T 1654/12 () of 30.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T165412.20150630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 2015
Aktenzeichen: T 1654/12
Anmeldenummer: 06706881.7
IPC-Klasse: B62D 53/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SCHMIERSYSTEM FÜR EINE SATTELKUPPLUNG EINES ZUGFAHRZEUGES
Name des Anmelders: Jost-Werke GmbH
Name des Einsprechenden: SAF-HOLLAND GmbH
Baier & Köppel GmbH & Co.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
European Patent Convention R 124(1)
Schlagwörter: Antrag zugelassen von der Einspruchsabteilung - im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen
Neuer Einspruchsgrund von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen - nicht zugelassen im Beschwerdeverfahren
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Anpassung der Beschreibung - nicht notwendig
Mündliche Ausführungen durch Begleitpersonen - (zugelassen)
Aufnahme von einer Erklärung in die Niederschrift - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
G 0004/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 2. Juli 2012 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 1846281 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.

II. Die Einspruchs­abteilung hat u.a. festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu (Hauptantrag und Hilfsantrag 2) bzw. nicht erfinderisch ist (Hilfsantrag 3).

Einen erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebrachten Mangel gemäß Artikel 100 b) EPÜ hat die Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen.

Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung haben die Einsprechenden u.a. die folgenden Dokumente benannt:

(D1): EP 1 514 774 A1

(D3): FR 2 555 110 A1

(D4): DE 41 10 893 A1

(D5): EP 1 209 038 A1

(D6): US 6,098,754

(D8): GB 2 155 417 A

(D10): US 5,219,040

(D11): DE 31 477 54 A1

(D12.1 bis D12.5) Fotos: Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen STH-319 (BE)

(D15a) "Refillable Automatic Lubricator", Katalog der AHWON CORPORATION

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt, diese begründet und die Beschwerde­gebühr bezahlt.

IV. Am 30. Juni 2015 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags (eingereicht als Hilfsantrag 5 mit Schreiben vom 29. Mai 2015) und der Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerde­gegnerin/Einsprechende 1 und die Beschwerde­gegnerin/Einsprechende 2 beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Während der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdegegnerin/Einsprechende 2 den Antrag, dass der folgende Satz in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung aufgenommen werden soll:

"Nach Auffassung der Patentinhaberin bedeutet das Merkmal "gemeinsame Baueinheit", dass die Elemente Schmierfettbehälter, Förderpumpe und Verteiler in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht sind."

V. Anspruch 1 lautet wie folgt:

Sattelkupplung (1) mit Schmiersystem für ein Zugfahrzeug (2), wobei die Sattelkupplung eine Kupplungsplatte (3) umfasst, deren Oberseite (4) mindestens eine Fettaustrittsöffnung (5) aufweist, die über jeweils eine ortsfest an der Kupplungsplatte (3) angeordnete Versorgungsleitung (6) an eine Schmiervorrichtung (7) angeschlossen ist, wobei die Schmiervorrichtung (7) ausschließlich der Sattelkupplung (1) zugeordnet ist, einen Schmierfettbehälter (8), eine Förderpumpe (9) und einen Verteiler (12) umfasst, wobei der Schmierfettbehälter (8), die Förderpumpe (9) und der Verteiler (12) der Schmiervorrichtung (7) in einer Baueinheit (13) integriert sind und wobei die gemeinsame Baueinheit (13) an der Kupplungsplatte (3) angebaut ist.

VI. Die Beschwerde­führerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der nunmehr vorliegende Hauptantrag sei als Hilfsantrag 2 in das Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingeführt worden und die Einspruchsabteilung habe über diesen Hilfsantrag 2 entschieden. Somit sei dieser auch Gegenstand der Beschwerde. Im Übrigen habe man diesen Antrag der Beschwerdekammer mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 5 erneut vorgelegt.

Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen ausgeübt und den verspätet vorgebrachten Einspruchs­grund "mangelnde Ausführbarkeit" nicht in das Verfahren zugelassen. Die Ausübung des Ermessens sei zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden. Im Übrigen werde den sachlichen Ausführungen diesbezüglich widersprochen, da die Erfindung so beschrieben sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Dieser wisse schließlich, was unter einem externen Steuergerät zu verstehen sei.

Auch sei der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 nicht unzulässig erweitert: eine Sattelkupplung, an die das erfindungsgemäße Schmiersystem anzubauen ist, sei ursprünglich offenbart worden. Insofern sei es auch zulässig, dass nunmehr der Gegenstand nicht mehr auf ein Schmiersystem, sondern auf eine Sattelkupplung gerichtet sei. Auch der Einwand, dass die Baueinheit nicht alle Komponenten des Schmiersystems beinhalte, sei nicht korrekt. Die Komponenten des erfindungs­gemäßen Schmiersystems seien in der Beschreibung umfassend dargestellt. Diese seien, bis auf die Füllstandsanzeige, alle in die Baueinheit zu integrieren. Dabei seien aber die Figuren nur Beispiele, die Feder und der Ausschubkolben stellten keine notwendigen Komponenten des Schmiersystems dar. Dies sei für den Fachmann unmittelbar zu erkennen. Somit könne deren Fehlen nicht zu einer unzulässigen Erweiterung führen.

Das Dokument D1 offenbare keinen Verteiler und könne somit nicht neuheitsschädlich sein. Es sei zwar richtig, dass in D1, Paragraph [0011] von einem Verteiler die Rede sei, es bleibe aber völlig offen, wie dieser in die gezeigten Ausführungsbeispiele zu integrieren sei. Schließlich offenbare keine der konkreten Ausführungen einen Verteiler. Dieser solle auch gemäß Anspruch 1 in eine Baueinheit integriert sein. Wie dies mit der Darstellung der Baueinheit gemäß Figur 3 in Einklang zu bringen sei, sei nicht der D1 zu entnehmen.

Auch D11 offenbare nicht den Gegenstand des Anspruchs 1. Die Figur 1, auf die Bezug genommen werde, zeige stilisiert einen Kolben, der in ein Reservoir zu drücken scheint. In der Beschreibung sei dazu nichts ausgeführt. Eine derartige Vorrichtung sei eine Fettpresse aber keine Förderpumpe. Auch könne aufgrund der stilisierten und schematischen Darstellung nicht erkannt werden, ob der Kolben an der Kupplungsplatte angebaut sei oder nicht. Dieser weise ja auch eine räumliche Ausdehnung auf und auf der Kupplungsplatte läge der Auflieger des Anhängers auf. Von daher müsse der Kolben eigentlich unterhalb der Kupplungsplatte montiert sein, da dieser nicht nach oben hervorstehen dürfe.

Der Gegenstand der in Anspruch 1 definierten Erfindung beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Schon das Merkmal 1.7 (Merkmalsgliederung gemäß der Beschwerde­erwiderung der Einsprechenden 1, Seite 3), wonach die gemeinsame Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut ist, alleine sei in der Lage, die erfinderische Tätigkeit zu begründen.

Es sei nicht nahegelegt für den Fachmann, die Schmiervor­richtung an die Kupplungsplatte anzubauen, da dort eigentlich überhaupt kein Platz vorgesehen sei und die Gefahr der Beschädigung durch den Auflieger besonders groß sei. Der Fachmann habe über­haupt keine Veranlassung sich dieser Fragestellung anzunehmen. Die Vorteile, nämlich eine wartungsarme Vorrichtung zu erreichen, stünden auf den ersten Blick derart den Nachteilen - ein sehr hoher konstruktiver Aufwand - nach, dass für einen Fachmann diese Aufgabe nicht augenfällig wäre. Auch seien die Erfolgsaussichten bei einer derartigen Erfindung nicht überschaubar, und die Nachteile des Standes der Technik seien als akzeptabel hingenommen worden.

Zunächst würden die Relativbewegungen zwischen Kupplungsplatte und Schmiersystem verhindert, was zu kurzen starren Leitungen führe. Damit könne man dann beginnen, das System konsequent zu verkleinern. Durch besondere Gehäuseformen könnten vorhandene Freiräume genutzt werden; die kurzen Leitungen, die aus Metall seien, böten dem Schmiermittel einen geringeren Widerstand, so dass die Pumpe kleiner ausfallen könne und so könne man mit einem hohen Entwicklungsaufwand nach und nach das System verkleinern, ohne dass der Schmiermittelbehälter insgesamt weniger Volumen aufweise; die Nachfüllintervalle für Schmiermittel sollten ja nicht verlängert werden.

Es werde aber trotzdem bestritten, dass D15a einen Verteiler zeige. Außerdem sei nicht bewiesen, dass D15a der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.

Dasselbe gelte im Prinzip auch für die angebliche offenkundige Vorbenutzung, angeblich nachgewiesen durch die Fotos D12.1 bis D12.5. Das Zulassungsdatum bedeute nicht, dass zu diesem Zeitpunkt auch schon das Schmiersystem an das Fahrzeug angebaut gewesen sei. Des Weiteren sei auch hier nicht das Merkmal 1.7 gezeigt, so dass auf jeden Fall mit D12 ff. nicht die erfinderische Tätigkeit in Frage gestellt werden könne.

Auch das Dokument D3 offenbare nicht das entscheidende Merkmal 1.7. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, wie der Fachmann aus D11 die Lehre entnehmen könne, ein Schmiersystem an die Kupplungsplatte zu bauen. Der schematischen Figur 1 sei nicht zu entnehmen, dass dort das Schmiersystem an der Kupplungsplatte angebaut sei; auch offenbare das Schmiersystem gemäß D11 gar keine Pumpe.

Diese Argumentation gelte im Wesentlichen auch für die weiteren vorgebrachten Angriffslinien, von denen keine in der Zusammenschau der Dokumente das Merkmal 1.7 offenbare.

Es gebe keinen Widerspruch mit Anspruch 1 und der Beschreibung des Patents wie erteilt, so dass Änderungen der Beschreibung nicht notwendig seien.

Des Weiteren werde widersprochen, dass unter einer Baueinheit ein Gehäuse zu verstehen sei. Eine derartige Aussage sei im gesamten Verfahren nicht getätigt worden, insbesondere nicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer. Die Beschreibung der Patentschrift offenbare das Gehäuse als ein Beispiel einer Baueinheit. Es könnten aber auch andere Formen einer Baueinheit vorliegen, dem Fachmann seien diese bekannt. Der Anspruch definiere, dass Behälter, Pumpe und Verteiler in einer Baueinheit integriert seien, insofern müsse die Baueinheit etwas Integrierendes - eine Möglichkeit zur Integration - aufweisen.

Der Antrag, den Vortrag der Herren Algüera und Straubel zuzulassen, sei rechtzeitig und schriftlich unter Angabe des Umfangs und deren Kompetenz gestellt worden. Somit hätten sich die Beschwerdegegnerinnen auf den Vortrag einstellen können. Es gebe keinen Grund, die genannten Herren nicht in der mündlichen Verhandlung zu hören.

VII. Die Beschwerde­gegnerinnen/Einsprechenden widersprechen dieser Argumentation wie folgt:

Zur Zulassung des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 5 mit Schreiben vom 29. Mai 2015.

Der vorliegende Antrag entspreche dem Hilfsantrag 5 der Beschwerdebegründung. Dieser Hilfsantrag sei als Hilfsantrag 2 erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, und damit verspätet, vorgelegt worden. Die Einspruchsabteilung habe daher ihr Ermessen ausüben müssen und den Antrag nicht zulassen dürfen.

Weiterhin werde der Einführung dieses Antrags in das Beschwerdeverfahren widersprochen. Entsprechend dem Konvergenzgrundsatz gemäß Regel 116 (2) EPÜ bzw. Artikel 12 (4) sowie Artikel 13 VOBK sollten die Hilfsanträge eine konvergente Weiterentwicklung darstellen. Die jeweiligen Gegenstände der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsanträge indes konvergierten nicht und seien somit unzulässig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei unzulässig erweitert. Zum einen sei im Rahmen der ursprünglichen Anmeldung ein Schmiersystem für Sattelkupplungen beansprucht worden. Nunmehr sei aber eine Sattelkupplung selbst Gegenstand des Patentanspruchs 1. Damit habe eine Veränderung stattgefunden, die beispielsweise Hersteller von Sattelkupplungen benachteilige. Es sei aber gerade Ziel des Artikels 123 (2) (bzw. 100 c)) EPÜ, dass keine derartige Benachteiligung durch eine nachträgliche Änderung der Anmeldung stattfinde. Durch diese Änderung sei die Einsprechende möglicherweise in nationalen Verletzungsverfahren unverhältnismäßig benachteiligt.

Weiterhin sei der Gegenstand des Anspruchs 1 im Bereich der Merkmale 1.6 und 1.7 (Merkmalsgliederung gemäß der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 1, Seite 3) erweitert, wonach der Schmierfettbehälter, die Förderpumpe und der Verteiler der Schmiervorrichtung in einer Baueinheit integriert sind und dass diese Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut ist. Gemäß der Offenbarung, insbesondere Seite 2, vorletzter Absatz der veröffentlichten Anmeldung, sei die gesamte Schmiervorrichtung der Sattelkupplung zugeordnet und unmittelbar an der Sattelkupplung oder in räumlicher Nähe angeordnet. Da aber die gesamte Schmiervorrichtung aus mehr Elementen bestehe, als die in Merkmal 1.6 definierte Baueinheit, bestehe hinsichtlich der weiteren Elemente nunmehr keine Definition hinsichtlich deren Lage zur Sattelkupplung. Insbesondere seien die Merkmale Anschubkolben und Druckfeder zwingend Teil der Schmier­vorrichtung und damit ebenfalls im Bereich der Sattelkupplung anzuordnen. Die Anmeldung zeige in der Figur 2 Ausschubkolben und Druckfeder, wobei Figur 2 in der Beschreibung als Darstellung der Erfindung bezeichnet sei (vgl. veröffentlichte Anmeldung, Seite 5, die letzten zwei Zeilen), und nicht etwa als ein besonders günstiges Ausführungsbeispiel.

Des Weiteren sei die Erfindung wie beschrieben nicht ausführbar. Insbesondere wisse der Fachmann nicht, was unter dem Begriff "extern" in Zusammenhang mit dem im abhängigen Anspruch 3 definierten externen Steuergerät zu verstehen ist. Die Einspruchsabteilung habe diesen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebrachten Mangel nicht in das Verfahren zugelassen.

Das Dokument D1, welches einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ darstelle, offenbare den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich. D1 offenbare eine Schmierstoffpumpe (vgl. Figur 3), die gemäß Figur 1 an der Kupplungsplatte angebaut sei. Die Beschreibung offenbare dabei, dass mindestens eine Schmierstelle versorgt werde, also müsse auch ein Verteiler vorhanden sein. Para­graph [0011] weise weiter explizit darauf hin, dass mehrere Schmierstellen versorgt werden könnten. Der an­ge­sprochene Verteiler, insbesondere ein Progressiv­verteiler bilde schon deshalb mit der Pumpe gemäß Figur 3 eine Baueinheit, da dieser ausweislich der Beschreibung, Spalte 2, Zeilen 25 bis 29 der Pumpe nachgeschaltet sei. Schließlich sei die Baueinheit nicht weiter definiert, so dass eine Pumpe und ein nach­geschalteter Verteiler zwangsläufig eine Bau­einheit bildeten. Dabei sei es unerheblich, dass der Verteiler in den Figuren nicht gezeigt sei, denn es spiele keine Rolle, wo der Verteiler untergebracht sei und ob dieser ebenfalls im Bereich der Kupplungsplatte sei. Da die Baueinheit aus Pumpe, Schmierstoffbehälter und Verteiler bestehe und die Pumpe gemäß Figur 1 an der Kupplungs­platte angebaut sei, sei zwangsläufig die gesamte Baueinheit, also auch der Verteiler an der Kupplungs­platte angebaut. Ebenfalls offenbare D1, dass mehrere Schmierstoffpumpen über einen gemeinsamen Exzenter an­getrieben würden vgl. Spalte 2, Zeilen 29 bis 36. Aus einem gemeinsamen Schmierstoffreservoir würde auf diese Art und Weise der Schmierstoff verteilt. Auch diese Vorrichtung wäre mangels anderer Offenbarung im Bereich der Kupplungsplatte angeordnet.

Auch die Offenbarung des Dokuments D11 zeige alle Merkmale des Anspruchs 1. So offenbare D11 einen Schmiermittelbehälter und einen Kolben, der durch manuelle Betätigung das Schmiermittel in dem in Figur 1 gezeigten Netz verteile. Insbesondere sei der Figur 1 zu entnehmen, dass das gesamte Schmiersystem an der Kupplungsplatte angebaut sei. Der Kolben und der Behälter sei als eine Pumpe im Sinne des strittigen Anspruchs 1 zu betrachten. Schließlich sei die Funktion und Ausgestaltung der Pumpe im Streitpatent auch nicht ausgeführt.

Ein Mangel an erfinderischer Tätigkeit liege vor, ausgehend von Dokument D15a in Kombination mit dem Wissen des Fachmanns. Das Dokument offenbare eine Schmiervorrichtung gemäß Anspruch 1. So sei eine Baueinheit gezeigt, bestehend aus Fettbehälter, Pumpe und Verteiler (vgl. erste Seite). Diese sei im Bereich der Kupplungsplatte angeordnet, und versorge die Schmierstellen der Sattelkupplung. Dies sei in dem Bild, auf der letzten Seite links oben, zu erkennen. Das einzige Merkmal, welches nicht explizit offenbart sei, sei das Merkmal 1.7, wonach die Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut sei. Dies ergebe sich aber naheliegend für den Fachmann, der es als eine Aufgabe ansehe, kurze Leitungen vorzusehen, die bekanntermaßen einen technischen Vorteil bedeuteten.

Aus demselben Grund beruhe die in Anspruch 1 definierte Erfindung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von der offenkundigen Vorbenutzung, nachgewiesen durch die Fotos D12.1 bis D12.5. Auch hier sei eine Baueinheit - ähnlich der in D15a - zu erkennen, die im Bereich der Sattelkupplung angeordnet sei, so dass ebenfalls alle Merkmale des strittigen Anspruchs 1 gezeigt seien bis auf das Merkmal 1.7. Dies ergebe sich aber ebenfalls für den Fachmann in nahe­liegender Weise. Es bedürfe keiner erfinderischen Tätigkeit, die gezeigte Baueinheit an der Kupplungs­platte anzubauen, gegebenenfalls müsse man sie lediglich ein wenig verkleinern.

Des Weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt durch das Dokument D3, jeweils kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen, D4, D6, D8, D10 und D11.

D3 zeige in der Figur 1 eine Baueinheit bestehend aus einer Pumpe in einem Schmierstoffreservoir und einem Verteiler, vgl. auch Seite 2, die letzten vier Zeilen. Diese Baueinheit 12 ist in unmittel­barer Nähe zur Kupplungsplatte angeordnet. Daher offenbare D3 alle Merkmale des Anspruchs 1, bis auf das Merkmal, dass die Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut sei. Dies sei aber für den Fachmann naheliegend. So offenbare z.B. D4 eine Schmiervorrichtung 32, die gemäß der Figur 1 unter der Sattelkupplung angeordnet sei, siehe auch Spalte 4, Zeilen 45 ff. Auch die Dokumente D6 und D8 offenbarten zumindest Teile des Schmiersystems an der Kupplungs­platte zu befestigen. Das Dokument D10 offen­bare eine Baueinheit gemäß dem Merkmal 1.6, welche ohne fachmännisches Wissen an die Kupplungsplatte angebaut werden könnte. Der Fachmann würde dies auch in Betracht ziehen, da er um den Vorteil kürzerer Leitungen wisse. Auch sei allgemein bekannt, dass starre Leitungen flexiblen Leitungen vorzuziehen seien.

Den Gedanken, das komplette Schmiersystem an der Kupplungsplatte anzubauen, könne der Fachmann auch der D11 entnehmen. Dort seien, wie bereits oben ausgeführt, alle Merkmale des strittigen Anspruchs offenbart.

Die im Prinzip selben Argumentationslinien wiesen auch einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit nach, ausgehend von D6, jeweils kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen, D5 oder D8.

Das Dokument D6 offenbare nämlich alle Merkmale bis auf das Merkmal 1.6, wonach der Schmierfettbehälter, die Pumpe und der Verteiler eine Baueinheit darstellten.

In der Figur 1 der D6 sei gezeigt, dass der Verteiler an der Kupplungsplatte angeordnet sei. Lediglich eine flexible Leitung führe von der Pumpe zu dem Verteiler, während - wie es als Vorteil der strittigen Erfindung dargestellt sei - auf der Kupplungsplatte selbst, eine feste Verrohrung verwendet werde. So liege es aber dem Fachmann nahe, die Pumpe und den Schmierstoffbehälter mit dem Verteiler in eine Baueinheit zu integrieren, und diese an der Kupplungsplatte anzubringen. Hinweise für derartige Baueinheiten seien im Stand der Technik umfangreich zu finden, siehe z.B. D5, D8, D10.

Auch ausgehend von D4 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt. Die Figur 1 der D4 offenbare ein Zentral­schmiermittelversorgung unterhalb der Kupplungsplatte, siehe auch Spalte 4, Zeilen 45 ff. Es sei damit lediglich nicht offenbart, dass die Baueinheit, an der Kupplungsplatte zu montieren sei. Es sei aber im Rahmen des fachmännischen Handelns zu sehen, die Zen­tral­schmier­mittel­versorgung an der Kupplungsplatte selbst anzubauen. Beim Studium der D4 lese der Fachmann auch implizit mit, dass eine Zentral­schmier­mittel­versorgung per se ein Reservoir für Schmiermittel und Mittel zum Zuführen (Pumpe) des Schmiermittels aufweisen müsse.

Die Beschreibung sei nicht im Einklang mit dem geänderten Anspruch 1. Im Absatz [6] werde nämlich die zu lösende Aufgabe durch Bezugnahme auf ein Schmiersystem definiert. Dies widerspreche Anspruch 1, welcher auf eine Sattelkupplung gerichtet ist. Gemäß Absatz [9] sei die Schmiervorrichtung nur in einer bevorzugten Ausführungsform unterhalb der Kupplungsplatte angeordnet. Dieses Merkmal sei jedoch vom Anspruch 1 gefordert.

In das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer sei die Aussage der Patentinhaberin aufzunehmen, die im Rahmen ihrer Ausführungen behauptet habe, dass unter einer Baueinheit im Sinne der Erfindung ein Gehäuse zu verstehen sei. Diese Aussage solle im Protokoll festgehalten werden, da dies für weitere Verfahren, insbesondere nationale Verletzungsverfahren von Bedeutung sei.

Des Weiteren werde widersprochen, dass die Begleiter der Vertreter der Beschwerdeführerin, Herr Straubel und Herr Algüera, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vortragen. Keiner der beiden Herren sei ein zugelassener Vertreter. Auch sei im Vorfeld nicht ausgeführt worden, zu welchen Aspekten die Herren vortragen sollen und insbesondere bei Herrn Straubel sei unklar, ob dieser überhaupt kompetent sei, schließlich sei er kein zugelassener Vertreter vor dem EPA.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der vorliegende Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 5 mit Schreiben vom 29. Mai 2015 ist Gegenstand des Verfahrens gemäß Artikel 12 (1) und (2) VOBK. Artikel 12 (4) VOBK findet hier keine Anwendung, da Hilfsantrag 5 bereits als Hilfsantrag 2 im Einspruchsverfahren eingereicht und von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen wurde. Die Einspruchsabteilung hat sogar über diesen Antrag in der Sache entschieden, vgl. Entscheidung der Einspruchs­abteilung, Seite 14 ff.

Des Weiteren liegt kein Fehler in der Ausübung des Ermessens der Einspruchsabteilung bei der Zulassung des Hilfs­antrags 2 in das Verfahren vor.

2.1 Nach gängiger Rechtsprechung ist es bei einer angefochtenen Ermessensentscheidung der ersten Instanz nicht Aufgabe der Beschwerdekammer die Sachlage nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Ein erstinstanzliches Organ, das nach dem EPÜ unter bestimmten Umständen Ermessens­entscheidungen zu treffen hat, muss bei der Ausübung dieses Ermessens einen gewissen Freiraum haben, in den die Beschwerdekammern nicht eingreifen. In derartigen Fällen sollte sich eine Beschwerde­kammer nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessens­spielraum überschritten hat (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, III.K.5).

2.2 Weder während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung und Entscheidung der Einspruchsabteilung), noch im Beschwerdeverfahren haben die Beschwerde­gegnerinnen Gründe vorgetragen, warum die Einspruchs­abteilung ihr Ermessen "nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise" ausgeübt haben soll.

Auch die Kammer kann nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung ihren Ermessensspielraum überschritten hat.

2.3 Weiterhin kann auch das von der Beschwerdegegnerin/Einsprechenden 2 vorgebrachte Argument, der Hilfsantrag 5 vorgelegt mit der Beschwerdebegründung sei nicht konvergent zu den mitvorgelegten Hilfsanträgen 1 bis 4 und dürfe aufgrund Regel 116 (2) EPÜ, Artikel 12 (4) sowie 13 VOBK nicht in das Verfahren zugelassen werden, nicht verfangen.

Da die Einspruchsabteilung den nunmehr als Hauptantrag verfolgten Hilfsantrag 2 seinerzeit in das Verfahren unter richtiger Ausübung ihres Ermessens zugelassen hat, und die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde­begründung diesen Antrag als Hilfsantrag 5 erneut eingereicht hat, hat die Kammer kein Ermessen mehr über die Zulassung dieses Antrags.

3. Auch die Nichtzulassung des erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einspruchsgrundes der mangelnden Ausführbarkeit gemäß Artikel 100 b) EPÜ beruht auf einer Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung (Artikel 114 (2) EPÜ).

3.1 Wie oben unter Punkt 2.2 ff. ausgeführt, stellt die Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung lediglich dann in Frage, wenn erkennbar ist, dass das Ermessen "nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise" ausgeübt wurde (siehe oben).

3.2 Dies aber ist von den Beschwerdegegnerinnen nicht vorgebracht worden. Auch die Kammer kann diesbezüglich keinen Fehler in der Ausübung des Ermessens feststellen. In der Tat ist es erkennbar (siehe Punkt II.42 der angefochtenen Entscheidung), dass die Einspruchsabteilung die Relevanz des neu vorgebrachten Einspruchsgrund im Sinne der G10/91 geprüft hat. Der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ bleibt somit vom Verfahren ausgeschlossen.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht unzulässig erweitert, Artikel 100 c) EPÜ.

4.1 Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerde­gegnerinnen/Einsprechenden, dass die Änderung im Oberbegriff des Anspruchs 1 von einem Schmiersystem auf eine Sattelkupplung deshalb unzulässig sei, da der Schutzbereich verändert und damit die Öffentlichkeit getäuscht werde.

Gemäß Artikel 100 c) EPÜ darf der Gegenstand des Europäischen Patents nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgehen. Die Anmeldung aber offenbart fraglos ein Schmiersystem für eine Sattelkupplung; die Sattel­kupplung ist Gegenstand der Beschreibung und der Figuren. So zeigt beispielsweise Figur 1 gemäß der Beschreibung die Erfindung (vgl. Seite 5 unten der veröffentlichten Anmeldung), nämlich eine Kupplungs­platte der Sattelkupplung mit einer Schmiervorrichtung (vgl. Seite 6, letzter Absatz der veröffentlichten Anmeldung). Da Artikel 100 c) EPÜ sich auf die Frage der Offenbarung bezieht und diese Frage bejaht wird, ist eine Verschiebung des Schutzbereichs von einer Schmiervorrichtung für eine Sattelkupplung zu einer Sattelkupplung unter Artikel 100 c) EPÜ nicht zu beanstanden.

4.2 Der Argumentation der Beschwerdegegnerinnen, dass der Anspruch 1 nunmehr nur die Baueinheit an der Kupplungs­platte definiere und nicht mehr die gesamte Schmier­vorrichtung, sei ein Verstoß gegen Artikel 100 c) EPÜ, da nicht zwangsläufig alle Elemente der Schmier­vorrichtung in der Baueinheit integriert sein müssten - z.B. die in Figur 2 gezeigte Druckfeder und der Ausschubkolben seien nicht Teil der Baueinheit, wird nicht gefolgt.

Auf der Seite 2, vorletzter Absatz der veröffentlichten Anmeldung ist ausgeführt, dass die Schmier­vorrichtung der Sattelkupplung zugeordnet und un­mittelbar an der Sattelkupplung oder in räumlicher Nähe zu der Sattelkupplung angeordnet ist. Im letzten Absatz (der Seite 6) wird erklärt, dass die Schmiervorrichtung beispiels­weise an der Kupplungsplatte angeordnet sein kann. Die Tatsache, dass Anspruch 1 nunmehr die Baueinheit an der Kupplungsplatte definiert, stellt schon deshalb keine unzulässige Erweiterung dar, da alle wesentlichen Elemente der Schmiervorrichtung in die Baueinheit integriert sind: lediglich die Füllstands­anzeige ist gemäß der Offenbarung vorzugsweise im Fahrerhaus angeordnet, vgl. die veröffentlichte Anmeldung, Seite 3, letzter Absatz.

Insbesondere ist die Darstellung in der Figur 2 ein Ausführungsbeispiel der Erfindung. Die dort gezeigte Druckfeder und der Ausschubkolben sind zur Umsetzung der Erfindung nicht notwendige technische Vorrichtungen; der Fachmann erkennt, dass die Vorrichtung gemäß Figur 2 eine besondere Form der Realisierung der Erfindung darstellt. Damit steht das Merkmal "Baueinheit" in keinem strukturellen und funktionalen Zusammenhang mit der in Figur 2 gezeigten Druckfeder und dem Ausschub­kolben.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem in Dokument D1 gezeigten Stand der Technik (Artikel 54 (1) und (3) EPÜ).

5.1 So offenbart das Dokument D1 nicht eindeutig und unmittelbar einen Verteiler, der in eine Baueinheit integriert ist, die an der Kupplungsplatte angebaut ist.

Die Figuren offenbaren eine Baueinheit an einer Kupplungsplatte einer Sattelkupplung (siehe Figur 1), wobei die Baueinheit aus einem Schmierstoffbehälter und einer Pumpe besteht, vgl. Figur 3. Diese Baueinheit enthält keinen Verteiler.

5.1.1 Die Beschwerdegegnerinnen wenden ein, dass auch der strittige Anspruch 1 "mindestens eine Fettaustritts­öffnung" definiere und es somit erlaube, dass ein Verteiler auf nur einen Ausgang verteile; genau dieser Fall sei aber auch in D1, Figuren 3 und 1 gezeigt.

Aus Sicht der Kammer ist ein Verteiler eine Vorrichtung, mit der es möglich ist, Schmiermittel auf mehrere Ausgänge zu verteilen. Eine derartige Möglichkeit ist in den Figuren 1 und 3 nicht offenbart.

Des Weiteren definiert der strittige Anspruch 1, mindestens eine Fettaustritts­öffnung an der Oberseite der Kupplungsplatte. Dies muss aber nicht bedeuten, dass an dem Verteiler bei einer einzigen Fettaustritts­öffnung an der Oberseite auch nur ein einziger Schmiermittel-Ausgang verwendet wird: gemäß Figur 2 der Patentschrift ist außer den Versorgungsleitungen 6, die an die Oberfläche der Kupplungs­platte geführt werden, auch eine Versorgungs­leitung 15 vorgesehen, die den Verschlusshaken mit Schmier­mittel versorgt, vgl. auch Anspruch 12 der veröffentlichten Anmeldung; dieser aber weist eine Fettaustrittsöffnung aus, die nicht an der Oberfläche der Kupplungsplatte liegt.

Ebenfalls argumentieren die Beschwerdegegnerinnen, dass D1 durchaus auch Verteiler offenbare, siehe die Paragraphen [0011], [0001] und [0020].

Es ist korrekt, dass in Paragraph [0011] erwähnt wird, dass "der Schmierstoffpumpe ein Verteiler, insbesondere ein Progressivverteiler nachgeschaltet sein" kann.

Dazu ist festzustellen, dass D1 kein Ausführungsbeispiel mit Verteiler zeigt oder weiter beschreibt. Somit bleibt es offen, wie in der Ausführungsform mit einem Verteiler die weiteren anspruchsrelevanten Merkmale aussehen. Insbesondere kann nicht eindeutig und unmittelbar der D1 entnommen werden, dass ein derartiger Verteiler ebenfalls an der Kupplungsplatte angeordnet ist und in einer gemeinsamen Baueinheit integriert ist.

Die Beschwerdegegnerinnen bringen in diesem Zusammenhang vor, dass jedwede mögliche Anordnung gemäß Figur 1 mit einem nachgeschalteten Verteiler gemäß Spalte 2, Zeilen 25 bis 29 eine Baueinheit sei, die an der Kupplungs­platte angebaut sei: die Pumpe Figur 3 der D1 sei ja - wie in Figur 1 offenbart - an die Kupplungsplatte angebaut. Anspruch 1 definiere aber nicht, dass der Verteiler selbst an der Kupplungsplatte angebaut sein müsse. So sei entscheidend, dass weder in den Ansprüchen oder der Beschreibung zum Merkmal Baugruppe ein­schränkend ausgeführt sei. Das Merkmal "Baugruppe" müsse entsprechend breit interpretiert werden; daraus folge, dass eine Pumpe gemäß Figur 3 mit einem "nachge­schalteten Verteiler" (Paragraph [0011]) immer eine Baugruppe darstelle.

Nach Ansicht der Kammer bedeutet das Merkmal 1.6 (Merkmalsgliederung gemäß der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 1, Seite 3), wonach der Schmier­fett­behälter, die Förderpumpe und der Verteiler in einer Baueinheit integriert sind, dass im Umfang einer Baueinheit ein Vorrichtungselement vorhanden sein muss, mit dessen Hilfe die Komponenten (Schmierfett­behälter, Förderpumpe, Verteiler) zu einem überge­ordneten Ganzen zusammengefügt (d.h. integriert) werden können. Als nicht einschränkendes Beispiel nennt die Beschreibung des angefochtenen Patents dazu ein Gehäuse (vgl. Seite 8, erster Absatz der veröffentlichten Anmeldung). Es ist weder in den Figuren erkennbar, noch ist beschrieben, wie ein Verteiler gemäß Paragraph [0011] der D1 in die Baugruppe, die an der Kupplungsplatte angebaut ist, integriert werden kann. Es ist nicht einmal eindeutig der Offenbarung der D1 zu entnehmen, dass im Falle einer Kopplung der Pumpe mit einem nachgeschalteten Verteiler, diese noch - wie in Figur 1 gezeigt - an der Kupplungsplatte montiert ist.

Damit offenbart aber D1 keinen Verteiler, der in einer Baueinheit integriert ist.

5.1.2 Auch die Alternative in Paragraph [0011], Spalte 2, Zeilen 29 ff., die beschreibt, dass mehrere Schmierstoffpumpen über einen gemeinsamen Exzenter angetrieben werden können, lässt offen, wie eine derartige Baugruppe aussieht und wo sie angebaut ist. Es ist weiterhin fraglich, ob die dort genannte Schmier­stoffpumpe der entspricht, die in Figur 3 gezeigt ist, oder ob alle Pumpen, wie es die Beschwerdegegnerinnen behaupten, ein gemeinsames Schmierfettreservoir aufweisen.

6. Die in Anspruch 1 definierte Erfindung ist neu gegenüber dem in Dokument D11 gezeigten Stand der Technik (Artikel 54 (1) EPÜ).

6.1 Die Kammer widerspricht der Argumentation der Beschwerdegegnerinnen, dass D11 eine Förderpumpe im Sinne des Anspruchs 1 offenbare, da die gezeigte Vorrichtung schließlich Fett an die benötigten Stellen befördere.

D11 offenbart in der Figur 1 eine Kupplungsplatte mit mehreren Ausnehmungen zur Verteilung des Schmiermittels (siehe auch Seite 8, zweiter Absatz). Gemäß dieser Ausführungsform ist ein Schmiermittelvorratsbehälter mit einem dazugehörigen Kolben vorgesehen. Das Schmieren geschieht durch Betätigung des Kolbens. Ein solcher Anschubkolben ist in der vorliegenden Erfindung ebenfalls gezeigt, vgl. Figur 2.

Ein Fachmann versteht unter einer Förderpumpe eine Arbeitsmaschine, die Schmierstoff aus einem Reservoir fördert und unter Druck abgibt. Dies ist in D11 nicht offenbart. Die in D11 gezeigte Vorrichtung würde vom Fachmann als Fettpresse bezeichnet werden.

6.2 Weiterhin stellt die Kammer fest, dass es sich bei der Figur 1 der D11 um eine schematische Funktionsdar­stellung handelt. So sind insbesondere der Schmier­mittelbehälter und der Kolben schematisch dargestellt. Daher ist aus dieser Zeichnung nicht zweifelsfrei und unmittelbar entnehmbar, dass der Schmiermittel­vorratsbehälter mit dem Kolben tatsächlich an der Kupplungsplatte angebaut ist.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

7.1 Die Einsprechenden/Beschwerdegegnerinnen argumentieren, dass das Dokument D15a (dort letztes Blatt, links oben "fifth wheel") alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare, bis auf das Merkmal 1.7 (Merkmalsgliederung gemäß der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 1, Seite 3), wonach die gemeinsame Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut sei. Für den Fachmann sei es aber naheliegend, die Vorrichtung an die Kupplungsplatte anzubauen, um den bekannten Vorteil kurzer Leitungen nutzen zu können.

7.1.1 Es kann dahingestellt bleiben, ob D15a alle Merkmale des Anspruchs 1 bis auf das Merkmal 1.7 offenbart oder nicht (ein Verteiler ist beispielsweise nicht zu erkennen), da nach Auffassung der Kammer das Merkmal 1.7 alleine ausreicht, um die erfinderische Tätigkeit der Erfindung, wie in Anspruch 1 definiert, zu begründen.

7.1.2 Die auf Seite 1 der D15a gezeigte Baueinheit solle - so die Beschwerdegegnerinnen - an der Kupplungsplatte angebaut werden, dazu müsse sie nur in nicht erfinderischer Weise verändert werden, es reiche aus, sie etwas zu verkleinern.

7.1.3 Diesem Argument wird nicht gefolgt.

In der Tat sieht die Kammer in der Erkenntnis, dass die Möglichkeit besteht, die Schmiervorrichtung derart umzukonstruieren, dass sie an eine Kupplungsplatte anbaubar ist, den wesentlichen erfinderischen Schritt.

Es ist nämlich nicht so, dass nur die Leitungen kürzer werden, sondern aufgrund der wegfallenden Relativ­bewegungen zwischen Schmiervorrichtung und Kupplungs­platte ist auch die mechanische Belastung für die Leitungen wesentlich geringer. Gegebenenfalls können hier anstatt der in D15 gezeigten flexiblen Leitungen starre Leitungen permanent verlegt werden, vgl. Patent­schrift, Spalte 2, Zeilen 28 bis 30.

Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, zunächst einen erheblichen konstruktiven Aufwand betreiben zu müssen, um die Schmiervorrichtung derart zu verändern, dass sie an der Kupplungsplatte anbaubar ist. Dabei spielt die Einbau­situation eine entscheidende Rolle, da die Platz­verhältnisse im Bereich der Kupplungsplatte bekannter­maßen sehr beengt sind: Freiräume in der Konstruktion sind beispielsweise durch besondere Formgebung gänzlich auszuschöpfen (vgl. Patentschrift Paragraph [0029]). Der technische Vorteil, der sich ergibt aus der Lösung der objektiven Aufgabenstellung, nämlich die Relativbewegung zwischen Schmiervorrichtung und Kupplungsplatte zu verhindern, ist in Abwägung des Aufwands zur Umsetzung und dem Nutzen nicht ohne weiteres erkennbar, so dass aus Sicht der Kammer die Aufgabenstellung als solche für den Fachmann nicht offen­sichtlich ist: Dieser würde sich nicht ohne erfinderisch tätig zu werden, der Herausforderung stellen, die Schmiervorrichtung gemäß D15 so zu verändern, dass sie an eine Kupplungsplatte angebaut werden kann.

7.1.4 Da die Offenbarung von D15a nicht in der Lage ist, die in Anspruch 1 definierte Erfindung in Frage zu stellen, kann es offenbleiben, ob das Dokument D15a zum Prioritätszeitpunkt öffentlich zugänglich war.

7.2 Die Beschwerdegegnerinnen argumentieren weiterhin, dass auch ausgehend von einer offenkundigen Vorbenutzung, angeblich nachgewiesen durch die Fotos gemäß D12.1 bis D12.5, der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt sei.

7.2.1 Auch hier kann es dahingestellt bleiben, ob die behauptete offenkundige Vorbenutzung alle Merkmale des Anspruchs 1 bis auf das Merkmal 1.7 offenbart und ob die behauptete Vorbenutzung öffentlich zugänglich war, wie es die Beschwerdegegnerinnen vortragen.

7.2.2 Aus den in 7.1.3 ausgeführten Gründen kann das Merkmal 1.7, welches unstrittig nicht in D12.1 bis D12.5 gezeigt ist, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 begründen.

7.3 Die Beschwerdegegnerinnen bringen weiter vor, dass auch ausgehend vom Stand der Technik gemäß D3 der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt sei.

7.3.1 Hier kann es dahingestellt bleiben, ob das Dokument D3 die Merkmale 1.4 und 1.6 offenbart, wonach die Schmier­vorrichtung ausschließlich der Sattelkupplung zugeordnet ist, wonach in der Baueinheit 12 (vgl. Figur 1) Schmier­fett­behälter, Verteiler und Förderpumpe integriert sind, was die Beschwerdeführerin bestreitet.

7.3.2 Das Merkmal 1.7 ist unstrittig nicht in D3 offenbart, so dass auch hier die genannten Gründe (vgl. 7.1.3, oben) das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen.

Hinzukommt, dass in D3 auch der Auflieger mit einer flexiblen Leitung (22) angeschlossen ist, vgl. D3, Figur 1, so dass - würde die Baueinheit 12 an die Kupplungs­platte angebaut - die flexible Leitung 22 zum Auflieger mit verbliebe, die einer Relativbewegung ausgesetzt ist. Somit würde in diesem Fall durch Anbauen der Baueinheit an die Kupplungsplatte die Aufgabe nicht zur Gänze gelöst werden können.

7.3.3 Aus diesem Grund können auch die weiteren Dokumente, D4, D5, D6, D8, D10 und D11, die die Beschwerdegegnerinnen mit D3 kombinieren, die erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen. Diese Dokumente sind nicht in der Lage, die grundsätzliche Bedeutung des Merkmals 1.7 für die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen.

Keines der Dokumente offenbart eine Fördermittelpumpe oder einen Schmiermittelbehälter, der an der Kupplungsplatte angebaut wäre, so dass keine der Kombinationen, ausgehend von D3 mit einem der Dokumente D4, D5, D6, D8, D10 und D11, die Gesamtheit aller Merkmale 1.1 bis 1.7 offenbart.

Die Dokumente im Einzelnen:

7.3.4 D4 offenbart eine Schmiermittelversorgung für den Schloßbereich einer Sattelkupplung, die ihrerseits an eine Zentralschmierung oder eine Schmiermittelpresse anzuschließen ist, vgl. Spalte 3, Zeilen 26 ff. Eine Baueinheit mit Förderpumpe, Verteiler und Schmiermittelbehälter fehlt somit. Der Fachmann würde weiter dieses Dokument nicht in Betracht ziehen, da es die erklärte Aufgabe des Streitpatents ist, ein Schmiersystem unabhängig von einer Zentralschmierung zu entwickeln (siehe Patentschrift, Paragraph [0006]).

7.3.5 Auch das Dokument D5 offenbart eine Zentralschmieranlage für Nutzfahrzeuge. Auch wenn hier eine Baugruppe (vgl. Figur 2) offenbart ist, in die ein Schmiermittelbehälter, eine Pumpe und ein Verteiler (entsprechend Merkmal 1.6) integriert ist, so bleibt auch hier offen, woher der Fachmann die Anregung bekommen sollte, diese Baueinheit an der Kupplungsplatte anzubauen.

7.3.6 Das Dokument D6 zeigt auf der Kupplungsplatte einen Verteiler mit fest installierten Leitungen zu Fettaustrittsöffnungen. Der Schmiermittelbehälter und die Förderpumpe sind auch hier nicht an der Kupplungsplatte angebaut. Dem Argument der Beschwerdegegnerinnen, D6 motiviere den Fachmann dazu, auch die Pumpe und den Schmiermittelbehälter an die Kupplungsplatte anzubauen, wird nicht gefolgt. Auch durch die Kombination des Dokuments D3 mit Dokument D6 erhält der Fachmann keine zusätzliche Anregung, den unter 7.1.3 genannten Schritt zu gehen. Insbesondere die Integration des Schmiermittelbehälters und der Förder­pumpe in die Baueinheit, die an der Kupplungs­platte montiert ist, ist mit den technischen Schwierig­keiten verbunden, die die oben genannte, sich aus dem unter­scheidenden Merkmal 1.7 ergebende objektive Aufgabe, nämlich die Relativbewegung zwischen Schmiervorrichtung und Kupplungsplatte zu verhindern, als nicht offensichtlich darstellt.

7.3.7 Das Dokument D8 beschreibt eine Schmiervorrichtung im Allgemeinen und ist nicht auf eine Sattelkupplung abgestellt. Damit ist das unterscheidende Merkmal 1.7 nicht offenbart.

7.3.8 Auch das Dokument D10 offenbart lediglich eine Baugruppe gemäß Merkmal 1.6 des strittigen Anspruchs. Da ein Anbau an eine Kupplungsplatte nicht dargelegt ist, kann die Kombination aus D3 und D10 nicht den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelegen.

7.3.9 Wie oben bereits ausgeführt (vgl. Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber D11) offenbart D11 keine Förderpumpe an einer Kupplungsplatte sondern eine Fettpresse. Damit führt die Kombination von D3 und D11 nicht zur beanspruchten Merkmalskombination.

7.4 Die Beschwerdegegnerinnen behaupten ebenfalls, dass ausgehend von Dokument D6 der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und zwar kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen oder D5 oder D8.

7.4.1 Das Dokument D6 offenbart unstrittig nicht die Merkmale 1.6 und 1.7 und ist damit weniger relevant als die unter 7.1 und 7.2 diskutierten Dokumente D15 oder D12 (siehe oben).

7.4.2 So offenbart D6 keine Baugruppe, in die ein Schmierfettbehälter, ein Verteiler und eine Förderpumpe integriert sind. Lediglich ein Verteiler zur Schmiermittelversorgung ist unmittelbar an die Kupplungsplatte angebaut; Pumpe und Schmier­mittelbehälter sind am Fahrzeugrahmen befestigt.

7.4.3 Die Dokumente D5 und D8 offenbaren Baueinheiten für Schmiersysteme gemäß dem Merkmal 1.6. Damit offenbart keine der von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragenen Kombinationen das Merkmal 1.7, wonach eine Baueinheit, bestehend aus Schmierfettbehälter, Verteiler und Förderpumpe an der Kupplungsplatte angebaut ist.

7.5 Auch die von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragene Argumentationslinie, ausgehend von D4 beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, überzeugt nicht.

7.5.1 D4 offenbart eine Schmiermittelversorgung für den Schloßbereich einer Sattelkupplung, die ihrerseits an eine Zentralschmierung oder eine Schmiermittelpresse anzuschließen ist, vgl. Spalte 3, Zeilen 26 ff., siehe auch oben, 7.3.4.

D4 zeigt somit weder eine Baugruppe gemäß Merkmal 1.6 noch eine Förderpumpe oder einen Schmierfettbehälter an der Kupplungsplatte (Merkmal 1.7). Damit kann D4 den Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen, wie in Zusammenhang mit D6 genannt, nicht nahelegen, siehe 7.4 ff., oben.

8. Die Kammer sieht keine Notwendigkeit einer Anpassung der Beschreibung an die geltenden Ansprüche.

Die Beschwerdegegnerinnen haben Absätze [6] und [9] der Beschreibung beanstandet.

Die vorteilhafte Wirkungen der Erfindung unter Bezugnahme auf den bisherigen Stand der Technik werden im Wesentlichen durch Modifikation des Schmiersystems erreicht. Die Formulierung der Aufgabe in Absatz [6] der Beschreibung unter Bezugnahme auf ein Schmiersystem steht daher nicht im Widerspruch mit dem auf eine Sattelkupplung mit einem Schmiersystem gerichteten Anspruch 1.

Absatz [9] offenbart, dass in einer bevorzugten Ausführungsform die Schmiervorrichtung unterhalb der Kupplungsplatte angeordnet ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen ist Anspruch 1 nicht auf diese Ausführungsform eingeschränkt, da Anspruch 1 fordert, dass die gemeinsame Baueinheit an der Kupplungsplatte angebaut ist.

9. Die Kammer hat dem Antrag des Vertreters der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin stattgegeben, die Begleitpersonen des Vertreters der Beschwerde­führerin/Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zu hören.

9.1 Gemäß der allgemeinen Rechtsprechung unterliegt die Zulassung von Tatsachen oder Beweismitteln durch eine Begleitperson im Ermessen der Kammer. Dabei (siehe Entscheidung G4/95) hat die Kammer bei der Ausübung des Ermessens folgende Gründe zu berücksichtigen: (i) der zugelassene Vertreter muss die Qualifikation der Begleitperson angeben und den Gegenstand der beabsichtigten Ausführung nennen, (ii) der Antrag ist rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu stellen, so dass sich die Gegenparteien darauf angemessen vorbereiten können, (iii) ein Antrag der erst kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, es sei denn, es liegen besondere Gründe vor, und (iv) die Kammer muss davon überzeugt sein, dass die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.

9.2 Mit Schreiben vom 29. Mai 2015, einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), die folgenden Personen zum Vortrag in der mündlichen Verhandlung zuzulassen: Herr J. M. Algüera, Miterfinder und Herr D. Straubel, Assistent des Vertreters der Patentinhaberin. Dort ist ebenfalls angegeben, zu welchen Gebieten (nämlich technische Ausführungen zum Gegenstand der Sattelkupplung, der Schmiersysteme sowie zum Stand der Technik) die betreffenden Personen bei Bedarf ausführen werden. Des Weiteren verweist dieser Antrag auf die Kompetenz der Begleitpersonen, Herr Algüera ist Miterfinder und Entwicklungsleiter bei der Patentin­haberin, Herr Straubel ist promovierter Ingenieur. In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Vertreter der Patentinhaberin weiterhin, dass die mündlichen Aus­führungen der Begleitpersonen unter seiner ständigen Aufsicht stattfänden.

Damit sieht die Kammer alle genannten Kriterien für erfüllt an.

Insbesondere teilt sie dabei nicht die Auffassung der des Vertreters der Beschwerdegegnerin, Herr Straubel sei nicht kompetent, da er als Patentanwalt keine Zulassung als Vertreter für das Europäische Patentamt vorweisen könne. Da Herr Straubel ausschließlich zu technischen Aspekten vortragen soll, ist seine Qualifikation (als promovierter Ingenieur) als hinreichend anzusehen. Dasselbe gilt prinzipiell auch für Herrn Algüera, der Entwicklungsleiter in der Firma der Patentinhaberin ist.

10. Die Kammer gibt dem in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer schriftlich eingereichten Antrag der Beschwerdegegnerin/Einsprechenden 2 zur Aufnahme einer Aussage der Patentinhaberin in das Protokoll nicht statt.

10.1 Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende 2 begründete diesen Antrag damit, dass es möglicherweise in künftigen nationalen Verletzungsverfahren relevant sein könne, mit welchen Argumenten die Patentinhaberin versucht habe, die Kammer zu überzeugen, insbesondere wenn diese Argumente bestimmten Merkmalen der Erfindung eine besondere, einschränkende Bedeutung zuwiesen.

10.2 Gemäß der einschlägigen Rechtsprechung, ist es nicht Zweck der Niederschrift, Erklärungen wiederzugeben, die einem Beteiligten für ein etwaiges späteres Verfahren vor einem nationalen Gericht von Nutzen erscheinen, so z.B. für eine Verletzungsklage, bei der der Schutz­bereich des Streitpatents zu klären ist. Derartige Erklärungen sind nicht im Sinne der Regel 124 (1) EPÜ "rechtserheblich" für die Entscheidung, die die Kammer zu treffen hat, und diese Fragen fallen in die ausschließliche Zuständigkeit nationaler Gerichte, (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, III.C.4.8.2).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt;

Ansprüche 1-8 gemäß Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 5 mit Schreiben vom 29. Mai 2015).

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