T 0642/11 () of 21.11.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T064211.20121121
Datum der Entscheidung: 21 November 2012
Aktenzeichen: T 0642/11
Anmeldenummer: 04100372.4
IPC-Klasse: B25B 27/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 145 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ausbauwerkzeug zum Extrahieren von spiralförmigen Gewindeeinsätzen sowie Anwendung des Ausbauwerkzeugs
Name des Anmelders: Alstom Technology Ltd
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Klarheit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 2, Hilfsantrag 3): nein
Zulassung ins Verfahren (Hilfsantrag 4): nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 04 100 372.4 Beschwerde eingelegt.

Die Zurückweisung der Anmeldung war u.a. damit begründet worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag, d.h. des Anspruchs 1 wie ursprünglich eingereicht, sowie auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem mit Schreiben vom 11. September 2010 eingereichten Hilfsantrag, nicht neu (Artikel 54 EPÜ) gegenüber dem aus der D5 (US 2 244 824 A) bekannten Ausbauwerkzeug sei.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte während der am 21. November 2012 durchgeführten mündlichen Verhandlung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des ursprünglich eingereichten Anspruchssatzes (Hauptantrag) oder hilfsweise auf der Basis von Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag (1), eingereicht mit Schriftsatz vom 11. September 2010, oder

von Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 1. März 2011, oder

eines der Anspruchssätze, eingereicht als Hilfsanträge 3 und 4 mit Schriftsatz vom 12. November 2012,

mit der Maßgabe, dass in Anspruch 12 des Hauptantrages, auf den die Hilfsanträge 1 und 2 Bezug nehmen, nach "Anwendung des Ausbauwerkzeuges (20) nach einem der Ansprüche 1 bis 11 zum Ausbauen eines Gewindeeinsatzes (33)" der Passus ", insbesondere" gestrichen wird.

III. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag, d.h. der ursprünglich eingereichte Anspruch 1, lautet wie folgt:

"Ausbauwerkzeug (20) zum Extrahieren von spiralförmigen Gewindeeinsätzen (19, 33), insbesondere durch Inspektionsöffnungen (12, 15, 34) hindurch, welches Ausbauwerkzeug (20) einen länglichen Grundkörper (23,.. ,26) umfasst, an dessen einem Ende eine sich nach vorne zu verjüngende Ausziehspitze (28) zum einschneidenden Einführen in den zu extrahierenden Gewindeeinsatz (19, 33), und an dessen anderem Ende Mittel (23) zum Drehen des Ausbauwerkzeugs (20) um die Werkzeuglangsachse vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Ausziehspitze (28) zumindest abschnittweise die Form eines steilen Pyramidenstumpfes (28.1) aufweist".

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (1) weist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale auf:

"der sich beim Eindrücken der Ausziehspitze (28) in den Gewindeeinsatz mit den Kanten drehfest in den Gewindeeinsatz eindrückt und ihn gleichzeitig klemmend auf der Ausziehspitze (28) fixiert, so dass er einfach herausgedreht und sicher auf der Ausziehspitze (28) sitzend, insbesondere durch die Inspektionsöffnung hindurch, herausgezogen werden kann".

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 weist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale auf:

"derart, dass die Kanten der Ausziehspitze (28) sich in den Gewindeeinsatz (33) praktisch über die gesamte Tiefe, mit der die Ausziehspitze (28) in den Gewindeeinsatz (33) eintaucht, eindrücken, wenn die Ausziehspitze (28) durch Schläge auf das hintere Ende des Ausbauwerkzeuges (20) derart in den Gewindeeinsatz (33) getrieben wird".

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 weist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale auf:

"dass die Ausziehspitze (28) einen quadratischen Querschnitt aufweist, und dass der Neigungswinkel der Flächen des Pyramidenstumpfes (28.1) gegenüber der Senkrechten nur wenige Grad beträgt".

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 4 weist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale auf:

"dass die Ausziehspitze (28) einen quadratischen Querschnitt aufweist, und dass der Neigungswinkel der Flächen des Pyramidenstumpfes (28.1) gegenüber der Senkrechten etwa 1,5º beträgt".

IV. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag (1), Hilfsantrag 2 bzw. Hilfsantrag 3: Klarheit, Artikel 84 EPÜ

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

Der Begriff "steil", welcher in Anspruch 1 im Zusammenhang mit dem Pyramidenstumpf benutzt werde, sei ein "relativer" Begriff, welcher ohne weiteres im Lichte der gesamten Offenbarung der vorliegenden Anmeldung einfach zu interpretieren sei.

Den Absätzen [0009] und [0017] und der Figur 5b der veröffentlichten Anmeldung sei nämlich zu entnehmen, dass der Begriff "steil" im Sinne der vorliegenden Anmeldung so zu definieren sei, dass die Neigung des Pyramidestumpfes es ermögliche, dass die Ausziehspitze, d.h. der Pyramidenstumpf, durch Schläge auf das hintere Ende des Ausbauwerkzeugs derart in den Gewindeeinsatz getrieben werden könne, dass die Kanten der Ausziehspitze sich praktisch über die gesamte Länge des Gewindeeinsatzes, d.h. fast bis zu seiner letzten Windung eintauchen und sich somit in fast allen seinen Windungen einschneiden, wobei in einer Endposition die erste Windung von der Ausziehspitze nur soweit eingeschnitten werde, dass die Kanten der Ausziehspitze und die erste Spitze des Innengewindes, in dem der Gewindeeinsatz eingeschraubt ist, gerade noch nicht in Berührung miteinander kommen. Solches werde mit der Seite 2/2 der Anlage A zum Protokoll illustriert.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (1)

Die in den Anspruch 1 des Hilfsantrags (1) zusätzlich aufgenommenen Merkmale seien dem Absatz [0004] der veröffentlichten Anmeldung entnommen worden und beschreiben die Wirkungsweise des Ausbauwerkzeugs.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

Die in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zusätzlich aufgenommenen Merkmale wurden dem Absatz [0009] der veröffentlichten Anmeldung entnommen. Sie definieren jetzt ausdrücklich, was der Fachmann unter dem Begriff "steil" zu verstehen habe, nämlich das zum Anspruch 1 des Hauptantrags vorgetragene (siehe oben).

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3

Das in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach der Neigungswinkel "wenige Grad" betrage, sei dem ursprünglich eingereichten Anspruch 3 entnommen worden und stelle für den Fachmann klar, dass der Begriff "steil" einen Neigungswinkel im Bereich von "wenige Grad" definiere.

Zulassung ins Verfahren vom Hilfsantrag 4: prima facie Gewährbarkeit - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem aus der D5 bekannten Ausbauwerkzeug dadurch, dass der Neigungswinkel der Flächen des Pyramidenstumpfes gegenüber der Senkrechten etwa 1,5º betrage.

Die zu lösende Aufgabe sei darin zu sehen, das aus der D5 bekannte Ausbauwerkzeug so weiter zu entwickeln, dass es, durch Inspektionsöffnungen hindurch Gewindeeinsätze durch vollständiges Eindrücken und Klemmen einfach und sicher ausbauen bzw. entfernen könne.

Die im Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung werde dem Fachmann durch keiner der vorliegenden Entgegenhaltungen nahelegt.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag (1), Hilfsantrag 2, bzw. Hilfsantrag 3: Klarheit, Artikel 84 EPÜ

1.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

1.1.1 Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass der im Anspruch 1 benutzte Begriff "steile[r] Pyramidenstumpf", welcher zur Bestimmung der Neigung des Pyramidenstumpfes verwendet wird, ein relativer und somit ein interpretationsbedürftiger Begriff sei.

1.1.2 Es ist daher im vorliegenden Fall zu untersuchen, ob dieses Interpretationsbedürfnis für den Begriff "steile[r] Pyramidenstumpf" durch die sich in der ursprünglichen Anmeldung befindende Information gestillt wird.

1.1.3 Die Beschwerdeführerin trug diesbezüglich vor, dass gemäß der sich in der ursprünglichen Anmeldung befindende Information der Fachmann den Begriff "steile[r] Pyramidenstumpf" so interpretieren würde, dass dadurch ein Neigungswinkel der Flächen des Pyramidenstumpfes definiert werde, welcher es ermögliche, dass die Ausziehspitze, d.h. der Pyramidenstumpf, durch Schläge auf das hintere Ende des Ausbauwerkzeugs derart in den Gewindeeinsatz getrieben werden könne, dass die Kanten der Ausziehspitze sich praktisch über die gesamte Länge, d.h. ungefähr bis zur letzten Windung des Gewindeeinsatzes in den Gewindeeinsatz eintauchen und sich somit in fast allen seinen Windungen einschneiden, wobei, in einer Endposition der Ausziehspitze, diese die erste Windung nur soweit einschneidet, dass die Kanten der Ausziehspitze und die erste Spitze des Innengewindes, in dem der Gewindeeinsatz eingeschraubt ist, gerade noch nicht in Berührung miteinander kommen.

Gemäß der Argumentation der Beschwerdeführerin sei diese Information der Figur 5b sowie den Absätzen [0009] und [0017] der veröffentlichten Anmeldung, welche den Textstellen auf Seite 3, Zeile 30 bis Seite 4, Zeile 3 und auf Seite 6, Zeile 29 bis Seite 7, Zeile 14 der ursprünglich eingereichten Beschreibung entsprechen, zu entnehmen. Sie wurde mit der Zeichnung 2/2 der Anlage A zum Protokoll veranschaulicht.

1.1.4 Die Kammer bemerkt zunächst, dass der von der Beschwerdeführerin angegebene Absatz [0009] der veröffentlichten Anmeldung eine bevorzugte Ausgestaltung eines Anwendungsverfahrens beschreibt und sich somit nicht auf strukturelle Merkmale des Ausbauwerkzeugs gemäß Anspruch 1 bezieht. Außerdem gibt der oben zitierte Absatz an, dass "die Kanten der Ausziehspitze sich in den Gewindeeinsatz praktisch über die gesamte Tiefe, mit der die Ausziehspitze in den Gewindeeinsatz eintaucht, eindrücken" (Hervorhebung durch die Kammer). Mit dem Begriff " die gesamte Tiefe" wird offensichtlich die jeweilige Länge des durch Schläge in den Gewindeeinsatz getriebenen Ausziehspitzenteils definiert, und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, die Gesamtlänge des Gewindeeinsatzes.

1.1.5 In dem von der Beschwerdeführerin zitierten Absatz [0017] der veröffentlichten Anmeldung ist u.a. angegeben, dass die Ausziehspitze durch Hammerschläge "nahezu vollständig" in den Gewindeeinsatz hineingetrieben wird und dass dabei die Kanten des Pyramidenstumpfes sich so in den Gewindeeinsatz einschneiden, dass die Ausziehspitze drehfest im Gewindeeinsatz sitzt. Obwohl in diesem Absatz von der Gesamtlänge der Ausziehspitze die Rede ist, wird jedoch dort nicht definiert, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, dass diese Gesamtlänge im Eingriff mit dem gesamten Gewindeeinsatz steht.

1.1.6 Der Figur 5b könnte entnommen werden, dass die Ausziehspitze in ihrem Endzustand gerade bis zum Ende des Gewindeeinsatzes kommt, wobei über das Maß des Einschneidens in den Gewindeeinsatz dieser Figur nichts zu entnehmen ist. Ein tieferes Einschneiden, bis praktisch zu der ersten Spitze des Innengewindes, in dem der Gewindeeinsatz eingeschraubt ist, wie es von der Beschwerdeführerin behauptet, ist dieser Figur sicherlich nicht zu entnehmen.

1.1.7 Die Kammer stellt somit fest, dass für die von der Beschwerdeführerin aufgestellte These (siehe Punkt 1.1.3 oben) über eine klare und eindeutige Interpretation des Begriffes "steile[r] Pyramidenstumpf", in keiner der von ihr zitierten Stellen der ursprünglichen Beschreibung bzw. in der Figur 5b eine Basis zu finden ist.

1.1.8 Somit fehlt der ursprünglich eingereichten Anmeldung jegliche Basis, welche eine klare und eindeutige Interpretationsmöglichkeit des Begriffes "steile[r] Pyramidenstumpf" ermöglichen würde. Demzufolge hat dieser Begriff als unklar zu gelten und Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt daher auch nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

1.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (1)

1.2.1 Die in den Anspruch 1 des Hilfsantrags (1) aufgenommene zusätzliche funktionelle Merkmale gegenüber dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag wurden dem Absatz [0004] der veröffentlichten Anmeldung entnommen und beschreiben, wie es auch von der Beschwerdeführerin eingeräumt wurde, nur allgemein die Wirkungsweise des Ausbauwerkzeugs, ohne dabei den Begriff "steil" zu verdeutlichen.

1.2.2 Diese rein funktionellen Merkmale tragen daher zur Überzeugung der Kammer zur Klarstellung des bemängelten Merkmals "steile[r] Pyramidenstumpf" des Ausbauwerkzeugs gemäß Anspruch 1 nichts bei. Dieser Feststellung der Kammer wurde auch seitens der Beschwerdeführerin während der Diskussion im Termin der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten.

1.2.3 Die unter den Punkten 1.1.4 bis 1.1.8 oben angegebene Argumentation bzw. Schlussfolgerung in Bezug auf den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag behält demnach auch in Bezug auf den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (1) ihre Gültigkeit.

1.2.4 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (1) erfüllt folglich ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

1.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

1.3.1 Die in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zusätzlich aufgenommenen Merkmale, wonach

"die Kanten der Ausziehspitze (28) sich in den Gewindeeinsatz (33) praktisch über die gesamte Tiefe, mit der die Ausziehspitze (28) in den Gewindeeinsatz (33) eintaucht, eindrücken, wenn die Ausziehspitze (28) durch Schläge auf das hintere Ende des Ausbauwerkzeuges (20) derart in den Gewindeeinsatz (33) getrieben wird",

betreffen zur Überzeugung der Kammer ausschließlich Merkmale des Ausziehverfahrens, welche zur weiteren Charakterisierung, Klarstellung bzw. Präzisierung des Begriffes "steile[r] Pyramidenstumpf" in Bezug auf das im Anspruch 1 beanspruchte Ausbauwerkzeug keinen Beitrag leisten können. Denn diese Merkmale sind identisch mit den Merkmalen des Absatzes [0009] (und des Anspruchs 13) der veröffentlichten Anmeldung, die bereits unter den Punkten 1.1.4 und 1.1.8 oben besprochen wurden und auch in Bezug auf den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ihre Gültigkeit behalten.

1.3.2 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist somit auch als nicht deutlich gefasst zu betrachten und erfüllt folglich gleichfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

1.4 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3

1.4.1 Das in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach der Neigungswinkel "wenige Grad" beträgt, wurde dem ursprünglich eingereichten Anspruch 3 entnommen und soll, gemäß der Argumentation der Beschwerdeführerin, dem Fachmann verdeutlichen, dass der Begriff "steil" einen Neigungswinkel im Bereich von "wenige Grad" definiere.

1.4.2 Die Kammer stellt zunächst fest, dass seitens der Beschwerdeführerin eingeräumt wurde, dass auch der Begriff "wenige Grad" ein relativer Begriff ist, welcher keine genaue Grad- bzw. Winkel-Bestimmung erlaubt.

1.4.3 Die Interpretation eines ersten relativen und somit unklar definierten Begriffes, im vorliegenden Fall der Begriff "steile[r] Pyramidenstumpf", kann anhand eines zweiten relativen und somit ebenfalls nicht klar definierten Begriffes, im vorliegenden Fall der Begriff "wenige Grad", denklogisch nicht zu einer klaren Definition bzw. Bestimmung des ersten Begriffes führen.

1.4.4 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 erfüllt folglich auch nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

1.5 Dadurch, dass die Diskussion der Klarheit der Ansprüche 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen (1) und 2 auch direkte Auswirkungen auf den Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 hatte, hat sich für die Kammer die Klärung der Zulassung dieses letzten Antrags ins Verfahren erübrigt.

2. Zulassung ins Verfahren vom Hilfsantrag 4: prima facie Gewährbarkeit - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

2.1 In ihrer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Auffassung mit, wonach - wie von der Prüfungsabteilung bereits geltend gemacht wurde - der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unklar sei und außerdem keine Neuheit aufweise. Die Kammer wies unter Punkt 8 dieser Mitteilung auch auf Folgendes hin:

"Eine etwaige Erwiderung auf diese Mitteilung ist spätestens einen Monat vor der mündlichen Verhandlung einzureichen. Die Zulassung ins Verfahren neuer Tatsachen und Beweismitteln unterliegt den Bestimmungen des Artikels 114 (2) EPÜ und der Artikel 12 und 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern".

2.2 Am 12. November 2012, d.h. erst neun Tage vor der mündlichen Verhandlung und somit weit innerhalb des seitens der Kammer gesetzten Zeitraums, reichte die Beschwerdeführerin ohne jegliche Angabe von Gründen für die Verspätung zwei neue Anspruchsätze in Form der Hilfsanträge 3 und 4 ein.

Die einzige Erklärung zur Einreichung dieser Hilfsanträge war die Folgende:

Der Hilfsantrag 3 beseitige die beanstandete Unklarheit in Anspruch 12 und fasst die Ansprüche 1 bis 3 ohne die optionalen 1,5º zusammen. Der Hilfsantrag 4 nehme die 1,5º mit in den Hauptanspruch auf und streicht den Anspruch 13, um die dort beanstandete Unklarheit zu beseitigen. Die anderen Änderungen seien nur formeller Natur (Umnummerierung der Ansprüche).

2.3 Die Zulassung von in einem späten Zeitpunkt des Verfahrens eingereichten Anträgen ist u.a. davon abhängig, ob seitens der Beschwerdeführerin auch in substantiierter Weise dargelegt wird, in welcher Weise zuvor von der Kammer geäußerte Bedenken gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 (hier mangelnde Klarheit und mangelnde Neuheit) überwunden werden sollen bzw. wieso der geänderte Anspruch 1 prima facie gewährbar sei, indem er u.a. auch eine erfinderische Tätigkeit aufweise.

Diesem Maßstab genügen die oben wiedergegebenen Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht. Denn eine substantiierte Argumentation zu den Gegenständen der Ansprüche der vorgelegten Hilfsanträge in Bezug auf Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit im Lichte des vorliegenden Standes der Technik und der in der o.g. Mitteilung der Kammer vorgetragenen Argumenten ist in dem o.g. Schreiben der Beschwerdeführerin nicht zu finden.

2.4 Dass ein substantiierter Vortrag zu etwaigen Hilfsanträgen notwendig ist, hatte die Kammer schon in ihrem Ladungsbescheid, siehe Punkt 6, der Beschwerdeführerin mitgeteilt, wo es den ebenfalls ohne jegliche Begründung eingereichten Hilfsantrag 2 betraf.

2.5 Nach der Feststellung der fehlenden Begründung zur Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 dieses Antrags wurde der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit geboten, zur prima facie Gewährbarkeit dieses Antrags Stellung zu nehmen.

2.5.1 Nach Artikel 13 (1) EPÜ VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Anmelders nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Für die beiden letzten Kriterien erachtet die Kammer es für wesentlich, dass etwaige spät eingereichte Anträge zumindest prima facie gewährbar sind.

2.5.2 Es war in der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags von dem aus der D5 bekannten Ausbauwerkzeug nur dadurch unterscheidet, dass der Neigungswinkel der Flächen des Pyramidenstumpfes gegenüber der Senkrechten etwa 1,5º beträgt. Nach Meinung der Beschwerdeführerin würde damit die Wirkung erzielt, dass das Ausziehwerkzeug nach Hammerschlägen in den Gewindeeinsatz sich so einschneidet, wie es in Punkt 1.1.3 oben beschrieben worden ist.

2.5.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin für diese Wirkung kein konkretes Beweismittel vorlegen konnte. Weiter ist der Argumentation der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 bis auf die Angabe dieses bestimmten Winkelwertes keine weitere Dimensionsangaben beinhaltet. Weder die Länge oder der innere Durchmesser des zu extrahierenden Gewindeeinsatzes, noch die Länge oder der äußere maximale Umfang des Pyramidenstumpfes, bzw. das Verhältnis zwischen dem inneren Durchmesser des zu extrahierenden Gewindeeinsatzes und dem maximalen Außenumfang des Pyramidenstumpfes sind darin angegeben. Ohne solche weitere Angaben kann der genannte Winkelwert 1,5º nicht dafür sorgen, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wirkung immer erreicht wird. Diese Tatsache wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht infrage gestellt.

2.5.4 Wenn bereits das Erreichen der behaupteten Wirkung mit den vorhandenen Anspruchsmerkmalen fraglich ist, erledigt sich eine weitere Diskussion zum prima facie Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit.

2.6 Unter Berücksichtigung dieser Umstände lässt die Kammer gemäß Artikel 13 (1) VOBK den Hilfsantrag 4 ins Beschwerdeverfahren nicht zu.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation