European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T262611.20140710 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 Juli 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2626/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99113145.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | F24C 7/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | PROGRAMMGESTEUERTER HERD MIT LANDESPROGRAMMLISTEN | ||||||||
Name des Anmelders: | BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Miele & Cie. GmbH & Co. Schutzrechte/Verträge |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag: Gegenstand nicht neu Hilfsanträge 1 und 2: nicht gewährbar Hilfsantrag 3: gewährbar |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 2. November 2011, mit der das Patent Nr. EP-B-0971173 (auf der Basis der europäischen Anmeldung EP99113145.9) widerrufen wurde.
In der Entscheidungsbegründung hat die Einspruchsabteilung festgestellt,
- dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags durch die Kombination der Entgegenhaltungen
US-A-5495095 (D1) und JP-A-09105998 (D2) nahegelegt sei (Artikel 56 EPÜ), und
- dass die in den unabhängigen Ansprüchen sämtlicher Hilfsanträge 1 bis 3 vorgenommenen Änderungen neues, in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht offenbartes Material hinzufügten
(Artikel 123 (2) EPÜ).
II. Die Beschwerde wurde von der Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 20. Dezember 2011 eingelegt. Am gleichen Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 1. März 2012 nachgereicht.
III. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines geänderten Anspruchsatzes nach dem Hauptantrag oder hilfsweise nach einem der Hilfsanträge 1 und 2, die alle drei mit der Beschwerdebegründung vom 1. März 2012 eingereicht wurden, oder, hilfsweise nach dem mit Schreiben vom 16. Juni 2014 eingereichten
Hilfsantrag 3.
Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag 1 [die jeweiligen unabhängigen Verfahrensansprüche werden hier nicht aufgeführt], die sechs unabhängigen Ansprüche 1, 6, 7, 13, 14 und 20 gemäß dem Hilfsantrag 2 und die zwei unabhängigen Ansprüche 1 und 7 gemäß dem Hilfsantrag 3 haben folgenden Wortlaut:
a) Hauptantrag
1. "Programmgesteuertes Haushaltsgerät mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen."
b) Hilfsantrag 1
1. "Programmgesteuertes Haushaltsgerät mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen, derart, dass die Reihenfolge der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht."
c) Hilfsantrag 2
1. "Programmgesteuertes Haushaltsgerät mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind, dadurch gekennzeichnet, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen, wobei als die Steuerprogrammdeskriptoren jeweils Steuerprogrammbezeichnungen (21) in den jeweiligen Landessprachen dienen und die Landessprache jeder Landesprogrammliste mit deren unveränderter landesspezifischer Reihenfolge der Steuerprogramme (15) durch eine geeignete Eingabe in die Eingabeeinheit (3) veränderbar ist."
6. "Verfahren zur Organisation von Steuerprogrammen (15) und diese erläuternden Steuerprogrammdeskriptoren (21) unterschiedlicher Landessprachen in von einer Bedienperson abrufbaren Landesprogrammlisten
mit mehreren Steuerprogrammen für eine Steuerungsanordnung eines programmgesteuerten Haushaltsgerätes, beispielsweise eines Herdes oder
einer Waschmaschine, wobei jeder für das Haushaltsgerät auswählbaren Landessprache eine bestimmte landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) und der Steuerprogrammdeskriptoren (21) innerhalb
der Landesprogrammlisten zugeordnet wird, wobei als die
Steuerprogrammdeskriptoren jeweils Steuerprogrammbezeichnungen (21) in den jeweiligen Landessprachen dienen und die Landessprache jeder
Landesprogrammliste mit deren unveränderter landesspezifischer Reihenfolge der Steuerprogramme (15) durch eine geeignete Eingabe in die Eingabeeinheit
(3) verändert werden."
7. "Programmgesteuerter Herd mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten
Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der
Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind, dadurch gekennzeichnet, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der
Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen, wobei als Steuerprogramme Kochrezepte jeweils in der Reihenfolge darstellbar sind, welche der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht."
13. "Verfahren zur Organisation von Steuerprogrammen (15) und diese erläuternden Steuerprogrammdeskriptoren (21) unterschiedlicher Landessprachen in von einer Bedienperson abrufbaren Landesprogrammlisten mit mehreren Steuerprogrammen für eine Steuerungsanordnung eines programmgesteuerten Herds, wobei jeder für den Herd auswählbaren Landessprache eine bestimmte landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) und der Steuerprogrammdeskriptoren (21) innerhalb
der Landesprogrammlisten zugeordnet wird, wobei als Steuerprogramme Kochrezepte jeweils in der Reihenfolge dargestellt werden, welche der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht."
14. "Programmgesteuerte Waschmaschine mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten
Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der
Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind, dadurch gekennzeichnet, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der
Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen."
20. "Verfahren zur Organisation von Steuerprogrammen (15) und diese erläuternden Steuerprogrammdeskriptoren (21) unterschiedlicher Landessprachen in von einer Bedienperson abrufbaren Landesprogrammlisten mit mehreren Steuerprogrammen für eine Steuerungsanordnung einer programmgesteuerten Waschmaschine, wobei jeder für die Waschmaschine auswählbaren Landessprache eine bestimmte landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) und der Steuerprogrammdeskriptoren (21) innerhalb der Landesprogrammlisten zugeordnet wird."
d) Hilfsantrag 3
1. "Programmgesteuerter Herd mit einer Steuerungsanordnung, welche eine Anzeige und eine Eingabeeinheit zum Auswählen einer gewünschten Landesprogrammliste umfasst, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der Steuerprogramme anzeigbar sind, welche Eingabeeinheit weiterhin zum Auswählen eines einzelnen Steuerprogramms aus der ausgewählten Landesprogrammliste dient, und mit einem Speicherelement, in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) bzw. der Steuerprogrammdeskriptoren (21) aufweisen, wobei als Steuerprogramme Kochrezepte jeweils in der Reihenfolge darstellbar sind, welche aufgrund der landesspezifisch unterschiedlichen Koch- und Ernährungsgewohnheiten der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht."
7. "Verfahren zur Organisation von Steuerprogrammen (15) und diese erläuternden Steuerprogrammdeskriptoren (21) unterschiedlicher Landessprachen in von einer Bedienperson abrufbaren Landesprogrammlisten mit mehreren Steuerprogrammen für eine Steuerungsanordnung eines programmgesteuerten Herds, wobei jeder für den Herd auswählbaren Landessprache eine bestimmte landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme (15) und der Steuerprogrammdeskriptoren (21) innerhalb der Landesprogrammlisten zugeordnet wird, wobei als Steuerprogramme Kochrezepte jeweils in der Reihenfolge dargestellt werden, welche aufgrund der landesspezifisch unterschiedlichen Koch- und Ernährungsgewohnheiten der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht."
V. Mit dem Ladungsbescheid vom 20. Februar 2014 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sich von D1 nicht eindeutig unterscheiden lasse, dass der beanspruchte Gegenstand gemäß dem ersten Hilfsantrag gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen würde und dass die im zweiten Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ nicht erfüllen könnten.
Daraufhin hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. Juni 2014 den Anspruchssatz gemäß dem dritten Hilfsantrag nachgereicht.
VI. Die Beschwerdeführerin trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
Der Unterschied des beanspruchten Gegenstands gegenüber D1 liege im kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1.
Die in Spalte 3, Zeilen 10 bis 23 benannte vorbestimmte Liste von Kochgerichten stelle keine landesspezifische Reihenfolge dar, insbesondere weil D1 keine Angabe über irgend ein Sortieren der aufgelisteten Gerichte offenbare. Es sei zudem aus der Beschreibung des Streitpatents für den Fachmann in eindeutiger Weise herleitbar, dass die beanspruchte "landesspezifische Reihenfolge" durch ein Sortieren nach Verwendungshäufigkeit auszulegen sei und eine alphabetisch sortierte Liste von Gerichten nicht umfasse. Somit sei das beanspruchte Gerät gegenüber D1 neu.
Die Änderungen gemäß Hilfsantrag 1 erfüllen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Das im Kennzeichen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 aufgenommene Merkmal M1 "derart dass die Reihenfolge der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entspricht" sei auf Seite 2, Zeilen 19 und 20 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen wortwörtlich offenbart. Aus dem dritten Absatz der Seite 2 (Zeilen 7 bis 29) leite der Fachmann ohne weiteres her, dass das Merkmal M1 keineswegs ausschließlich auf Kochrezepte beschränkt sei, sondern vielmehr allgemein für jeden Typ von Haushaltsgeräten zutreffen solle, wie auch bei Waschprogrammen von Waschmaschinen. Die breitere, vom Maschinentyp unabhängige Bedeutung bzw. Auslegung des Merkmals M1 werde für den fachkundigen Leser durch das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Merkmal M1 eingesetzte Verb "können" ("kann" in Zeile 16; "können" in Zeile 19) verdeutlicht.
Der Gegenstand der sechs unabhängigen Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag 2 sei gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Im Hilfsantrag 3 unterscheide sich der beanspruchte Herd von D1 durch das Kennzeichen des Anspruchs 1. Ein Sortieren der als Steuerprogramme darstellbaren Kochrezepte in der beanspruchten Reihenfolge, nämlich nach der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit der landesspezifisch unterschiedlichen Koch- und Ernährungsgewohnheiten, sei in D1 nicht bekannt. Dadurch könne die Bedienfreundlichkeit des Haushaltsherds erhöht werden. Eine diesbezügliche Anregung sei in der dem technisch fremden Gebiet der Digitalkameras angehörenden Entgegenhaltung D2 für den Fachmann keineswegs zu erwarten.
VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:
Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 gemäß
dem Hauptantrag sei auch aus D1 bekannt, weil der Begriff "landesspezifische Reihenfolge" eine sehr breite Bedeutung habe, zumal Anspruch 1 auch ganz allgemein auf Haushaltsgeräte gerichtet sei. Die in D1 offenbarte Liste von Ernährungsmitteln sei auch sortiert, weil je nach Landessprache vorbestimmt (Spalte 3, Zeilen 10 bis 23). Das Gerät des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei somit neuheitsschädlich aus D1 bekannt (Artikel 54 EPÜ).
Die in den Ansprüchen des Hilfsantrags 1
vorgenommenen Änderungen verletzten die Vorschriften des Artikels 123 (2) EPÜ, da der in den unabhängigen Ansprüchen eingefügte Begriff "landesdurchschnittliche Verwendungshäufigkeit" im Gesamtumfang der Offenbarung stets im direkten Zusammenhang mit Kochrezepten für einen Herd und nicht ganz allgemein für jedes beliebige Haushaltsgerät genannt sei.
Der Anspruchssatz gemäß dem zweiten Hilfsantrag erfülle nicht die Vorschriften des EPÜ, insbesondere nicht die der Artikel 123 (2) und 56 EPÜ.
Während der mündlichen Verhandlung hat die
Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie sich zum geänderten Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 3 nicht äußern werde.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Es ist unbestritten, dass der Haushaltsherd gemäß D1 die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart, siehe insbesondere die Figuren 1 bis 3B und Anspruch 1. Der Herd gemäß D1 ist so programmgesteuert, um den Bedienungskomfort zu verbessern, siehe Aufgabestellung in Spalte 1, Zeilen 43 bis 47. Dafür weist die Steueranordnung in D1 eine Anzeige (12) und eine Eingabeeinheit (11) zum Auswählen einer gewünschten Landesprogrammliste auf, deren verschiedene nacheinander gespeicherte Steuerprogramme bzw. Steuerprogrammdeskriptoren zur Erläuterung der Steuerprogramme anzeigbar sind. Mittels der Eingabeeinheit (11) wird ein einzelnes Steuerprogramm aus der ausgewählten Landesprogrammliste gewählt. Zudem verfügt der Herd über ein Speicherelement (22,23), in dem die Landesprogrammlisten mit den jeweiligen Steuerprogrammen und den Steuerprogrammdeskriptoren gespeichert sind, siehe Spalte 3, Zeilen 1 bis 23 und Anspruch 1.
2.2 Die Kammer gelang ferner zur Überzeugung, dass, entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Stellungnahme, auch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 aufgrund folgender Betrachtungen auf die in D1 offenbarte Vorrichtung zu lesen sind.
Das Kennzeichen fügt dem im Oberbegriff bereits definierten Gegenstand lediglich hinzu, dass die angezeigten Landesprogrammlisten jeweils eine landesspezifische Reihenfolge der Steuerprogramme bzw. der Steuerprogrammdeskriptoren aufweisen. In anderen Worten sind die Steuerprogramme bzw. die Steuerprogrammdeskriptoren der jeweils angezeigten Landesprogrammliste "landesspezifisch" sortiert.
Auf der Basis welcher Kriterien das "landesspezifische" Sortieren durchzuführen ist, wird im Anspruch 1 nicht bestimmt. Nach Auffassung der Kammer ist daher dem kennzeichnenden Merkmal keine enge Bedeutung zuzumessen, sondern es ist in einer der beanspruchten Definition treuen und damit breiteren Weise auszulegen. Sobald eine Liste je nach Landessprache bestimmt bzw. in einer Reihenfolge sortiert wird, ganz unabhängig davon, welche Sortierkriterien für das Bestimmen der Reihenfolge letztendlich angewendet wurden, sind also die Erfordernisse des kennzeichnenden Merkmals erfüllt. In D1, siehe Anspruch 1 und Spalte 3, Zeilen 10 bis 23, verfügt die gespeicherte Datenbank des Hauptcomputers 10 über die Möglichkeit, über die Eingabe einer bestimmten Landessprache eine vorbestimmte Nahrungsmittelliste auszuwählen bzw. anzuzeigen und entsprechende Kochprozesse aufzurufen, siehe insbesondere die Merkmale in Spalte 5, Zeilen 18 bis 30 der D1.
2.3 Die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag stellen somit keinen eindeutigen, nachweisbaren Unterschied gegenüber dem in D1 offenbarten Herd dar, so dass der beanspruchte Gegenstand das Erfordernis der Neuheit nach
Artikel 54 (2) EPÜ nicht erfüllt.
3. Hilfsanträge 1 und 2
3.1 Erster Hilfsantrag
Der im Kennzeichen der unabhängigen Ansprüchen 1 und 8 hinzugefügte Begriff einer "landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit" ist in der ursprünglich eingereichten Beschreibung, siehe Spalte 2, Zeile 20, explizit enthalten, jedoch nur im unmittelbaren Zusammenhang mit einer besonderen Anwendung des ursprünglich allgemein definierten Erfindungsgegenstands. Der fachkundige Leser entnimmt dem dritten Absatz der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Unterlagen (Absatz [0005] der Patentschrift EP-B bzw. Absatz [0004] der Veröffentlichung EP-A), dass als Beispiel einer landesspezifischen Reihenfolge die landesspezifischen Unterschiede bezüglich der Koch- und Ernährungsgewohnheiten die angezeigte Reihenfolge bestimmen können. Die nun mitbeanspruchte landesdurchschnittliche Verwendungshäufigkeit ist allein anhand dieses detailliert ausgeführten Beispiels bestimmt. Eine Offenbarung für andere Haushaltsgeräte kann der genannten Textstelle keineswegs entnommen werden.
Auch im restlichen Teil der Beschreibung ist kein Hinweis zu finden, dass eine der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit entsprechende landesspezifische Reihenfolge auch für das Programmieren von anderen Haushaltsgeräten, wie Waschmaschinen, anzuwenden sei.
Die Kammer gelangte somit zur Überzeugung, dass das hinzugefügte Merkmal ausschließlich im Zusammenhang mit Koch- und Ernährungsgewohnheiten offenbart wurde, so dass seine Aufnahme im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, welcher allgemein ein Haushaltsgerät betrifft, eine unzulässige Verallgemeinerung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung darstellt und gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ verstößt.
3.2 Zweiter Hilfsantrag
Die im Anspruchssatz gemäß dem zweiten Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen stellen aufgrund folgender Betrachtungen keine angemessene Reaktion auf den bezüglich des ersten Hilfsantrags festgestellten Offenbarungsmangel (Artikel 123 (2) EPÜ) dar.
Es wurden im Vergleich zu dem vorhergehenden Anspruchssatz vier zusätzliche unabhängige Ansprüche 7, 13, 14 und 20 sowie mehrere, jeweils davon abhängige, Ansprüche neu eingeführt. Der Anspruchssatz gemäß dem zweiten Hilfsantrag umfasst nunmehr drei unabhängige Ansprüche pro Kategorie. Die Vermehrung von unabhängigen und auch abhängigen Ansprüchen ist weder durch die Einspruchsgründe bzw. die Begründung in der angefochtenen Entscheidung noch durch den Einwand unter Artikel 123 (2) bezüglich des ersten Hilfsantrags veranlasst. Außerdem stellt die Kammer fest, dass die in den Ansprüchen 1 und 6 eingeführten, zusätzlich beschränkenden Merkmale, nämlich die aus den erteilten bzw. im Hauptantrag enthaltenen Ansprüchen 5 und 6 aufgenommenen Merkmale, in den neu hinzugefügten unabhängigen Ansprüchen 7, 13, 14, 20 komplett fehlen, was letztendlich mit einer parallelen Antragslage zu vergleichen ist und einen weiteren Hinweis dafür liefert, dass die umfangreichen Änderungen nicht angemessen sind und gegen die Regel 80 EPÜ verstoßen (siehe Rechtsprechung, 7. Auflage 2013, IV. D.4.1, 4.4.1, 4.4.2, und IV. E.4.1.1).
Der zweite Hilfsantrag ist daher nicht gewährbar.
4. Neues Vorbringen seitens der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin hat im Hinblick auf den geänderten Anspruchssatz gemäß dem Hilfsantrag 2 ein neues Beweismittel (DE-T2-68920268) und eine erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung vorgebracht.
Eine Entscheidung über die Zulässigkeit dieses verspäteten Vorbringens im Hinblick auf Artikel 114 EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK erübrigt sich deshalb, weil der Hilfsantrag 2 aus den vorstehenden Gründen nicht gewährbar ist.
5. Hilfsantrag 3
Die vorgenommenen Änderungen erfüllen die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere die der Artikel 123 (2), 54 (2) und 56 sowie der Regel 80 EPÜ.
Insbesondere ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass das Hauptunterscheidungsmerkmal im Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags gegenüber dem Herd nach D1 in der an sich weder aus dem zitierten Stand der Technik bekannten, noch für den Fachmann üblichen Festlegung der Reihenfolge der Steuerprogramme der landesdurchschnittlichen Verwendungshäufigkeit liegt, so dass der Bedienungskomfort des Herds in Bezug auf eine gewählte Landessprache und die entsprechenden landesspezifischen Kochgewohnheiten erhöht werden kann.
Die Beschwerdegegnerin hat gegen das Patent in geändertem Umfang auf der Basis der Unterlagen des dritten Hilfsantrags keinen Einwand erhoben und keinen Kommentar abgegeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung: Seite 2, wie in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2014 eingereicht, und Seite 3 der Patentschrift;
- Ansprüche: 1 bis 7, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 16. Juni 2014;
- Figuren: 1 und 2 der Patentschrift.