T 0504/13 () of 11.8.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T050413.20150811
Datum der Entscheidung: 11 August 2015
Aktenzeichen: T 0504/13
Anmeldenummer: 05011657.3
IPC-Klasse: E05F 15/16
E05F 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antriebsvorrichtung für ein Tor
Name des Anmelders: Sommer Antriebs- und Funktechnik GmbH
Name des Einsprechenden: AVANTI-Antriebe GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Entscheidung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Europäische Patent Nr. 1 574 656 wurde am 19. Dezember 2012 zur Post gegeben.

Die Beschwerdeführerin (Ein­sprechende) hat gegen diese Entscheidung, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, am 27. Februar 2013 Beschwerde ein­gelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 29. April 2013 eingereicht.

II. Folgende Druckschriften sind für die vorliegende Ent­schei­dung relevant:

D6: Bedienungsanleitung sprint 550 S, 550 SL; duo 500 S, 500 SL, 650 SL; marathon 550, 800, 1100 SL der Firma Sommer Antriebs- und Funktechink GmbH

A5: Fotokonvolut des marathon 550

III. Am 11. August 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Abwesenheit der Beschwerde­führerin statt (Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK).

Wegen der Einzelheiten der Verhandlung wird auf das Protokoll bezuggenommen.

Die Beschwerdeführerin beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde sowie hilfsweise, unter Auf­hebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrecht­erhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 1. Juli 2015 als Hilfs­antrag eingereichten Anspruchssatzes.

IV. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Antriebsvorrichtung für ein Tor, mit einer in Bewegungs­richtung des Tores verlaufenden Führungs­einrichtung, mit einem an dieser fahrbaren, einen Elektro­motor aufweisenden Schlitten zum Betätigen eines Torblatts, und mit mit [sic] Stromzuleitungsmitteln zur Verbindung des Elektromotors mit einer Stromquelle, wobei die Strom­zuleitungsmittel ein mit dem Elektro­motor in Ein­griff stehendes Zugmittel (17) aufweisen,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Stromzuleitungsmittel zudem einen ersten und einen zweiten Einsatz­körper (8, 10) aufweisen (Merkmal 6),

welche wahlweise, nach einer Wende um einen Winkel von 180° in eines der längsseitigen Enden der Führungs­einrichtung einsteckbar sind (Merkmal 7),

wobei der erste und zweite Einsatzkörper (8, 10) jeweils eine Zugmittelspannvorrichtung (13, 14) mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweist (Merkmal 8),

welches in Form eines Hakens (Merkmal 8a)

oder welches bajonettartig ausgebildet ist (Merkmal 8b),

und wobei das Zugmittel (17) über die Zugmittel­spann­vorrichtung des ersten Einsatzkörpers (8) mit einem An­schluss­kabel (11) verbunden ist."

Die Merkmalsbezeichnung (Merkmale 6 bis 8) wurde von der Kammer hinzugefügt.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass die Merkmale hinzu­gefügt wurden wonach:

"die Führungseinrichtung von einer Führungsschiene (3) gebildet ist, welche Bestandteil der Strom­zuleitungs­mittel ist und dass jeder Einsatzkörper (8, 10) einen ersten, die Zug­mittel­spannvor­richtung (13, 14) tragenden Teil (18) und einen zweiten, einen Anschlag (22) für die Halterung an einem Ende der Führungs­schiene (3) bildenden Teil (19) auf­weist, wobei in dem Teil (19) eine Öffnung (23) als Zu­gang für eine Ein­stell­vorrichtung (16) der Zug­mittel­spannvorrichtung (14) vorgesehen ist."

V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Zulässigkeit der Änderungen

Anspruch 1 verlange in Merkmal 6, dass die Strom­zu­leitungs­mittel einen ersten und einen zweiten Einsatz­körper aufweisen. Jedoch gebe Absatz [0009] der A2 Schrift an, dass der zweite Einsatzkörper ohne Anschlusskabel ausgeführt sei, so dass dieser nicht Bestandteil der Stromzuleitungsmittel sein könne.

Folglich genüge Anspruch 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

Erfinderische Tätigkeit

D6 in Verbindung mit A5 offenbare alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1, außer den Merkmalen 8a und 8b. Da es für den Fachmann naheliegend sei, einen Haken oder einen Bajonettverschluss einzusetzen, um einen werkzeug­losen Einbau des Zugmittels zu erreichen, beruhe sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zum Hilfsantrag äußerte sich die Beschwerdeführerin nicht.

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Zulässigkeit der Änderungen

Beide Einsatzkörper seien gleich ausgeführt und könnten Kontakte zur Kontaktierung mit der zweiten Ader des Stromkreises aufweisen (siehe [0022]). In Ab­hängigkeit von ihrer Einbau­lage könnten sie jeweils so genutzt werden, dass sie aktiv am Stromkreis teil­nehmen. Somit seien sie prinzipiell als Strom­zu­leitungs­mittel zu betrachten, und das Merkmal 6 sei ursprünglich offenbart.

Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

D6 offenbare in Verbindung mit A5 alle Merkmale des Oberbegriffs des An­spruchs 1. Jedoch offenbare sie nicht die Merkmale 6 bis 8.

An dem Ende der Schiene, an dem das Steuerungsgehäuse angebracht wird, werde zwar ein Einsatzteil in die Schiene eingesetzt, doch weise dieser keine Zug­spann­mittel auf, so dass er an und für sich nicht als zweiter Einsatz­körper im Sinne des Anspruchs 1 be­trachtet werden könne. Die Zugspannmittel befänden sich nämlich im Steuer­ungsgehäuse, das aber keinen Einsatz­körper darstelle, weil es nicht in die Schiene eingesetzt werde.

Selbst unter der Annahme, dass D6 zwei Einsatzkörper im Sinne des Merkmals 6 offenbare, könnten diese nicht - wie von Merkmal 7 verlangt - nach einer Wende um 180° in das andere Ende der Führungseinrichtung unter Bei­behaltung der Funktionsfähigkeit der Antriebs­vor­richtung ein­gesteckt werden. In diesem Fall würde die Kette nämlich gegen die Schalt­schieber streifen.

Da Kette und Zugspannmittel in D6 mit einem Ketten­schloss verbunden seien, unterscheide sich der Gegen­stand des Anspruchs 1 von der Vorrichtung gemäß D5 und A5 zusätzlich durch die Merkmale 8a bzw. 8b. Das Vor­sehen eines Hakens oder eines Bajonettverschlusses löse die Aufgabe, die Montage auch ohne den Einsatz eines Werk­zeugs zu er­möglichen. Eine solche Verbindungs­möglichkeit sei für den Fachmann nicht naheliegend.

Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag

D6 offenbare keine Einsatzkörper mit den in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hinzugefügten Merkmalen. Da diese Merkmale auch nicht naheliegend seien, beruhe zumindest der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Zulässigkeit der Änderungen

Das Merkmal 6 sieht vor, dass die Stromzuleitungsmittel einen ersten und einen zweiten Einsatz­körper aufweisen. Es ist unstreitig, dass der erste Einsatzkörper als Strom­zuleitungsmittel dient, da er das Strom­anschluss­kabel (11) trägt (siehe Spalte 3, Zeilen 34 bis 36 und Spalte 4, Zeilen 15 bis 28) und seitlich Kontakte (21) zur Kontaktierung der zweiten Ader - der Führungs­schiene - aufweist.

Wie in Absatz [0022] beschrieben, ist der zweite Einsatz­körper vorzugsweise genauso wie der erste Einsatzkörper ausgestaltet und kann mit dem zweiten Einsatzkörper ausgetauscht werden. Somit kann sowohl der erste als auch der zweite Einsatzkörper zur Stromzufuhr genutzt werden und somit prinzipiell als Stromzuleitungsmittel betrachtet werden. Anspruch 1 gemäß beider vorliegenden Anträge erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Die in D6 in Verbindung mit A5 beschriebene Antriebs­vorrichtung stellt unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Entgegenhaltung offenbart eben­falls unstreitig alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 (siehe insbesondere Seite 6 der D6) sowie das Merkmal 9 (siehe insbesondere Figur 3/6 der A5).

2.2 Die Kombination der Merkmale 6 bis 8 verlangt, dass die Vorrichtung zwei Einsatzkörper aufweist, die als Strom­zuleitungsmittel fungieren (Merkmal 6), mittels einer Zugmittelspannvorrichtung mit dem Zugmittel verbunden sind (Merkmal 8) und nach einer Wende um 180° in eines der Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind (Merkmal 7).

2.2.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass D6 keinen zweiten Einsatzkörper gemäß Merkmal 8 offenbare, weil das Steuer­ungsgehäuse nicht als Einsatzkörper be­trachtet werden könne und das in die Schiene ein­ge­steckte Teil, anders als von Merkmal 8 verlangt, keine Zugspannvorrichtung aufweise.

Das Bauteil, das in der Vorrichtung der D6 (siehe Seite 6) am rechten Ende der Schiene eingesetzt wird, ist, wie aus Figur 4/6 der A5 ersichtlich, mit dem Steuerungs­gehäuse fest verbunden. Die Gesamtheit dieses Einsteck­teils und des Steuerungsgehäuses kann offen­sicht­lich in die Schiene ein­gesteckt werden, und weist eine Zugmittel­spann­vorrichtung mit einem das Zugmittel verriegelnde Teil auf. Da der Anspruch die Bauform des Einsatz­körpers nicht spezifiziert, kann das Steuer­ungsgehäuse zusammen mit dem Einsteckteil als ein Einsatz­körper im Sinne der Merkmale 6 und 8 betrachtet werden. Somit offenbart auch D6 zusammen mit A5 zwei Einsatz­körper wie von Anspruch 1 verlangt.

2.2.2 Die Beschwerdegegnerin führt weiter aus, dass selbst unter der Annahme, dass D6 zwei Einsatzkörper offen­bare, diese nach einer Wende um 180° nicht am anderen Ende der Schiene eingesetzt werden könnten. Nach einer solchen Wende würde nämlich die Kette an den in der Schiene eingesetzten Schaltschiebern schleifen und somit die Funktions­fähigkeit der Vorrichtung in Frage stellen.

Es stimmt zwar, dass die Kette in der in D6 und A5 gezeigten Vorrichtung asymmetrisch innerhalb der Führungs­schiene eingebaut ist und dass sie sich nach der Wende der Einsatzkörper auf der anderen Seite der Schie­ne befinden würde. Dies ist aber im Streitpatent auch nicht anders, da wie aus den Figuren 5 und 6 ersichtlich, die Einsatz­körper einen unsymmetrischen Ketten­angriffspunkt haben.

Außerdem verlangt Merkmal 7 lediglich, dass die Einsatz­körper an den Enden der Führungsschiene einsteckbar sind, und schließt nicht aus, dass Umbau­maßnahmen notwendig sind, damit die Vorrichtung auch in dieser Einbauposition der Einsatzkörper funktionsfähig ist.

Somit offenbart D6 auch das Merkmal 7 des Anspruchs 1.

2.3 Folglich unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der in D6 gezeigten Vorrichtung lediglich durch die Merkmale 8a bzw. 8b.

Diese sehen vor, dass die Zugmittelspannvorrichtung über ein Verriegelungsteil in Form eines Hakens oder eines Bajonettverschlusses mit dem Zugmittel verbunden ist. Die Beschwerdegegnerin führt aus, dass dadurch die Aufgabe gelöst wird, die Montage des Zugmittels werk­zeug­los durchzuführen und dass das Vorsehen dieser beiden alternative Lösungen nicht naheliegend sei.

Da dem Fachmann sowohl Haken als auch Bajonett­ver­schlüsse zum Ver­binden von Bauteilen grundsätzlich bekannt sind und es ebenfalls bekannt ist, dass für die Montage der von ihnen verbundenen Teile keine Werkzeuge notwendig sind, ist es für den Fachmann naheliegend, sie einzusetzen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.

Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag

Die Beschwerdeführerin hat keine Argumente gegen die Gewährbarkeit des Hilfsantrags vorgebracht, so dass sich die Kammer darauf beschränkt, den Hilfsantrag vor­nehmlich bezüglich der von der Beschwerdeführerin gegen den Hauptantrag erhobenen Einspruchsgründe von Amts wegen zu prüfen.

3.1 Hilfsantrag - Zulässigkeit der Änderungen

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht auf der Kombination des erteilten Anspruchs 1 und der Ansprüche 8 und 9 in der ursprünglich eingereichten Fassung. Unter Berück­sichtigung der Ausführungen zur Zulässigkeit der Ände­rungen des Hauptantrags genügt auch er den Erfor­dernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

3.2 Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

Die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hinzugefügten Merkmale sehen vor, dass beide Einsatz­körper gleich ausgeführt sind. Dadurch braucht nur eine Art von Einsatz­körpern gelagert werden, so dass Lager­kosten gespart werden können.

Da die in D6 verwendeten Einsatzkörper unterschiedlich voneinander sind und es nicht ohne einen umfangreichen Umbau möglich ist sie gleich zu gestalten, ist es für den Fachmann nicht naheliegend die genannte Aufgabe erfindungsgemäß zu lösen. Folglich beruht der Gegen­stand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.3 Hilfsantrag - im Übrigen

Auch im Übrigen bestehen seitens der Kammer keine Bedenken gegen die Gewährbarkeit des Patents auf der Basis des Hilfsantrags.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis folgender Unterlagen aufrecht­zuerhalten:

Ansprüche:

1 - 8 gemäß Hilfsantrag,

eingereicht mit Schriftsatz vom 1. Juli 2015

Beschreibung:

Spalten 1-2 eingereicht mit Schriftsatz vom 1. Juli 2015

Spalten 3-5 der Patentschrift

Zeichnungen:

Figuren 1-6 der Patentschrift

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