T 0116/12 () of 1.3.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T011612.20130301
Datum der Entscheidung: 01 März 2013
Aktenzeichen: T 0116/12
Anmeldenummer: 05801734.4
IPC-Klasse: D06F 35/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM IMPRÄGNIEREN VON TEXTILIEN
Name des Anmelders: BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 103(2)
European Patent Convention R 103(1)(a)
European Patent Convention Art 113(1)
Schlagwörter: Nicht-Berücksichtigung der Argumentation in der Erwiderung auf einen Bescheid gemäß Artikel 96 (2) EPÜ -
Verletzung des rechtlichen Gehörs (ja) -
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0763/04
T 1997/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2441/18

Sachverhalt und Anträge

I. Im Laufe des Prüfungsverfahrens der Patentanmeldung Nr. 05 801 734.4 erließ die Prüfungsabteilung am 15. November 2007 einen Bescheid nach Artikel 96 (2) EPÜ mit folgendem Wortlaut: Für die vorliegende Anmeldung wurde bereits ein internationaler vorläufiger Bericht zur Patentfähigkeit / internationaler vorläufiger Prüfungsbericht gemäß PCT erstellt. Die in diesem Bericht aufgezeigten Mängel geben daher zu Einwänden unter den entsprechenden Bestimmungen des EPÜ Anlass.

II. Im Internationalen Vorläufigen Bericht zur Patentierbarkeit ("IPER") war die mangelnde Neuheit beanstandet worden. Es handle sich um keine Auswahlerfindung, da von den erforderlichen Kriterien "Teilbereich muss eng sein (i)", "genügend Abstand von konkreten im Stand der Technik offenbarten Beispielen und den Eckwerten haben (ii)" und "es darf kein willkürlicher Ausschnitt sein (iii)", letzteres nicht erfüllt sei. Die Gründe hierfür sind unter Punkt 1, vorletzter und letzter Absatz angegeben.

III. In Erwiderung auf diesen Bescheid nahm die Anmelderin in ihrem Schreiben vom 19. März 2008 zu diesem Einwand und dessen Begründung ausführlich Stellung. Zu den beiden weiteren Kriterien führte die Anmelderin aus, es scheine von der Prüferin nicht bestritten zu werden, dass es sich um einen engen Teilbereich (Kriterium (i)) handelt und dieser sei auch weit entfernt von dem im Stand der Technik D1 offenbarten/genannten Verhältnis (Kriterium (ii)).

IV. Die Prüfungsabteilung hat daraufhin am 21. Juli 2011 die europäische Patentanmeldung Nr. 05 801 734.4 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der der Prüfung zugrunde liegende Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei. Es handle sich nicht um eine Auswahlerfindung, da die Kriterien (i), (ii) und (iii) nicht erfüllt seien.

V. Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 14. September 2011 eingegangene Beschwerde samt Abbuchungsauftrag der Anmelderin / Beschwerdeführerin. Die Beschwerdebegründung, in welcher auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß

Regel 103 (1)(a) oder (2) EPÜ beantragt wurde, wurde am 18. November 2011 eingereicht.

VI. Den Rückzahlungsantrag begründete die Beschwerdeführerin mit einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ. Im IPER habe die Prüfungsstelle ausschließlich die Nichterfüllung des Kriteriums (iii) geltend gemacht, so dass die Beschwerdeführerin in ihrer Bescheiderwiderung vom 19. März 2008 davon ausgegangen sei, die Kriterien (i) und (ii) für eine Auswahlerfindung seien erfüllt. In der angefochtenen Entscheidung heiße es nun auf einmal, diese beiden Kriterien seien auch nicht erfüllt. Der Beschwerdeführerin sei keine Gelegenheit mehr gegeben worden, sich dazu zu äußern. Darüber hinaus sei die Prüfungsabteilung auf die Argumente der Beschwerdeführerin zu Kriterium (iii) nicht eingegangen, sondern habe dazu lediglich einen Satz aus dem IPER wiederholt, sich somit mit den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt.

VII. Der Beschwerde wurde abgeholfen und das europäische Patent wurde erteilt (Hinweis auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt 12/22), dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gab die Prüfungsabteilung jedoch nicht statt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde, der abgeholfen wurde, war zulässig. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer für die Entscheidung über den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gründet sich auf Regel 103 (2) EPÜ.

2. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen, wenn dies wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht (Regel 103 (1)(a) EPÜ). Als solchen hat die Beschwerdeführerin die Verletzung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich der in der angefochtenen Entscheidung als nicht erfüllt angesehenen Kriterien (i), (ii) und (iii) angesehen.

3. Was die beiden ersteren Kriterien anbelangt, hat die Prüfungsabteilung vor Erlass der Entscheidung niemals zu erkennen gegeben, dass sie diese als nicht erfüllt ansehen könnte. Noch musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, zumal im IPER, auf den die Prüfungsabteilung in ihrem (einzigen) Bescheid nach Artikel 96 (2) EPÜ pauschal verwiesen hat, nur das Kriterium (iii) in Frage gestellt wurde. Die bloße Aufzählung der Kriterien (i) und (ii) ist keine Gewährung des rechtlichen Gehörs i. S. des Artikels 113 (1) EPÜ, ebenso wenig wie die Bemerkungen zu diesen beiden Kriterien in der Bescheiderwiderung, ganz abgesehen von ihrem Inhalt, unter diesen Umständen eine Äußerung zu den Gründen, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, darstellen konnten.

4. Was das Kriterium (iii) anbelangt, hat die Argumentation der Beschwerdeführerin in der Bescheiderwiderung zwar Eingang in die Darstellung ihrer Argumente für die Erfüllung dieses Kriteriums gefunden (Punkt 8 der Entscheidungsgründe, erster Abschnitt bis einschließlich "1:100 wäre zu lang und 1:1 wäre unpraktikabel"), nicht aber in die Begründung des gegenteiligen Ergebnisses, zu dem die Prüfungsabteilung gelangt ist. Diese Begründung (Punkt 8 ab "Es handelt sich bei der beanspruchten Auswahl" bis Ende) ist praktisch wortgleich dem entsprechenden Text im IPER (Punkt II, oben). Damit besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die in der Bescheiderwiderung vom 20. März 2008 vorgebrachten Gegenargumente der Beschwerdeführerin betreffend Kriterium (iii) von der Prüfungsabteilung berücksichtigt wurden.

5. Artikel 113 (1) EPÜ ist aber verletzt, wenn Tatsachen und Argumente, die dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge für die Verteidigung seiner Sache eindeutig von zentraler Bedeutung sind und gegen die erlassene Entscheidung sprechen könnten, in dieser völlig außer Acht gelassen werden (T 763/04). Dies betrifft insbesondere auch in einer Bescheidserwiderung gemachtes Vorbringen, sodass grundsätzlich von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen ist, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Begründung der Entscheidung der Prüfungsabteilung in der Wiederholung der Gründe des vor der Bescheidserwiderung erlassenen Bescheids erschöpft (T 1997/08).

6. Daraus folgt, dass hinsichtlich der wesentlichen Gründe für die angefochtenen Entscheidung - nämlich dass nicht alle für eine Auswahlerfindung erforderlichen Kriterien erfüllt seien - das rechtliche Gehör i.S. von Artikel 113 (1) EPÜ nicht gewährleistet war, weder zu den Kriterien (i) und (ii) (Punkt 3, oben), noch zu Kriterium (iii) (Punkt 4, oben). Dies stellt einen so wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Billigkeit entspricht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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