European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T074911.20131001 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 October 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0749/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01110406.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47J 27/16 A47J 39/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Dampfgerät mit Vorheizung | ||||||||
Name des Anmelders: | V-Zug AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rational Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit (ja) Verspätet eingereichte Entgegenhaltungen - nicht ins Verfahren zugelassen Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 31. März 2011 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Februar 2011 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 17. Juni 2011 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ gestützt.
III. Die folgenden Entgegenhaltungen haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:
D1: EP-A-0 768 055
D3: DE-B-27 31 191
D5: US-A-4 817 582
D6: WO-A-99/33347
O1: Funktionsbeschreibung eines CPC/XS2.11 Gerätes der Firma Rational, Ausgabe 10/99
O2: Handbuch für ein ClimaPlus Combi ® Gerät der Firma Rational, Ausgabe 4/97
O3: Eidesstattliche Erklärung von Herrn Greiner
F1: Betriebsanleitung für ein Combi-Steamer FC2005 Gerät der Firma Franke
F2: Kochhandbuch für ein Combi-Steamer FC2005
F3: Seite 28 aus "Küchentechnik und Hygiene" PV-Report 4/1996
F4: Auszug aus der Franke-Preisliste 1997
IV. Am 1. Oktober 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
V. Anträge:
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent im Umfang der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise die Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang des mit Schriftsatz vom 15. September 2011 eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
VI. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:
"Dampfgargerät zum Erwärmen von Gargut bei Umgebungsdruck, mit einem Dampferzeuger (2), einem Garraum (3) und einer Steuerung (4), wobei das Dampfgargerät zusätzlich zum Dampferzeuger Heizmittel (19, 20, 21) zum dampflosen Erwärmen des Garraums (3) aufweist, und die Steuerung (4) ausgestaltet ist, um zum Aufheizen des Garraums (3) in einer Vorheizphase zuerst mit den Heizmitteln (19, 20, 21) und ohne Dampf den Garraum auf eine Vorheiztemperatur (Tgv) vorzuheizen und erst dann Dampf vom Dampferzeuger (2) in den Garraum (3) zu führen, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorheiztemperatur (Tgv) tiefer als die Siedetemperatur von Wasser ist".
VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Erfindung sei nicht ausführbar, weil insbesondere unklar sei, was mit "Vorheiztemperatur" und "Vorheizphase" gemeint sei.
Die Entgegenhaltungen F1 - F4, D5 seien als eine Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung, und D6 sei sehr relevant und so früh wie möglich eingereicht worden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu im Vergleich zu O1-O3 oder D1, sowie zu einem Standardofen.
Ausgehend von O1-O3, von D1 oder einem Standardofen beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf das technische Können des Fachmannes oder die Kombination von O1-O3 mit D1, von D1 mit O1-O3 oder von einem Standardofen mit D1 oder mit O1-O3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Begriffe "Vorheiztemperatur" und "Vorheizphase" seien klar und eindeutig in der Patentbeschreibung definiert, sodass ein Fachmann die Erfindung ausführen könne.
Keine der Entgegenhaltungen offenbare in Kombination eine Vorheizphase ohne Dampf und eine Vorheiztemperatur, die tiefer als die Siedetemperatur von Wasser sei.
Diese Lehre sei auch für den Fachmann nicht offensichtlich und werde durch die verschiedenen Kombinationen ausgehend von D1, O1-O3 oder einem Standardofen, auch unter Berücksichtigung des fachmännischen Könnens nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit:
2.1 Die Beschwerdeführerin hat die Ansicht vertreten, dass die Begriffe "Vorheiztemperatur" und "Vorheizphase" im Patent so unklar und unbestimmt seien, dass ein Fachmann nicht nachvollziehen könne, wann eine Vorheizphase vorliege und in welcher Relation, zeitlich gesehen, eine Dampfzufuhr zu der Vorheizphase stehen solle. Das Zeitintervall, in dem auf Vorheiztemperatur geregelt werden solle, stimme zunächst nicht mit dem Zeitintervall einer Vorheizphase überein. Da nach der Patentschrift Gargut während der Vorheizphase im Garraum anwesend sein könne, sei diese Phase zudem nicht klar gegenüber der Garphase abgrenzbar.
2.2 Dem kann die Kammer nicht zustimmen.
Der Fachmann sollte ein Patent stets mit dem Willen lesen, die Erfindung zu verstehen, und auch richtig und sinnvoll zu interpretieren.
2.3 Der Patentbeschreibung ist folgendes zu entnehmen: "Da die Vorheiztemperatur unterhalb der Siedetemperatur liegt, kommt es zu keiner Verpuffung des einströmenden Dampfes" (Absatz [0006]), ferner: "In der Vorheizphase wird die Garraumtemperatur vorzugsweise von einem Regelkreis auf der Vorheiztemperatur gehalten, so dass bei Beginn des Dampfeintritts eine definierte Temperatur im Garraum herrscht" (Absatz [0007]), und weiter: "Dabei wird der Garraum 3 auf eine Vorheiztemperatur Tgv vorgeheizt, bevor Dampf zugeführt wird. Diese Vorheiztemperatur liegt vorzugsweise 1 bis 10º C, insbesondere ca. 5º C unter der Solltemperatur Tgs. Dampf wird erst in den Garraum geführt, wenn die Vorheiztemperatur Tgv erreicht ist" (Absatz [0018]) und letztendlich: "In Fig. 2 wird die Vorheiztemperatur Tgv zum Zeitpunkt t1 erreicht. Diese Temperatur wird nun gehalten, bis das Wasser im Dampferzeuger 2 zu kochen beginnt und Dampf über Leitung 10 in den Garraum 3 tritt" (siehe Absatz [0022]).
2.4 Nach Ansicht der Kammer sind diese Angaben für den Fachmann, der gewillt ist, die Erfindung technisch zu verstehen, völlig klar und eindeutig. Sie vermitteln ihm wann, wie und bei welchen Temperaturen er vorzuheizen hat. Aus alldem ist insbesondere folgendes zu entnehmen:
- die Vorheiztemperatur ist 1 bis 10º C niedriger als die für den Garraum eingestellte Solltemperatur und darf die Siedetemperatur nicht überschreiten,
- die Vorheizphase dauert so lange bis die Vorheiztemperatur erreicht ist, und genügend Dampf vorhanden ist, um in den Garraum eingelassen zu werden,
- ist die Vorheiztemperatur bereits erreicht, bevor Dampf zur Verfügung steht, wird diese von einem Regelkreis beibehalten, bis Dampf da ist.
All diese Angaben kann er ohne weiteres und mühelos umsetzen.
2.5 Ob sich das Gargut bereits seit Anfang im Gerät befindet oder erst am Ende der Vorheizphase hineingestellt wird, bleibt offen und ist für die Verwirklichung der beanspruchten Erfindung unerheblich.
3. Zulässigkeit der verspätet Eingereichten Entgegenhaltungen D5, D6, F1 bis F4:
3.1 Die Berücksichtigung von verspätet vorgebrachten Beweismitteln unterliegt gemäß Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13 (1)der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) dem Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt (Artikel 13 (1) VOBK).
3.2 Im Vorliegenden Fall betreffen F1 bis F4 alle einen Franke Combi-Steamer Baureihe 2005, einen so genannten Einspritzdämpfer. In solchen Geräten ist eine Heizung um einen Ventilator gewickelt. Diese Heizung muss zuerst aufgeheizt werden, bevor dann Wasser durch ein Rohr im Zentrum auf die Ventilatornabe eingespritzt werden kann, um über den Ventilator auf die Heizung gezwungen zu werden, wo es verdampft (siehe Beschwerdebegründung, letzter Satz des 2. Abschnitts der Seite 16).
Bei diesem Gerät ist die genannte Heizung somit auch die des Dampferzeugers, es weist somit eine einzige Heizung auf.
Anspruch 1 verlangt aber, dass "das Dampfgargerät zusätzlich zum Dampferzeuger Heizmittel (19, 20, 21) zum dampflosen Erwärmen des Garraums (3) aufweist". Ob zusätzlich zu dieser Heizung noch eine weitere Heizung vorhanden ist, ist nicht angegeben. Es ist auch nicht angegeben, auf welche Temperatur vorgeheizt wird. Somit ist der Einspritzdämpfer gemäß F1 bis F4 prima facie von geringerer Relevanz als die bereits sich im Verfahren befindlichen Beweismittel, die mehrere Heizungen offenbaren.
Es ist vorgetragen worden, dass D5 belegen solle, es sei bekannt gewesen, den Garraum dampflos zu erwärmen, bevor Dampf zugegeben werde. Dies ist jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, diese enthält lediglich einen Verweis auf die Figur 8, lässt aber offen, welcher Bezug zwischen D5 und dem Gegenstand des Anspruchs 1 bestehen soll. Es spielt auch keine Rolle, ob eine Einrichtung zum Erzeugen vom Dampf üblicherweise eigene Heizmittel aufweisen muss oder nicht. Im vorliegenden Fall schließt die Kammer aus den folgend zitierten Passagen des Anspruchs 1: "das Dampfgargerät zusätzlich zum Dampferzeuger Heizmittel (19, 20, 21) zum dampflosen Erwärmen des Garraums (3) aufweist" und "dann Dampf vom Dampferzeuger (2) in den Garraum (3) zu führen", dass der Dampferzeuger Heizmittel aufweist, die von denen des Garraums getrennt sind.
Somit ist auch D5 nicht als relevant zu betrachten.
Dass F1 bis F4 und D5 eigentlich nur Standardöfen veranschaulichen würden und somit als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung zu betrachten seien, kann nicht überzeugen. Es ist nicht einzusehen, warum der erstinstanzlich in Bezug auf Standardöfen gehaltene Vortrag nicht gleich durch die Einreichung von F1 bis F4 hätte untermauert werden können.
3.3 D6 ist sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Dieses Dokument wird von der Beschwerdeführerin als neuheitsschädlich betrachtet. Es handelt sich somit hier um eine neue Angriffslinie, die, falls in das Verfahren zugelassen, eine Zurückverweisung an die erste Instanz erfordern würde, was aber zu einer gemäß Artikel 13(3) VOBK unzulässigen Verzögerung des Verfahrens führen würde.
Ferner ist dieser Entgegenhaltung nicht unmittelbar zu entnehmen, dass die Vorheiztemperatur für den Garraum tiefer als die Siedetemperatur von Wasser eingestellt wird. Es ist daher festzuhalten, dass dieses Dokument nicht prima facie eindeutig so relevant ist, dass es die Patentfähigkeit in Frage stellen würde.
3.4 Aus all diesen Gründen hat die Kammer beschlossen, ihr Ermessen dahingehend auszuüben, keine der verspätet eingereichten Entgegenhaltungen F1 bis F4, D5 oder D6 in das Verfahren zuzulassen.
4. Neuheit:
4.1 Im Vergleich zu O1 bis O3:
4.1.1 Im Wesentlichen geht es darum, ob diese Entgegenhaltungen die Merkmale "Aufheizen des Garraums (3) in einer Vorheizphase zuerst mit den Heizmitteln (19, 20, 21) und ohne Dampf" und "Vorheiztemperatur (Tgv) tiefer als die Siedetemperatur von Wasser" offenbaren.
4.1.2 In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Seite 12 von O1, wo die Betriebsart "Combi-Dämpfen 30 - 300ºC" beschrieben wird, und speziell auf die Abschnitte 7.1 bis 7.3 hingewiesen.
Diese Abschnitte tragen folgende Titel "7.1 Vorheizen Dampfgenerator auf 90ºC", "7.2 Aufheizen Garraum mit Heißluft" und "7.3 Dampfzugabe durch Dampfgenerator".
Es wird nicht explizit angegeben, ob das Aufheizen des Garraums vor der Dampfzugabe oder gleichzeitig mit dieser stattfindet. Falls das Aufheizen des Garraums vor der Dampfzugabe stattfinden sollte, könnte es als Vorheizphase angesehen werden. Ferner würde sich die Frage stellen, auf welche Temperatur vorgeheizt wird.
4.1.3 Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, dass wie in anderen Abschnitten von O1 die Nummerierung 7.1, 7.2, 7.3 eine chronologische Reihenfolge darstelle. Aufheizen und Dampfzugabe würden sowieso nie gleichzeitig stattfinden. Die Beschwerdeführerin hat behauptet, es werde immer nur die Garraumheizung oder der Dampferzeuger betrieben, um den Energieverbrauch zu drosseln.
Wenn die Nummerierung der Abschnitte auch auf eine Reihenfolge der dort beschriebenen Schritte hinweisen könnte, ist es nach Ansicht der Kammer nicht auszuschließen, dass die Schritte auch gleichzeitig oder zeitlich überlappend ablaufen.
Die Beschwerdegegnerin hat im diesem Zusammenhang auf die Spalte 6 von D3 verwiesen, wo die Dampfheizung und die Luftheizung des Garraums gleichzeitig betrieben werden können (Zeilen 17 bis 20).
Folglich ist das Merkmal des Anspruchs 1, dass ein Aufheizen des Garraums mit den Heizmitteln und ohne Dampf stattfindet, nicht unmittelbar und eindeutig aus der benannten Betriebsart von O1 zu entnehmen.
4.1.4 Abschnitt 7. von O1 beschreibt eine Betriebstemperatur zwischen 30 und 300ºC (siehe Titel). Sie kann somit auch unter der Siedetemperatur von Wasser angesetzt werden.
Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass falls zum Beispiel eine Temperatur von 60ºC gewählt würde, ein Fachmann nie den Garraum auf eine weit darüberliegende Temperatur (höher als die Siedetemperatur) vorwärmen würde.
Auch dem kann nicht zugestimmt werden. In O2 werden eine Vielzahl von Programmbeispielen gegeben (Seiten 62 bis 79). Jedes Mal, wenn in der Spalte "Tips" ein Vorheizen empfohlen wird, liegt die Vorheiztemperatur wesentlich höher als die Gartemperatur (siehe insbesondere Seite 64: "Frikadellen", "Lammrückenfilets" Vorheiztemperatur 300ºC, Gartemperatur 200-220ºC, respektiv Gartemperatur 160-180ºC; Seite 70 die vier letzen Posten, Vorheiztemperatur 200ºC, Gartemperatur 180 / 160 / 180 / 175ºC).
Auch hier vermag die Kammer somit nicht unmittelbar und eindeutig aus O1 in der Zusammenschau mit O2 (oder O3) abzuleiten, dass die Vorheiztemperatur niedriger als die Wassersiedetemperatur ist.
4.1.5 Somit werden die im Absatz 4.1.1 oben angegebenen Merkmale des Anspruchs 1 weder explizit noch implizit von O1 bis O3 offenbart.
4.2 Im Vergleich zu D1:
4.2.1 Strittig ist nur, ob D1 auch eine Vorheiztemperatur, die tiefer als die Siedetemperatur von Wasser ist, offenbart.
4.2.2 Aus der Spalte 3, Zeilen 38 bis 40 von D1 ist zu entnehmen: "Beim Dampfgaren werden zunächst die Innenwandungen der Muffel 3 und der Tür 5 auf etwa 100 bis 120ºC vorgeheizt" (durch die Kammer hervorgehoben).
4.2.3 Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, der Begriff "etwa 100ºC" deute an, dass dieser Wert nicht zu genau zu nehmen sei. Ferner werde die Temperatur durch eine Regelung beibehalten, die auch Schwankungen erlaube, sodass die Temperatur auch 99 oder 98ºC betragen könnte.
4.2.4 Ob sich die Angabe "etwa" spezifisch auf den Anfangswert des Bereichs 100 bis 120ºC bezieht, oder so zu verstehen ist, dass die Temperatur irgendwo zwischen den beiden Werten liegt, ist für die Kammer nicht eindeutig zu beantworten. Nach Ansicht der Kammer stellt jedenfalls die Temperatur von 100ºC in D1 nicht irgendeinen Wert dar. Vielmehr nennt D1 diesen Wert absichtlich, weil für den Fachmann die Temperatur von 100ºC ein besonderer Wert ist, nämlich der des Phasenübergangs des Wassers. Es kommt diesem Wert deshalb eine besondere technische Bedeutung zu. Ein Fachmann legt daher die durch die Information "etwa 100 bis 120ºC" vermittelte Lehre so aus, dass eine Temperatur, die etwas höher als die Siedetemperatur des Wassers sein soll, eingestellt wird. Temperaturen, die unter dem Siedepunkt des Wassers liegen, werden von dieser Lehre nicht erfasst. Daher würde der Fachmann auch nicht eine Vorheiztemperatur von 99ºC, unterhalb der Wassersiedetemperatur, als durch D1 offenbart betrachten.
4.3 Standardofen:
Ein Standardofen ist nicht grundsätzlich dazu ausgelegt, ein Gargut mit Dampf zu erwärmen, er gehört zu einer anderen Gattung und ist somit kein Dampfgargerät. Auch falls sich im Backraum eines Standardofens eine mit Wasser gefüllte Schale befinden sollte, wird dieser dadurch nicht zum gattungsgemäßen Dampfgargerät. Des Weiteren würde der Dampf dann auch nicht in den Garraum, wie beansprucht, geführt werden, da er ja im Garraum selbst entstehen würde.
Eine Wasserschale ist auch kein Dampferzeuger im eigentlichen Sinn, wie der Fachmann im Bereich der Herstellung von Öfen diesen Begriff verstehen würde, da sie nicht eigenständig Dampf erzeugen kann.
4.4 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Vergleich zu den vorgebrachten Entgegenhaltungen O1 bis O3, D1 oder dem Standardofen neu.
5. Erfinderische Tätigkeit:
5.1 Ausgehend von O1 bis O3:
5.1.1 Wie bereits zur Neuheit ausgeführt, offenbart O1 nicht ein "Aufheizen des Garraums (3) in einer Vorheizphase zuerst mit den Heizmitteln (19, 20, 21) und ohne Dampf" und auch nicht eine "Vorheiztemperatur (Tgv) tiefer als die Siedetemperatur von Wasser".
5.1.2 Die Beschwerdeführerin sieht die der angefochtenen Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin, ein Verpuffen des Dampfes zu vermeiden und Wasser und Energie zu sparen.
5.1.3 Es ist zwar aus dem Stand der Technik bekannt, den Garraum auch ohne Dampf vorzuheizen (zum Beispiel aus D1), jedoch fehlt dem Fachmann stets die Anregung, die Vorheiztemperatur tiefer als die Siedetemperatur von Wasser anzusetzen (dies wird auch durch D1 wie in den Absätzen 4.2.3 und 4.2.4 oben dargestellt, weder offenbart noch nahegelegt).
5.1.4 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, der Seite 23 von O2 (linke Spalte, unten), die sich auf ein Combi-Dämpfen bezieht, seien die folgenden Angaben zu entnehmen:
- es werde ein Vorheizen empfohlen ("mindestens so lange vorheizen, bis die eingestellte Temperatur erreicht ist")
- generell solle die Vorheiztemperatur der Gartemperatur gleich sein ("Vorheiztemperatur = Gartemperatur).
5.1.5 Ein Verweis in O2, dass diese Angaben auf die Betriebsart "Combi-Dämpfen 30 - 300ºC" von O1 zu lesen sind, ist nicht vorhanden und wird von der Beschwerdegegnerin bestritten.
Des Weiteren wird in O2 angegeben, dass vorgeheizt wird, jedoch nicht, ob dies mit oder ohne Dampf geschieht.
In O2 Seite 23 wird auch nicht definiert, was eigentlich mit "vorheizen" gemeint ist. In O1 dagegen wird ,z. B. auf Seite 12 der Begriff "Vorheizen" nur für den Dampfgenerator benutzt. In Verbindung mit dem Garraum wird lediglich von "Aufheizen" gesprochen.
Es ist daher fraglich, ob sich die Angaben auf Seite 23 von O2 überhaupt auf die in Seite 12 von O1 beschriebene Betriebsart lesen lässt, ob sich der in O2 verwendete Begriff "Vorheizen" auf den Dampfgenerator oder den Garraum bezieht, und ob dieses Vorheizen, falls es den Garraum betreffen sollte, ohne Dampf erreicht wird.
5.1.6 Somit erhält der Fachmann ausgehend von O1 unter Berücksichtigung von D1 oder O2 und seiner generellen Kenntnissen keine Lehre, die ihn in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen könnte.
5.2 Ausgehend von D1:
5.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem, der in D1 beschrieben wird, dadurch, dass die Vorheiztemperatur tiefer als die Siedetemperatur von Wasser ist.
5.2.2 D1 hat zur Aufgabe, die Kondensation am Gargut und nicht am Garraum stattfinden zu lassen (Spalte 1, Zeilen 41 bis 45).
Dazu werden die Innenwandungen des Garraums und der Tür vor Einleiten des Dampfes aufgewärmt (Spalte 1, Zeilen 38 bis 41) und zwar auf eine Temperatur über der Siedetemperatur des Wassers (Spalte 3, Zeilen 38 bis 40, siehe oben). Diese Lehre führt somit von der beanspruchten Erfindung weg, weil sie dem Fachmann vermittelt, eine über dem Siedepunkt liegende Temperatur einzustellen.
Davon Abstand zu nehmen, wäre für den Fachmann aus den in Abschnitt 4.2.4 dargelegten Gründen auch nicht offensichtlich.
Daher führt D1 auch unter Berücksichtigung der generellen Kenntnisse des Fachmanns nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
5.2.3 Auch O1 bis O3 kann dem Fachmann nicht nahelegen, die Vorheiztemperatur unter dem Siedepunkt anzusetzen, weil, wie in den Absätzen 5.1.1 und 5.1.5 vorgetragen, auch diese Entgegenhaltung eine solche Lehre nicht unmittelbar und eindeutig vermittelt.
5.2.4 Somit erhält der Fachmann ausgehend von D1 unter Berücksichtigung von O1 bis O3 und seiner generellen Kenntnisse keine Lehre, die ihn in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen könnte.
5.3 Ausgehend von einem Standardofen:
5.3.1 Obwohl der Fachmann völlig frei in der Wahl eines Ausgangspunkts ist, bleibt er später aber natürlich an diese Wahl gebunden. Sucht sich ein Fachmann etwa einen bestimmten spezifischen Standardofen als Ausgangspunkt aus, so kann er diesen weiterentwickeln; das normale Ergebnis dieser Entwicklung wird aber letztendlich stets ein Standardofen und nicht etwa ein Dampfgerät sein (siehe T 0570/91, Abschnitt 4.4). Eine bewusste, d. h. in Kenntnis der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Gattungen getroffene Auswahl, legt nicht nur den als Ausgangspunkt dienenden Gegenstand fest, sondern gibt auch den Rahmen der Weiterentwicklung vor, nämlich eine Weiterentwicklung innerhalb dieser Gattung. Eine Änderung der bewusst gewählten Gattung zu einer anderen, bereits vorher bekannten, aber nicht gewählten anderen Gattung ist während der Weiterentwicklung unwahrscheinlich und im Normalfall nicht naheliegend (T 817/94).
5.3.2 Aus diesen Gründen kann auch ein Standardofen nicht in naheliegender Weise zu einem Dampfgerät wie beansprucht führen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.