T 2403/12 (dsRNA zur Hemmung der Genexpression/ALNYLAM) of 30.9.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T240312.20150930
Datum der Entscheidung: 30 September 2015
Aktenzeichen: T 2403/12
Anmeldenummer: 05002454.6
IPC-Klasse: C12N 15/11
A61K 31/713
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Doppelsträngige RNA (dsRNA) zur Hemmung der Expression eines vorgegebenen Gens
Name des Anmelders: Alnylam Europe AG
Name des Einsprechenden: Sirna Therapeutics
Pfizer Limited
Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
Silence Therapeutics AG
Roques, Sarah Elizabeth
Kammer: 3.3.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1)
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Verstoß gegen Artikel 76(1) bzw. 123(2) EPÜ (nein)
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1052/02
T 1790/06
T 1271/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die am 10. September 2012 zur Post gegebene Entscheidung einer Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes nach Artikel 101 (3) (b) EPÜ, mit der das europäische Patent Nr. 1 550 719 (Anmeldenummer 05002454.6) mit der Bezeichnung "Doppelsträngige RNA (dsRNA) zur Hemmung der Expression eines vorgegebenen Gens" widerrufen wurde. Das Patent wurde für eine Teilanmeldung aus der europäischen Patentanmeldung Nr. 02003683.6 (im Folgenden "die frühere Teilanmeldung") erteilt, die ihrerseits eine Teilanmeldung aus der als internationale Anmeldung nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens eingereichten und als WO 00/44895 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung Nr. 00910510.7 (im Folgenden die "Stammanmeldung") ist.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurden fünf Einsprüche eingelegt, die auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) i.V.m. Artikeln 54 und 56, 100 b) und 100 c) EPÜ gestützt wurden.

III. In der angefochtenen Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand der geänderten Ansprüche gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4, alle am 11. Mai 2012 eingereicht, über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgehe und gegen Artikel 76(1) EPÜ verstoße (siehe Punkte 4.4.1 bis 4.4.8 und 6 der Entscheidung). Dasselbe gelte in Bezug auf den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht (Artikel 123(2) EPÜ; siehe Punkte 5 und 7 der Entscheidung). Bezüglich des Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag sah die Einspruchsabteilung die Voraussetzungen der Regel 80 und des Artikels 84 EPÜ als erfüllt an (siehe Punkte 2 und 3 der Entscheidung).

IV. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Oligonukleotid mit doppelsträngiger Struktur (dsRNA) zur Hemmung der Expression eines vorgegebenen Zielgens in Säugerzellen, wobei die dsRNA aus 15 Basenpaaren besteht und ein Strang der dsRNA einen zum Zielgen komplementären aus 15 aufeinanderfolgenden Nukleotidpaaren bestehenden Bereich I aufweist und ein innerhalb der doppelsträngigen Struktur komplementärer Bereich II aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen gebildet ist, wobei die doppelsträngige Struktur durch chemische Verknüpfung der Einzelstränge stabilisiert ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 27 sind auf verschiedene Ausführungsformen des Oligonukleotids gemäß Anspruch 1 gerichtet.

V. Mit der Beschwerdebegründung verfolgte die Beschwerdeführerin die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anträge (Hauptantrag und erster bis vierter Hilfsantrag) weiter. Hilfsweise beantragte sie mündliche Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ.

VI. Am 3. Juni 2013 nahm die Einsprechende 03 ihren Einspruch zurück.

VII. Die Einsprechende 01 erwiderte auf die Beschwerdebegründung, nahm jedoch ihren Einspruch am 11. März 2014 zurück.

VIII. Die Einsprechende 04 (Beschwerdegegnerin II) nahm zu der Beschwerdebegründung Stellung und beantragte hilfsweise mündliche Verhandlung. Die Einsprechenden 02 (Beschwerdegegnerin I) und 05 (Beschwerdegegnerin III) äußerten sich nicht.

IX. Die Beteiligten wurden zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer der Ladung beigefügten Mitteilung gemäß Regel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Meinung zu einigen strittigen Punkten mit. Ferner wies sie darauf hin, dass sie beabsichtige, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sollte einer der vorliegenden Anträge entgegen den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung nicht gegen Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ verstoßen.

X. Die Beschwerdegegnerinnen I und III teilten der Kammer mit Schreiben vom 7. September bzw. 18. August 2015 mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden.

XI. Die mündliche Verhandlung fand am 30. September 2015 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin II statt.

XII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gehe weder über den Inhalt der Stammanmeldung noch über den Inhalt der dem vorliegenden Patent zugrunde liegenden Anmeldung hinaus. In beiden Anmeldungen werde eine dsRNA mit einer Länge von 15 bis 49 bp offenbart. Eine Einschränkung auf eine Länge von 15 bp, die die Untergrenze des ursprünglich offenbarten Bereichs darstelle, sei nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zulässig (siehe Entscheidung T 1052/02 vom 3. Mai 2005, Punkt 12 der Entscheidungsgründe).

Ein Fachmann auf dem Gebiet der Molekularbiologie mit Kenntnissen der Biochemie könne eine dsRNA, die einen aus 15 aufeinanderfolgenden Nukleotidpaaren bestehenden Bereich I aufweist, unmittelbar und eindeutig aus der Stammanmeldung herleiten. Dies gelte entsprechend in Bezug auf die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Den Angaben auf Seite 3, vierter Absatz und Seite 4, zweiter Absatz der Stammanmeldung könne der Fachmann entnehmen, dass sich der Bereich I über die gesamte Länge der dsRNA erstrecken kann. Eine dsRNA, die wie im Beispiel 2 des Streitpatents gezeigt mit dem Zielgen vollständig komplementär ist, sei für den Fachmann eine "natürliche Wahl". Auch aus der Offenbarung auf Seite 4, zweiter Absatz der Stammanmeldung, nach der die dsRNA länger als der zum Zielgen komplementäre Bereich I sein könne, ergebe sich unmittelbar und eindeutig, dass der Bereich I und die dsRNA die gleiche Länge haben können, d.h. dass die gesamte dsRNA komplementär zum Zielgen sein könne. Aus den Ausführungen der Beschwerdekammer in Punkt 15 der Entscheidung T 1790/06 vom 9. Dezember 2008 betreffend die Zulassung eines Hilfsantrags zum Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung könne nicht gefolgert werden, dass die Kammer Bedenken bezüglich der Grundlage für einen Bereich I mit einer Länge von 15 bp in der Stammanmeldung gehabt hätte.

Dass der Bereich II der dsRNA aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen gebildet ist, könne aus dem zweiten Satz auf Seite 5 und dem Anspruch 13 der Stammanmeldung hergeleitet werden. Eine Kombination mit den weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 ergebe sich aus dem Verweis in Anspruch 13 auf einen der vorhergehenden Ansprüche.

Der auf die Entscheidung T 1271/09 vom 19. Mai 2010 gestützten Meinung der Einspruchsabteilung, der vorliegende Anspruch 1 verstoße wegen des geänderten Wortlauts "bestehend aus" anstelle von "aufweisen" gegen die Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ, könne nicht zugestimmt werden. Die Einspruchsabteilung habe die Ausführungen der Kammer in Punkt 8 dieser Entscheidung verkannt.

XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin II lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ

Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass eine dsRNA mit einem aus 15 aufeinanderfolgenden Nukleotidpaaren bestehenden Bereich I weder in der Stammanmeldung noch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart werde, sei richtig. Bezüglich der Länge des zum Zielgen komplementären Bereichs I werde in der Stammanmeldung lediglich offenbart, dass dieser Bereich höchstens 49 aufeinanderfolgende Nukleotidpaare aufweist (siehe Seite 3, zweiter Absatz und den Absatz zwischen den Seiten 8 und 9). Die Angaben auf Seite 4, Zeilen 11 bis 15, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird, könne nur als Bestätigung der Angaben auf Seite 3 bezüglich der Länge des Bereichs I verstanden werden.

In der Stammanmeldung werde eine dsRNA mit einem zum Zielgen komplementären, genau 15 kb langen Bereich I weder ausdrücklich noch implizit offenbart. Beispiel 2 sei das einzige Beispiel in der Anmeldung, in dem eine kurze dsRNA eingesetzt werde, diese dsRNA habe aber eine Länge von 21 bp. Das Argument der Beschwerdeführerin, ein 15 kb langer Bereich I sei für den Fachmann eine "natürliche Wahl", beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung des Offenbarungsgehalts der Anmeldung auf das für den Fachmann Naheliegende.

Die Feststellungen der Einspruchsabteilung bezüglich der Einzelsträngigkeit des Bereiches II seien richtig. Selbst wenn der Fachmann die Ansprüche 12 und 13 der Stammanmeldung berücksichtigen würde, müsste er zwischen - mindestens - zwei Alternativen wählen.

Die Kombination der vollständigen Komplementarität mit dem Zielgen und der genauen Länge von 15 bp könne der Fachmann weder aus der Stammanmeldung noch aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung herleiten. Das Beispiel 2 biete dafür keine Grundlage. Der vorliegende Anspruch 1 verstoße daher gegen Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ.

XIV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrages, hilfsweise eines der Hilfsanträge 1 bis 4, alle eingereicht mit Schreiben vom 11. Mai 2012, aufrechtzuerhalten.

XV. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 04) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Regel 80 und Artikel 84 EPÜ

1. Im Beschwerdeverfahren sind die Feststellungen der Einspruchsabteilung zu Regel 80 und Artikel 84 EPÜ (siehe Punkte 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung) nicht strittig und die Kammer hat keine Veranlassung, sie in Frage zu stellen.

Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ

2. Den Ausführungen der Einspruchsabteilung in Punkt 4.4.2 der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Länge der dsRNA gemäß Anspruch 1 ist zu entnehmen, dass sie eine Länge von 15 bp als ursprünglich offenbart angesehen hat. Gegen diese Feststellung hat die Beschwerdegegnerin nichts vorgetragen und die Kammer hat nichts einzuwenden.

3. Gegen die Feststellung in Punkt 4.4.3 der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der "indirekt" offenbarten Länge des Bereichs I von 15 kb argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass eine explizite Offenbarung fehle. Die Kammer ist jedoch - wie die Einspruchsabteilung - der Auffassung, dass der Fachmann, der die Stammanmeldung liest, insbesondere die Angaben auf Seite 3, Zeilen 6 und 7 ("der zum Zielgen komplementäre Bereich I höchstens 49 aufeinanderfolgenden Nukleotidpaare aufweist") und auf Seite 4, Zeilen 11 bis 14 ("Nach einem weiteren Ausgestaltungsmerkmal weist die dsRNA 10 bis 1000, vorzugsweise 15 bis 49, Basenpaare auf. Die dsRNA kann also länger als der zum Zielgen komplementäre Bereich I sein") daraus herleitet, dass erfindungsgemäß die dsRNA und der Bereich I gleich lang sein können, d.h. der Bereich I sich über die gesamte Länge der dsRNA erstreckt.

4. In Punkt 4.4.4 der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass für die Angaben im ersten Absatz auf Seite 5 der Stammanmeldung zwei Interpretationsmöglichkeiten bestünden. Dieser Absatz lautet:-

"Nach einem weiteren Ausgestaltungsmerkmal ist die dsRNA abschnittsweise doppelsträngig ausgebildet. Ein innerhalb der doppelsträngigen Struktur komplementärer Bereich II wird aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen oder aus selbstkomplementären Bereichen eines, vorzugsweise zirkulär ausgebildeten, topologisch geschlossenen RNA-Einzelstrands gebildet."

5. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdegegnerin ist die im ersten Satz dieses Absatzes erwähnte Möglichkeit einer abschnittsweise doppelsträngigen Ausbildung der dsRNA unabhängig von deren ebenfalls möglichen Ausgestaltung in Form von zwei separaten RNA-Einzelsträngen zu verstehen. Diese Interpretation findet in den Ansprüchen 12 und 13 der Stammanmeldung Bestätigung, die jeweils eine dieser Ausgestaltungen der dsRNA betreffen. Somit vermag die Kammer bei dem Merkmal im Anspruch 1, dass der komplementäre Bereich II aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen gebildet ist, keine über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinausgehende Lehre zu sehen.

6. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass ihrer Meinung nach die Einwände gegen die Merkmale "in Säugerzellen" und "... wobei die doppelsträngige Struktur durch chemische Verknüpfung der Einzelstränge stabilisiert ist" im Anspruch 1 nicht gerechtfertigt sind (siehe Punkte 4.4.5 und 4.4.6 der Entscheidung). Gegen diese Feststellungen wurden im Beschwerdeverfahren keine Argumente vorgebracht. Auch die Kammer hat nichts einzuwenden.

7. Die Einspruchsabteilung stellte in Punkt 4.4.7 der angefochtenen Entscheidung fest, dass die Offenbarung auf Seite 4, Zeilen 11 bis 14 der Stammanmeldung ("Nach einem weiteren Ausgestaltungsmerkmal weist die dsRNA 10 bis 1000, vorzugsweise 15 bis 49, Basenpaare auf. Die dsRNA kann also länger als der zum Zielgen komplementäre Bereich I sein."; Hervorhebung durch die Kammer) keine Grundlage für eine dsRNA biete, die aus 15 Basenpaaren besteht (siehe Punkt 4.4.7 der angefochtenen Entscheidung). Aus der Sicht der Einspruchsabteilung, die sich auf Punkt 8 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 1271/09 (supra) stützte, offenbare die Stammanmeldung (bzw. die frühere Teilanmeldung und die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht) eine dsRNA, bei der neben der doppelsträngigen Struktur andere Elemente vorhanden seien. Eine dsRNA, bei der die Bereiche I und II identisch seien und die keine weiteren Elemente aufweise, sei jedoch nicht offenbart.

8. In der Entscheidung T 1271/09 (supra), der ein aus der früheren Teilanmeldung hervorgegangenes Patent zugrunde liegt, legte diese Kammer (in einer anderen Zusammensetzung) einen Anspruch, der das Merkmal "ein 15 bis 49 Basenpaare aufweisendes Oligoribonukleotid mit doppelsträngiger Struktur (dsRNA)" enthielt, wie folgt aus:

"An dieser doppelsträngigen Struktur können andere Elemente links und rechts angehängt sein, die allerdings keine Basenpaare sind. ... In der doppelsträngigen Struktur sind zwei Bereiche zu erkennen: Bereich I [...]; Bereich II, der die Komplementarität innerhalb der doppelsträngigen Struktur definiert, kann maximal dem gesamten Bereich I entsprechen." (siehe Punkt 8 der Entscheidung; Hervorhebung durch die Kammer)

9. Aus der Sicht der mit der vorliegenden Beschwerde betrauten Kammer treffen diese Ausführungen für den jetzigen Anspruch 1 entsprechend zu. Die Kammer vermag keine Diskrepanz zwischen dem Merkmal "besteht aus 15 Basenpaaren" und dem Vorhandensein einer (weiteren) chemischen Verknüpfung zu sehen. Gäbe es dennoch eine Diskrepanz, so würde es sich um einen Klarheitsmangel handeln, mit dem - wie in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung erwähnt - bereits der erteilte Anspruch 1 behaftet war.

10. Bezüglich der Kombination der Merkmale "wobei die dsRNA aus 15 Basenpaaren besteht", "wobei ... ein Strang der dsRNA einen zum Zielgen komplementären aus 15 aufeinanderfolgenden Nukleotidpaaren bestehenden Bereich I aufweist" und "wobei ... ein innerhalb der doppelsträngigen Struktur komplementärer Bereich II aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen gebildet ist", bei der es sich nach Meinung der Einspruchsabteilung um eine "mosaikartige Zusammensetzung" handelt, die in der Stammanmeldung (bzw. in der früheren Teilanmeldung und in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht) nicht offenbart wurde (siehe Punkt 4.4.8 der angefochtenen Entscheidung), ist die Kammer einer anderen Auffassung.

11. Die Angaben auf Seite 4, Zeilen 11 bis 14 (siehe Zitat in Punkt 3 oben) sind weder als "Listen" noch als "Mosaiksteine" anzusehen, sondern stellen definierte Ausgestaltungsmerkmale der Erfindung dar, deren Kombination für den Fachmann offensichtlich ist und daher nicht über den Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung hinausgeht. Bei dem den Bereich II betreffenden Merkmal ("aus zwei separaten RNA-Einzelsträngen gebildet") handelt es sich um eine von verschiedenen Möglichkeiten, die im ersten Absatz auf Seite 5 (siehe Zitat in Punkt 4 oben) und in Anspruch 13 der Stammanmeldung offenbart werden. Durch die Kombination dieses Merkmals mit den den Bereich I kennzeichnenden Merkmalen wird jedoch ein Gegenstand definiert wird, der für den Fachmann aus der Stammanmeldung eindeutig herleitbar ist. Dies gilt ebenfalls in Bezug auf die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung.

12. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass entgegen der Feststellung in der angefochtenen Entscheidung Anspruch 1 des Hauptantrags nicht gegen Artikel 76(1) und/oder 123(2) EPÜ verstößt.

Artikel 111(1) EPÜ

13. Die Kammer hält es für sachdienlich, die Angelegenheit zur Prüfung der weiteren Einspruchsgründe an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Die bei der mündlichen anwesenden Beteiligten erklärten sich damit einverstanden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des Hauptantrages an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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