European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T214511.20180726 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Juli 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2145/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02025796.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61M 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Multidosis-Trockenpulverinhalator mit Pulverreservoir | ||||||||
Name des Anmelders: | Jagotec AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Chiesi Farmaceutici S.p.A. INNOVATA BIOMED LIMITED |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Res judicata - (nein) Zulässigkeit der Beschwerde - (ja) Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Stammanmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 283 036 beruht auf einer Teilanmeldung der früheren europäischen Patentanmeldung 99952212.1 (nachfolgend "Stammanmeldung"). Das aus dieser Stammanmeldung hervorgegangene europäische Patent 1 131 059 (nachfolgend "Stammpatent") wurde im Einspruchsbeschwerdeverfahren mit der Entscheidung T 1586/06 widerrufen. Das vorliegende Patent wurde mit elf Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde von zwei Einsprechenden Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ, unzureichende Offenbarung unter Artikel 100 b) EPÜ sowie unzulässige Erweiterung des ursprünglich offenbarten Inhalts der Anmeldung und des ursprünglich offenbarten Inhalts der Stammanmeldung unter Artikel 100 c) EPÜ angeführt.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden unter anderem die folgenden Beweismittel genannt:
R1: B.J. Meakin et al., Journal of Aerosol Medicine
11(3): 143-152
R2: N. M. Kassem, Doktorarbeit mit dem Titel Generation of Deeply Inspirable Clouds from Dry Powder Mixtures (1990), Department of Pharmacy, King's College, University of London, Seiten 53-61 and 188-213
R10: J. Peart et al., Pharmaceutical Research, November 1997, vol. 14, no. 11, Seiten S-142 bis S-143, Abstract 1405
R16: H.V. van Kamp et al., Pharm. Acta Helv., 1986, vol.61, Nr. 1, Seiten 22 bis 29
III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents lag als einziger Antrag und somit Hauptantrag ein mit Schreiben vom 19. Mai 2009 eingereichter Anspruchssatz zugrunde.
IV. Anspruch 1 dieses Antrags lautete wie folgt:
"Multidosis-Trockenpulverinhalator mit einem Pulverreservoir und einem Dosiermechanismus zur Entnahme von Einzeldosen aus dem Pulverreservoir, worin das Pulverreservoir eine Trockenpulver-Formulierung zur Inhalation enthält, die ein Pulvergemisch enthaltend ein Pulver eines pharmazeutisch nicht wirksamen Trägers in nicht inhalierbarer Teilchengrösse, ein Pulver eines fein verteilten pharmazeutischen Wirkstoffes in inhalierbarer Teilchengrösse und 0.4 bis 5 Gew-%, bezogen auf die Trockenpulverformulierung, staubförmiges Magnesiumstearat umfasst, wobei Trockenpulver-Formulierungen zur Inhalation ausgeschlossen sind, die aus alfa-Laktose-Monohydrat vermischt mit 0.5 Gew.-% Magnesiumstearat als Träger und Beclomethasondiproprionat oder Salbutamolbase bestehen".
V. In der angefochtenen Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Auch genüge der Gegenstand des Hauptantrags den Erfordernissen der Artikel 76(1), 123(2), 123(3) und 54 EPÜ, jedoch erfülle er nicht die Kriterien des Artikels 56 EPÜ.
Die Einspruchsabteilung führte insbesondere aus, dass R10 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könne, von dem sich Anspruch 1 dadurch unterscheide, dass die in R10 beschriebene Trockenpulver-Formulierung nicht in einem Multidosis-Inhalator vorliege. Die zu lösende Aufgabe bestehe folglich in der Bereitstellung einer geeigneten Abreichungsapparatur für die Verabreichung einer bereits bekannten Trockenpulver-Formulierung. Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann die Lehre von R1 heranziehen, da diese eine ähnliche Trockenpulver-Formulierung in einem Multidosis-Inhalator mit Pulverreservoir und Dosiermechanismus zur Entnahme von Einzeldosen offenbare. Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend.
VI. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Patentinhaberin (nachfolgend Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie vier Hilfsanträge ein, und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrunde liegenden Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4.
VII. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 19. April 2012 erachtete die Einsprechende 1 (nachfolgend Beschwerdegegnerin 1) in Anbetracht der Entscheidung T 1586/06 den Gegenstand der vorliegenden Beschwerde als res judicata, und bestritt ihre Zulässigkeit. Ferner beantragte sie, Hilfsanträge 1 bis 4 als verspätetes Vorbringen nicht in das Verfahren zuzulassen. Bezüglich erfinderischer Tätigkeit führte sie aus, dass der Gegenstand aller Anträge naheliegend sei aus der Zusammenschau der Druckschriften R2 und R16.
VIII. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 29. Juni 2012 schloss sich die Einsprechende 2 (nachfolgend Beschwerdegegnerin 2) den Ausführungen der Beschwerdegegnerin 1 an, erhob jedoch zusätzlich Einwände unter Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ in Bezug auf die Ansprüche des Hauptantrags. So sei das in Anspruch 1 enthaltene Merkmal des staubförmigen Magnesiumstearats als Teil des Endprodukts, d.h. der fertigen Trockenpulver-Formulierung, nicht in der Stammanmeldung und die dem vorliegenden Patent zugrunde liegenden Anmeldung in ihren ursprünglich eingereichten Fassungen offenbart. Des Weiteren lieferten diese keinerlei Stütze für das in Anspruch 3 genannte Merkmal der Bindung des Magnesiumstearats an die Trägerteilchen durch Adhäsion.
Ferner machte die Beschwerdegegnerin 2 geltend, dass
das Patent die beanspruchte Erfindung nicht so vollständig und deutlich offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Es gebe keinerlei Hinweis im Streitpatent darauf, wie erfindungsgemäße Trockenpulver-Formulierungen herzustellen seien, bei denen das Magnesiumstearat seinen staubförmigen Charakter im Endprodukt bewahre.
IX. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 nahm die Beschwerdegegnerin 2 ihren Einspruch zurück.
X. Mit Schriftsatz vom 26. März 2018 nahm die Beschwerdeführerin alle bisherigen Anträge zurück, und reichte einen neuen Hauptantrag sowie drei neue Hilfsanträge ein. In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2018 vor der Beschwerdekammer machte die Beschwerdeführerin den dritten Hilfsantrag zu ihrem Hauptantrag, und nahm den zuvor gestellten Hauptantrag und die zuvor gestellten Hilfsanträge 1 und 2 zurück.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verwendung von staubförmiges Magnesiumstearat bei der Herstelllung von einen Multidosis-Trockenpulverinhalator mit einem Pulverreservoir und einem Dosiermechanismus zur Entnahme von Einzeldosen aus dem Pulverreservoir, worin das Pulverreservoir eine Trockenpulver-Formulierung zur Inhalation enthält, zur Verbesserung des Beständigkeit der Trockenpulver-Formulierung gegen Feuchtigkeit, worin die Trockenpulver-Formulierung enthaltend ein Pulver eines pharmazeutisch nicht wirksamen Trägers in nicht inhalierbarer Teilchengrösse, ein Pulver eines fein verteilten pharmazeutischen Wirkstoffes in inhalierbarer Teilchengrösse und 0,4 bis 1 Gew-%, bezogen auf die Trockenpulverformulierung, staubförmiges Magnesiumstearat umfasst, wobei Trockenpulver-Formulierungen zur Inhalation ausgeschlossen sind, die aus alfa-Laktose-Monohydrat vermischt mit 0,5 Gew-% Magnesiumstearat als Träger und Beclomethasondiproprionat oder Salbutamolbase bestehen, worin der Wirkstoff und das Magnesiumstearat durch Adhäsion an die Trägerteilchen gebunden sind".
XI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 6. Juli 2018 erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung.
XII. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2018 nahm die Beschwerdegegnerin 1 ihren Einspruch zurück.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Res judicata - Zulässigkeit der Beschwerde:
Das Prinzip der res judicata finde im vorliegenden Falle keine Anwendung. So beruhe das vorliegende Patent auf einer Teilanmeldung, und sei somit getrennt und unabhängig von dem auf die Stammanmeldung erteilten Patent, welches Gegenstand der Entscheidung T 1586/06 war. Ferner sei der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags nicht identisch mit dem Gegenstand der Ansprüche, über die in T 1586/06 entschieden worden war. Schließlich weise der Tatsachenvortrag der vorliegenden Beschwerde signifikante Unterschiede zu dem der Entscheidung T 1586/06 auf.
Folglich sei die Zulässigkeit der Beschwerde nicht zu beanstanden, zumal die Beschwerde ausreichend begründet sei.
b) Zulässigkeit des Hauptantrags:
Der mit Schreiben vom 26. März 2018 als Hilfsantrag 3 eingereichte Hauptantrag sollte in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden, da er kein neues Vorbringen sei, sondern mögliche formale Einwände behebe.
c) Änderungen (Artikel 100 c) in Verbindung mit Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ):
Das Merkmal der Bindung des Wirkstoffes und des Magnesiumstearats an die Trägerteilchen durch Adhäsion sei auf Seite 17, Zeile 30 bis Seite 18, Zeile 25 der Anmeldung und der Stammanmeldung in ihren ursprünglich eingereichten Fassungen offenbart, so dass die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ erfüllt seien.
d) Offenbarung der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ):
Der von der Einsprechenden 2 erhobene Einwand sei unbegründet, da diese keinerlei Beweismittel geliefert habe, welche begründete Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung wecken könnten.
e) Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ):
i) R10 könne nicht den nächstliegenden Stand der Technik bilden, da dessen Lehre auf einen völlig anderen Zweck gerichtet sei als das Patent. Letzteres strebe die Feuchtigkeitsbeständigkeit von in Multidosis-Trockenpulverinhalatoren befindlichen Trockenpulver-Formulierungen an, während sich R10 ausschließlich mit der Erhöhung des Feinpartikelanteils (nachfolgend FPF) solcher Zubereitungen befasse. Vielmehr sei R1 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, von dem sich Anspruch 1 des Hauptantrags in der Menge und der Art des Magnesiumstearats unterscheide. Ausgehend von R1 sei die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Mittels zur Verbesserung der Feuchtigkeitsbeständigkeit einer in einem Multidosis-Trockenpulverinhalator befindlichen Trockenpulver-Formulierung zu sehen. Die Lösung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil keine der herangezogenen Entgegenhaltungen die beanspruchte schützende Wirkung des Magnesiumstearats gegenüber der in den Multidosis-Trockenpulverinhalator eintretenden Feuchtigkeit nahelege.
ii) Selbst wenn R10 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet würde, so bestünde der Unterschied zu R10 nicht lediglich in dem Multidosis-Trockenpulverinhalator allein, sondern wäre als eine in einem Multidosis-Trockenpulverinhalator befindliche Formulierung anzusehen. Folglich wäre die beanspruchte Verwendung des Magnesiumstearats aus den gleichen Gründen erfinderisch wie ausgehend von R1 als nächstliegenden Stand der Technik.
XIV. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 26. März 2018.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Einsprechende bestritt unter Hinweis auf die Entscheidung T 0051/08 die Zulässigkeit der Beschwerde, mit der Begründung, dass über den Gegenstand des Patents durch die Entscheidung in dem Stammpatent bereits abschließend entschieden worden sei und die Kammer aufgrund der res judicata Wirkung hierüber nicht erneut entscheiden dürfte.
In der Entscheidung T 0051/08 hatte die Beschwerdekammer die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Teilanmeldung als unzulässig angesehen, weil in der Stammanmeldung bereits über denselben Gegenstand entschieden worden war. In diesem Fall waren jedoch die Ansprüche identisch. Im vorliegenden Fall hingegen weisen die Ansprüche des Hauptantrags des Streitpatents mehrere Unterschiede gegenüber dem Gegenstand der Ansprüche auf, über die in T 1586/06
befunden worden war. So unterscheiden sie sich von Letzteren allein schon dadurch, dass sie einen Disclaimer enthalten und auf die Verwendung von staubförmigen Magnesiumstearat bei der Herstellung von einem Multidosis-Trockenpulverinhalator zur Verbesserung der Beständigkeit der Trockenpulver-Formulierung gegen Feuchtigkeit gerichtet sind. Des Weiteren darf die Menge an Magnesiumstearat gemäß den Ansprüchen des Hauptantrags ausschließlich 0,4 bis 1 Gewichtsprozent bezogen auf die Trockenpulver-Formulierung betragen.
1.2 Folglich liegt nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall keine res judicata vor. Da die Beschwerde den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen genügt (Regel 101 EPÜ), ist die Beschwerde zulässig.
2. Zulassung des Hauptantrags
Dieser Antrag ist von der Beschwerdeführerin nach
Einreichung der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Anspruch 1 dieses Antrags entspricht größtenteils Anspruch 5 als abhängigen Anspruch der Ansprüche 3 und 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten zweiten Hilfsantrags. Der einzige Unterschied liegt darin, dass das Magnesiumstearat im jetzigen Anspruch 1 bei der Herstellung von einem Multidosis-Trockenpulverinhalator verwendet wird statt "zur therapeutischen Verabreichung an einen Patienten durch Inhalation".
Nach Auffassung der Kammer stellt diese Änderung einen legitimen Versuch seitens der Beschwerdeführerin dar, die erhobenen Einwände zu beheben ohne die Komplexität des Falles zu erhöhen. Folglich lässt die Kammer den Hauptantrag in Ausübung ihres Ermessens gemäß den Artikeln 12 und 13 VOBK in das Verfahren zu.
3. Hauptantrag - Änderungen (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ)
3.1 Anspruch 1 enthält unter anderem das Merkmal des
a) staubförmigen Magnesiumstearats
b) als Teil der fertigen Trockenpulver-Formulierung,
c) wobei dieses Magnesiumstearat durch Adhäsion an die Trägerteilchen gebunden ist.
3.1.1 Die Stammanmeldung beschreibt in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung Trockenpulver-Formulierungen, welche unter anderem Magnesiumstearat umfassen (siehe Seite 9, Zeilen 16 bis 25). Dieses wird bevorzugt als staubförmiges Material bei der Herstellung der erfindungsgemäßen Trockenpulver-Formulierungen eingesetzt (siehe Seite 17, Zeilen 22 bis 24), vorzugsweise in einer Teilchengröße von etwa 1 bis 100 mym (siehe Seite 18, Zeilen 22 bis 25). Die Beispiele der Stammanmeldung wiederum sprechen von "gesiebtem" Magnesiumstearat im Kontext der Herstellung dieser Trockenpulver-Formulierungen.
Folglich ist die Kammer der Auffassung, dass die Stammanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung eine Stütze sowohl für das Merkmal des staubförmigen Magnesiumstearats an sich bietet, als auch dafür, dass dies de facto pulverförmiges Magnesiumstearat ist.
3.1.2 Die Grundlage für diese Form von Magnesiumstearat als Teil der fertigen Trockenpulver-Formulierung wiederum findet sich auf Seite 17, Zeile 30 bis Seite 18, Zeile 14 der Stammanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung.
3.1.3 Die Zeilen 11 bis 12 der Seite 18 erwähnen zusätzlich, dass die Partikel der Bestandteile durch Adhäsion an die Trägerteilchen gebunden sind. Diese Bestandteile sind der pharmazeutische Wirkstoff und das Magnesiumstearat (siehe Seite 18, Zeilen 4 bis 8).
3.2 Die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 sind in den folgenden Textstellen der Stammanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung offenbart: Seite 9, Zeilen 5 bis 9 und 16 bis 25, Seite 11, Zeilen 25 bis 29, Seite 17, Zeilen 15 bis 24, Seite 17, Zeile 30 bis Seite 18, Zeile 13.
3.3 Folglich erfüllt Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 76(1) EPÜ.
3.4 Da die ursprünglich eingereichte Fassung der Anmeldung identisch ist mit dem ursprünglich eingereichten Text der Stammanmeldung, erfüllt der Anspruch 1 somit auch die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
3.5 Die Einsprechenden haben keine weiteren Einwände unter Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ gegen den Hauptantrag erhoben. Die Kammer sieht ebenfalls keine Veranlassung zu solchen Einwänden.
4. Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ)
4.1 Die Ansprüche des Hauptantrags sind auf eine Verwendung von staubförmigen Magnesiumstearat bei der Herstellung eines Multidosis-Trockenpulverinhalators zur Verbesserung der Feuchtigkeitsbeständigkeit einer in diesem Inhalator befindlichen Trockenpulver-Formulierung gerichtet, wobei diese Formulierung unter anderem staubförmiges Magnesiumstearat umfasst.
4.2 Nach Überzeugung der Kammer offenbart das Streitpatent die beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Insbesondere vermag die Kammer keine unzureichende Offenbarung in puncto staubförmiges Magnesiumstearat als Bestandteil der Trockenpulver-Formulierungen feststellen, da es sich hierbei um allgemein bekanntes, pulverförmiges Magnesiumstearat handelt, wie aus den Absätzen [0043], [0045] und den Beispielen des Streitpatents ersichtlich.
4.3 Folglich erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ.
5. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheit der Ansprüche dieses Antrags ist nicht beanstandet worden. Die Kammer sieht ebenfalls keine Veranlassung, diese in Zweifel zu ziehen.
6. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
6.1 Nächstliegender Stand der Technik
6.1.1 Die nach dem Streitpatent zu lösende Aufgabe bezieht sich auf die Verbesserung der Feuchtigkeitsbeständigkeit von Trockenpulver-Formulierungen zur Inhalation in Multidosis-Trockenpulverinhalatoren (siehe Absatz [0001]).
6.1.2 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung einerseits R10 und andererseits R2 als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet, während die Beschwerdeführerin ihre Argumentation in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen auf R1 als nächstliegenden Stand der Technik aufgebaut hat.
6.1.3 R10 befasst sich mit Trockenpulver-Formulierungen zur Inhalation, welche alle Merkmale der Trockenpulver-Formulierungen gemäß Anspruch 1 aufweisen. Das in den Formulierungen enthaltene Magnesiumstearat bewirkt eine signifikante Erhöhung der FPF, wenn dessen Konzentration mindestens 0,75 Gew-% beträgt. Jedoch erwähnt R10 keine Multidosis-Trockenpulverinhalatoren. Auch die mit Trockenpulver-Formulierungen verbundene Problematik der Feuchtigkeitsanfälligkeit wird darin nicht angesprochen.
Genau wie R10 befasst sich die Druckschrift R2 mit Formulierungen zur Inhalation, welche einen Träger, einen Wirkstoff und eine dritte Komponente (z.B. Magnesiumstearat) enthalten, wobei Letztere den Anteil des inhalierbaren Teils der Pulvermischung erhöht.
Jedoch nennt auch sie keine Multidosis-Trockenpulverinhalatoren, und befasst sich ebenfalls nicht mit dem Thema der Feuchtigkeitsanfälligkeit solcher Formulierungen.
Des Weiteren rät der Verfasser von R2 davon ab, Magnesiumstearat in Pulvermischungen zu verwenden, die zur Inhalation bestimmt sind, da sie das empfindliche Lungengewebe beeinträchtigen könnten (siehe Seite 212, letzter Absatz).
R1 hingegen betrifft einen Multidosis-Trockenpulverinhalator enthaltend eine Trockenpulver-Formulierung zur Inhalation, welche sich von der Trockenpulver-Formulierung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich in der Menge an Magnesiumstearat unterscheidet. Zur Vermeidung des Eintritts von Feuchtigkeit besitzt der Inhalator eine wiederaufsetzbare Kappe (siehe Seite 144, letzter Absatz bis Seite 146, Zeile 8).
Folglich ist R1 der einzige Stand der Technik, der das Problem der Feuchtigkeitsanfälligkeit solcher Formulierungen zumindest indirekt anspricht, und eine Lösung dafür bietet (siehe Punkt 7.1.2, Absatz c)), so dass die Kammer, im Einklang mit der Beschwerdeführerin, R1 als den erfolgversprechendsten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erachtet.
6.1.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin auch dahingehend zu, dass die in R1 offenbarte Trockenpulver-Formulierung lediglich 0,25 Gew-% Magnesiumstearat enthält, während dessen Menge gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags 0,4 bis 1 Gew-% betragen muss.
6.2 Technische Aufgabe und Lösung
6.2.1 Nach Überzeugung der Kammer zeigt Beispiel 4 des Streitpatents glaubhaft, dass die dem Unterscheidungsmerkmal zuzuschreibende technische Wirkung ein geringerer Abfall der FPF nach Lagerung bei 40°C und 75% relativer Luftfeuchte während eines Zeitraums von sieben Tagen ist.
Somit ergibt sich als objektive technische Aufgabe gegenüber R1 die Bereitstellung eines Mittels, welches einen verbesserten Schutz gegen den Abfall der FPF von Trockenpulver-Formulierungen bietet, der durch die in den Multidosis-Trockenpulverinhalator eintretende Feuchtigkeit verursacht wird.
6.2.2 Als Lösung dieser Aufgabe wird staubförmiges Magnesiumstearat in einer Menge von 0,4 bis 1 Gew-% bezogen auf die in dem Multidosis-Trockenpulverinhalator befindlichen Trockenpulver-Formulierung vorgeschlagen.
6.3 Naheliegen der Lösung
6.3.1 Von dem im vorliegenden Verfahren zitierten Stand der Technik erwähnt lediglich R16 eine wasserabweisende Wirkung des Magnesiumstearats. Insbesondere lehrt diese Druckschrift auf Seite 26, Spalte 1 und in den Figuren 4 und 5, dass 0,5 Gew-% Magnesiumstearat die Wasseraufnahme von den meisten pulverförmigen Sprengmitteln verringert, indem es das hydrophile Sprengmittelpulver mit einem wasserabweisenden Schmierfilm ummantelt.
6.3.2 Jedoch offenbart R16 diesen Gegenstand ausschließlich im Kontext von oralen Darreichungsformen, das heißt Tabletten und Pulvern. Inhalierbare Formulierungen werden in keinster Weise erwähnt, geschweige denn Multidosis-Trockenpulverinhalatoren. Des Weiteren enthalten die in R16 beschriebenen Pulver und Tabletten keinerlei Wirkstoff, sondern bestehen lediglich aus Hilfsstoffen. Schließlich zeigen die Figuren 4 und 5 von R16, dass sich die wasserabweisende Wirkung des Magnesiumstearats lediglich über ein paar Minuten erstreckt, während die Problematik der Feuchtigkeitsanfälligkeit von Multidosis-Trockenpulverinhalatoren über die ganze Verwendungsdauer des Inhalators hinweg besteht.
Aus allen diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass die Lehre der R16 den mit der objektiven technischen Aufgabe befassten Fachmann nicht veranlassen würde, den nächstliegenden Stand der Technik unter Berücksichtigung dieser Lehre zu ändern oder anzupassen und somit zu dem beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
Auch der übrige Stand der Technik kann nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Erfindung führen.
So offenbart keines der zitierten Dokumente, dass Magnesiumstearat einen wirksamen Feuchtigkeitsschutz für Trockenpulver-Formulierungen bieten kann, geschweige denn, dass es den Abfall der FPF von Trockenpulver-Formulierungen reduzieren kann, der durch die in den Multidosis-Trockenpulverinhalator eintretende Feuchtigkeit verursacht wird.
Demzufolge kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 26. März 2018 und einer hieran anzupassenden Beschreibung.