T 2061/11 () of 26.6.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T206111.20130626
Datum der Entscheidung: 26 Juni 2013
Aktenzeichen: T 2061/11
Anmeldenummer: 05004813.1
IPC-Klasse: A63B 15/00
A63B 21/075
A63B 23/12
A63B 21/02
A63B 21/072
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wellnessgerät
Name des Anmelders: Burkhardt, Andrea
Name des Einsprechenden: Awia Vertriebs GmbH
FLEXI SPORTS GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0789/89
T 0629/90
T 0340/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2011, zur Post gegeben am 18. Juli 2011, das Europäische Patent Nr. 1 550 483 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag IV, wie eingereicht während der Verhandlung, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Einsprechende I und die Patentinhaberin hatten am 19. September 2011 bzw. am 28. September 2011 Beschwerde eingelegt und am jeweils selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen waren jeweils am 21. November 2011 und 28. November 2011 eingegangen. Die Einsprechende II, welche keine Beschwerde eingelegt hatte, beantragte danach hinreichend begründet (vgl. Eingabe vom 27. Februar 2013) die beschleunigte Bearbeitung im Sinne der Mitteilung des Vizepräsidenten Abl.1998,362.

III. Mit Bescheid vom 19. April 2013 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einer Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Juni 2013 bei Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt. Am Beginn der Verhandlung erfolgten Vergleichsverhandlungen der Parteien, und die Einsprechenden I und II erklärten daraufhin, ihre Einsprüche zurückzunehmen. Im Laufe der weiteren Verhandlung erklärte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II), dass sie unter Rücknahme des Hauptantrags nunmehr Hilfsantrag I, wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung, zum Hauptantrag mache.

IV. Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags, der als Hilfsantrag I mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, oder im Umfang des ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags II, bzw. eines der Hilfsanträge III bis V, eingereicht mit Schriftsatz vom 27. Mai 2013.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 19 gemäß Hauptantrag sind wie erteilt und haben folgenden Wortlaut:

"1. Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbarem Material, im Wesentlichen bestehend aus einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1), wobei an dem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1) an seinen in Längsrichtung gesehenen Enden als Gewicht ausgebildete Schutzvorrichtungen (3) angeordnet sind, wobei in der Mitte des Gebildes (1) ein das Gebilde (1) umhüllendes Material angeordnet ist, welches als Griff (2) ausgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass das als Griff (2) ausgebildete Material eigene Spannkräfte besitzt, die ausreichen, um das als Griff (2) ausgebildete Material dauerhaft in seiner einmal gewählten Position zu halten, und dass das elastische Material des stab-beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) als Kunststoff-Faser-Verbindung ausgebildet ist, und dass das die Schutzvorrichtungen (3) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um die Schutzvorrichtungen (3) axial zu fixieren."

"19. Verwendung eines Wellnessgeräts nach einem der vorhergehenden Ansprüche als Sportgerät, insbesondere im Fitness-, Wellness, Freizeitsportbereich."

VI. Für die vorliegende Entscheidung wurde insbesondere folgendes Beweismittel herangezogen:

E1 = DE 200 01 973 U

VII. Die Beschwerdeführerin II hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Zur Art der Befestigung der beiden als Gewichte dienenden Kopfstücke 13 an den jeweiligen Enden der in Figur 2 der E1 gezeigten Aerobicstangestange schweige die Beschreibung der E1. Daher unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von E1 jedenfalls dadurch, dass die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen an den beiden Enden des Wellnessgeräts aus einem Material mit ausreichender Spannkraft bestünden, um die beiden Endstücke bei Trainingsübungen axial zu fixieren.

Ausgehend von E1 habe der Fachmann keine Veranlassung, die in Figur 2 der E1 gezeigten Köpfe 13 nur mittels Einstecken in den Hohlraum der inneren Stange 10, etwa wie aus optischen Gründen für Endstücke von Gardinenstangen bekannt, zu befestigen. Wegen der in E1 gezeigten sehr kurzen Ansätze der Köpfe 13 könne deren Gewicht ohne zusätzliche Befestigung beim Üben mit der Aerobicstange nicht gehalten werden, vgl. Figur 3 aus E1. Auch eine wirksame Befestigung durch Aufziehen über die Länge des Kopfes 13, etwa wie bei einem Fahrradgriff, sei aus Figur 2 der E1 nicht nahe gelegt. Hierzu müsse ein komplett anderer Kopf ausgebildet werden und zudem die gezeigte weiche Schutzhülle der inneren Stange 10 entfernt werden. Aus den vorstehenden Gründen würde der Fachmann eine Befestigung der Köpfe 13 in Figur 2 mittels Spannkraft durch Einstecken oder Aufziehen gegen die auftretenden Kräfte beim Training nicht in Betracht ziehen, sondern, wie allgemein bekannt, eine Fixierung der Köpfe 13 durch Klemmschrauben oder Kleben vorziehen. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Zurücknahme der Einsprüche

2.1 Die Einsprechenden I und II sind mit Rücknahme ihrer Einsprüche nicht mehr am Beschwerdeverfahren beteiligt, da sich im vorliegenden Fall die Frage einer Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ nicht gestellt hatte (vgl. T 789/89, ABl. EPA 1994,482).

2.2 Mit der angefochtenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 1 wie erteilt widerrufen (vgl. Hilfsantrag I vom 23. November 2010). Aus diesem Grund bleibt das Beschwerdeverfahren auf Grundlage des Hauptantrags der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II), die Entscheidung aufzuheben, weiterhin anhängig, und die Kammer hat die Entscheidung der Einspruchsabteilung daher sachlich zu überprüfen (vgl. T 789/89 supra; T 629/90, ABl. EPA 1992,654; und T 340/05).

2.3 Zum Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit erfolgte im aktenkundigen Beschwerdeverfahren kein, zur unzulässigen Erweiterung des Patents kein begründeter Vortrag der Einsprechenden (entgegen Artikel 12(2) VOBK, vgl. Eingabe der Einsprechenden II vom 14. September 2012), weshalb die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Die Kammer sieht daher keinen Anlass, von der Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt 5 bis 12 ihrer Entscheidung abzuweichen, wonach die erteilten Ansprüche die Erfordernisse der Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ erfüllen.

3. Änderungen

In der Verhandlung vor der Kammer wurde in Anpassung an den gemäß Hauptantrag gestrichenen Anspruch 20 (wie erteilt) auch Absatz [0041] in Spalte 6 des Patents gestrichen, vgl. Artikel 53 c) EPÜ.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

(Artikel 100 a), vgl. Artikel 54 und 56 EPÜ)

4.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird von der Einspruchsabteilung Dokument E1 angesehen, da er wie in Anspruch 1 ein Wellnessgerät ("Aerobicstange") aus einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde mit an seinen Enden als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (abgerundete Köpfe "13" von ungefähr 100 bis 150 Gramm) betrifft. Das elastische Material des stangenförmigen Gebildes ist als Kunststoff-Faser-Verbindung ausgebildet, nämlich mittels einer inneren Stange "10" aus Fiberglas. Diese innere Stange ist darüber hinaus von einer Schutzhülle "11" und einem äußeren Mantel "12" aus Schaumgummi umgeben, wobei an den beiden Enden der inneren Stange "10" zudem Handgriffe "14" aus Schaumgummi befestigt sind. Siehe E1, Zusammenfassung, Seite 2, dritter Absatz, Seite 3, Seite 4, letzter Absatz, Anspruch 1, und die Figuren.

4.2 Wie von der Beschwerdeführerin II dargelegt, ist in E1 die Art der Fixierung der an den Enden ausgebildeten Schutzvorrichtungen in Form der Köpfe "13" nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. So entnimmt der Fachmann E1 zunächst, dass das Paar von Köpfen "sicher" an den beiden Enden der Stange befestigt ist (vgl. E1; Zusammenfassung, Anspruch 1), und durch "Aufsetzen" der zwei Köpfe die Aerobicstange viele Arten der Verwendung besitzt (vgl. E1; Seite 4, letzter Absatz). Darüber hinaus ist in E1 beschrieben, dass die beiden Köpfe an zwei hohlen Enden der inneren Stange 10 "entsprechend" befestigt sind (vgl. E1; Seite 3, zweiter Absatz).

Nach Ansicht der Kammer lehrt die Beschreibung der E1 den Fachmann daher, die Köpfe "13" an den zwei hohlen Enden der inneren Stange "10" entsprechend zu befestigen, nämlich so, dass sie während der beabsichtigten Verwendung der Aerobicstange sicher an den beiden Enden der Stange fixiert sind. Zur Art und Weise einer solch entsprechenden Befestigung schweigt sich E1 jedoch aus. Hierzu kann auch die Explosionszeichnung der Aerobicstange in Figur 2 der E1 nicht unmittelbar als Basis dienen, auch nicht implizit: es werden dort lediglich zwei Köpfe "13" mit kurzen zylindrischen Ansätzen gezeigt, die offenbar zur Befestigung der Köpfe dienen sollen. Diese zylindrischen Ansätze weisen einen ebenflächigen Abschluss auf, ohne irgendwelche Indizien zu deren Fixierung an der inneren Stange "10" zu zeigen.

4.3 Die Kammer stimmt daher mit der Auffassung der Beschwerdeführerin II (und der Einspruchsabteilung) überein, wonach sich das Wellnessgerät des Anspruchs 1 von der Aerobicstange der E1 in jedem Fall dadurch unterscheidet, dass das die Schutzvorrichtungen bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um die Schutzvorrichtungen an den beiden Enden axial, d.h. in Längsrichtung des Wellnessgeräts gesehen, zu fixieren. Wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, muss, ausgehend von E1, die diesem unterscheidenden Merkmal zugrunde liegende Aufgabe nun im Lichte der technischen Wirkungen der in E1 beabsichtigten Verwendung des Wellnessgeräts abgeleitet werden, nämlich unter Berücksichtigung der bei Übungen auftretenden Fliehkräfte auf die Köpfe "13" der Aerobicstange: siehe E1, Figuren 3 bis 5.

Die dem unterscheidenden Merkmal zugrunde liegende Aufgabe kann nach Auffassung der Kammer somit darin gesehen werden, eine geeignete Befestigung von als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen an den Enden des Wellnessgeräts bei Übungen zu ermöglichen, vgl. Patent, Absätze [0012] und [0019].

4.4 Ausgehend von E1 ist der Fachmann mit der Gesamtheit der Lehre dieses nächstliegenden Standes der Technik konfrontiert, im vorliegenden Fall also nicht nur mit der Beschreibung, sondern insbesondere auch mit der in Figur 2 dargestellten Ausführung der Köpfe "13" an den Enden der Aerobicstange.

Wie von der Beschwerdeführerin II angeführt, stellt sich jedoch bei Berücksichtigung der in E1 (nur) in Figur 2 dargestellten Ausführung der Köpfe "13" die Frage, welche der an sich bekannten mehreren Befestigungsmöglichkeiten der Fachmann als naheliegende Lösung zur Fixierung der gezeigten kurzen Kopfansätze an der inneren Stange tatsächlich auswählen würde.

4.5 Die Zeichnungen in Figur 2 sind zwar nicht streng maßstäblich zu verstehen, lassen aber sehr wohl die relativen Abmessungen der dargestellten Bauteile der Aerobicstange erkennen. Aufgrund der Darstellungen folgt die Kammer der Ansicht der Beschwerdeführerin II, wonach ein Einstecken derart kurzer zylindrischer Ansätze der gezeigten Köpfe "13" in die innere Stange "10", oder etwa in die gezeigten Endgriffe "14", ohne zusätzliche axiale Befestigung dem Fachmann nicht zielführend gegen Ablösen beim Üben mit der Aerobicstange erscheinen würde. Auch an sich bekannte technische Gebiete wie Vorhangstangen mit an hohlen Enden z.B. mittels Kunststoffdübel einsteckbaren Endstücken würde der Fachmann zur Lösung der oben gestellten Aufgabe nicht in Betracht ziehen, da Endstücke bei Vorhangstangen lediglich der Verzierung dienen, und somit keinerlei Fliehkräften eines elastischen Wellnessgeräts beim Training unterliegen.

4.6 Die Befestigungsform des Aufziehens durch ausreichende Spannkraft des Materials der Köpfe "13", etwa so wie bei einem Fahrradgriff, liegt von der in Figur 2 gezeigten Lehre der E1 noch weiter ab, denn hierzu müssten die zylindrischen Kopfansätze bzw. die Köpfe "13" vom Fachmann erheblich modifiziert werden, und zudem die auf die innere Stange "10" aufgezogene Schutzhülle "11" und der äußere Mantel "12" zusammen mit den Haltegriffen "14" entsprechend abgeändert werden. Der Vollständigkeit halber stellt die Kammer fest, dass Einstecken oder Aufziehen der Köpfe "13" mit ausreichender Spannkraft zur axialen Fixierung auch ein entsprechend elastisches Material für die Köpfe und deren kurze Ansätze voraussetzt. Das verwandte Material der als abgerundete Gewichte in Figur 2 der E1 dargestellten Köpfe "13" ist in E1 jedoch nirgends erwähnt.

4.7 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluss, dass der Fachmann, ausgehend von E1, zur Befestigung der als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen in E1 aufgrund seines Fachwissens zwar vielleicht Spannkräfte des Materials der Köpfe "13" zu deren axialer Fixierung in seine Überlegungen mit einbeziehen könnte, aber jedenfalls basierend auf Figur 2 der E1 nicht in Betracht ziehen würde. Wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, würde der Fachmann vielmehr beispielsweise eine Klemmschraubenbefestigung oder Kleben zur Lösung der oben gestellten Aufgabe bevorzugen, da dadurch eine axiale Befestigung der Köpfe "13" ohne Modifizierung der in Figur 2 der E1 gezeigten zylindrischen Kopfansätze und vergleichsweise unabhängig vom Material der Köpfe möglich erscheint.

Und schließlich hat die Kammer keine Zweifel, dass auch der übrige im Verfahren nach Aktenlage bekanntgewordene Stand der Technik die erfindungsgemäße Lösung nach Anspruch 1 für den Fachmann nicht nahelegt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erfüllt daher die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit.

4.8 Da Anspruch 19 die Verwendung des Geräts nach Anspruch 1 als Sportgerät betrifft, gelten die vorstehenden Schlussfolgerungen auch für den Gegenstand dieses Verwendungsanspruchs.

5. Da der Hauptantrag gewährbar ist, erübrigt sich für die Kammer, die gestellten Hilfsanträge zu berücksichtigen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgendem Umfang aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1-20 des Hauptantrags (eingereicht mit der Beschwerdegründung als Hilfsantrag I);

Beschreibung: Spalte 1 - 5 und 7 der Patentschrift wie erteilt; Spalte 6 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht;

Zeichnungen: Figuren 1 - 3 der Patentschrift wie erteilt.

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