T 2442/12 () of 25.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T244212.20180425
Datum der Entscheidung: 25 April 2018
Aktenzeichen: T 2442/12
Anmeldenummer: 05817042.4
IPC-Klasse: H04N 5/225
H01L 27/146
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bilderfassungseinrichtung
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 10. Juli 2012 über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 05 817 042.4, die als internationale Anmeldung WO 2006/072518 A1 veröffentlicht worden ist.

II. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags und des ersten bzw. zweiten Hilfsantrags. Im erstinstanzlichen Verfahren wurden die folgenden Dokumente genannt:

D1: US 2004/0085476 A1,

D2: US 2002/0006687 A1 und

X1: EP 0 828 298 A2.

III. Die Anmelderin legte Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung aufzuheben. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie je einen geänderten Anspruchssatz gemäß einem Haupt- und einem ersten und zweiten Hilfsantrag sowie geänderte Beschreibungsseiten ein.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) äußerte die Kammer die Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des ersten und zweiten Hilfsantrags nicht nur durch die Kombination von D1 und D2, sondern auch durch D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt sei. Zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens fügte die Kammer einen Auszug aus dem Fachbuch "EMV-gerechtes Gerätedesign" von G. Durcansky, veröffentlicht 1992, S. 469 bis 471 bei.

V. Die Beschwerdeführerin antwortete mit Schreiben vom 19. März 2018 und reichte neue Anspruchssätze gemäß einem Hauptantrag und ersten bis siebten Hilfsanträgen ein. Sie argumentierte, dass der Gegenstand dieser Ansprüche neu und erfinderisch gegenüber dem zitierten Stand der Technik sei.

VI. Am 25. April 2018 wurde die mündliche Verhandlung abgehalten.

In dieser führte die Kammer das Dokument X1 als Grundlage für das Beschwerdeverfahren ein und überreichte der Beschwerdeführerin zum Beleg des allgemeinen Fachwissens zum Prioritätszeitpunkt Kopien des Impressums sowie der Seiten 458 bis 471 aus dem Lehrbuch "EMV-gerechtes Gerätedesign - Grundlagen der Gestaltung störungsarmer Elektronik" von Georg Durcansky. Nachdem der von der Beschwerdeführerin bisher eingereichte Hauptantrag sowie die bisher eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 von der Kammer entweder nicht zugelassen wurden oder deren Gegenstand nach Auffassung der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte, reichte die Beschwerdeführerin Patentansprüche 1 bis 9 gemäß ihrem Hilfsantrag 3a in markierter Fassung, unterzeichnet von ihrem Vertreter und mit Datum vom 25. April 2018 versehen, ein. Die Kammer ließ den Hilfsantrag 3a in das Verfahren zu. Die Beschwerdeführerin teilte mit, dass sie ihren Hauptantrag sowie ihre Hilfsanträge 1, 2 und 3 zurücknehme, und beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent zu erteilen auf der Grundlage des Anspruchssatzes gemäß dem Hilfsantrag 3a. Ferner erklärte sie, dass sie keine weiteren Anträge oder Anmerkungen vorzubringen habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2018 verwiesen.

VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a lautet wie folgt:

"Bilderfassungseinrichtung (1) mit einem Gehäuse (2), das eine Öffnung für einen Bildsensor (5) aufweist, mit einer auf einer Platine (3) angeordneten Schaltungsanordnung für die Verarbeitung der von dem Bildsensor (5) abgegebenen Ausgangssignale, wobei der Bildsensor (5) auf einer Platine (4) angeordnet ist und wobei Verbindungsmittel (6) zwischen der Abschirmlage (4.1) und der die Schaltungsanordnung tragenden Platine (3) ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass auf der den Bildsensor (5) tragenden Platine (4) wenigstens eine Abschirmlage (4.1) angeordnet ist und die den Bildsensor (5) tragende Platine (4) zur Verbesserung der Abschirmwirkung des Gehäuses (2) gegen elektromagnetische Störstrahlung vor der Öffnung des Gehäuses (2) angeordnet ist, wobei die Verbindungsmittel (6) ein Teil bzw. eine Fortsetzung der Abschirmlage (4.1) selbst sind."

VIII. Laut der angefochtenen Entscheidung unterschied sich der Gegenstand des der Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchs 1 der damaligen Anträge vom nächstliegenden Stand der Technik dadurch, dass auf der den Bildsensor tragenden Platine wenigstens eine Abschirmlage zur Verbesserung der Abschirmwirkung gegen elektromagnetische Störstrahlung angeordnet ist. Die zu lösende Aufgabe konnte somit darin gesehen werden, eine Bilderfassungseinrichtung nach der in D1 offenbarten Gattung dergestalt zu verbessern, dass sie eine erhöhte elektromagnetische Verträglichkeit aufweist. Der Fachmann hätte diese Aufgabe dadurch gelöst, dass er die Bilderfassungseinrichtung nach D1 mit einer Abschirmlage der in D2 dargestellten Art (siehe Absätze 35 und 48 sowie Abbildung 6 und 7) ausgestattet hätte. Deshalb hielt die Prüfungsabteilung die beanspruchte Bilderfassungseinrichtung nicht für erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Die Erfindung

2. Die Erfindung betrifft eine Bilderfassungseinrichtung, wie sie beispielsweise als Baugruppe im Automobilbereich in bordgebundenen Assistenzsystemen eingesetzt wird. Die Bilderfassungseinrichtung besteht aus einem Bildsensor, der auf einer Platine angeordnet ist, sowie einer zweiten Platine mit einer Schaltungsanordnung zur Verarbeitung der von dem Bildsensor abgegebenen Signale. Da in der Bilderfassungseinrichtung für Störstrahlung empfindliche Bauelemente verbaut werden, sind diese entsprechend abzuschirmen. Zudem sollten die verbauten Bauelemente keine Störstrahlung durch das Gehäuse in die Umgebung abgeben können. Dazu wird in der vorliegenden Erfindung ein strahlungsdichtes Gehäuse verwendet, wobei durch die notwendige Gehäuseöffnung für das optische System des Bildsensors eine systembedingte Schwachstelle gegeben ist. Um trotz der Gehäuseöffnung eine möglichst gute Abschirmwirkung zu erreichen, wird auf der den Bildsensor tragenden Platine, die sich vor der Gehäuseöffnung befindet, eine Abschirmlage angeordnet. Zwischen der Abschirmlage und der zweiten Platine sind Verbindungsmittel ausgebildet, die ein Teil bzw. eine Fortsetzung der Abschirmlage selbst sind (siehe Seite 1, Zeile 14 bis 35; Seite 3, Zeile 29 bis 31; Seite 4, Zeile 3 bis 4 der Anmeldung wie veröffentlicht).

Zulässigkeit des Hilfsantrags 3a

3. Die Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 3a wurden in der mündlichen Verhandlung eingereicht (siehe Punkt VI oben). 3.1 Die Kammer sieht die Vorlage der Ansprüche als vernünftige Reaktion auf die in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung geäußerte vorläufige Einschätzung der Kammer und den Verlauf der mündlichen Verhandlung an. Die Änderungen der Ansprüche werfen keine komplexen Fragen zur Technik auf. Die Änderungen, welche die Abschirmlage auf der den Bildsensor tragenden Platine betreffen, insbesondere die Anordnung der Platine (und damit der Abschirmlage) vor der Öffnung des Gehäuses, dienen dazu, die wesentliche Idee der Erfindung klar zu definieren und so die Erfindung vom Stand der Technik nach D1 und D2 abzugrenzen. Die weiteren in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale betreffend die Verbindungsmittel als Teil bzw. Fortsetzung der Abschirmlage waren bereits im abhängigen Anspruch 5 der Anspruchssätze der Anmeldung wie veröffentlicht und der zurückgewiesenen Fassung der Anmeldung enthalten. Ihre Aufnahme in Anspruch 1 ist als Reaktion auf das Vorlegen der Auszüge aus dem Fachbuch und den Gang der mündlichen Verhandlung zu werten (siehe Punkt IV und VI oben). 3.2 Die Kammer übt daher ihr Ermessen dahingehend aus, dass sie den Hilfsantrag 3a zulässt (Artikel 13 (1) und (3) VOBK).| |

Auslegung des Anspruchs 1

4. Anspruch 1 enthält das Merkmal, dass "die den Bildsensor (5) tragende Platine (4) zur Verbesserung der Abschirmwirkung des Gehäuses (2) gegen elektromagnetische Störstrahlung vor der Öffnung des Gehäuses (2) angeordnet ist". Die Kammer versteht dieses Merkmal so, dass "trotz der wegen des Bildsensors 5 erforderlichen Öffnung im Gehäuse 2 eine möglichst gute Abschirmwirkung" (siehe Seite 3, Zeile 29 bis 31 der Anmeldung) erreicht wird, d.h. dass die Platine so nahe vor der Öffnung angeordnet ist, dass die verbesserte Abschirmwirkung des Gehäuses tatsächlich erzielt wird.

Stand der Technik, D1 und D2

5. D1 betrifft eine Digitalkamera mit einer modularen, austauschbaren Schnittstellenkarte, auf der sich der Bildsensor befindet. Durch die Austauschbarkeit der Schnittstellenkarte werden Nutzer in die Lage versetzt, die Kamera mit unterschiedlichen Bildsensoren zu verwenden.

5.1 Die D1 zeigt die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 (siehe Zusammenfassung, Figur 4 und Absatz [28]) mit Ausnahme der Abschirmlage und der Verbindungsmittel, welche zwischen der Abschirmlage und der die Schaltungsanordnung tragenden Platine ausgebildet sind. Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 werden nicht in der D1 offenbart.

5.2 Die D1 enthält keine Hinweise auf das Problem störender elektromagnetischer Strahlung und entsprechende Gegenmaßnahmen. D1 zeigt zudem zwar Verbindungsmittel zwischen einer ersten Platine, welche den Bildsensor trägt, und einer zweiten Platine. Die Verbindungsmittel werden jedoch nicht als Teil bzw. Fortsetzung der ersten Platine ausgeführt (siehe Figur 4, Verbindung zwischen 10 und 34 und Absätze [28] und [29]).

5.3 Das Problem der elektromagnetischen Verträglichkeit ist allgemein bekannt (siehe auch die unter Punkt IV und VI genannten Auszüge aus einem einschlägigen Fachbuch). Der Fachmann könnte daher weitere Dokumente wie die D2 und/oder das allgemeine Fachwissen heranziehen, um die Kamera der D1 in dieser Hinsicht zu verbessern.

5.4 Die D2 offenbart ein bildgebendes Modul für eine elektronische Kamera, welches optional mit einer Nickelbeschichtung überzogen sein kann (D2, Zusammenfassung und Absatz [0035]). Die Beschichtung wird in der D2 als vorteilhaft zur Reduzierung von elektromagnetischer Strahlung beschrieben. Verbindungsmittel, welche Teil bzw. eine Fortsetzung der Abschirmlage selbst sind, werden nicht in D2 gezeigt.

5.5 Die Anwendung der in D2 beschriebenen Maßnahme auf die in D1 beschriebene Kamera würde nicht zu der beanspruchten Lösung des technischen Problems führen. Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, müsste zunächst das Gehäuse 28 der Kamera in D1 abschirmend ausgestaltet werden, ohne dass D1 oder D2 dafür eine Anregung geben. Selbst wenn, angeregt durch die Lehre von D2, das bildgebende Modul der Kamera nach D1 mit einer Nickelbeschichtung überzogen und zusätzlich noch eine Metallschicht auf die den Bildsensor tragende Platine aufgetragen würde, käme es durch die zusätzliche Metallschicht nicht zu einer Verbesserung der Abschirmwirkung des Gehäuses für den Bereich außerhalb des bildgebenden Moduls, da in D1 die den Bildsensor tragende Platine nicht derart vor der Öffnung des Gehäuses angeordnet ist, dass sie eine Verbesserung der Abschirmwirkung des Gehäuses gegen elektromagnetische Störstrahlung bewirken würde. Wie der Figur 4 der D1 zu entnehmen ist, befindet sich die den Bildsensor tragende Schnittstellenkarte an einer der Öffnung gegenüberliegenden Rückseite der Kamera. Die durch die Gehäuseöffnung bedingte Schwachstelle wäre weiterhin wirksam. Zudem würden weiterhin nicht die Verbindungsmittel als Teil bzw. Fortsetzung der Abschirmlage verwirklicht.

5.6 Damit sind die in der angegriffenen Entscheidung genannten Gründe im Hinblick auf den vorliegenden, geänderten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a nicht (mehr) zutreffend. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

Zurückverweisung

6. Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück.

6.1 Im vorliegenden Fall bestehen Zweifel, ob der beanspruchte Gegenstand durch die in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale auf erfinderischer Tätigkeit beruht, insbesondere da im Recherchenbericht noch weitere Dokumente "von besonderer Bedeutung" (Y-Dokumente) aufgeführt wurden, die nicht im Prüfungsverfahren genannt wurden. Zudem zeigt keines der bisher herangezogenen Dokumente Verbindungsmittel, welche als Fortsetzung einer Platinenlage ausgebildet sind. Solche Verbindungsmittel sind aber unter dem Namen Semiflex bekannt.

6.2 Die Kammer übt unter diesen Umständen ihr Ermessen i.S.v. Artikel 111 (1) EPÜ 1973 dahingehend aus, den Fall zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zu verweisen. Diese wird Gelegenheit haben, im Hinblick auf die im Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 3a hinzugekommenen Merkmale den nächstliegenden Stand der Technik ggf. neu zu definieren und auf dieser Basis die Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen.

6.3 Die Beschwerdeführerin beantragte in ihren Schlussanträgen die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent zu erteilen auf der Grundlage des Anspruchssatzes gemäß dem Hilfsantrag 3a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2018. Weitere Anträge wurden nicht vorgebracht. Daher ist aktuell Hilfsantrag 3a der einzige geltende Antrag der Beschwerdeführerin.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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