienen.
Der Geschäftsstellenbeamte der Kammer führte in der Folge mehrere Telefonate mit der Siemens Healthcare GmbH, in denen ihm mitgeteilt wurde, man habe die Ladung zur Verhandlung wie auch die Mitteilung der Kammer vom 10. Oktober 2018 erhalten. Da das Patent bereits zuvor an die Varian Medical Systems Deutschland GmbH übertragen worden sei, habe man sämtliche Schriftstücke an diese weitergeleitet.
Über telefonische Kontaktaufnahme mit der Varian Medical Systems Deutschland GmbH konnte keine weitere Klärung des Sachverhalts erreicht werden. Auch Nachfragen beim Europäischen Patentamt (EPA) über allfälligen weiteren Schriftverkehr mit jener blieben zunächst ergebnislos.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hielt ihren Antrag aufrecht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit der Beschwerdeführerin auf Basis des Hauptantrages erörtert, insbesondere in Bezug auf die Offenbarung (Ausführbarkeit) der Erfindung.
Die sachliche Debatte wurde sodann geschlossen. Die Entscheidung werde nach Durchführung weiterer Erhebungen zur Frage der Übertragung der Rechte am streitgegenständlichen Patent allenfalls schriftlich ergehen. Sollten es die weiteren Erhebungen notwendig machen, würde allenfalls eine neue mündliche Verhandlung anberaumt werden.
IX. Nach der mündlichen Verhandlung wurden seitens des Geschäftsstellenbeamten weitere Nachfragen beim Europäischen Patentamt über allfälligen weiteren Schriftverkehr mit der Siemens Healthcare GmbH oder der Varian Medical Systems Deutschland GmbH durchgeführt. Sie ergaben, dass ein Antrag auf Übertragung des Patents nie eingereicht wurde.
X. Der unabhängige Patentanspruch 1 des Hauptantrags, d.h. des Patents in der erteilten Fassung, lautet:
Verfahren zur Anpassung eines Bestrahlungsfeldes für einen Bestrahlungsvorgang eines zu bestrahlenden Zielvolumens eines Patienten, das mit einem Partikelstrahl mit Hilfe der Scanning-Technik bestrahlt wird, bei der ein Partikelstrahl über das Zielvolumen punktweise gescannt wird,
wobei das Zielvolumen seine Lage und/oder Form im Patienten mit der Zeit verändern kann, mit folgenden Verfahrensmerkmalen:
- Bereitstellen eines 3D-Planungsbilddatensatzes und eines Bestrahlungsfeldes, welches in einer Planungsphase durch Zuordnen von nacheinander zu applizierenden Dosen zu Volumenelementen des Zielvolumens anhand des 3D Planungsbilddatensatzes geplant wurden,
- Gewinnen eines 3D-Bestrahlungsdatensatzes in einer Bestrahlungsphase, welcher 3D-Bestrahlungsdatensatz das zu bestrahlende Zielvolumen abbildet,
- Registrieren des Zielvolumens im 3D-Planungsbilddatensatz und im 3D-Bestrahlungsdatensatz durch Gewinnen einer zugehörigen Transformation, welche eine Lage- und/oder Formveränderung des Zielvolumens im Patienten beschreibt,
- Anpassen des Bestrahlungsfeldes aus der Planungsphase mittels der Transformation an die Lage- und/oder Formveränderung des Zielvolumens in der Bestrahlungsphase, indem eine räumliche Lage der nacheinander zu den Volumenelementen zu applizierenden Dosen durch die Transformation transformiert wird.
XI. Der unabhängige Anspruch 8 des Hauptantrags betrifft eine Strahlentherapieanlage. Er lautet:
Strahlentherapieanlage zum Bestrahlen eines zu bestrahlenden Zielvolumens eines Patienten, das mit einem Partikelstrahl mit Hilfe der Scanning-Technik bestrahlt wird, bei der ein Partikelstrahl über das Zielvolumen punktweise gescannt wird, wobei das Zielvolumen seine Lage und/oder Form im Patienten mit der Zeit verändern kann,
- mit einer Strahlenquelle, die zur Abgabe des Partikelstrahls ausgebildet ist und bei der ein applizierbares Bestrahlungsfeld. einstellbar ist,
- mit einer 3D-Bildgebungsvorrichtung zum Gewinnen eines 3D Bestrahlungsdatensatzes in einer Bestrahlungsphase und
- mit einer Anpasseinheit zur Anpassung des Bestrahlungsfeldes auf eine in der Bestrahlungsphase vorliegende Lage und/oder Formveränderung, die dazu ausgebildet ist,
- den 3D-Bestrahlungsdatensatz mit einem bereitgestellten 3D Planungsbilddatensatz zu registrieren und eine zugehörige Transformation zu gewinnen, welche die Lage- und/oder Formveränderung des Zielvolumens im Patienten beschreibt, und
- ein bereitgestelltes Bestrahlungsfeld, welches in einer Planungsphase durch Zuordnen von nacheinander zu applizierenden Dosen zu Volumenelementen des Zielvolumens anhand des 3D Planungsbilddatensatzes geplant wird, mit der gewonnenen Transformation zu transformieren und an die Lage- und/oder Formveränderung des Zielvolumens in der Bestrahlungsphase anzupassen, indem eine räumliche Lage der nacheinander zu den Volumenelementen zu applizierenden Dosen durch die Transformation transformiert wird.
Entscheidungsgründe
1. Identität der Beschwerdegegnerin
Nach Aktenlage ist die Siemens Healthcare GmbH beim EPA als Patentinhaberin des Patents Nr. EP-B-1 900 392 eingetragen. Ein zu Beginn der mündlichen Verhandlung über telefonische Nachfrage ins Treffen geführter Verkauf des Patents von der Siemens Healthcare GmbH an die Varian Medical Systems Deutschland GmbH war dem EPA nie mitgeteilt worden. Die nach der mündlichen Verhandlung beim EPA durchgeführten Nachforschungen haben ergeben, dass ein Antrag auf Übertragung des Patents nie eingereicht wurde.
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bleibt die bisherige Partei im Verfahren berechtigt und verpflichtet, solange der Nachweis des Rechtsübergangs auf eine neue Partei nicht erbracht ist (Regel 22 (1) und (3) und Regel 85; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, IV.C.2.1; J 26/95 Bankruptcy/VPL, ABl. 1999, 668; T 128/10). Die Siemens Healthcare GmbH gilt somit als Patentinhaberin des Patents EP-B-1 900 392 für Verfahren vor dem EPA.
2. Rechtliches Gehör (Artikel 113 EPÜ)
Die Siemens Healthcare GmbH hat sowohl die Ladung zur mündlichen Verhandlung wie auch die Mitteilung der Kammer vom 10. Oktober 2018 erhalten.
Ihr Nichterscheinen bei der mündlichen Verhandlung entspricht ihrer eigenen Entscheidung. Sie wurde daher nicht in der Wahrnehmung ihres rechtlichen Gehörs verletzt.
3. Einwand der Nichtausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
3.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass der Einwand der Beschwerdeführerin, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, nicht substantiiert sei. In dieser Hinsicht weist die Beschwerdegegnerin auf mehrere Entscheidungen der Beschwerdekammern hin, u. a. T 63/06.
Dass im Allgemeinen die Einsprechende die Beweislast in Bezug auf unzureichende Offenbarung trägt, wird nicht in Frage gestellt. Dieses Prinzip wurde z.B. in der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidung T 63/06 bestätigt. In jener Entscheidung wurde jedoch auch folgender Grundsatz geprägt: "Werden im Patent allerdings keinerlei Angaben dazu gemacht, wie ein Merkmal der Erfindung in die Praxis umgesetzt werden kann, so besteht nur eine schwache Vermutung, dass die Erfindung hinreichend offenbart ist. In einem solchen Fall kann der Einsprechende seiner Beweispflicht dadurch genügen, dass er glaubhaft macht, dass das allgemeine Fachwissen es dem Fachmann nicht ermöglichen würde, dieses Merkmal in die Praxis umzusetzen. Dann trägt der Patentinhaber die Beweislast für die gegenteilige Behauptung, [...]" (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, II.C.8).
Die Beschwerdeführerin hat im Laufe des Einspruchsverfahrens und in der Beschwerdebegründung mehrmals unterstrichen, dass es aus der Patentschrift nicht ersichtlich sei, wie exakt die Transformation für die Transformation der Dosen zu verwenden ist. Unter Punkt 1.2 der Beschwerdebegründung führt sie aus, warum die Offenbarung in der Patentbeschreibung nicht ausreichen würde, um über die Bestimmung der Dosen Veränderungen bei der benötigten Bestrahlung zu kompensieren. Dabei hat sie u. a. auf mögliche Widersprüche im Ausführungsbeispiel der Figur 3 hingewiesen. Sie hat auch Argumente vorgebracht, warum die Bestimmung der Transformation T im Fall des Beispiels der Figur 4 im Hinblick auf fehlende Erklärungen in der Patentschrift kaum möglich sei.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 4
Die Beschwerdeführerin ist somit ihrer Pflicht, den Einwand hinreichend zu begründen, nachgekommen. Das Prinzip, worauf sich die Beschwerdegegnerin stützt, verlangt nämlich nicht, dass die Beschwerdeführerin eine inhärente Undurchführbarkeit der Erfindung nachweist, sondern dass sie nachvollziehbare Argumente, die Anlass für Zweifel an der Durchführbarkeit der Erfindung im gesamten Schutzbereich auf der Grundlage der Patentschrift und ggf. des allgemeinen Fachwissens liefert.
3.2 Unabhängig von den von der Beschwerdeführerin angesprochenen Bedenken, wie die zu applizierenden Dosen an die einzelnen Volumen auf der Grundlage der gewonnenen Transformation angepasst werden, stellt sich die Frage der Ausführbarkeit der beanspruchten Transformation (vgl. Punkt VII).
Die Beschwerdegegnerin hat sich zu den in der vorläufigen Auffassung der Kammer angesprochenen Punkten nicht geäußert.
Nach Auffassung der Einspruchsabteilung macht die Patentschrift deutlich, dass diese Transformation der Registrierung der 3D-Bilddatensätze entspricht. Die Einspruchsabteilung stellte weiter fest, dass die Algorithmen zur Registrierung von 3D-Bildern eines Zielvolumens und zur Gewinnung einer entsprechender Transformation für den Fachmann der Bildgebung geläufig seien.
Die Kammer kann sich der Argumentation der Einspruchsabteilung anschließen, soweit sich die 3D-Bilder auf feste Zielvolumen beziehen. Laut Beschreibung können die einzelnen Zielvolumen jedoch nicht nur ihre Lage, sondern auch ihre Größe und Form ändern (vgl. Absätze [0010]-[0016], [0021] der veröffentlichten Anmeldung). Bei der Registrierung von Volumen, die ihre Größe und Form ändern, sind auch Algorithmen bekannt. Die gewonnenen Transformationen basieren auf Annahmen über Gestalt und Ursachen möglicher Verformungen. Welche und wie solche Algorithmen im Rahmen der vorliegenden Erfindung verwendbar sind, wird in der Patentschrift nicht erwähnt.
3.3 Erfingungsgemäß wird in der Bestrahlungsphase ein 3D-Bestrahlungssatz gewonnen, der mit dem 3D-Planungsbilddatensatz registriert wird, um die Veränderungen bei der Bestrahlung zu kompensieren. Die zugehörige Transformation, die dabei gewonnen wird, beschreibt beispielsweise Verschiebung, Rotation, Skalierung, Scherung und/oder auch Deformation des Zielvolumens (vgl. Absatz [0016] der veröffentlichten Anmeldung). Da die Beschreibung keine Angaben macht, wie zwischen den möglichen Veränderungen unterschieden wird, ist nun auch unklar, wie die entsprechende Transformation bestimmt werden kann. In der Regel ist außerdem eine Mehrzahl von möglichen Kombinationen von Veränderungen denkbar, die einen Planungsbilddatensatz zu einem Bestrahlungssatz führen kann. Mit dieser Feststellung wird auch an die Einzigartigkeit der Lösung bezweifelt.
3.4 Eine weitere Schwierigkeit beim beanspruchten Verfahren besteht bei der Zuordnung der einzelnen Dosen.
Einen Beleg für diese Schwierigkeiten liefert die Patentbeschreibung im Absatz [0017], indem auf eine in den unabhängigen Ansprüchen nicht reproduzierte Einschränkung des Verfahrens hingewiesen wird. Zur Anpassung des Bestrahlungsfeldes aus der Planungsphase an die Bestrahlungsphase mittels der gewonnenen Transformation, um die Veränderung des Zielvolumens zu berücksichtigen, wird nämlich festgestellt (Hervorhebung von der Kammer):
"[0017] Dies hat den Vorteil, dass das geplante und für die Bestrahlung verifizierte und überprüfte Bestrahlungsfeld trotz der Änderung im Zielvolumen keine erneute Verifikation benötigt. Somit können kleine Lage- und/oder Formveränderungen des Zielvolumens schnell und einfach in der Bestrahlungsphase berücksichtigt werden . Bei größeren Veränderungen ist es von Vorteil, wenn zusätzlich die Dosen des Bestrahlungsfeldes anhand der Dichteverteilung im 3D-Bestrahlungsdatensatz im jeweiligen Eintrittskanalverifiziert oder angepasst werden. Somit kann beispielsweise die bei der Partikeltherapie erforderliche Genauigkeit in den Eindringtiefen der Teilchen gewährleistet werden.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 enthalten keine Einschränkung, was der Einsatz des beanspruchten Verfahrens und der beanspruchten Strahlentherapieanlage betrifft. Dies impliziert, dass das beanspruchte Verfahren und die beanspruchte Anlage auch bei größeren Lage- und/oder Formveränderungen einsetzbar sind. Aus der Passage im Absatz [0017] folgt, dass eine weitere Anpassung dann von Vorteil wäre. Diese Aussage wiederum suggeriert, dass die Anpassung des Bestrahlungsfeldes aus der Planungsphase mittels der voran gewonnenen Transformation nicht ausreicht, um über die endgültige Bestrahlungsstrategie zu bestimmen.
Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die beabsichtigte Bestrahlung nach Lage und/oder Formänderung des Zielvolumens nicht "ungefähr" durchgeführt werden darf. Eine nicht sorgfältige Anpassung der Bestrahlungsfeldes kann nämlich zu einer unzureichenden Bestrahlung von bösartigem Gewebe oder umgekehrt zu irreversiblen Schäden an gesundem Gewebe führen. Solche Lage- und/oder Formänderungen des Zielvolumens können somit wesentliche Änderungen bei der Wahl der Abstrahlrichtungen verlangen. Bei Änderungen in der Dichteverteilung sollten auch die Dosen in den jeweiligen Eintrittskanälen angepasst werden. Derartige Änderungen bei den zu applizierenden Strahlungsdosen und Einstrahlrichtungen können auch benötigt werden, um den Bestrahlungsplan an Lage und/oder Formveränderungen eines das Zielvolumen umgebenden Volumens anzupassen (vgl. Absatz [0023]). Die beabsichtigte Behandlung verlangt nämlich, dass Überdosierungen in zu schonendem Gewebe verhindert werden.
Das Verifizieren und Anpassen von Bestrahlungsfeldern werden üblicherweise von hochspezialisierten Fachärzten durchgeführt. Wie die ermittelte Transformation das Bestrahlungsfeld ohne Verifikation oder Neuberechnungen auch auf veränderte Zielvolumina anzuwenden ist, wird in der Patentschrift nicht dargelegt.
Die Beschwerdegegnerin konnte auch nicht nachweisen, dass die fehlende Information zum allgemeinen Fachwissen gehören würde.
Aus der obengenannten Gründen folgt, dass
- die Gewinnung einer verwendbaren Transformation beim Registrieren des Zielvolumens im 3D-Planungsbilddatensatz und im 3D-Bestrahlungsdatensatz, welche eine Lage- und/oder Formveränderung des Zielvolumens im Patienten beschreibt, nur bei vereinfachten Deformationen des Zielvolumens möglich ist,
und dass
- eine Anpassung des Bestrahlungsfeldes aus der Planungsphase mittels der Transformation an die Lage- und/oder Formveränderunq des Zielvolumens in der Bestrahlungsphase nur bei kleinen Lage- und/oder Formveränderungen des Zielvolumens möglich ist.
3.5 Das Verfahren des Anspruchs 1 und die Strahlentherapieanlage des Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag sind somit nicht im gesamten Schutzbereich durchführbar, im Widerspruch zu den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.
4. Die gleiche Analyse gilt für den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 5.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.