European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T070811.20160415 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 15 April 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0708/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03014575.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/02 A61Q 5/02 A61Q 19/10 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Modisches Kosmetikum | ||||||||
Name des Anmelders: | Beiersdorf AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Henkel AG & Co. KGaA L'OREAL |
||||||||
Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 391 195 wurde mit neun Patentansprüchen erteilt.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ sowie unzureichende Offenbarung unter Artikel 100 b) EPÜ angeführt.
III. Im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurden u.a. die folgenden Dokumente genannt:
D9: US 5 681 801 A
D12: US 6 306 806 B1
D24: Vergleichsversuche der Patentinhaberin, eingereicht mit Schreiben vom 26. November 2010
D39: Micropowders, Inc.: Technisches Datenblatt zur Rohstoffserie "Naturebead" (Dezember 2003)
D40: Wikipedia-Auszug zum Stichwort "Faser"
IV. Die Patentinhaberin legte im Einspruchsverfahren drei geänderte Anspruchssätze als Hauptantrag und ersten bzw. zweiten Hilfsantrag vor.
V. Die vorliegenden Beschwerden der beiden Einsprechenden richten sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2011 verkündete und am 14. Februar 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügen. Die in der angefochtenen Entscheidung als gewährbar angesehene geänderte Fassung ist die des damaligen ersten Hilfsantrags (eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2011).
Anspruch 1 dieses Antrags hat den folgenden Wortlaut:
"1. Kosmetikum und/oder Dermatikum enthaltend
a) eine kosmetische und/oder dermatologische Reinigungszubereitung A in einer Menge von 90 bis 10 Gewichts-% der Gesamtzubereitung,
b) eine gelförmige Zubereitung B mit Schwebkörpern und/oder Effektstoffen einer Menge von 10 bis 90 Gewichts-% der Gesamtzubereitung, wobei
die beiden Zubereitungen A und B in getrennten Kammern eines gemeinsamen Verpackungsbehältnisses aufbewahrt und aus diesem heraus angewendet werden, und beide Zubereitungen dem Verpackungsbehältnis entweder durch eine gemeinsame Öffnung gleichzeitig entnommen werden und beide Zubereitungen entweder vor dem Austritt aus der Entnahmeöffnung vermischt oder in Form einer streifenförmigen Gesamtzubereitung aus der Entnahmeöffnung austreten, oder zwei getrennten Öffnungen entnommen werden,
dadurch gekennzeichnet, dass als Schwebkörper und/oder Effektstoffe Partikel mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen, Pflanzenfasern, Gasblasen, Farbschlieren oder Glitterstoffe eingesetzt werden."
VI. In der Sache kam die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Ergebnis, der im ersten Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand sei hinreichend offenbart und neu gegenüber dem Stand der Technik. Die erfinderische Tätigkeit könne ausgehend von Beispiel 4 der Entgegenhaltung D12 beurteilt werden. Das beanspruchte Kosmetikum/Dermatikum unterscheide sich von diesem Stand der Technik durch die Anwesenheit der in Anspruch 1 genannten Schwebkörper und Effektstoffe in der gelförmigen Zubereitung B. Die objektive technische Aufgabe sei darin zu sehen, ein weiteres ästhetisch ansprechendes zweiteiliges Kosmetikum mit gutem Schaumvermögen zur Verfügung zu stellen. Zwar werde in der Entgegenhaltung D12 selbst vorgeschlagen, weitere Zusätze zur Verbesserung der Produktästhetik zuzugeben, der Fachmann erhalte aber aus dem Stand der Technik nicht den Hinweis, zu diesem Zweck Gasblasen, Farbschlieren oder Glitterstoffe einzusetzen. Somit beruhe der Gegenstand der Ansprüche des ersten Hilfsantrags auf erfinderischer Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und Einsprechende 2) legten gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
VIII. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerden.
IX. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK mit Datum vom 22. September 2014 erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Entgegenhaltung D12 wies sie unter anderem auf die folgenden Punkte hin (vgl. Punkt 5.4 bis 5.7 in der Mitteilung der Kammer):
a) Der in D24 beschriebene Vergleichsversuch solle laut Beschwerdegegnerin belegen, dass der Zusatz von anspruchsgemäßen Schwebkörpern oder Effektstoffen zu einer Zubereitung, die dem Ausführungsbeispiel 4 aus D12 nachgearbeitet worden sei, ein größeres Schaumvermögen und ein angenehmeres Hautgefühl bei der Anwendung bewirke.
b) Nach vorläufiger Auffassung der Kammer sei der Versuchsbericht D24 jedoch nicht geeignet, eine technische Wirkung zu belegen, die in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung offenbart sei und die über die gesamte beanspruchte Breite erzielt werde. Die behaupteten technischen Wirkungen könnten daher nicht zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe herangezogen werden.
c) Weder im Streitpatent noch in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung finde sich eine technische Lehre, die besage, dass der Einsatz von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen die Schaummenge erhöhe. Die erfinderische Tätigkeit könne aber nicht auf eine erst nachträglich offenbarte technische Wirkung gestützt werden.
d) Zudem sei es nicht glaubhaft, dass jedweder Zusatz von Partikeln mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen, Pflanzenfasern, Gasblasen, Farbschlieren oder Glitterstoffen die Schaummenge erhöhen würde, da es keinen Hinweis auf eine kausale Beziehung zwischen einer gemeinsamen Eigenschaft dieser Zusätze und der Schaumbildung gebe.
e) Da es sich bei den Schwebkörpern um Partikel mit verkapselten Wirkstoffen und Ölen handeln könne, sei eine Verbesserung des Hautgefühls in Abhängigkeit von den eingesetzten Wirkstoffen möglich; diese Wirkung wäre aber einerseits bei Vorhandensein hautpflegender Wirkstoffe nicht überraschend und sei andererseits nicht für alle in Anspruch 1 gelisteten Schwebkörper und Effektstoffe (z.B. Farbschlieren oder Glitterstoffe) plausibel.
f) Die Rezeptur mit Zusatz Nr. 3 sei die einzige im Versuchsbericht D24 angegebene Rezeptur, die Partikel enthalte, welche unter die Auswahl an Schwebkörpern und Effektstoffen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 fielen, nämlich Partikel mit verkapselter Milchsäure. Diese seien aber in der besagten Rezeptur mit Polyethylenpartikeln kombiniert, so dass eine im Test eventuell beobachtete Wirkung keiner der beiden Partikelarten mit Sicherheit zugeschrieben werden könne.
g) Eine Verallgemeinerung der für bestimmte Partikel beobachteten Wirkungen auf völlig andersartige Schwebkörper oder Effektstoffe, wie sie von Anspruch 1 ebenfalls umfasst seien, sei außerdem nicht möglich.
h) Zudem sei fraglich, ob die im subjektiven Vergleichstest mit sieben Probanden ermittelten geringfügigen Veränderungen statistisch signifikant seien.
i) Die technische Aufgabe könne ausgehend von D12 darin gesehen werden, die Reinigungszubereitungen optisch attraktiver zu gestalten. Da der vorliegende Anspruch 1 jedoch nicht auf Ausführungsformen eingeschränkt sei, bei denen die gelförmige Zubereitung B durchsichtig sei, werde diese Aufgabe durch die Einarbeitung von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen nicht unbedingt über die gesamte Anspruchsbreite gelöst.
j) Somit könne die technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer zweikomponentiger Zubereitungen mit einer Reinigungszubereitung und einer gelförmigen Zubereitung gesehen werden.
X. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 legte die Beschwerdegegnerin zwei Hilfsanträge vor.
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut:
"1. Kosmetikum und/oder Dermatikum enthaltend
a) eine kosmetische und/oder dermatologische Reinigungszubereitung A in einer Menge von 90 bis 10 Gewichts-% der Gesamtzubereitung,
b) eine gelförmige Zubereitung B mit Schwebkörpern und/oder Effektstoffen einer Menge von 10 bis 90 Gewichts-% der Gesamtzubereitung, dadurch gekennzeichnet, dass
die beiden Zubereitungen A und B in getrennten Kammern eines gemeinsamen Verpackungsbehältnisses aufbewahrt und aus diesem heraus angewendet werden, wobei beide Zubereitungen dem Verpackungsbehältnis entweder durch eine gemeinsame Öffnung gleichzeitig entnommen werden und beide Zubereitungen entweder vor dem Austritt aus der Entnahmeöffnung vermischt oder in Form einer streifenförmigen Gesamtzubereitung aus der Entnahmeöffnung austreten, oder zwei getrennten Öffnungen entnommen werden, sowie
dadurch gekennzeichnet, dass als Schwebkörper und/oder Effektstoffe Partikel mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen, Pflanzenfasern oder Glitterstoffe eingesetzt werden."
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, wobei aber Partikel mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen und Glitterstoffe aus der Liste der obligatorischen Schwebkörper und/oder Effektstoffe gestrichen wurden und somit nur noch Pflanzenfasern aufgeführt sind.
XI. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vom 17. Oktober 2014, die in Abwesenheit der Beschwerdeführerinnen stattfand, erklärte die Kammer im Rahmen der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit (vgl. dazu das Verhandlungsprotokoll), dass sie, falls erforderlich, die in ihrem schriftlichen Bescheid behandelten Punkte in ihrer Entscheidung berücksichtigen werde, einschließlich des Arguments, dass der Einsatz der Effektstoffe oder Schwebkörper in der Anmeldung oder dem Patent mit keiner technischen Wirkung verknüpft werde und der Tatsache, dass das in D24 als Pflanzenfaser bezeichnete Material "Oryza Sativa (Rice) Bran Wax" als Wachs offensichtlich keine Pflanzenfaser sei. Bezüglich der Relevanz der Vergleichsversuche der Beschwerdegegnerin im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen dem relevanten technischen Merkmal und den behaupteten technischen Wirkungen in der ursprünglichen Anmeldung offenbart sei und ob dieser Zusammenhang über die beanspruchte Breite glaubhaft sei.
Auf Antrag der Beschwerdegegnerin wurde beschlossen, das Verfahren schriftlich fortzusetzen, um der Beschwerdegegnerin weitere Zeit einzuräumen, zu den Einwänden betreffend die erfinderische Tätigkeit Stellung zu nehmen.
XII. Mit einem schriftlichen Bescheid der Kammer wurde den Verfahrensbeteiligten das Protokoll der mündlichen Verhandlung übermittelt.
XIII. In ihrem Schriftsatz vom 20. Januar 2015 machte die Beschwerdegegnerin unter anderem geltend, die Auffassung der Kammer, wonach eine Beziehung zwischen der zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit herangezogenen technischen Wirkung und dem Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik aus der ursprünglichen Anmeldung ableitbar sein müsse (s.o. Punkt IX.c)c) ; vgl. Punkt 5.5.1 der schriftlichen Mitteilung der Kammer vom 22. September 2014) stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, beispielsweise in der Entscheidung T 270/11 (darin insbesondere Entscheidungsgründe 5.3 und 5.4). Daher werde hilfsweise beantragt, der Großen Beschwerdekammer zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung zwei diesbezüglich im Schriftsatz der Beschwerdegegnerin formulierte Fragen vorzulegen.
XIV. Am 15. April 2016 fand eine zweite mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer unter Beteiligung der Beschwerdegegnerin und der Beschwerdeführerin-Einsprechenden 1 statt.
XV. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D12 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Die in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Zubereitung unterscheide sich von der Zubereitung gemäß Beispiel 4 der Entgegenhaltung D12 dadurch, dass bestimmte Effektstoffe bzw. Schwebkörper in der Gelkomponente enthalten sein müssten.
Aus der ursprünglichen Fassung der Anmeldung und aus dem Streitpatent gehe nicht hervor, dass diese Schwebkörper und Effektstoffe technische Wirkungen im Sinne der Lösung einer technischen Aufgabe aufweisen sollten, da sie ursprünglich als Teil der Aufgabe (nämlich als Partikel, die im Gel ortsfest gehalten werden sollten) und nicht als Teil ihrer Lösung dargestellt worden seien. Eine auf dem Zusatz dieser Stoffe beruhende technische Wirkung sei mit dem Versuchsbericht D24 nicht nachgewiesen worden und sei von vornherein auch nicht über die gesamte Anspruchsbreite plausibel.
So sei beispielsweise nicht anzunehmen, dass Farbschlieren oder Gasblasen, die bei der Anwendung zum Waschen der Haut bereits vorab zerrieben und dadurch entfernt würden, in der Anwendung eine technische Wirkung erzielen würden. Ebensowenig sei es ohne Vorlage experimenteller Daten glaubhaft, dass Glitterstoffe das Hautgefühl verbessern sollten. Falls andererseits kosmetische Pflegewirkstoffe in den Schwebkörpern enthalten seien, könne eine unter Umständen auftretende Verbesserung des Hautgefühls aufgrund der bekannten Eigenschaften solcher Stoffe nicht als überraschend eingestuft werden.
Die in dem Versuchsbericht D24 der Beschwerdegegnerin beschriebenen Vergleichsversuche seien entweder nicht relevant oder nicht aussagekräftig im Hinblick auf die anspruchsgemäßen Schwebkörper und Effektstoffe. Die beiden ersten getesteten Rezepturen seien nicht anspruchskonform, so dass die Versuchsergebnisse irrelevant seien. Insbesondere sei der in der angeblich erfindungsgemäßen zweiten Rezeptur gemäß D24 verwendete Inhaltsstoff "Oryza Sativa (Rice) Bran Wax (Naturebead R20 U; Fa. Impag)" entgegen der Angabe in D24 keine Pflanzenfaser. Aus dem Datenblatt D39 gehe vielmehr hervor, dass es sich dabei um schwach abrasive Wachskügelchen aus 100% Reiskleiewachs handle. Das Allgemeinwissen des Fachmanns, wonach eine Faser bestimmte, nicht-sphärische Dimensionen aufweise, sei belegt durch Dokument D40. Der im Patent ohne spezielle Definition verwendete Begriff "Pflanzenfaser" könne schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht nachträglich nach Bedarf von der Beschwerdegegnerin im Sinne einer völlig unüblichen Bedeutung ("alle üblichen in wässrigen Systemen nicht- oder schwerlöslichen Festkörper") umdefiniert werden.
Bei der dritten gemäß D24 getesteten Rezeptur seien zwei Partikelarten verwendet worden, so dass aus dem Testbericht keine eindeutigen Rückschlüsse auf die technische Wirkung einer dieser Partikelarten möglich seien. Bei den verwendeten Polyethylenpartikeln handle es sich zudem nicht, wie in D24 angegeben, um einen Glitterstoff und auch nicht um einen anderen anspruchsgemäßen Schwebkörper bzw. Effektstoff.
Selbst wenn eine technische Wirkung aufgrund des dritten Vergleichsversuchs für Partikel mit verkapselter Milchsäure anerkannt würde, seien die anspruchsgemäßen Schwebkörper und Effektstoffe so unterschiedlich, dass die Übertragbarkeit dieses Ergebnisses auf andere Partikelarten von vornherein nicht glaubhaft sei. Aufgrunddessen sei die Vorlage von Gegenversuchen nicht erforderlich, um begründete Zweifel zu wecken; vielmehr sei es Aufgabe der Beschwerdegegnerin als Patentinhaberin, die von ihr behaupteten technischen Wirkungen über die gesamte Anspruchsbreite glaubhaft zu machen. Der Beschwerdegegnerin habe dafür im Verfahren ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden.
Im übrigen sei der Zusatz von verkapselten Wirkstoffen und von Wachspartikeln zu Gelformulierungen im Stand der Technik (beispielsweise durch die Entgegenhaltung D9) nahegelegt.
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge
Dieselbe Argumentation gelte auch für die Hilfsanträge.
XVI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Ein Zusammenhang zwischen dem Zusatz von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen und der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe, Zubereitungen mit einem großen Schaumvermögen und angenehmen sensorischen Eigenschaften bereitzustellen, sei in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung auf Seite 4, Zeilen 13 bis 32 in Kombination mit Seite 12, Zeilen 12 bis 22 (entsprechend Absätze [0012] bis [0013] und [0053] der Patentspezifikation) offenbart, da in diesen Textpassagen der Zusatz der Schwebkörper und/oder Effektstoffe als Bestandteil der Lösung der technischen Aufgabe präsentiert werde.
Hilfsweise sei mit der Entscheidung T 270/11 belegt, dass es zur Anerkennung einer technischen Aufgabe ohnehin nicht erforderlich sei, dass eine Beziehung zwischen der zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit herangezogenen technischen Wirkung und dem Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik aus der ursprünglichen Anmeldung ableitbar sein müsse.
Zumindest sei aber die Bereitstellung von Zubereitungen mit angenehmen sensorischen Eigenschaften als objektive technische Aufgabe anzuerkennen.
Dass diese technische Aufgabe durch das beanspruchte Kosmetikum bzw. Dermatikum gelöst werde, werde durch den Versuchsbericht D24 belegt, der einen Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik D12 liefere.
Im Zusammenhang mit den in D24 beschriebenen Vergleichsversuchen stünden der Beschwerdegegnerin keine weiteren Unterlagen zu dem Inhaltsstoff "Oryza Sativa (Rice) Bran Wax (Naturebead R20 U; Fa. Impag)" zur Verfügung. Das von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden 1 vorgelegte Datenblatt D39 sei ebenso wie der Wikipedia-Eintrag D40 zu dem Stichwort "Faser" erst nach dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht worden. Diese Dokumente könnten deshalb nicht zur Information über das Material "Rice Bran Wax" oder zur Auslegung des Begriffs "Pflanzenfaser" herangezogen werden. Da der Begriff "Pflanzenfaser" im Streitpatent nicht definiert sei, müsse er anhand der Beschreibung so breit wie möglich ausgelegt werden. Aus Seite 12, Zeilen 12 bis 22 der ursprünglichen Fassung der Anmeldung (entsprechend Absatz [0053] des Streitpatents) gehe hervor, dass Pflanzenfasern "praktisch alle üblichen in wässrigen Systemen nicht- oder schwerlöslichen Festkörper" seien. Deshalb seien Wachspartikel oder "-beads" als Pflanzenfasern im Sinne des Streitpatents anzusehen, und die das Material "Rice Bran Wax" enthaltende Zubereitung aus D24 sei repräsentativ für Anspruch 1.
Ohne Vorlage von Gegenversuchen seitens der Beschwerdeführerinnen gebe es bei Heranziehung der in D24 beschriebenen Vergleichsversuche keine substantiierten Zweifel daran, dass die technische Aufgabe über die gesamte Anspruchsbreite gelöst sei. Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern liege die Beweislast im Einspruchsverfahren auf Seiten der Einsprechenden. Es sei auch an sich plausibel, dass durch alle im Anspruch genannten Schwebkörper und Effektstoffe die technische Aufgabe gelöst werde.
Erfinderische Tätigkeit- Hilfsanträge
Die Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit der Hilfsanträge sei dieselbe wie für den Hauptantrag erläutert.
XVII. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XVIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags eingereicht mit Schreiben vom 7. Oktober 2014. Weiter hilfsweise beantragte sie die Vorlage zweier Rechtsfragen an die große Beschwerdekammer, wie eingereicht mit Schreiben vom 20. Januar 2015.
Entscheidungsgründe
1. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Streitpatent
1.1 Das Streitpatent hat es sich zum Ziel gesetzt, insbesondere tensidbasierte Körperreinigungsmittel zur Verfügung zu stellen, die eine für den Verbraucher optisch ansprechende Gelkomponente mit Schwebkörpern und/oder Effektstoffen beinhalten. Ein Problem besteht dabei darin, dass Tenside die Gelstruktur stören und Trübungen bewirken können. Bei einer Störung der Gelstruktur würden die enthaltenen Schwebkörper und/oder Effektstoffe unerwünschterweise nicht ortsfest bleiben. Die Verwendung geringerer Tensidkonzentrationen oder spezieller nichtionischer Tenside, um diese Störungen zu vermeiden, führt zu schlechten Schaumeigenschaften. Der Einsatz eines höheren Anteils an Gelbildnern kann andererseits die sensorischen Eigenschaften der Gele beeinträchtigen (vgl. Absätze [0002] bis [0007] und [0010] bis [0011] der Patentspezifikation).
1.2 In diesem Zusammenhang wird die technische Aufgabe darin gesehen, die Mängel des Standes der Technik zu beseitigen oder zu mindern und Kosmetika und/oder Dermatika enthaltend Schwebkörper und/oder Effektstoffe zu entwickeln, die sich durch ein großes Schaumvermögen und angenehme sensorische Eigenschaften auszeichnen (vgl. Absatz [0012] der Patentspezifikation).
1.3 Zur Lösung der technischen Aufgabe bei Vermeidung der in Punkt 1.1 genannten Probleme wird im Streitpatent vorgeschlagen, eine vorzugsweise tensidhaltige Reinigungszubereitung A und eine gelförmige Zubereitung B mit Schwebkörpern und/oder Effektstoffen in separaten Kammern eines Verpackungsbehältnisses unterzubringen (vgl. Absätze [0013] und [0014] der Patentspezifikation).
1.4 Der vorliegende Hauptantrag definiert ein Kosmetikum und/oder Dermatikum enthaltend a) eine Reinigungszubereitung A und b) eine gelförmige Zubereitung B mit ausgewählten Schwebkörpern und/oder Effektstoffen, wobei die beiden Zubereitungen A und B in getrennten Kammern eines Verpackungsbehältnisses aufbewahrt und aus diesem heraus angewendet werden sollen.
Ausgangspunkt im Stand der Technik
1.5 Zwischen den Verfahrensbeteiligten war nicht streitig, dass die Entgegenhaltung D12 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geeignet ist. Die Kammer sieht keinen Grund, eine andere Entgegenhaltung als Ausgangspunkt zu wählen.
1.6 D12 beschreibt kosmetische Reinigungszubereitungen mit einer Komponente A, die 1 bis 75 Gew.-% Tensid enthält, und einer zweiten Komponente B, die eine W/O-Emulsion und fakultativ einen wasserlöslichen Wirkstoff enthält (vgl. D12: Anspruch 1). Gemäß den Rezepturen der Ausführungsbeispiele 4 und 8 enthält die Komponente B Carbomer als Verdicker. Die beiden Komponenten können in einem gemeinsamen Verpackungsbehältnis in getrennten Kammern verpackt sein und als streifenförmige Zubereitung ausgepresst werden (vgl. D12: Spalte 1, Zeilen 13-17; Spalte 10, Zeile 65 bis Spalte 11, Zeile 4). Die in D12 beschriebenen Zubereitungen sollen eine gute Schaumstabilität aufweisen und eine verbesserte Aufbringung hydrophiler und hydrophober Wirkstoffe auf die Haut ermöglichen (vgl. D12: Spalte 1, Zeilen 1 bis 13).
Technische Aufgabe und Lösung
1.7 Das Kosmetikum gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der Zubereitung gemäß Ausführungsbeispiel 4 in D12 dadurch, dass die anspruchsgemäße gelförmige Zubereitung B Schwebkörper und/oder Effektstoffe ausgewählt aus Partikeln mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen, Pflanzenfasern, Gasblasen, Farbschlieren oder Glitterstoffen enthält. Diese Analyse war unter den Parteien nicht streitig.
1.8 Im Text des Streitpatents selbst wird den Schwebkörpern und/oder Effektstoffen keine besondere technische Wirkung im Zusammenhang mit der Lösung einer technischen Aufgabe zugeschrieben. Insbesondere können praktisch alle üblichen in wässrigen Systemen nicht- oder schwerlöslichen Festkörper gewählt werden (vgl. Absatz [0053] der Patentspezifikation entsprechend Seite 12, Zeilen 12 bis 22 der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung). Im Streitpatent sind lediglich Rezepturbeispiele ohne Nachweis einer bestimmten technischen Wirkung beschrieben.
Eingangs wird zwar erwähnt, dass Schwebkörper und/oder Effektstoffe üblicherweise zum Erzielen interessanter optischer Effekte, beim Vorhandensein von kosmetischen Wirkstoffen zum Erreichen der entsprechenden kosmetischen Wirkung oder gegebenenfalls auch als Peelingkörper eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich aber um bekannte Eigenschaften, und es werden auch keine spezifischen Angaben im Zusammenhang mit bestimmten vom vorliegenden Anspruch 1 abgedeckten Schwebkörpern und/oder Effektstoffen gemacht (vgl. Absatz [0005] bis [0006] der Patentspezifikation).
Da die im Anspruch genannten Kategorien von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen sehr unterschiedlich sind, wäre nicht von vornherein anzunehmen, dass sie alle eine gemeinsame Eigenschaft oder Wirkung (abgesehen vom bekannten Einsatz zum Erzielen optischer Effekte) aufweisen.
1.9 Laut der Beschwerdegegnerin ist die technische Aufgabe darin zu sehen, Kosmetika zu entwickeln, die ein großes Schaumvermögen und/oder angenehme sensorische Eigenschaften aufweisen. Der in D24 beschriebene Vergleichsversuch soll in diesem Zusammenhang belegen, dass der Zusatz von Schwebkörpern oder Effektstoffen zu einer Zubereitung, die dem Ausführungsbeispiel 4 aus D12 nachgearbeitet wurde, ein größeres Schaumvermögen und angenehmeres Hautgefühl bei der Anwendung bewirkt.
1.10 Zu diesem Zweck wurden gemäß D24 drei angeblich erfindungsgemäße Rezepturen in einem Anwendungstest mit dem Vergleichsbeispiel gemäß D12 verglichen. Diese drei Rezepturen enthielten als "erfindungsgemäße Abwandlung" folgende Zusätze:
1. 1 Gew.-% Nylon-12 (Orgasol 2002 D NAT COS; Fa. Arkema), in D24 als "Puderrohstoff" bezeichnet;
2. 1 Gew.-% Oryza Sativa (Rice) Bran Wax (Naturebead R20 U; Fa. Impag), in D24 als "Pflanzenfasern" bezeichnet;
3. 0,8% Polyethylen (Inducos 14/1 HN; Fa. Induchem), in D24 als "Glitterstoff" bezeichnet, kombiniert mit
0,4% Milchsäurebeades (Cospmospheres BMM-M; Fa. Rahn), in D24 als "Partikel mit verkapseltem Wirkstoff" bezeichnet.
1.10.1 Anders als in Anspruch 1 des erteilten Patents sind in Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags die Puderrohstoffe nicht mehr in der Auswahlliste für die obligatorischen Schwebkörper und/oder Effektstoffe enthalten. Damit entspricht die erste laut D24 getestete Rezeptur nicht der Definition des vorliegenden Anspruchs 1.
1.10.2 Was die zweite Rezeptur betrifft, so konnte die Beschwerdegegnerin zu dem verwendeten Inhaltsstoff keine weiteren Informationen z.B. in Form eines Datenblatts zur Verfügung stellen.
Das von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden 1 zitierte Datenblatt D39 weist ein Datum zwei Jahre nach Vorlage von D24 auf und nennt als Produktbezeichnung "Naturebead R20" statt "Naturebead R20 U" sowie als Firmenbezeichnung "Micro Powders, Inc." statt "Impag". Somit kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass D39 den in D24 genannten Inhaltsstoff betrifft. D39 kann somit nicht zur weiteren Information herangezogen werden.
Da also keine ergänzenden Informationen zur Verfügung stehen, ist zu ermitteln, ob sich aus der in D24 angegebenen Bezeichnung selbst ableiten lässt, ob es sich bei dem genannten Inhaltsstoff um Pflanzenfasern handelt.
Der Name "Oryza Sativa (Rice) Bran Wax" sagt allerdings eindeutig aus, dass es sich bei dem betreffenden Material um ein aus Reiskleie gewonnenes Wachs handelt, wobei Oryza sativa lediglich die botanische Bezeichnung für Reis ist. Es handelt sich also zwar um ein Material pflanzlichen Ursprungs, aber aus der Bezeichnung lässt sich in keiner Weise ableiten, dass ein pflanzliches Fasermaterial vorliegen würde.
Fasern sind zudem gemäß dem allgemein üblichen Verständnis dieses Ausdrucks unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass es sich um langgestreckte, dünne Gebilde handelt (vgl. übliche Lexika). Die Handelsbezeichnung "Naturebeads" lässt dagegen aufgrund des Ausdrucks "beads" (deutsche Bedeutung: Perlen, Kügelchen oder Körnchen) darauf schließen, dass ein gekörntes und somit nicht faserförmiges Material vorliegt. Aus dieser Bezeichnung lässt sich auch kein Hinweis darauf entnehmen, dass eventuell ein faserförmiges pflanzliches Material in die Kügelchen eingearbeitet sein könnte.
Die Bedeutung des in Anspruch 1 verwendeten Begriffs "Pflanzenfaser" ist für den Leser klar. Er bezeichnet ein faserförmiges Material pflanzlichen Ursprungs. Daher hat der Leser keinen Anlass, zur Auslegung dieses Begriffs auf die Beschreibung zurückzugreifen.
Im übrigen enthält die Beschreibung des Streitpatents nirgends eine besondere Definition für diesen Begriff, sondern erwähnt den Begriff "Pflanzenfasern" nur einmalig in einer Aufzählung in Absatz [0053] der Patentspezifikation. Diese Textstelle hat den folgenden Wortlaut:
"Erfindungsgemäss vorteilhaft können als Schwebkörper in dem erfindungsgemässen Kosmetikum und/oder Dermatikum praktisch alle üblichen in wässrigen Systemen nicht- oder schwerlösliche Festkörper gewählt werden. Zu nennen sind beispielsweise Polymerartikel oder Silikatpartikel mit Abbrasivwirkung (Scrubs), Partikel mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen u.ä. (Kapselmaterialien: Wachs, Polymere, natürliche Polymere), gefärbte Partikel ohne Wirkstoffe, Perlglanz- oder Trübungsmittel, Pigmente, Puderrohstoffe wie Talkum, Pflanzenfasern und andere mehr. Vorteilhaft können auch Effektstoffe wie Gasblasen, Farbschlieren und Glitterstoffe' sein."
Die Kategorie "alle üblichen in wässrigen Systemen nicht- oder schwerlöslichen Festkörper" stellt dabei keine Definition für Pflanzenfasern dar, sondern bezieht sich offensichtlich als Oberbegriff auf alle Elemente der darauf folgenden Liste möglicher fester Schwebkörper.
Dokument D40 wurde von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden 1 zur Illustration der allgemein bekannten Bedeutung des Begriffs "Faser" vorgelegt. Mit dem Einwand, D40 sei erst nach dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht, ignoriert die Beschwerdegegnerin, dass D40 naturgemäß keine neuen Erkenntnisse, sondern nur eine altbekannte Wortbedeutung präsentiert. Auch ohne Kenntnis von D40 würde der Fachmann aufgrund der altbekannten Bedeutung des Begriffs "Faser" ein Wachskügelchen nicht als Pflanzenfaser ansehen.
Somit kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass auch die zweite in D24 getestete Zubereitung nicht die Definition des vorliegenden Anspruchs 1 erfüllt.
1.10.3 Die dritte Rezeptur ist die einzige im Versuchsbericht D24 angegebene Rezeptur, die Partikel enthält, welche unter die Auswahl an Schwebkörpern und Effektstoffen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 fallen, nämlich Partikel mit verkapselter Milchsäure. Diese sind aber in der besagten Rezeptur mit Polyethylenpartikeln kombiniert, so dass eine im Vergleichstest eventuell beobachtete technische Wirkung keiner der beiden Partikelarten mit Sicherheit zugeschrieben werden könnte, was einen methodischen Mangel der Versuchsdurchführung darstellt. Selbst wenn beide Partikelarten unter die in Anspruch 1 genannte Liste fallen sollten (was seitens der Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die Polyethylenpartikel allerdings bestritten wurde), könnte keine Aussage dazu getroffen werden, ob eine gegebenenfalls beobachtete technische Wirkung auch mit einer der Partikelarten allein erzielt werden könnte. Damit ist der mit der dritten Zubereitung durchgeführte Versuch nicht aussagekräftig. Zudem hätte er wegen mangelnder Plausibilität auch keine Beweiskraft im Hinblick auf völlig andersartige Schwebkörper oder Effektstoffe, wie sie von Anspruch 1 ebenfalls umfasst sind (wie zum Beispiel Gasblasen, Farbschlieren oder Pflanzenfasern).
1.10.4 Da zwei der getesteten Zubereitungen nicht anspruchskonform sind und bei der dritten Zubereitung im Vergleich zu D12 zwei technische Merkmale geändert wurden, ist keiner der in D24 beschriebenen Vergleichstests geeignet, eine technische Wirkung zu belegen, die mit einer erfindungsgemäßen Zubereitung aufgrund des Zusatzes einer der anspruchsgemäßen Kategorien von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen erzielt würde.
1.11 Aus diesem Grund können die von der Beschwerdegegnerin behaupteten technischen Wirkungen (größeres Schaumvermögen und besonderes Hautgefühl bei bzw. nach der Anwendung) nicht zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe herangezogen werden.
1.12 Die technische Aufgabe kann auch nicht darin bestehen, die Reinigungszubereitungen optisch attraktiver zu gestalten. Da der vorliegende Anspruch 1 nicht auf Ausführungsformen eingeschränkt ist, bei denen die gelförmige Zubereitung B durchsichtig ist, wird diese Aufgabe durch die Einarbeitung von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen nämlich nicht unbedingt über die gesamte Anspruchsbreite gelöst, da in einer opaken Zubereitung die Schwebkörper/Effektstoffe nicht sichtbar wären.
1.13 Somit ist ausgehend von der Entgegenhaltung D12 und in Ermangelung eines Belegs für eine besondere technische Wirkung die technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer zweikomponentiger Zubereitungen mit einer Reinigungszubereitung und einer gelförmigen Zubereitung zu sehen.
1.14 Diese Aufgabe wird durch das in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Kosmetikum und/oder Dermatikum gelöst, in welchem die gelförmige Zubereitung B bestimmte Schwebkörper und/oder Effektstoffe enthält.
Naheliegen der Lösung
1.15 Im Streitpatent selbst wird anerkannt, dass es im Stand der Technik bekannt und üblich ist, kosmetischen Gelen Schwebkörper und Effektstoffe zuzusetzen. Zu den üblichen Zusätzen dieser Art zählen dabei laut Aussage des Streitpatents Partikel mit verkapselten Wirkstoffen oder Ölen, Pflanzenfasern, Gasblasen, Farbpartikel oder Glitterstoffe (vgl. Absätze [0004], [0005] und [0053] der Patentspezifikation).
1.16 Zusätzlich sind Partikel mit verkapselten Wirkstoffen bzw. Ölen beispielsweise aus D9 bekannt, wo sie zur ästhetischen Aufwertung von gelförmigen Reinigungsprodukten sowie zur Einbringung von Pflegewirkstoffen eingesetzt werden (D9: Ansprüche; Spalte 3, Zeile 46 bis Spalte 4, Zeile 31).
1.17 Infolgedessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags angesichts des bekannten Standes der Technik (s.o. Punkt 1.15 und 1.16) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht, da die Modifikation mit Hilfe von Schwebkörpern bzw. Effektstoffen somit zur Lösung der technischen Aufgabe naheliegend ist.
2. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge
2.1 An der im Zusammenhang mit Anspruch 1 des Hauptantrags erläuterten Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ändert sich nichts durch die Streichung bestimmter Komponenten aus der Liste von Schwebkörpern und/oder Effektstoffen in Anspruch 1, da dieselben Schlussfolgerungen für alle in Anspruch 1 des Hauptantrags aufgelisteten Komponenten einschließlich Pflanzenfasern gelten (s.o. Punkt 1.15 bis 1.17). Die Beschwerdegegnerin hat für die Hilfsanträge keine weiteren Argumente vorgelegt.
2.2 Aufgrund dessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass auch der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten und des zweiten Hilfsantrags jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
3. Bedingter Hilfsantrag auf Vorlage von Rechtsfragen gemäß Artikel 112(1)a) EPÜ
3.1 Wie obenstehend erörtert ist die Kammer im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu der Auffassung gelangt, dass die mit D24 vorgelegten Vergleichsversuche nicht als geeignet angesehen werden können, um die von der Beschwerdegegnerin behaupteten technischen Wirkungen im Zusammenhang mit der Verwendung der anspruchsgemäßen Schwebkörper bzw. Effektstoffe zu belegen (s.o. Punkt 1.9 bis 1.10.4, vgl. Punkt IX.f). Als Konsequenz daraus wird die technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer Zubereitungen gesehen, und es ist das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für alle Anträge zu verneinen (s.o. Punkt 1.11 bis 2.2).
3.2 Es kommt infolgedessen für die Entscheidung der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht auf die Frage an, ob die Verbesserung des Schaumvermögens schon deshalb als mögliche Aufgabenstellung auszuschließen wäre, weil ein Zusammenhang zwischen der Auswahl spezieller Schwebkörper und Effektstoffe und einer Verbesserung des Schaumvermögens aus der ursprünglichen Fassung der Anmeldung nicht hätte abgeleitet werden können (vgl. Punkt IX.c). Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob die Beurteilung dieses Aspekts durch die Kammer von der ständigen Rechtsprechung der Kammern abweicht.
3.3 Infolgedessen erübrigt sich eine Entscheidung über den bedingten Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin auf die Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.