T 1054/12 () of 20.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T105412.20150320
Datum der Entscheidung: 20 März 2015
Aktenzeichen: T 1054/12
Anmeldenummer: 06023416.8
IPC-Klasse: B05B 11/00
A61M 15/00
B05B 11/02
A61M 5/315
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spender zum ggf. zerstäubten Ausbringen eines insbesondere flüssigen Mediums aus einem Behältnis
Name des Anmelders: Ing. Erich Pfeiffer GmbH
Name des Einsprechenden: CULLINANE, Marietta Bettina
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1)
Schlagwörter: Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 1 745 855 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung befand, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen der Ansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen. Hilfsweise beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

VI. Die Parteien wurden mit Ladungsbescheid vom 15. Dezember 2014 zur auf den 20. März 2015 terminierten mündlichen Verhandlung geladen.

VII. Mit ihrem Schriftsatz vom 10. März 2015 teilte die Beschwerdegegnerin der Kammer mit, dass sie an die anberaumte mündliche Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VIII. Am 20. März 2015 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Der Vorsitzende stellte die Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beschwerdegegnerin fest.

Das Verfahren wurde sodann nach Regel 115 (2) EPÜ, Artikel 15 (3) VOBK fortgesetzt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Europäische Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftlichen Verfahren die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Der unabhängige Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt (Änderungen gegenüber den Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung sind durchgestrichen oder in Fettschrift):

"Spender zum ggf. zerstäubten Ausbringen eines insbesondere flüssigen Mediums aus einem Behältnis (17), wobei das Ausbringen des Mediums durch eine Folge von mindestens zwei manuellen Teilbetätigungen eines Betätigungselements (14) in definierten Teilchargen erfolgt, wobei zwischen zwei Teilbetätigungen des Betätigungselements (14) jeweils eine Umschaltbetätigung vorgesehen ist, die Umschaltbetätigung nach Durchführung einer Teilbetätigung selbsttätig erfolgt und Kulissenbahnen ([deleted: 22,] 22b) vorgesehen sind, in denen ein Gleitstein ([deleted: 21,] 21b) geführt ist, der im Zusammenwirken mit den Kulissenbahnen die Teilbetätigungen voneinander abgrenzt, dadurch gekennzeichnet, dass in [deleted: wenigstens] einer der Kulissenbahnen ([deleted: 22,] 22b) für jede Teilbetätigung jeweils ein Sperrmittel (27) vorgesehen ist, das die jeweilige Teilbetätigung Teilbetätigungen des Betätigungselements (14) verhindert, soweit nicht eine Mindestbetätigungskraft am Betätigungselement (14) aufgebracht ist, jedoch bei Aufbringung der Mindestbetätigungskraft von wenigstens einem der Gleitsteine (21b) überwindbar ist".

X. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

Änderungen - Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ

Die allgemeine Formulierung der Sperrmittel im Anspruch 1 sei unzulässig, da dieser Anspruch sich ausschließlich auf die Ausführungsform der Figuren 1, 2a und 2b beziehe, bei dem die Sperrmittel als solche mit einer Sollbruchstelle ausgebildet seien. Die Formulierung des Anspruchs 1 umfasse jetzt Ausgestaltungen der Sperrmittel, welche keine Sollbruchstelle aufwiesen, und Anspruch 1 sei daher unzulässig erweitert.

Außerdem, stehe die konkrete Wahl des Sperrmittels dieser Ausführungsform im Zusammenhang mit anderweitigen baulichen Merkmalen, die auch nicht in den Anspruch 1 aufgenommen wurden. Dies betreffe die konkrete Nennung der die Umschaltbewegung bewirkenden Mittel, nämlich des Federarms.

XI. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren zu diesem Thema Folgendes vorgetragen:

Zulassung ins Verfahren der im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwände basierend auf Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ

Die Einwände der unzulässigen Erweiterung betreffen Merkmale im erteilten Anspruch 1 und somit den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 (c) EPÜ. Dieser sei zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs nicht geltend gemacht worden und könne daher ohne das Einverständnis der Beschwerdegegnerin nicht ins Verfahren eingeführt werden. Die Beschwerdegegnerin gebe ihr Einverständnis dazu nicht.

Dies betreffe insbesondere den Einwand bezüglich des Fehlens von Merkmalen hinsichtlich der zweiten Kulissenbahn, da diese zweite Kulissenbahn im erteilten Anspruch 1 bereits vorhanden gewesen sei.

Änderungen - Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ

Im Anspruch 17 der Stammanmeldung seien Sperrmittel in allgemeiner Form beansprucht worden, wobei jener Anspruch 17 sich auf alle vorherigen Ansprüche rückbezog und somit auch in der verallgemeinernden Form für alle unter dem Anspruch 1 fallende Ausgestaltungen offenbart wurde. Die Formulierung des eingeschränkten Anspruchs 1 entspreche im Wesentlichen diesem ursprünglichen Anspruch 17 der Stammanmeldung.

Durch die durchgängige Verwendung des Wortes "Sperrmittel" in beiden Ausführungsbeispielen im Rahmen der Stammanmeldung sowie durch die Verwendung des gleichen Bezugszeichens "27" sei offensichtlich, dass eine Beschränkung der Offenbarung dahingehend, dass bei der Ausgestaltung der Figuren 1, 2a und 2b lediglich Sperrmittel mit einer Sollbruchstelle vorgesehen seien, von der Anmelderin nicht beabsichtigt gewesen sei.

Es sei selbstverständlich, dass Sperrmittel bei einer Ausführungsform gemäß den Figuren 1, 2a und 2b auch anders ausgestaltet sein können, ohne ein Verklemmen zu verursachen.

Der ursprünglichen Offenbarung sei unstrittig in den Ansprüchen und im Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1, 2a und 2b eine Gestaltung mit zwei Kulissenbahnen zu entnehmen, die zur Erzeugung der Umschaltbewegung zusammenwirkten. Die Aufnahme eines konkreten Merkmals, wie des Federarms, zur Erläuterung der Funktionsweise der zweiten Kulissenbahn sei nicht erforderlich, insbesondere weil hier verschiedene Gestaltungen denkbar seien, wie beispielsweise in allgemeiner Form im Absatz [0012] der Streitpatents erwähnt sei.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung ins Verfahren der im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwände basierend auf den Artikeln 123 (2) und 76 (1) EPÜ

1.1 Ihre vorläufige Meinung in Bezug auf die Zulassung ins Verfahren der in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung basierend auf den Artikeln 123 (2) und 76 (1) EPÜ, hat die Kammer in ihrem Ladungsbescheid den Parteien mitgeteilt. Sie beabsichtigte diese Einwände ins Verfahren zuzulassen, bzw. sie würde diese Einwände als sich im Verfahren befindende betrachten, und wohl mit der folgenden Begründung:

"2.1 Anspruch 1 wurde erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht. Dieser wurde sodann mit den Parteien u.a. in Bezug auf die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 76 EPÜ besprochen, siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkte 9 und 10, sowie Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung.

2.2 Somit wurde diese Thematik offensichtlich von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen und mit den Parteien besprochen. Der Einwand bezüglich den Sollbruchstellen der Sperrmittel wurde sogar explizit in der Entscheidung abgehandelt, siehe deren Absätze 4.2 und 4.3.

2.3 Es ist aber gleichzeitig festzustellen, dass erst die Änderungen im Anspruch 1, die bekanntlich erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingeführt wurden, die Erfindung ausschließlich auf das erste Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1, 2a und 2b beschränkten. Somit konnten erst danach Einwände unzulässiger Zwischenverallgemeinerungen, wie die beiden von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen, erhoben werden, ohne dass sie unzulässig wären.

Die Kammer hat somit vor, beide Einwände zu diskutieren".

1.2 Die Beschwerdegegnerin hat zu dieser vorläufigen Meinung der Kammer im Rahmen des ihr gewährten rechtlichen Gehörs keine Stellung genommen. Die Kammer hält auch nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an ihrer im o.g. Bescheid geäußerten Auffassung fest.

1.3 Sie betrachtet daher die in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung basierend auf den Artikeln 123 (2) und 76 (1) EPÜ als sich im Verfahren befindende Einwände.

1.4 Die Kammer merkt zusätzlich dazu an, dass durch die Aufnahme der zusätzlichen Merkmale in den Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung, siehe Punkt IX oben, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung sich in der Tat auf die Ausführungsform gemäß den Figuren 1, 2a und 2b und daher auch auf die in dieser Ausführungsform offenbarten Art der Kulissenbahnen konzentriert hat. Die gegen den so geänderten Anspruch 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung erhobenen Einwände einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung haben somit mit den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ und nicht mit denen des Artikels 100 (c) EPÜ zu tun. Für die Abhandlung der o.g. Einwände ist somit das Einverständnis der Beschwerdegegnerin nicht erforderlich.

2. Anspruch 1 - Änderungen gegenüber der Stammanmeldung, Artikel 76 (1) EPÜ

2.1 Unter Punkt 2.4 ihres o.g. Ladungsbescheids stellte die Kammer die im Anspruch 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung vorgenommenen Änderungen unter folgenden Gesichtspunkten in Frage:

"In diesem Zusammenhang stellt sich noch die Frage, wo in der ursprünglichen (Teil)anmeldung eine Basis dafür gegeben ist, dass in einer der Kulissenbahnen für jede Teilbetätigung jeweils ein Sperrmittel vorgesehen ist. Es scheint, dass damit die zweite Kulissenbahn gemeint ist. Dieses zusätzliche Merkmal scheint auch mit der von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage der Umschaltbewegung zusammenzuhängen, die nach dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1, 2a und 2b offensichtlich zwischen den beiden geradlinigen Abschnitten der zweiten Kulissenbahn stattfindet. Im geänderten Anspruch 1 ist im übrigen auch die andere (erste) Kulissenbahn nicht weiter definiert, und zwar nicht so wie sie in dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1, 2a und 2b dargestellt und in kausalem Zusammenhang mit der beanspruchten Umschaltbewegung beschrieben ist".

2.2 Die Beschwerdegegnerin hat auch zu dieser seitens der Kammer aufgeworfenen Frage in Bezug auf das Fehlen in der ursprünglichen Teilanmeldung einer Basis dafür, dass in einer der Kulissenbahnen für jede Teilbetätigung jeweils ein Sperrmittel vorgesehen ist, im Rahmen des ihr gewährten rechtlichen Gehörs keine Stellung genommen. Die Kammer hält auch nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an ihrer im o.g. Bescheid geäußerten Auffassung fest, wonach in der ursprünglichen Teilanmeldung keine Basis dafür zu finden ist, dass in einer der Kulissenbahnen für jede Teilbetätigung jeweils ein Sperrmittel vorgesehen ist.

2.3 Aus den o.g. Gründen erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung nicht die Erfordernisse des Artikels 76 (1) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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